Skip to content

No pasarán: Aufruf zum 13. Februar 2011 mit UnterstützerInnen

Via AK Antifa Dresden gibt es einen weiteren Aufruf gegen den Naziaufmarsch in Dresden, der sich auch mit den Themen "Extremismusdebatte" und dem Opfermythos auseinandersetzt:

Aufruf zum 13. Februar 2011

NO PASARAN!

NAZIS BLOCKIEREN, EXTREMISMUSQUATSCH ANGREIFEN, OPFERMYTHEN BEKÄMPFEN

Am 13. Februar 2010 haben wir in Dresden mit entschlossenen Blockadeaktionen den größten und wichtigsten Naziaufmarsch Europas in Dresden verhindert. Wir haben den Rahmen des symbolischen Protests verlassen und mit der Aktionsform Massenblockade den kollektiven Ungehorsam auch nach Dresden getragen. Mit Tausenden von Menschen, haben wir den Ort der Auftaktkundgebung der Nazis umzingelt und konnten so den Naziaufmarsch verhindern. Die Nazis mussten völlig frustriert die Heimreise antreten.

Auch im kommenden Februar werden wir den geplanten Naziaufmarsch in Dresden verhindern. Dazu werden wir wieder mit Tausenden von Menschen Massenblockaden errichten und mit allen solidarisch sein, die unser Ziel der Verhinderung des Aufmarsches teilen.

Der alljährlich als Trauermarsch inszenierte Großaufmarsch stellt mit zuletzt über 6.000 TeilnehmerInnen den größten Naziaufmarsch Europas dar. Aber er ist nicht nur wegen seiner Größe relevant, sondern auch wegen seiner Ausstrahlungswirkung ins europäische Ausland und seiner Binnenwirkung in die verschiedenen, sonst oft zerstrittenen Spektren der Nazis. Autonome Nationalisten, NPD, DVU, der ganz rechte Rand von Burschenschaften und Verbänden sowie Nazis aus anderen europäischen Ländern kamen zusammen und konnten sich gemeinsam als mächtige Bewegung darstellen und erleben.

Dresden, Deutschland -“ alles Opfer ?!?

Der Naziaufmarsch in Dresden zeigt darüber hinaus auch besonders deutlich, dass bestimmte geschichtspolitische Diskurse der gesellschaftlichen Mitte anschlussfähig für Nazipropaganda sind.

Die Nazis versuchen -“ der NS-Propaganda folgend -“, die Bombardierung zu einem „Völkermord aus der Luft“ zu stilisieren. In gewisser Weise knüpfen sie damit an gesamtdeutsche und Dresdener Diskurse zur Bombardierung Dresdens im Februar 1945 an. Dresden war und ist ein zentrales Motiv für das Leiden der „unschuldigen Zivilbevölkerung“ geworden, für ein Geschichtsbild also, in dem auch die Deutschen während des Nationalsozialismus vor allem Opfer waren.

Der „Mythos Dresden“ handelt von einem „sinnlosen Angriff“ auf eine „unschuldige Kulturstadt“ („Elbflorenz“) und ihre Zivilbevölkerung, bis hin zu angeblichen Tieffliegerangriffen auf ZivilistInnen. Diesem „sinnlosen Vernichtungswahn“ seien Hunderttausende zum Opfer gefallen. Doch Dresden war keine unschuldige Stadt. Dresden war, wie alle deutschen Städte, eine nationalsozialistische Stadt. Auch die Dresdener Bevölkerung hat das nationalsozialistische Regime und damit dessen Verbrechen mitgetragen. Zudem war Dresden Garnisonsstadt und ein wichtiger logistischer Knotenpunkt in Richtung Osten.

Dennoch ist der „Mythos Dresden“ seit jeher im deutschen Geschichtsdiskurs fest verankert. Die Nazis nutzten schon 1945 die Bombardierung für ihre Propaganda eines „Vernichtungskriegs gegen Deutschland“, um die Deutschen zum fanatischen Endkampf anzustacheln. Die BRD-Geschichtsschreibung knüpfte hieran an, das Dresden-Buch des Holocaustleugners David Irving stand als Standardwerk in vielen westdeutschen Wohnzimmern. Die Haltung in der sowjetischen Zone stellte sich nach Kriegsende zunächst deutlich anders, hier wurde die Zerstörung als Resultat des deutschen Angriffskrieges anerkannt. Später jedoch erklärte die DDR-Führung die Zerstörung Dresdens zur antisowjetischen Machtdemonstration der Westalliierten, denen im Februar 1945 bereits klar gewesen sei, dass Dresden zur sowjetischen Besatzungszone gehören würde. Dabei übernahm die DDR auch Teile der NS-Propaganda, insbesondere die grotesk überhöhten Todeszahlen. Ihre Interpretation, die die antiimperialistische Frontstellung im „Kalten Krieg“ unterstützen sollte, verfestigte den Opfermythos in Dresden. Auch in den 90er-Jahren blieb zunächst das verbreitete Bild der „verbrecherischen“ Bombardierung mit hunderttausenden Toten bestehen.

Ab Anfang der 90er geriet der 13. Februar in das Blickfeld organisierter Nazis, die zunächst ungestört an den Trauerfeierlichkeiten teilnehmen konnten. Anfangs mischten sie sich unter die BürgerInnen vor der Frauenkirche, 2000 gab es den ersten größeren Aufmarsch der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO) mit 500 TeilnehmerInnen. Auch diesem Aufmarsch wurde fast kein politischer Widerstand entgegengebracht. Dadurch ermutigt und mit der Erfahrung, an den herrschenden bürgerlichen Gedenkdiskurs anknüpfen zu können, kamen in den folgenden Jahren immer mehr Nazis nach Dresden. 2009 fand der bislang größte Aufmarsch mit mehr als 6.000 TeilnehmerInnen statt. Daneben beteiligten sich die Nazis an den offiziellen Feierlichkeiten am Dresdener Heidefriedhof, wo sie lange Zeit Seite an Seite mit bürgerlichen Parteien und Verbänden Kränze ablegen konnten. Auch 2010 fand das Gedenken auf dem Heidefriedhof im Beisein der sächsischen NPD-Fraktion sowie ca. 80 anderer Nazis statt, die allerdings nach Ende des offiziellen Aktes zum Kranzabwurf schreiten konnten
Tote leben länger -“ Mythos bleibt Mythos

In den letzten Jahren zeigt sich das Dresdener Gedenken deutlich moderner -“ nicht zuletzt auch nachdem antifaschistische Initiativen die Naziaufmärsche thematisiert hatten. So führte die Beauftragung einer unabhängigen Historikerkommission zur Untersuchung der Angriffe durch die Stadt Dresden zu einer teilweisen Versachlichung der sehr emotionalisierten Debatte. Seit dem wird auch offiziell von 22.700-25.000 Toten durch die Bombardierung gesprochen. Anstatt nur auf die eigene Opferrolle abzustellen, kam und und kommt es zu einer stärkeren Betonung der deutschen Verbrechen; diese werden allerdings immer nur zur Erklärung der Ursachen der Bombardierung genannt und verblassen damit hinter dieser.
Zentral ist und bleibt die Metapher von Dresden als „Opfer des Krieges“; die Stadt wird mit Stätten deutscher Verbrechen wie Coventry, Warschau oder Auschwitz in eine Reihe gestellt. Die Metapher vom „Krieg“ als grausame Ausnahme von der Zivilisation erlaubt es, die deutsche Schuld an Vernichtungskrieg und Holocaust hinter der Inszenierung als Opfer des Krieges verschwinden zu lassen. Gleichzeitig kann Dresden sich „weltoffen“ geben und die wiederaufgebaute Frauenkirche als ein Symbol für eine geläuterte Stadt präsentieren, die die Vergangenheit auch materiell bewältigt hat. Für dieses modernisierte Gedenken dient der Nazi-Aufmarsch als willkommene Möglichkeit zur Abgrenzung und zum Beweis der eigenen Läuterung. Ein Ausdruck hiervon war die von der Oberbürgermeisterin Helma Orosz organisierte Menschenkette am 13. Februar 2010, die gleichzeitig der „Opfer des Krieges“ gedenken und ein „Zeichen gegen Rechtsextremisten“ setzen sollte.

Dresden bleibt also auf den 13. Februar und die eigene Opferidentität fixiert. Den Opfern der Bombardierungen wird in mehreren Veranstaltungen mit hoher PolitikerInnendichte gedacht. Ein vergleichbares Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus findet hingegen kaum statt -“ weder am 8. Mai (Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus), dem 27. Januar (Jahrestag der Befreiung von Auschwitz) noch am 9. November (Jahrestag der Reichspogromnacht). Schließlich zeigt auch die aktuelle Debatte um ein neues Denkmal für die Opfer des 13. Februar auf dem zentralen Altmarkt, dass der Kern des modernisierten Gedenkens auch immer noch der Dresdener Opfermythos ist.

Erinnerungsweltmeister mit militärischer Machtpolitik

Der geschichtspolitische Diskurs um den „Mythos Dresden“ kann dabei, trotz einiger lokaler Besonderheiten, als perfektes Beispiel für die gesamtdeutsche Geschichtspolitik stehen. Denn auch die bundesweiten Eliten streiten seit längerem dafür, weniger über deutsche Schuld und mehr über deutsche Opfer zu sprechen. ZDF-Zweiteiler, Spiegel-Artikel, populärhistorische Bücher; Vertriebene, Dresden, Gustloff -“ seit über zehn Jahren werden wir immer und immer wieder mit deutschem Leid bombardiert, und das Ganze auch beim zehnten Bestseller-Buch noch mit der Attitüde des mutigen Tabubruchs.

Neben der Betonung der deutschen Opfer gibt es aber noch einen zweiten Aspekt deutscher Geschichtspolitik, der auf dem Bild des „geläuterten Deutschlands“ aufbaut, das seine Geschichte erfolgreich „aufgearbeitet“ habe. Spätestens seit der rot-grünen Bundesregierung wird so durchaus wieder an deutsche Schuld erinnert -“ wenn man diese Erinnerung im Sinne deutscher Machtinteressen wenden kann. Gerade wegen seiner Schuld an Vernichtungskrieg und Shoah und wegen der vorbildlichen „Aufarbeitung“ dieser Schuld sei Deutschland nun dazu prädestiniert, in Europa und der Welt dafür zu sorgen, dass „so etwas nie wieder passiert“ -“ und das natürlich auch mit militärischen Mitteln. Ein solcher Diskurs lässt sich für die Normalisierung des Militärischen und die Militarisierung nach innen nutzbar machen, und das machen die deutschen Eliten in perfekter Arbeitsteilung: Die Teilnahme an der Bombardierung Jugoslawiens 1999 wurde noch unter Verweis auf Auschwitz und mit den Tränen ex-pazifistischer grüner Bundestagsabgeordneter verkauft, die „doch irgendetwas dagegen tun“ mussten. Inzwischen ist die deutsche Teilnahme an Kriegshandlungen so selbstverständlich geworden, dass als Begründung die „Verteidigung deutscher Interessen“ ausreicht. Die schwarz-gelbe Koalition kann nun verstärkt daran arbeiten, den Militarismus auch im Alltag zu verankern -“ mit Jugendoffizieren an den Schulen, noch mehr Gelöbnissen in der Öffentlichkeit und „Heldengedenkfeiern“ für getötete Soldaten.

Von Hufeisen und Extremismusquatsch

Gleichzeitig werden diejenigen, die sich gegen eine solche Politik wehren und die aus der historischen deutschen Schuld ganz andere Schlüsse ziehen wollen, mit der Extremismusdoktrin bekämpft. Diese sieht „Linksextremisten“ und „Rechtsextremisten“ als gleichwertige Bedrohungen für die „demokratische Mitte“ an, die gleichermaßen bekämpft werden müssen und die einander näher stehen als der Mitte. Diejenigen, die sich nicht nur aktiv gegen Nazis stellen sondern auch den Rassismus der Mitte, ein auf Ausbeutung basierendes Wirtschaftssystem und die Einteilung der Menschen in „nützlich“ und „unnütz“ angreifen, sollen also letztlich auch nicht anders sein als die Nazis.

Bei der Umsetzung dieser absurden These sind die sächsischen Behörden ganz vorne mit dabei. Das zeigte sich z.B. Anfang 2010 mit dem Versuch der Kriminalisierung von „Dresden Nazifrei“. Die Staatsanwaltschaft ließ mehrere Objekte durchsuchen, um Mobilisierungsmaterial sicherzustellen. Der legitime Aufruf zum Blockieren des Naziaufmarsches wurde zum Aufruf zu Straftaten erklärt.

Ein besonders anschauliches Beispiel, wie reaktionäre Geschichtspolitik mit dem Mantel der „Extremismusbekämpfung“ verdeckt wird, ist das neue Sächsische Versammlungsgesetz, das „Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen setzen“ soll. Das Gesetz verbietet u.a. Demos, die „Organe oder Vertreter der nationalsozialistischen oder kommunistischenGewaltherrschaft als vorbildlich oder ehrenhaft darstellen.“ Es stellt damit die Rote Armee mit SS-Verbänden, also die Befreier von Auschwitz mit den Betreibern von Auschwitz, auf eine Stufe -“ eine glasklare NS-Verharmlosung in Gesetzesform. Am 13. und 14. Februar können sämtliche Demonstrationen an der Frauenkirche und in Teilen von Alt- und Neustadt verboten werden -“ so soll „würdevolles und friedliches Gedenken an die Opfer und Zerstörung Dresdens“ gegen „Randale und Ausschreitungen rechts- und linksextremistischer Gewalttäter“ geschützt werden. Das ist eine deutliche Ansage: In Dresden will man gefälligst weiter ungestört den eigenen, „guten“ Opferdiskurs pflegen und sich allenfalls mit Menschenketten symbolisch vom „bösen“ Opferdiskurs der Neonazis abgrenzen.

Dabei werden dann die Aktionen von Dresden Nazifrei und no pasarán, die sich aktiv gegen den Neonazi-Aufmarsch stellen und dabei auch den Dresdener Opfermythos kritisieren, als genauso störend empfunden wie die menschenverachtende Propaganda der Neonazis.

Wir stören gerne

An diesen Erfolg werden wir im Februar 2011 anknüpfen und mit Tausenden von Menschen den zentralen Aufmarsch der Nazis in Dresden stoppen. Wenn uns dies zum zweiten Mal in Folge gelingt, haben wir einen großen Schritt dazu getan, dieses Nazi-Großevent auf Dauer zu knacken, weil etliche der „Kameraden“ nicht für Spontandemos und Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei anreisen werden. Und wenn Dresden den Nazis nicht mehr die Gelegenheit bietet, sich als große Bewegung zu präsentieren und zu fühlen, wird die Mobilisierungsfähigkeit nach Dresden weiter sinken.

Wir werden uns aber nicht nur ganz praktisch gegen den Naziaufmarsch stellen. Wir werden uns in Zusammenarbeit mit unseren Dresdener BündnispartnerInnen auch weiter in die Diskurse vor Ort einmischen und deutlich Stellung beziehen gegen Dresdener und deutsche Opfermythen und gegen die absurde Extremismusdoktrin.

Gegen deutsche Opfermythen -“ gegen Extremismusquatsch
Gemeinsam den Nazi-Aufmarsch in Dresden blockieren -“ no pasarán!

No pasarán-Bündnis:
AK Antifa Dresden
Antifaschistische Linke Berlin (ALB)
Antifaschistische Linke International (A.L.I.)
Avanti -“ Projekt undogmatische Linke
FelS -“ Für eine linke Strömung
Radikale Linke Nürnberg (RL)
AKKU -“ Antifa Koordination Köln & Umland
Antifa Cottbus
Antifa-KOK -“ Koordinierungskreis antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf und Neuss
UnterstützerInnen:

AK Antifa Mannheim
Anarchistisch-Syndikalistische Jugend Ruhrgebiet
Antifa AK Köln
Antifa Friedrichshain Berlin
Antifa Gruppe 76 Rastatt/Murgtal
Antifa Gruppe Oranienburg [AGO]
Antifa KOK Düsseldorf / Neuss (IL)
Antifa Linke Münster
Antifa Ravensburg
Antifa TU Berlin
Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen
Antifaschistische Aktion LEVerkusen -“ [AALEV]
Antifaschistische Aktion Nordhausen (AANDH)
Antifaschistische Linke Düsseldorf
Antifaschistische Linke Freiburg (ALFR)
Antifaschistische Linke Fürth (ALF)
Antifaschistische Linke Münster
Antifaschistischer Impuls Dortmund
Antifaschistische Initiative Wolfsburg
Autonome Antifa Heidenheim
Autonome Antifa Teltow-Fläming
Autonome Jugendantifa Nürnberg (AJA)
Black Mosquito, Flensburg
Bundeswehr wegtreten, Köln
Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t, Marburg
Haskala, Saalfeld
IL Köln
Institut für Theologie und Politik, Münster
JG-Stadtmitte Jena
Jugendantifa Münster (JAM)
Jugendantifa Würzburg
junge antifaschistische Initiative Lüneburg -“ [j.a.I.L.]
Kritisches Kollektiv (IL), Worms
Landesverband Rheinland-Pfalz der Linksjugend ['solid]
Nextsteffi Karlsruhe
SJD Die Falken KV Rastatt
Wiesbadener Bündnis gegen Rechts (wxw.wiesbadengegenrechts.de)
Venceremos-Zentrum für Gegenkultur Gaggenau
Zusammen Kämpfen Duisburg

Was mir heute wichtig erscheint #242

Heißluft: Zum Jahreswechsel bringen die Parkschützer ihr großes Entsetzen über die fadenscheinige Inszenierung der Schlichtungsgespräche und die entblößenden Ausreden von Ministerpräsident Stefan Mappus vor dem Untersuchungsausschuss zum 30. September 2010 zum Ausdruck. Mit bunten Himmelslaternen erinnerten sie in der Silvesternacht an die Opfer der Polizeigewalt, mahnen mehr Demokratie an und bekunden ihren Protestwillen für das neue Widerstandsjahr 2011.

Botox: Frau Merkel hat freundlich lächelnd anlässlich des Jahreswechsels eine Ansprache an die Nation gehalten. Dummerweise hat die ARD die falsche Tonspur verwendet, wir kommen daher gerne der Bitte nach, auf die Originalrede zu verweisen.

Utopie: Bernd Drücke (Koordinationsredakteur der „graswurzelrevolution“) stellt im Gespräch mit Sören Weber seine Sicht des Anarchismus dar. Dabei erläutert er grundlegende Konzepte des Anarchismus, geht auf Auswirkungen von Herrschaft ein und zeigt historische Parallelen auf.

Reproduziert: Nachdem die Gedenkstätte Ziegenhals - letzter Tagungsort des ZK der illegalen KPD im Faschismus unter Leitung von Ernst Thälmann - vergangenes Jahr trotz internationalen Protestes abgerissen wurde ist die Originalausstellung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte vollständig reproduziert und als Wanderausstellung - originalgetreu - wieder hergestellt worden. Sie gibt es nun in Form einer Wanderausstellung zu sehen, erste Station ist nun Berlin. Dort wird auf der unter anderem von der Tageszeitung "junge Welt" organisierten Rosa-Luxemburg-Konferenz 2011 am Samstag, den 8. Januar 2011, die vollständig reproduzierte Ausstellung gezeigt werden. Mitglieder des Freundeskreises der Gedenkstätten werden präsent sein und Erläuterung, bzw. Führungen anbieten.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

Guerilla: Zusammen mit dem Filmemacher Stefano Savona begleitet Akif, der Protagonist der Dokumentation: "Guerilleros in den kurdischen Bergen - Carnets d'un combattant kurde - Kürt Daglarinda Gerillalar" , vier kurdische Kämpfer -“ zwei Frauen und zwei Männer -“ aus dem irakischen Quandil unweit der Grenze zum Iran auf ihrem Weg zum Lager Kani Cenge, das nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt ist, wo sich die “Sonderkräfte- der Guerillabewegung auf ihren Einsatz im nördlichen Kurdistan in der Türkei vorbereiten.

Risiko: Der beliebte VLC-Mediaplayer weist momentan offenbar eine ernste Sicherheitslücke auf. Betroffen sind alle älteren Versionen von 1.1.5 abwärts, weswegen VLC-Nutzer angewiesen werden, die neueste Version (1.1.6) oder einen Patch zu installieren.

Höchststand: "(...) Lag das Vermögen der reichsten 1-Prozent-Schicht 1962 um 125 Prozent und 2004 um 190 Prozent höher als das Vermögen des Durchschnittshaushalts, so sind es jetzt schon 224 Prozent - obgleich die Reichen in der Finanz- und Wirtschaftskrise durchaus Federn lassen mussten. Ihr Einkommen sank zwischen 2007 und 2009 um 27 Prozent auf durchschnittlich etwa 14 Millionen US-Dollar. Womit sie aber nach dem EPI sehr viel besser davon gekommen sind, als dies bei den Durchschnittshaushalten der Fall war. Diese büßten in der Krise 41 Prozent ihre Vermögens ein, das 2009 auf 62.200 US-Dollar gefallen ist. (...)"  Florian Rötzer bei telepolis über die Einkommensentwicklung in den USA

Konzert: Die Leitung der Freiburger Stadtbau GmbH hat in Abweichung von früheren Gepflogenheiten ohne ausdrückliche „letzte Mahnung“ 220 MieterInnen und Mieter aus Weingarten verklagt, die ihrer Mieterhöhung nicht „fristgemäß“ zustimmten. Bei den meisten davon handelt es sich um Menschen, die ihr Leben mit wenig Geld bestreiten müssen und deshalb ihre Zustimmung zur Mieterhöhung verweigert haben. Die Klagekosten zsichen 100 und 200 Euro treffen sie besonders hart. Der SUSI-Chor aus Freiburg wird dazu am Freitag 4.  Februar um 20 Uhr im Haus 37 (Alfred-Döblin-Platz, Vauban) für die verklagten MieterInnen ein „Soli-Konzert“ veranstalten.

Genetisch: "Immer wieder sehen sich Paläoanthropologen neuen überraschenden Fundstücken gegenüber, die den vermeintlich festverwurzelten Hominiden-Stammbaum zum Wanken bringen. Ein Beispiel hierfür ist die Entdeckung der neuen Hominidenart Australopithecus sediba, die Mai 2010 bekannt gemacht wurde. Dabei sind Schätzungen zufolge noch nicht einmal 0,02 Prozent aller potenziellen fossilen Fundstücke ausgegraben worden. Deshalb verwundert es umso mehr, dass das Gros der Forscher zu wissen glaubt, wann und wieso die Hominiden erstmals ein Ich-Bewusstsein und eine Sprache zum Informationsaustausch entwickelten." "Geistiger Urknall" von Harald Zaun bei telepolis

Verurteilt: "Es geht spanisch zu in Spanien. Da werden baskische Anwälte angezeigt, weil sie auf einer Pressekonferenz die Aussagen ihrer Mandanten wiedergeben, dass sie von den Sicherheitskräften schwer gefoltert wurden. Das passierte Haizea Ziluaga und Alfonso Zenon, die neun Personen vertreten, die im Fischerort Ondarroa am 8. Februar verhaftet wurden. Das Ziel ist klar, sie sollen mundtot gemacht werden. Über Folter soll öffentlich nicht mehr gesprochen werden. Deshalb werden auch Bücher in Spanien zensiert, die sich mit Folter in einem Land mitten in der Europäischen Union auseinandersetzen. (...)" Ralf Streck bei linksunten über die Verurteilung von vier Mitgliedern der Guardia Civil wegen Folter.

Aufbauprozess: Anlässlich der Mobilisierung gegen die Sicherheitskonferenz (SiKo) und die Mandatsverlängerung der NATO hat ein Anfang 2010 zusammengefundenes Bündnis nun eine Broschüre zum Thema „Antimilitarismus“ herausgegeben. In drei Kapiteln wird ausführlich auf die kapitalistische Krise, den imperialistischen Krieg und staatliche Repression eingegangen. In einem Selbstverständnis am Ende des Heftes wird dargelegt, warum eine revolutionäre Organisierung zur Überwindung des Kapitalismus notwendig ist.

Was mir heute wichtig erscheint #241

Manifest:  Wir wollen nicht hassen, wir möchten nicht all diese Gefühle leben und wir wollen nicht die Opfer mehr sein. GENUG! Genug Schmerz, Tränen genug, genug Leid, genug der Kontrolle, den Einschränkungen , ungerechten Rechtfertigungen, genug des Terror, der Folter, den Entschuldigungen, Bombardierungen, den schlaflose Nächte, toten Zivilisten, schwarzen Erinnerungen, und der düsteren Zukunft, genug den fanatischen Politikern, dem religiösen Bullshit, genug der Haft! WIR SAGEN STOP! Dies ist nicht die Zukunft die wir wollen !“ Gaza Jugend Manifest für den Wandel via entdinglichung

Abstieg: Das war ja eigentlich unvermeidlich: "Ab sofort ist Henryk M. Broder, 64, exklusiv als Autor für die Titel der WELT-Gruppe tätig. Die Reportagen, Kolumnen und Polemiken des preisgekrönten Journalisten und Buchautors (u. a. Ludwig-Börne-Preis, Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik) erscheinen künftig regelmäßig in der WELT, WELT am SONNTAG und bei WELT ONLINE. Bislang schrieb Broder vor allem für das Magazin "Spiegel" sowie für "Spiegel Online"." Mehr via redblog

Rassismus: "Die Medizin gegen die Verzweiflung ist die wachsende Anzahl junger Leute, Söhne und Töchter der neuen israelischen Generation, die sich vereinigt, um sich im Kampf gegen Rassismus und Besatzung zu engagieren. (...)" Beitrag von Uri Avnery bei Binsenbrenner.

Unfähig: Welchen beiden Unternehmen empfiehlt Dauni, sich ab September jeden Jahres in den Winterschlaf zu begeben und erst wieder aufzuwachen, wenn Frühjahr ist?

Opfer: "Nach nur wenigen Klicks sehen Cyberkriminelle in Echtzeit, wer twittert, was er twittert, wofür er sich interessiert, mit welchem Betriebssystem er unterwegs ist und welche Applikationen er nutzt. Die Menge an personenbezogenen Daten ermöglicht Cyberkriminellen die Ausführung personalisierter Angriffe." Gulli zitiert die "McAfee-Prognose für 2011: Apple, Social Media, Mobilgeräte verstärkt im Fokus"

Oberflächlich: Legitimation durch Verfahren oder Neutralisierung von Kritik? Ein Rückblick auf das Demokratie-Ereignis des Jahres - die Stuttgarter Schlichtung aus Sicht eines Soziologen. Im Freitag.

Lanciert: Mitten im Weihnachtsgeschäft durchsuchte die Polizei am vergangenen Mittwoch mehrere Berliner Buchläden, "Schwarze Risse", "oh 21" und den "Infoladen M99", um Ausgaben der linken Szenezeitschrift Interim zu beschlagnahmen. Gitta Düperthal führte für die "junge Welt" ein Gespräch mit Sandra Buchholz, Sprecherin der Solidaritätsinitiative "Unzensiert lesen", die sich nach den Razzien in Berlin gegründet hat. Auch hier nochmal die Aufforderung, den Solidaritätsaufruf zu unterzeichnen.

Vergleich: "Die Schweiz kann man nicht unterirdisch erleben" Parallelen zwischen der Züricher Durchmesserbahn und Stuttgart 21?

Gelddrucklizenz:
Nicht nur, dass der Vatikan jetzt seine eigene Zentralbank gründet. Viel schlimmer: Offenbar ermöglicht es eine Beweislastumkehr den Kirchen, von längst Ausgetretenen straflos Geld zu fordern.

Internationalisierung: Der stetigen Internationalisierung von Proteststrukturen, etwa bei Gipfelprotesten oder Grenzcamps, folgen immer mehr grenzüberschreitende Einsätze von Undercover-Polizisten. Nach der Enttarnung eines britischen Polizisten in Großbritannien ist auch in Heidelberg ein Spitzel aufgeflogen. Indes enthüllt die Dokumentation eines Gerichtsverfahrens gegen Tierrechtler in Österreich, wie eine "Führungsperson" mit ins Ausland fährt und per Mobiltelefon Treffen mithört. Beitrag von Matthias Monroy bei telepolis.

Friedensangebot: In einem Interview mit dem amerikanischen Wall Street Journal vom 28. Dezember 2010 erklärt Arnaldo Otegi, dass die bewaffnete baskische Organisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) “sich darauf vorbereite, den bewaffneten Kampf zu beenden und ihr Ziel eines unabhängigen Baskenlandes mit friedlichen Mitteln zu verfolgen-.

Rückblick: Über das Jahr 2010 hat die Antifa Recherche Südwest rechte Veranstaltungen im Raum Baden-Württemberg zusammengefasst. Vor jede der angegebenen Zahlen ist gedanklich ein „mindestens“ zu setzen. Besonders die Zahl der Konzerte dürfte höher anzusetzen, da sie klandestin organisiert werden und kaum außerhalb der Szene darüber berichtet wird. Braune Aktivitäten 2010 in Baden-Württemberg.

Begründet: Das Erwerbslosen Forum Deutschland widerspricht der Bundesagentur heftig, wonach Widersprüche gegen Hartz IV-Bescheide ab 1. Januar unbegründet wären und hat auf seinen Seiten einen Musterwiderspruch bereit gestellt.

Kritik: Die Libertäre Aktion Winterthur hat eine Stellungnahme zu diversen vermeintlich anarchistischen Sprengstoffanschlägen veröffentlicht, in der die Praxis des Versendens von explosiver Post und Briefen kritisiert wird.

Götz Aly: Selbstverdummung erfolgreich zu Ende geführt

In einem kleinen Meinungsartikel der "Frankfurter Rundschau" beweist Götz Aly, wie erfolgreich er den Prozess der Selbstverblödung zu Ende geführt hat. Selbstverblödung - weil Götz Aly seine schriftstellerische Karriere einmal scharfsinnig zusammen mit Karlheinz Roth begonnen hat. Und vor allem, weil er in seinen Untersuchungen zur Geschichte des Nazifaschismus damals gerade die Fähigkeit bewies, propagandistische Hüllwörter zu analysieren und zu zerlegen. So hatte "Endlösung" aus Nazi-Mündern zwar die einheitliche Begriffs-Seite - "Raus mit den Juden" - nicht aber in allen Fällen die Bedeutung: "sofort nach Auschwitz", hinter dem selben Wort konnten sich zahlreiche vorläufige und endgültige Handlungsanweisungen verbergen. Der damalige Götz Aly hat sie alle gewissenhaft und nachvollziehbar entschlüsselt.


Ganz im Gegensatz dazu nimmt er inzwischen eine journalistische Luftgeburt wie Kurbjuweits "Wutbürger" aus dem SPIEGEL für bare Münze. Er stellt sich, als glaube er wirklich, dass die Tabakfeinde in Bayern, die Sarrazinfans im ganzen Bundesgebiet, die Gesamtschulstürmer in Hamburg alle genau das gleiche wollten wie diejenigen, die derzeit unter übelsten Bedingungen gegen einen überflüssigen und schädlichen Bahnhofsbau in Stuttgart vorgehen.


Dass diese Haltung ausgesprochen eine "des gehobenen Mittelstandes" ist, phantasiert Aly sich begründungslos vor - beziehungsweise faselt es Kurbjuweit nach. Was haben die Leute, die sich in Stuttgart an Bäume ketten, wirklich gemein mit den Frischluft-Sniefern in Bayern?


Aly weiß es: Die Wut. Damit überzieht er alle, die gegen irgend etwas vorgehen, mit der weißen Salbe der Vereinheitlichung. Das Gefühl in uns wird von dem Gegenstand, der es auslöst, unbarmherzig wegseziert. Gefühl selbst ist schädlich. Eines ruhigen Wissenschaftlers unwürdig. Der beobachtet nur. Und zieht Schlüsse.


Deshalb auch sein Einleitungssatz: "Vor 70, 80 Jahren ließen bestimmte deutsche Politiker gern der Volkswut freien Lauf. Diese zerstörte die erste deutsche Republik und nicht nur die." Der ehemals analytische Erforscher der Befehlsstränge des Dritten Reichs verwendet inzwischen die Erinnerung daran genau wie die Feinde der Studenten 68, als er noch selber mitrannte.


In dem schmalen Rotbuch aus frühen Tagen schildert er seinen damaligen Rauswurf aus einer Stelle im Öffentlichen Dienst. Zugleich - wie der Titel schon sagt - sieht er sich als treuen Beamten, der für das empfangene Geld auch immerhin seinen Beitrag zur Erziehung / Zurichtung von Jugendlichen erbringt. Wie wir alle. Nur dass aus diesem Büchlein schon zart die Zuneigung zu den Verwaltenden spricht, die - auch wenn sie fehlgreifen - doch "das Gemeinwohl" im Sinn haben.


Angelika Ebbinghaus irrt wahrscheinlich, wenn sie des heutigen Aly Verkrümmungen auf die harte Zucht zurückführt, die diesem in einer K-Gruppe zuteil geworden sei. Ich tippe eher auf eine lang zurückgedrängte Staatsverehrung, die jetzt auf Alys ältere Tage voll zum Durchbruch kommt.


Dafür spricht genau das Gewürge in der FR, das man offenbar in diesen Kreisen als vollgültige Argumentation akzeptiert. Nachdem er tüchtig über die "Wutbürger" hergezogen ist, kriegt er heraus, was denen allen fehlt: Der Sinn fürs "Gemeinwohl". Wo die "Wutbürger" massiert auftreten, denen niemals nachgeben! Dann wird aufgezählt, was plebiszitär niemals durchgesetzt werden könnte.Weder "Rente mit 67" noch "Gehaltserhöhung für Beamte" - noch "irgendeine Straße" - noch"Kindergartenneubau".


Dass es einem so unverhofft das Hirn verhagelt! Und jede Erinnerung oben niedermäht! Die Studenten in Frankreich 68 waren doch gewiss so wütend wie nur irgend jemand. Nur - als der Protest sich ausbreitete, hatten sie zwar immer noch nicht de Gaulle gestürzt. Und nicht mehr Demokratie errungen. Was sie aber immerhin erreicht hatten und haben: Es wurden blitzartig neue Unis errichtet, im Rattenlauftempo. Zwar alle im Betonschnellverfahren - aber doch immerhin. Das gleiche gilt für Kindergärten. Nur Götz Aly kennt keine Demos für Unis oder Schulen. Dass er Rente mit 67 und Gehaltserhöhungen für Beamte an erster Stelle des Durchzusetzenden nennt, zeigt offen, was für ihn wirklich das Gemeinwohl ausmacht.


Nach dem Bisherigen ist klar, in wessen Nüstern Alys Rauchopfer aufsteigt. Er schwenkt das Weihrauchfass und endet seine Ausführungen wörtlich:
"Unsere Politiker nehmen uns Hunderte von Entscheidungen ab, die zu treffen wir ohne sie niemals in der Lage wären. Sie arbeiten Tag für Tag an den Kompromissen, in denen unsere unterschiedlichen Interessen halbwegs aufgehen. Sie verhindern blanke Selbstsucht, sie schaffen den Rahmen für zivilisiertes Leben. Die repräsentative Demokratie mit ihrem vielgliedrigen Staatsaufbau, ihrem Verwaltungsrecht, ihren Gerichten, gewählten Körperschaften und Repräsentanten ist viel besser als ihr Ruf. Angesichts des heimischen Wutbürgers ist es an der Zeit, unseren -“ im Übrigen nicht besonders gut bezahlten -“ Politikern schlicht und einfach zu danken."


Hosiannah, Mappus, der Du Millionen verbraten hast, ohne jemand im Landtag zu fragen! Hallelujah, Schröder, der Du Verarmung und Herabstufung sehr vieler mit diktatorischen Methoden durchgeprügelt hast! Heil, Götz Aly, der Du endlich verkündet hast, was "zivilisiertes Leben" bedeutet. Nichts anderes als Freude am Zwiebeln anderer, wenn man sein Schäfchen selbst im Trockenen hat.

Was mir heute wichtig erscheint #240

Ermittlungsverfahren: Eine eilige Kurzmeldung: Säugling in Stall gefunden - Polizei und Jugendamt ermitteln.

Einsatz:
Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof, will offenbar Soldaten und Militär im Landesinneren einsetzen.

Netzrebellion: Die am 19.12 auf ORF ausgestrahlte Dokumentation über Wikileaks ist nun auch in voller Länge online anzusehen. (Via  alltagskotze).

Lesenswert: Das Interview mit Noam Chomsky zu den WikiLeaks-Telegrammen von Amy Goodman.

Aufmarsch: Erneut planen Neonazis aus ganz Deutschland und Europa im Februar 2011 zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens aufzumarschieren. Aufruf des Bundesausschusses der VVN-BdA. Aktuelle Informationen zu lokalen Informationsveranstaltungen und Bussen gibt es unter: www.dresden-nazifrei.com (via woschod.de)

Ununterbrochen:
Anno 1913 schuf Erich Mühsam einen im Grunde noch heute gültigen Kalender. Es wird Zeit, dass diese Zustände auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. RaceTheBreeze zitiert Kalender 1913

Eindeutig: "wo immer dieser kollektive und oft den Menschen aufgezwungene Wahn Wurzel schlug, waren und sind es der kindische Stolz und die Unwilligkeit zu rechtschaffenen Taten bei den Klerikern, die Dummheit und Kriecherhaftigkeit bei den religiösen Laien, und diesen beiden Klassen gemeinsam ist der Aberglaube, die Heuchelei, die Angstausbreitung, die Engstirnigkeit und, wo immer die gesellschaftlichen Zustände dies zuließen oder zulassen, die Verfolgung oder doch wenigstens systematische Benachteiligung alljener Menschen, die sich wegen der einen oder anderen Einsicht diesem Unfug nicht anschließen können." Elias Schwerdtfeger zu idealen Christen und Untertanen

nachschLAg:
Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

Scheinheilig:
In einem Zeitungsbeitrag klagt Thilo Sarrazin über eine "beispiellose Medienkampagne". Während ihm die Leser zustimmen würden, mangele es der Politik an Zivilcourage. Von Staatskrisen und Scheiterhaufen: Ein kurzer Verriß von Sarrazins von das FAZ veröffentlichten "persönlichen Jahresrückblickes" bei der Sueddeutschen. Und noch was von Jakob Augstein im Freitag
zu den möglichen Beweggründen der FAZ, ihm das Wort zu erteilen.

Teutophobie: Ganz Deutschland redet über Schulhöfe, auf denen angeblich eine zunehmende "Deutschenfeindlichkeit" herrsche. Singuläre Situationen in Nord-Neukölln oder Kreuzberg müssen für eine fatale Neudefiniton von Rassismus herhalten, die weiße Deutsche als neue Opfergruppe anerkannt haben will. Die tatsächliche rassistische Strukturierung der Gesellschaft gerät dabei aus dem Fokus. "Von der Teutophobie zur Deutschenfeindlichkeit", Beitrag von Eike Sanders (apabiz) und Rona Torenz im "Monitor" Nr 48.

Geschafft:
Gestern hat Nice Guy Ian Frazer Lemmy Kilmister das Rentenalter erreicht. Dazu hat Motörhead eine neue CD herausgegeben: "The Wörld Is Yours". Na klar!

Wundersam: Wie der heilige Heiner die Herrscher vor ihrem Volk rettet: Durch Glauben ans Plus. Ein Weihnachtsmärchen von Georg Kümmel.

Aufarbeitung: Hans-Christian Küchelmann wollte schon lange herausfinden, was damals mit seiner Tante geschehen ist. Er wusste, dass sie starb, 1942, im Alter von drei Jahren, an einem frühen Novembermorgen in der Kinderfachabteilung. Keine 24 Stunden nachdem ihre Mutter sie dort abgeliefert hatte. Und dass sie eine Behinderung hatte. "Traudis Erben", ein Beitrag von Luise Strothmann in der "sonntaz" über Euthanasie im faschistischen Deutschland.

Copwatch: Nach Demonstrationen in Frankreich gibt es häufig öffentliche Auseinandersetzungen über die Rolle von Zivilpolizisten gegeben, denen man vorwirft, das sie als "Agent provokateur" gearbeitet haben. Zu Diskussionen kommt es immer wieder durch veröffentlichtes Filmmaterial. Beitrag von Thomas Pany bei telepolis zur Veröffentlichung von Fotos und Filmen von Zivilpolizisten im Netz.

Vertuschung: Die medialen Darstellungen der Krawalle sowie die Statements der Politiker und Meinungsführer des Regimes zielen darauf ab, die DemonstrantInnen als MörderInnen darzustellen, den Protest zu kriminalisieren und damit den politischen und sozialen Charakter der Konflikte zu vertuschen. Artikel zu den Straßenschlachten in Rom und den folgenden Repressionen.

Renovierung: Damit das Linke Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart möglichst bald eröffnet werden kann, soll von Montag, den 27. Dezember bis Sonntag, den 09. Januar die Ferienzeit richtig genutzt und die Renovierung intensiviert werden. Alle sind eingeladen vorbeizukommen und sich am Aufbau des Hausprojektes zu beteiligen. Für Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten wird gesorgt. Mehr Information im Sanierungsblog.

Jahresrückblick: Netzpolitik war im DRadioWissen und hat einen kurzen Jahresrückblick gegeben.

Was mir heute wichtig erscheint #239

Montagsdemo: Die Piratenpartei lädt zur Montagsdemo am 27.12.2010 um 18 Uhr vor dem Hauptbahnhof, alle weiteren Infos gibt's im Wiki der Piratenpartei. Dort sind auch Flyer als PDF zum herunterladen verfügbar. Es wird eine Demo ohne Reden, dafür mit Demozug vorbei am Landtag, über den Schlossplatz zum Rotebühlplatz. Motto: "Volksentscheid zu Stuttgart 21!"

Spießbürgerlich:
Die Südtiroler Band "Frei.Wild" tritt in die Fußstapfen der "Böhsen Onkelz" und feiert damit immer größere Erfolge. Die Naziskin-Vergangenheit des Sängers scheint - wie beim großen Vorbild - kein Hindernis zu sein. Ebensowenig sind es die nationalistischen und völkischen Töne der Band, die sich mit den Beteuerungen abwechseln, "unpolitisch" zu sein. Band und Fans scheinen diese Widersprüchlichkeiten problemlos auszuhalten. Das aktuelle Album hat es zwischenzeitlich auf Platz zwei der deutschen Charts gebracht.

Online:
Der Kreisverband Esslingen der VVN-BdA ist seit heute im Internet erreichbar. Erster eigenständiger Artikel ist der Bericht über die Angriffe von Nazis auf antifaschistische Infotische in Neuhausen.

Landei: Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat jede Verantwortung für den brutalen Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schloßgarten zurückgewiesen. Das sahen die TeilnehmerInnen der Mahnwache vor dem Landtag oder auch der Direktor des Instituts Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Prof. Dr. Ralf Poscher anders. Interessant wird auch die weitere Verwicklung der Landesregierung in die Spätzle-Stasi 2.0 Spitzelaffäre sein: In der Sitzung am 17. Dezember 2010 im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten wurde deutlich, dass die Polizei mehrere Spitzel in die Widerstandsbewegung gegen Stuttgart 21 einschleuste, um die Szene auszuforschen. Das hat Methode, denn vor einigen Tagen wurde offenbar ein Agent im Umfeld der Heidelberger Antifa enttarnt.

Aufstandsforschung: Um den "kommenden Aufstand" gibt es eine heftig geführte Diskussion um des Kaiser's Bart. Zum Beispiel bei telepolis oder auch in mehreren Beiträgen, die bei rizomorph in einer kommentierten Liste zusammengefasst sind. Bis auf die beiden Beiträge ("L-˜insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution" und Noch einmal: "L-˜insurrection qui vient") hier von Fritz Güde. Und wie es scheint, hat sich auch das Komitee selber zu Wort gemeldet. Und Peter Grottian wurde dazu von Dradio Kultur befragt, ob denn der Aufstand endlich in Sicht ist.

Auftakt: Die NPD will Ende März bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg in allen 70 Wahlkreisen antreten. Fast die Hälfte der nötigen rund 10.000 Unterschriften fehlen aber noch. Die Parteispitze macht Druck. Eine Übersicht von "Blick nach Rechts".

Zustandsbeschreibung: Kann sich Geschichte wiederholen? Die Krise hat Deutschland getroffen und das Bürgertum setzt seine hässlichste Fratze auf: Sozialdarwinismus, Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung der Demokratie. Jens Berger über “Deutsche Zustände-, die von Wissenschaftlern unter Leitung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer erstellte große interdisziplinäre Langzeitstudie, die in diesem Monat in ihrer neunten Auflage veröffentlicht wurde.

Wissenslücke: Dinge, die sie über Weihnachten nicht wussten (und auch gar nicht wissen wollten) beantwortet einfach übel.

Grabrede: Franz Iberl verweist auf Cindy Sheehan's Requiem für die US-Friedensbewegung. Selbiger ist eine eindrucksvolle Kritik an der naiven Obama-Gläubigkeit in der Bewegung.

Bodycheck: "Dicksein gilt als unästhetisch. Vor allem aber gilt Dicksein als gesundheitsschädlich. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO sprechen von einer globalen Seuche und sehen den dicken Bauch als das zukünftige Gesundheitsproblem Nummer eins. Die Folgen dieser „Übergewichts-Epidemie“ werden in dramatischen Worten geschildert. Prophezeit werden nicht weniger als ein Rückgang der Lebenserwartung und ein Kollaps des Gesundheitssystems. Hinter der Erzählung von der „Übergewicht-Epidemie“ stehen einerseits finanzielle Interessen der Pharma- und Diätindustrie, andererseits ein Menschenbild, das Menschen nach ihrer vermeintlichen Leistungsfähigkeit beurteilt und in Gruppen einteilt. Die Gruppe der Dicken steht dabei symbolisch für die undisziplinierten LeistungsverweigerInnen.(...)"  Fat-Acceptance in den USA, eine Einführung von Friedrich Schorb in der arranca!

Überfällig: Darauf hat die Welt schon lange gewartet: Endlich hat die U.S. Regierung die Ergebnisse der Volkszählungen von 1790 bis 1930 freigegeben.

Geschottert: Die Kampagne Castor Schottern zielte neben dem tatsächlichen Eingriff in den Castor- Fahrplan und einer radikalisierenden und ermutigenden Erfahrung für die TeilnehmerInnen auf die breite Legitimierung von Sachbeschädigung als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Dies sollte durch eine offensive Ankündigungspraxis und Pressearbeit, sowie möglichst transparenter Beteiligungsmöglichkeiten erreicht werden. Repression war einkalkulierter Teil dieses Versuchs. Wenig verwunderlich ist es daher, dass insbesondere Castor Schottern Ziel von juristischer und polizeilicher Verfolgung wurde und immer noch wird. Dieser Artikel versucht eine erste Zusammenfassung und Bewertung der staatlichen Repressionsbemühungen zu geben.

Gefoltert: SprecherInnen der baskischen Gefangenenhilfe haben in Erklärungen mitgeteilt, dass die kürzlich verhafteten Jugendlichen (siehe: hier) in der “Incomunicado-Haft- (Isolationshaft) gefoltert worden sein sollen. Laut Angaben der Jugendlichen gab es Schläge und sexuelle Belästigungen. Außerdem wurde die berüchtigte “la bolsa- angewandt, bei der den Gefangenen eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt wird und solange festgehalten wird, bis die Betroffenen keine Luft mehr bekommen. (via info-baskenland.de)

Stellungnahme: Am Freitag, den 10.12.2010 fand in Freiburg ein deutsch-französischer Gipfel statt. Während Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vor dem Freiburger Münster militärische Ehren empfingen, wurde in der Innenstadt die politische Meinungsäußerung durch polizeiliche Repression verhindert. Im Rahmen eines „Carnaval de Résistance“ sollte bunt und laut auf die Schattenseiten der deutschen und französischen Politik aufmerksam gemacht werden. Verschiedene Gruppen wollten im Stadtzentrum ihre politische Meinung äußern. Doch das wurde bereits in der Entstehung durch einen unbegründeten, sofortigen und massiven Polizeieinsatz im Keim erstickt. Ein offener Brief zum Polizeieinsatz beim Deutsch-Französischen Gipfel in Freiburg.

Rückeroberung: Nicht nur Toni Negri und Michael Hardt haben mit ihrem 2010 erschienenen Buch Common Wealth: Das Ende des Eigentums das Gemeinwohl für sich entdeckt und eine Debatte über die Rückeroberung der Gemeingüter angestoßen. Schon seit einiger Zeit schwirrt dieser Begriff durch die Debatten -“ von Autonomen bis Gewerkschaften, von Böll- bis Luxemburg-Stiftung. Genau genommen stellt er sich bereits mit der Entstehung seines Gegenübers, des bürgerlichen Privateigentums. Doch was aktuell mit "Commons" genau gemeint ist und welche Hoffnungen sich dann jeweils daran knüpfen, ist erst noch zu klären. LabourNet beginnt mit einem Artikel von Thomas Gehrig eine Reihe von Beiträgen zu den "Commons", die sich zum Zwecke der kommunistischen Rückeroberung bis in die radikalen Anfänge zurück und wieder nach vorne arbeiten werden.

Verbrechen im Krieg allgemein akzeptiert. Wie viele danach?

Hashim Thaçi
(White House photo by Eric Draper via Wikipedia)
Es ist schon mehrfach ausgeführt worden, dass alle Verweise auf das Völkerrecht heute lahm und ohnmächtig geworden sind, seit die NATO mit besonderer Beihilfe Schröders und Fischers den Überfall auf das ehemalige Jugoslawien vollzogen haben. Seither können alle Anklagen wegen eines Verstoßes gegen das jus gentium - so sehr sie das Gemüt berühren - nur noch historisch interessieren. Wie das Beispiel der USA und aller anderen Großmächte täglich zeigt, wird alles hingenommen, wenn es nur der jeweils eigenen Sache dient.

Das muss vorausgeschickt werden, um die Erkundungen Martys gegen die Mafia Thacys und seiner Kumpane richtig einzuschätzen. Sie werden nicht zum Vorgehen gegen die kosovarische Variante einer Regierung im herkömmlichen Sinn führen.

Auch noch Organhandel - weil kriegsnotwendig - loben?

Schwierigkeit in diesem Fall: Mit den als notwendig angesehenen und gerechtfertigten Verbrechen im Krieg müssten auch aus diesen hervorgegangene und mit ihnen verbundene Handlungen gewöhnlicher Kriminalität gebilligt werden.

In Martys Vorlage beim Europarat wird der gegenwärtige Wahlsieger- nach kosovarischen Prüfungserfordernissen-Thaci  beschuldigt, Boss einer Mafia-Organisation zu sein, dem außer Verschwindenlassen von Kriegsgefangenen und Konkurrenten, Unterschlagung von Geldern und Zeugenerpressung auch profitable Beteiligung am Organhandel nachgesagt wird. Hier droht die martialische Gemütlichkeit der ehemaligen Kriegskumpane doch auf eine härtere Probe gestellt zu werden.

Da die meisten Taten in Albanien stattfanden, das eine gründliche Untersuchung verhindert, da weiterhin - wie schon Carla del Ponte (s.u.) berichtet - viele Zeugen eingeschüchtert oder gleich ermordet wurden vor einer Aussage - wird ein Beweis im gewohnten Sinn bürgerlicher Justiz kaum zu führen sein.

Es stehen auch gleich wieder die seit Schröder/Fischer angelernten Journalisten als journalistische Hilfsarmee bereit, um alle Vorwürfe vor jeder Verhandlung in Zweifel zu ziehen.  Genannt sei nur Rathfelder, jahrzehntelang Schnauber in der taz gegen die bösen Serben. Er winkt - wie alle Abtuer der wikileaks - Mitteilungen - von vornherein ab: Sowieso nur aufgekochte Carla del Ponte. Und die hat doch auch keiner ernst genommen. Zum Zweiten findet er eine Geschichte von einem anderen Zeugen, der vor der Aussage tot im Hotel aufgefunden wurde. Seine Folgerung: Also können noch ganz andere Leute beteiligt sein. Vorwurf an Mathy: Eingleisigkeit. Immer alles auf Thaci schieben!

Marty: Schon bei der Aufdeckung der Entführung des AlMasri über wikileaks nachträglich bestätigt

Zum Vorwurf: Nichts Neues. Wahrscheinlich hat der gelehrte Kenner sich nicht die Mühe gemacht, die Aussage Martys durchzulesen. Dann wären ihm doch ein paar Erträge aufgefallen.

Statt des berühmten "gelben Hauses", das Carla del Ponte besucht und als Folterstätte vermutet hatte, fand Marty ein zusammenhängendes System von sechs "Unterbringungsstätten" - alle im Bereich des souveränen Staates Albanien. Punkt 96 im Vortrag Martys: "Cahan; KukÃ"s; Bicaj (vicinity); Burrel; Rripe (a village southwest of Burrel in Mat District); Durres; and, perhaps most important of all, for the purposes of our specific mandate, FushÃ"-KrujÃ"."

In den Zeiten des Ansturms der Brigaden Thacis gab es in gewissen Regionen Albaniens keine durchsetzungsfähige Regierung, so dass das Partisanenregime sich frei bewegen und organisieren konnte. Auch hat er neben dem "gelben Haus" in Rripe beim Flughafen Tiranas einen zweiten Ort entdeckt, der u. U. ebenfalls zu Operationen verwendet wurde.Nämlich das schon genannte FushÃ"-KrujÃ".

Zur Glaubwürdigkeit Martys, die sicher schon morgen von interessierter Seite angegriffen wird, nur soviel. Alles, was jetzt gegen den Schweizer vorgebracht wird, wurde schon geäußert, als er die Entführung von Al Masri durch Truppen der CIA  aufdeckte. Nichts genaues weiss man nicht. Diverse Regierungsmitglieder verschiedener Koalitionen -von Schily angefangen- weigerten sich erbittert, die Auslieferung der schuldigen CIA-Entführer von den USA  zu verlangen. Verschiedene Enthüllungen von wikileaks gegenüber der Bundesrepublik und der Schweiz haben inzwischen nachgewiesen, wie ohne Scham an Drohungen und Erpressungen gegen die Regierungen nicht gespart wurde. Also: Marty voll bestätigt.

Ist Organhandel aus den finsteren Bergen Albaniens möglich?

Menschenhandel von einem verlassenen Haus in Albanien aus. Am Anfang hielt auch  ich das  für eine der hasserfüllten Erfindungen, die in jedem Krieg aufkommen. Wie sollte eine Niere körperwarm und frisch aus der Einsamkeit in eine Klinik in New York oder Bahrein gebracht werden?

Ich habe mich mit einem ärztlichen Verwandten darüber unterhalten. Unmöglich scheint es dann nicht, wenn ein Verbrechensring vor der Operation sich über Zahlungsfähigkeit eines Interessenten, seine Blutgruppe etc. und seine Zustimmung orientiert. Erst nach erfolgter Erfolgsmeldung müsste dann unter den bereit gehaltenen und gut genährten Organspendern ausgewählt werden. Diese würden zuvor getötet.

Tatsächlich entsprechen die Untersuchungen Martys diesen Anforderungen. Zugleich würde damit bewiesen, dass solche Delikte unmöglich einem Einzeltäter zugeschrieben werden können. Ohne "Gang" funktioniert so etwas nicht. So viel zu der zu erwartenden Zweitausrede, der "Chef" Thaci müsse zwar solche Untaten  - mit Abscheu - zugeben, sei selbst erschüttert und habe keine Ahnung davon gehabt.
Im derzeit in Pristina verhandelten Fall MEDICUS scheinen sich die Sitten gemildert zu haben.

Der Spender wurde notdürftig vernäht am Hafen aufgefunden. In der Arztpraxis selbst fand sich ein über siebzig Jahre alter Patient, der eben eine Niere verpflanzt bekommen hatte. Preis 70 000 Euro. Die Kommunikation konnte also vereinfacht werden.

Carla del Ponte

Wie mehrfach erwähnt, stützte sich Marty zunächst auf die Erinnerungen von Carla del Ponte. (Im Namen der Anklage: Meine Jagd auf Kriegsverbrecher und die Suche nach Gerechtigkeit von Carla Del Ponte, Chuck Sudetic, Gabriele Gockel, und Thomas Wollermann.)

Diese, ehemals Chefanklägerin in Den Haag, wirkt im ganzen Buch penetrant als hauptberufliche Anklägerin. Im Vordergrund geht es gegen "die Serben". Aber das Staatsanwaltliche hat sich in ihr so verselbständigt, dass sie sich im Kapitel "von den Zeugen" auch den möglichen Verbrechen der UCK zu. Dabei stellte sie zweierlei fest: Sterbefälle bei allen, die zu Aussagen geneigt wären, die Thaci und seinesgleichen belasten könnten. Zum zweiten aber: Dass hohe UN-Funktionäre das Verfahren vor dem selbst von der UN gesponserten Verfahren in Den Haag entgegenstellten. Besonders hervorgehoben wird die Rolle des hohen UN-Funktionärs Jessen-Petersen, der sich auch nur der Einleitung eines Prozesses gegen den UCK-Kommandeur  Haradinaj laut widersetzte. Seine rückhaltlose Unterstützung eines Angeklagten ist dokumentiert unter www.unmikonline.org/press/2005/pr1325.pdf. Daran kann also nichts erfunden sein.

Nur dass Del Ponte an dem Vorfall eines nicht erkennt. Nämlich: dass alle die Gerichte in Nachahmung der Nürnberger Prozesse, die derzeit veranstaltet werden, keineswegs im Namen der ewigen Gerechtigkeit stattfinden, sondern ausschließlich zu dem Zweck, den schon Besiegten öffentlich zum mit Recht Besiegten zu stempeln.

Der UN-Beamte ging sehr wahrscheinlich nach geheimer Rücksprache mit seiner Regierung vor. Wichtig war nicht Recht: Wichtig war der stabile Schein einer stabilen Regierung. Eine, deren Rechtspflege, man ohne Skrupel abgewiesene Asyl-Bewerber anvertrauen kann. Wie das die Bundesregierung guten Gewissens fortwährend tut.

Völkerrecht? Adieu!

Die Unabhängigkeit Kosovos als Staat wurde von der Schweiz so schnell wie möglich anerkannt. Der hochberühmten del Ponte wurde von der schweizer Regierung verboten, für ihren Memoirenband in einer Laussaner Buchhandlung  Reklame zu machen. Von der Schweiz aus organisierte der Asylant Thaci  lang vor seinem Einsatz die Organisation der späteren UCK, vor allem über Waffenzufuhr ins damals noch umkämpfte Kosovo. Zusammenhänge? Wir denken uns nichts Böses dabei.

Thaci ist nötig. Thaci muss geschont werden.Wir brauchen seinen Kosovo nicht nur als Kloake zur Versenkung von Abgeschobenen. Je mehr kleine Länderfetzen in der Region, desto leichter die indirekte Herrschaft  Deutschlands über den Balkan.

Was bleibt für weniger Staatstragende? Empörung! Aber die reicht nicht. Wichtiger: Erkenntnis. Erkenntnis, dass unter den bestehenden Verhältnissen kein Verbrechen schändlich genug ist, um verurteilt zu werden, wenn es der Machterhaltung dient.

Bundestag: Dagobartel und Eurobonzen flehen gemeinsam um Aufschub

Dr. Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
Creative Commons License

Dieses Foto ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland) lizenziert.
Aus dem Blickwinkel einer Flunder

Erlauben wir uns einmal aufzustaunen, als Zuschauer von unten her. Ohne besondere Fachkenntnisse, und freilich voller Angst.

Streit um Eurobond - oder Brutalaufsicht über den Rest


Angeblich ging es im Bundestag letzten Mittwoch um alles. Immer noch angeblich: um den Euro. Um seine  Rettung. Tatsächlich wurde weniger gekämpft als gebetet. In der Not. Zwei Glaubensrichtungen traten gegeinander an. Beiden  ging es nur noch um Aufschub.Vor dem unvermeidlichen Ende.

Die Eurobonzen sahen dem Elend ein Stück weit ins Gesicht. Die Randstaaten der EU würden nicht nur die bisherigen Schulden nie zurückzahlen können. Sondern immer mehr ansammeln- zu immer höheren Zinsen. Mittel dagegen:angeblich  der Eurobond. Von allen EU-Staaten gemeinsam aufgenommene Schulden. Dann natürlich für Griechenland billiger als jetzt, für Deutschland teurer.

Dagegen traten vor allem auf Mischlinge, angstgezeugt. Sie gaben die Randstaaten verloren, wollten aber den eigenen Schatz bewahren. Wie einst Disneys Dagobert, Inbegriff der frühesten Monetaristen Europas,der Merkantilisten. Höchstziel für den eigenen Laden: Geld anhäufen. Über den Export.

Seit das Geld kaum noch aus Metall gemacht wird, sondern bloß noch repräsentiert  von armen papierenen   Flatterlein, mussten die Schatzbildnerischen sich notgedrungen mit jenen Bartels kreuzen, die Kanzler Kohl einst so oft berief. Die, die wussten, wo man den Most holt. Die erfahren haben, dass das Papier seinen Wert nicht wie Gold von allein behält, sondern dass es Druck, Terror, Illusionskunst braucht, um die Märkte zu hindern, dem Papier zu nahe zu rücken.

Frau Tempelhüterin Merkel

Als Vorkämpferin dieser mehr tempelhüterisch gesonnenen  Ordensgemeinschaft tat sich Merkel hervor. Sie setzte ganz offen auf Druck gegenüber den Ländern, die jetzt schon EU-Geld von ihr und den stattlicher gepolsterten Staaten wollten. Spaniens Militärdiktatur, Griechenlands  Polizeimaßnahmen, Englands Studi-Vertreibung. Ihr gerade recht. Als "Hausaufgaben machen" von ihr und ihresgleichen verklärt.

Dass es um den brutalen Zugriff auf Unwillige ging und nicht einmal in erster Linie um Deutschlands  höhere Zinsen, zeigte sich im Echo auf die Reden der Kanzlerin am lautesten beim eifrigen Schnatterlieschen, der Vorsitzenden  der FDP-Fraktion, die alles noch einmal sagte. Vor allem: Die andern sollen leiden, wenn nur wir Deutschen uns heraushalten - und hauen.

Hohepriester Sinn


Das Ganze ließ sich nur voll verstehen, wenn man in PHOENIX vor der Übertragung der Merkel-Proklamation Hohepriester Sinn vernahm. Er pries Gott als Schicksal, sich, die Deutschen - in dieser Reihenfolge, weil es uns wohlerging auf Erden. Er wollte die Konjunktur erklären. Frohlall ist Pflicht bei solchen. Und darf nicht verwundern. Interessant war aber  seine Begründung des Reichtums. Früher wurde die Produktivität eines Landes als Maßstab seines Reichtums genommen. Seine Fähigkeit, Dinge und Leistungen durch Arbeit hervorzubringen, die nicht wie spanische Immobilien kieselig am Strande liegen bleiben, sondern - ganz am Ende - von Menschen aufgenommen und benutzt werden. Bei Sinn dagegen eine ganz neue Reichtumsdefinition. Unter der Voraussetzung, dass derzeit hundertfach  Wertzeichen um die Erde kreisen, die nach Anlagemöglichkeiten suchen, lassen sie sich in der Not am ehesten bei uns nieder. Wo - fragte Sinn - sollte das Geld denn hin? Etwa in die halbpleitene USA? Oder nach Griechenland? Ha Ha... Oder in die riskante und mühsame Produktion, die sich vielleicht erst in zehn Jahren rentiert oder auch nicht - nein, Deutschland ist mit Recht das Land der billigen Kredite. Und daher unser Aufschwung. Das Geld soll sich endgültig emanzipiert haben vom Bezug auf die materielle Produktion. Geld  in erhabener Selbstbewegung. Daher ganz logisch und notwendig nicht mehr Mittel in menschlichem Gebrauch, sondern Gegenstand der Anbetung.

Das heißt also - so der Hohepriester - es kommt auf die Produktion realer Dinge nur noch in zweiter Linie an. In erster Linie auf Lenkungsmaßnahmen, um den Geldstrom immer weiter im schön gegrabenen Bett zu halten.

Damit aber wird mitgedacht, nur niemals ausgesprochen: Deutschlands Glück hängt an der Aufrechterhaltung einer Illusion. Derjenigen, dass unsere Papiere, die wir als Geld behalten und ausgeben, immer wieder so sein werden, dass viele mehr von ihnen zurückerhalten, als sie vorher hergegeben haben.

Notwendiger Terror gegen die Randstaaten

Wenn aber alle andern Länder diesen Glauben teilen sollen, müsste es sofort zum Wirtschaftswetteifer, um nicht Kampf zu sagen, aller gegen alle kommen.Es kann aber nicht jeder zugleich am Export der gleichen Ware verdienen. Bleibt die offene und harte Drohung: Wer sich am Glauben vergeht, der büßt unter dem Druck staatlicher Gewalt.

Was können die Eurobonzen in ihrem Kult dagegen aufbieten? Angeblich die Solidarität. Hilfe für die Armen. Nur, dass ihre Grundvoraussetzung sich von der der anderen Konfession nicht unterscheidet: Es muss immer weiter geliehen werden. Ein Zustand der Sättigung ist unter den gegebenen Umständen undenkbar. Und muss dennoch von beiden Konfessionen vor Augen gestellt werden- als nah und sicher bevorstehend.

Kritik am Spektakel in Brüssel

Münchau hat in seiner Kolumne in Financial Times Deutschland die Sache sehr ähnlich gesehen. Er kennzeichnet unerbittlich das gemeinsame Oratorium in Brüssel als Schauspiel. SPECTACLE im Sinne Debords. Kritik damit scharf genug der  Oberflächlichkeit des Streits um die Euro-Bonds. Am Ende müsste nach ihm das stehen, vor dessen Anblick alle Staatslenkenden zurückschrecken: Schuldenerlass in den betroffenen Randstaaten. Damit freilich Versündigung am Heiligsten: Den Interessen der Banken. Oder noch schlimmer für alle: Abwarten, bis die gehorteten Geldzeichen sich so weit verbreiten, dass die gefürchtete Inflation, die alles wegfressen würde, doch durch Zinserhöhung für ganz Europa bekämpft werden muss.Der bevorstehende Fall Spaniens- mit und ohne Ausnahmezustand- könnte nach ihm schon im Jahr 2011 die Stelle anzeigen, an der alle Schirme keinen Regensturz mehr abdecken.

Warum soll gerade eine Flunder das als einzige gemerkt haben?

Das sehen sicher viele so. Auch und gerade in den Bankenkreisen. Aber das herrschende Kapital- und Finanzsystem erlaubt keine Folgerungen aus solchen Voraussichten. Ganz offenbar herrscht dort die Devise: Was man hat, das hat man. Rasch noch profitieren, bevor der Fall kommt.Und das, so der kollektive Traum, dann anlegen in "Werten", die der Flüchtigkeit des Geldstroms nach Möglichkeit entzogen wären. Eine Villa für nach dem Rückzug. Altertümlicherweise Gold. Ein Kunstwerk, nach wissenschaftlicher Abstempelung, vielleicht auch dabei.

Kommt der "Aufstand" aus dieser Not?

Was sich Münchau von seinem Standpunkt her freilich völlig verschließt: Die Möglichkeit einer Auflösung der Krise von unten her. Die Regierungen allesamt halten sich bis jetzt weitgehend unerschüttert  in der Niederhaltung der Proteste. Sie selbst, unter der Knute des Weltkapitals, zeigen dennoch wenig Nachgiebigkeit. Im Zeichen des "Alternativlosen".

Es wird eine furchtbare und lange Zeit der Aufstände brauchen, mit zweifellos einer zeitweisen Senkung der Ansprüche aller, Ausbau der inländischen Wirtschaftsmöglichkeiten unter Verzicht auf das Japsen nach dem Export, Überwältigung der je eigenen nationalen Finanzbourgeoisie. Man mag es sich selbst auf seine alten Tage nicht in allen Einzelheiten vorstellen. Aber zu vermeiden wird es kaum sein.

Was mir heute wichtig erscheint #238

Kinderwagendemo: Am 18.12.  veranstalten die Parkschützer in Stuttgart einen Weihnachtsumzug unter dem Motto "Kopfbahnhof 21 - den Menschen ein Wohlgefallen". Von der 56.  Montagsdemo gibt es bei Alex Schäfer, Herrn Daniel W. aus F. und bei Roland Hägele wieder jede Menge Fotos. In dem Zusammenhang mal eine Linkempfehlung: Die Baumpoeten - das Blog der gleichnamigen Bezugsgruppe der Parkschützer im Schlossgarten.

Projektwerkstatt:
Die Projektwerkstatt Stuttgart öffnet am 18. Dezember ihre Türen und stellt sich vor. Was ist eine Projektwerkstatt? Was ist funktionelles wohnen? Wie kann ich die Räumlichkeiten nutzten? Wie wird das Projekt finanziert? Für diese Fragen und natürlich ausgelassenes Feiern nach viel Arbeit ist an diesem Samstag Platz.

Aktionstag: Seit dem 5. Mai streiken ArbeiterInnen des Transportunternehmens UPS in der Türkei, um ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung sowie bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Um diesen Kampf zu unterstützen, findet am 16. Dezember ein internationaler Aktionstag statt. In Berlin und München sowie in vielen anderen Städten weltweit werden Protestkundgebungen stattfinden.

Normübertretung: Im Zuge des Generalstreiks gegen den Sparkurs der Regierung in Griechenland, kam es gestern zu schweren Auseinandersetzungen. Luxusautos, das Wirtschaftsministerium und die Polizei wurden angegriffen. In Rom brannte nach Bekanntwerden der gewonnen Vertrauensabstimmung Berlusconis die ewige Stadt. Beteiligt waren wohl aber auch zahlreiche agent provocateurs. Zur Tradition normübertretender Kämpfe in Rom siehe auch: Valle Giulia, Roma, 1 Marzo 1968

Bullenverleih: Der diesjährige Castor-Transport wurde begleitet von Polizisten aus Frankreich, Polen, Kroatien und den Niederlanden. Während die meisten von ihnen als Beobachter tätig waren, half mindestens ein französischer CRS-Beamter deutschen Bundespolizisten bei der brutalen Räumung von Demonstranten. Beitrag von Matthias Monroy in der SOZ zur Frage: "Auf welcher Basis durfte der CRS-Beamte in Deutschland prügeln?"

Endloskrise: Die Krise scheint kein Ende nehmen zu wollen. Inzwischen wird in den Massenmedien und auf den Finanzmärkten spekuliert, welches Land der Eurozone - nach Griechenland und Irland -“ als Nächstes unter seiner Schuldenlast zusammenbrechen, und unter den 750 Milliarden Euro umfassenden „Schutzschirm“ der EU flüchten wird. Beitrag von Tomas Konicz in Gegenblende - das gewerkschaftliche Debattenmagazin.

Appell: die tageszeitung, Der Freitag, die Frankfurter Rundschau, der Tagesspiegel, ECCHR und Perlentaucher.de haben eine gemeinsame Erklärung “Appell gegen die Angriffe auf Wikileaks- veröffentlicht. (via Netzpolitik)

Wachstum: Das UJZ Korn in Hannover existiert seit 1972 und ist damit eines der ältesten noch existierenden, unabhängigen Jugendzentren in der BRD. Durch die vielen unterschiedlichen NutzerInnen haben sich selbstverständlich im Laufe der Jahre auch die politischen, sozialen und kulturellen Schwerpunkte immer wieder verändert. Das UJZ Korn war aber immer Raum sozialer Kommunikation, politischer Auseinandersetzung und Organisierung und kulturellen Lebens -“ und dafür soll es bald noch mehr Raum geben. Seit einiger Zeit steht das Haus neben dem UJZ, die Kornstr. 32, leer. Dieses soll jetzt gekauft werden, wozu es eine Spendenaktion gibt.

Meisterhaft: Deutschland ist Lohnminus-Meister: In den meisten Industriestaaten sind die Löhne in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Nicht so in Deutschland: Hier schrumpfte das Durchschnittsgehalt um 4,5 Prozent. Damit liegt die Bundes­repu­blik bei einem Vergleich der Internationalen Arbeitsorganisation auf dem letzten Platz. ("Spiegel" - Zitat, geklaut beim Schockwellenreiter, der auch noch was passendes Zeitloses von Erich Honecker dazu hat.)

Ärgerlich: Warum man den Rat von kik nicht befolgen sollte.

Orndungsfaktor: "Der Frieden in einer Gesellschaft ist umso stabiler, je mehr ihre Mitglieder den Eindruck haben, beteiligt zu sein. In Frankreich lassen sich die Menschen lange viel gefallen, ohne zu protestieren - bevor sie dann auf ihre Weise eine Diskussion beenden, die es in Wahrheit nie gegeben hat: indem sie Fisch vors Rathaus kippen, Straßen blockieren oder Manager im Büro festsetzen. In Deutschland hingegen können Gewerkschafter die Bezahlung der Beschäftigten aushandeln sowie in Betriebs- und Aufsichtsräten mitbestimmen; längst nicht in allen Branchen sind sie satisfaktionsfähig, aber in vielen. Die Arbeitnehmer streiken so selten wie sonst nur in der Schweiz, das Ventil des Generalstreiks braucht hier keiner." Detlef Esslinger in seinem Kommentar in der "Süddeutschen Zeitung" in dem er den Einfluss griechischer und französischer Gewerkschaften mit der deutschen Situation vergleicht.

Beliebig: "Je nach politischem Zusammenhang scheint die Gewichtung etwas unterschiedlich auszufallen, um es vorsichtig zu formulieren." Staatsrechtler Joachim Wieland in einem STZ Interview zur Frage, wie die baden-württembergische Landesregierung mit der Verfassung umgeht. Zum Beispiel hinsichtlich S21 Volksentscheid oder jetzt in Zusammenhang mit dem 6 Milliarden Euro schweren EnBW-Rückkauf, bei dem das Parlament ausgeschaltet wurde.

Zum Tode von Peter Chotjewitz: Ein Archäologe der Gegenwart

Peter Chotjewitz ist tot. Aus diesem Anlass nochmal zu seinem Buch: "Mein Freund Klaus" / Verbrecherverlag 2007:

1968-1978. Die Epoche, elegant verpackt, wird als bleierne Zeit weitergereicht. Zu Ende verstanden. Meist Auslöser erleichterten Aufatmens. Damals bleiern, heute golden.

Nur dass das zu Ende verstandene zugleich das unverstandenste bleibt.

Peter Chotjewitz, einst selbst in seiner Funktion als gelernter Rechtsanwalt  zeitweise Verteidiger Baaders, hat einen ganz eigenen Weg gefunden, um die Scheinsicherheiten über RAF und Stammheim zu bekämpfen und zu beenden. Er machte die Suche nach Kenntnissen über die Zeit selbst zum Inhalt des Buchs. Das Verschüttete der Erinnerung, das Entstellte, das Vergessene und Verdrängte einer Epoche, die doch gerade um dreißig Jahre zurückliegt, wird damit selbst gegenwärtig. So wie Ophüls die Suche nach Barbie über die  ganze Welt hin in einem Film darstellte, so geht Chotjewitz vor. Dass er den Anwalt der Stammheimer Croissant aus frühesten Tagen kannte, wird ihm zum willkommenen Aufhänger der Darstellung. Keineswegs erschöpft sie sich darin. Eine ganze Welt wird wieder hervorgerufen, beziehungsweise neu bekannt gemacht. Gerade Stuttgart, das sonst nicht im Rufe steht, ein Zentrum der Revolution darzustellen, wird in seinen linken Verästelungen sichtbar. Da taucht etwa Grohmann auf, oder der Buchhändler Niedlich. Also heute noch Lebende unter vielen Toten.

Croissant selbst: der Mann aus gutem Hause und aus Kirchheim/Teck. Der Student aus Heidelberg. Der erfolgreiche Rechtsanwalt, von vielen geschildert als Dandy, als Bonvivant, als Frauenheld.
Chotjewitz betont immer wieder das nicht primär Marxistische in der Entwicklung Croissants. Gerade an den Demos ab 67 nahm er so wenig Teil wie an den  ihnen folgenden hektischen Schulungen und Diskussionen.

Ein wenig wie bei Riemeck und Meinhof selbst erwächst seine Gegnerschaft zum “System-, wie man damals zu sagen begann, gerade aus dem beleidigten Ehrgefühl, dem enttäuschten Glauben an den Staat als Garant von etwas, das mehr oder weniger Gerechtigkeit sein sollte. Wie es vielen von uns ging: wir wären die größten Verteidiger des Rechtstaats und des Grundgesetzes und anderer schöner Dinge geworden, wenn uns nur einer hätte vormachen können, wie das widerspruchsfrei  hätte gehen können. Nur den fanden wir nicht. Dieser Ausgangspunkt schließt allerdings den Übergang von der bürgerlichen Empörung und Auflehung zur marxistischen Analyse weniger aus, als Chotjewitz anzunehmen glaubt.

Sehr wahrscheinlich allerdings die Begründung, die Chotjewitz anbietet, warum Croissant so viel härter verfolgt wurde als andere Rechtsanwälte, die wie er wegen des sogenannten Info-Systems rechtlich verfolgt wurden. Groenewold zum Beispiel. Chotjewitz nahm an, dass gerade die aus der Mitte des Bürgertums ausbrechende Empörung besonders angsterregend war für die Obrigkeit. Der Block des Bürgertums gegen die astrakte Bedrohung, die schon damals “Terrorismus- genannt wurde, musste geschlossen bleiben. Fremdkörper im Innern der Festung vernichten.

Im Übrigen, Mitteilung an alle, die sich noch erinnern: sämtliche beteiligten Rechstsanwälte, mit Ströbele angefangen, halten es bis heute für legal, einen Prozess mit vielen Angeklagten und vielen Verteidigern dadurch zu koordinieren, dass alle betreffende Papiere bei allen herumgeschickt werden. Umgekehrt war es unbestreitbare Absicht des Krisenstabs, die Angeklagten der RAF nicht nur von der Außenwelt, sondern auch voneinander zu isolieren.So gesehen ist natürlich klar, dass das INFO-System in den Augen der verfolgenden Rechtspflege selbst zur Unterstützung einer Straftat wurde.

Croissants Büro war so verwanzt, dass damals kaum einer ein offenes Wort sich traute. Der spätere Kronzeuge Speitel wurde- nach verschiedenen Mutmaßungen- entweder von vornherein als Staats-Schutz-Spitzel eingeschleust- oder nach der Verhaftung zu Aussagen erpresst. Wie Chotjewitz berichtet, hatten BKA und der Krisenstab sich darauf geeinigt, dass Croissant die Spinne darzustellen habe in einem riesigen Netz. Von dessen Zentrum aus wäre dann alles gesteuert worden,  was es zwischen Libanon und Stammheim böses gab. Dem Konstrukt folgt die Verwirklichung durch Zurichtung. Vom ganzen Büro Croissant blieben am Ende zwei Schreibkräfte übrig, bevor es geschlossen wurde. Croissant sah sich so in die Enge getrieben, dass er nach Paris floh, um von dort aus die Öffentlichkeitsarbeit für die Stammheimer zu betreiben. Unter dem Druck der Bundesrepublik entschloss sich Frankreich gegen seine Tradition, Croissant auszuliefern, allerdings so, dass die meisten Delikte, in Deutschland frisch erfunden, in Frankreich unbekannt, nicht Gegenstand der Anklage werden durften. Etwas kleinlaut wurde dann im endgültigen Urteil verlautbart, jede Einzelhandlung für sich sei nicht strafbar. Aber man müsse alles im Gesamtzusammenhang der “Unterstützungsabsicht für die Gefangenen- sehen.

Chotjewitz selbst spricht sich zwischendurch kühn für das Recht auf bewaffneten Kampf aus. Bekennt allerdings von sich selbst, für viele andere mit, dass er sich damals nicht aktiv beteiligt hätte, weil ihm das sonstige Leben zu wichtig gewesen wäre. Bekennt auch , dass Ulrike Meinhof bei ihm per Kassiber angefragt hatte, ob er eine Dokumentation herausgeben wolle über ihre vierzehn Monate im Toten Trakt in Köln-Ossendorf. Wie Meinhof befürchtete, war er dafür “zu faul-.

So scharf wie  Jutta Ditfurth in ihrer Biographie der Ulrike Meinhof entwirft er ein Gemälde vom einheitlichen Willen im Staatsapparat, sich der revolutionären Gegner auf alle Fälle zu entledigen, ohne Rücksicht auf bestehende gesetzliche Hemmnisse. Chotjewitz geht soweit, einen einheitlichen Schießbefehl anzunehmen gegen alle festgenommenen RAF-Mitglieder. Petra Schelm, Weissbecker, der im Bismarckgymnasium Karlsruhe in die Schule ging, und so viele andere- vorsätzlich durch Scharfschützen abgeknallt? Bei Chotjewitz nur in Gesprächsform geäußert, ohne Beleg. Lassen wir es in dieser Weise stehen.

Ausführlich geht Chotjewitz noch auf die letzten Jahre Croissants ein- als Lebensgefährte von Brigitte Heinrich, der anti-imperialistischen Kämpferin. Sie war Europa-Abgeordnete der GRÜNEN; Croissant in dieser Zeit in Brüssel ihr Assistent. Ihr Begräbnis als Großereignis, wird ausführlich geschildert, merkwürdigerweise nicht die hämischen Absagen an sie nach diesem Begräbnis, wie sie in Frankfurt damals verbreitet wurden. Wohl vor allem über Cohn-Bendits Meinungspostille “Pflasterstrand-. Und zwar richteten die Angriffe sich nicht auf ihre Zusammenarbeit mit der STASI-Behörde in der damaligen DDR- damals wusste man noch nichts davon, weder von dem, was sie, noch was Croissant in Ost-Berlin zum Besten gaben. Nein, die Angriffe richteten sich ausdrücklich auf ihr antiimperialistisches Engagement selbst. Offenbar fand es die Fischer-Cohn-Clique damals an der Zeit, den Anti-Imperialismus zurechtzustutzen und einzudämmen. Die Regierungsbereitschaft der Grünen bereitete sich vor.

Ein Buch wie das von Chtojewitz ist seiner Struktur nach immer work in Progress. Sein Fragen, seine Untersuchung könnte immer so weitergehen. So etwa nach einem Darstellungsproblem: als den Stammheimern die meisten Rechtsanwälte entzogen worden waren, meldeten sich Kempf und Pfaff, beide damals beim KBW. Während Jutta Ditfurth explizit behauptet, solche Anwälte seien in Stammheim sehr ungern gesehen gewesen, angeblich von den Gefangenen selbst , berichtet Chotjewitz, dass gerade Andreas Baader sich voll zufrieden gezeigt hätte. Ohne sich über Wert und Unwert der zugehörigen Partei äußern zu wollen.

Chotjewitzens Buch heißt Roman- wohl mehr aus juristischen Gründen. Gemeint ist das Werk jedenfalls- ob nun als Roman oder als Reportage- einmal als Bericht über eine archäologische Suche in einem Trümmerfeld, das doch unser eigenes Leben darstellt. Zum andern wird es um so wichtiger werden als Handbuch einer Epoche, je weniger Zeitgenossen sich noch unmittelbar erinnern.
Erfreulicherweise verbreitet der Autor nicht Tröstungen für die Zukunft. Keine Mitteilung darüber, wir hätten die Zeit der Rechtsbrüche glücklich hinter uns. Der Unterschied zu der Zeit von vor dreißig Jahren liegt vielleicht nur darin, dass die von Schäuble und Co geplanten Gesetze so weit und so gummiweit verknotet sein werden, dass sie nicht mehr gebrochen werden müssen, um alles zu erlauben, was dem Gemeinwohl dienen könnte. Einem Gemeinwohl, versteht sich, das die Oberen für uns und statt unser bestimmen.

Zuerst erschienen in den stattweb-News vom 1.Januar 2008
cronjob