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RAF-Ausstellung: Notwendige Korrekturen Teil 4

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Quelle: WikiPedia

Im Rahmen ihrer publizistischen Begleitung der Ausstellung „RAF-Terror im Südwesten“ veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung am 21.1.2014 ein Interview mit Klaus Kinkel (Ex-Präsident des BND, Ex-Außenminister). Im Rahmen dieses Interviews wird auch der letzte einer langen Reihe von RAF-“Selbstmördern“ entsorgt: Wolfgang Grams.

Er kam auf dem Bahnhof von Bad Kleinen bei einem Festnahmeversuch der GSG 9 am 27.6.1993 ums Leben. Offizielle Todesursache: Selbstmord.

Allerdings schloss die Staatsanwaltschaft Schwerin noch Anfang Juli 1993 aus, dass „Grams Selbstmord begangen habe“.

Auch der damalige Präsident des BKA Zachert teilte am 6.Juli auf einer Pressekonferenz mit, dass ein GSG 9-Beamter ihm berichtet habe, dass er die Waffe von Grams auf den Bahnsteig gelegt hatte, um die „immer noch bestehende Gefahr der Selbsttötung“ zu verhindern.Zachert war seinen Posten schnell los, denn jetzt war Gefahr im Verzug:

Wolfgang Grams war, von mehreren Kugeln getroffen, schwerverletzt ins Gleisbett gefallen. Über das, was dann passierte, gibt es zwei Versionen:

Alle eingesetzten Beamten (die Zahl schwankt zwischen 38 und 58) hatten in den 8-15 Sekunden, die der Schusswechsel dauerte, kollektiv weg geschaut, sie hatten einfach nichts gesehen.

Eine nicht beamtete Zeugin, die Kioskbesitzerin Baron, und ein BKA-Beamter, der sich anonym dem „Spiegel“ anvertraute, machten allerdings Aussagen, die den Schluss zuließen, dass Wolfgang Grams hilflos auf dem Rücken liegend, durch den aufgesetzten Schuss eines GSG 9-Beamten regelrecht exekutiert worden war.

Was jetzt geschah, wird sehr plastisch durch folgende Episode in der Innenausschusssitzung des Deutschen Bundestags am 15.August 1993 illustriert:
FDP-Abgeordneter Lüder: „Wir haben jetzt -“ das finde ich ganz besonders schlimm für die Informationsarbeit der Regierung -“ eine neue Positionierung der Leiche (des Wolfgang Grams). In jedem Bericht hat die Leiche eine andere Position. Wie erklärt sich das eigentlich?“
CDU-Abgeordneter Johannes Gerster: „Die Gleise haben sich verschoben.“
„Die Gleise haben sich verschoben“ und so wird auch die Wahrheit verbogen, Beweise werden systematisch vernichtet:

  • Vor der Obduktion waschen BKA-Beamte Kopf und Hände von Wolfgang Grams, „irrtümlich“ und wegen „unzureichender Erfahrung“.
  • “Vergessen“ wird auch die Asservierung der Haare von Wolfgang Grams.
  • Durch frühzeitigen Beschuss der Waffen der GSG 9-Beamten durch das BKA werden eventuelle Blut- und Gewebeanhaftungen im Mündungsbereich dieser Waffen vernichtet.
  • Die Lage des schwerverletzten Wolfgang Grams und seiner Waffe werden durch das BKA nicht dokumentiert etc. etc.

Dreißig gravierende „Pannen“ bei der Spurensicherung durch das BKA werden festgestellt. Dann wird die Spurenvernichtung internationalisiert:

Zwecks „neutraler“ und „unabhängiger“ Begutachtung wird der wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich beauftragt, der natürlich zu den erwartenden Ergebnissen kommt. Wie Jahre zuvor schon bei den Stammheimer „Selbstmördern“. Ein wichtiges Asservat, die Jacke des GSG 9-Beamten Nr. 6, ist allerdings seither spurlos verschwunden.

Selbst der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart musste anerkennen, dass der Wissenschaftliche Dienst Zürich falsche und unhaltbare Gutachten lieferte. So zuletzt geschehen im Urteil gegen Peter-Jürgen Book und Christian Klar 1992. Der Senat wörtlich:

Das Gutachten operiere mit „nicht belegbaren Mutmaßungen“.

Nach dieser umfassenden Vernichtung von Beweisen musste die Selbstmordtheorie jetzt noch amtlich bestätigt werden. Ein von Bündnis 90/Die Grünen geforderter parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde abgelehnt. Stattdessen wurde die Regierung beauftragt, die Vorgänge in Bad Kleinen zu untersuchen und einen Bericht vorzulegen.Das ist in etwa so, wie wenn der Wurm entscheidet, ob geangelt wird.

Die Regierung „ermittelte“ also gegen sich selbst und die Mär vom Selbstmord des Wolfgang Grams wurde so in den Rang einer Staatsdoktrin befördert.


Siehe auch:

Der mottenzerfressene Kaisermantel der EU

Schön ist es, sich an alten Erinnerungen zu erfreuen. Und an dem, was von diesen erzählt wurde. Und immer noch weiterverbreitet wird. Damit der alte Glanz noch haftet, auch wenn die Motten schon lange ihr Werk getan haben. So verhält es sich vor allem mit dem Traum der EU vom ewigen Frieden und der Einigung unter der Majestät des Rechts.

Tatsächlich, in den fünfziger Jahren, als Deutschland real noch nichts zu sagen hatte, hingen viele dem Traum nach. Ich auch. Ein Europa- ohne Pässe, eine Währung, überall sich ansiedeln können. Und so weiter.

Diesem Traum scheinen heute noch viele anzuhängen. Selbst in der LINKEN. Und vergessen darüber nur das Eine:In politischen Erklärungen soll man sich nicht ans schöne Illusionäre halten, sondern an die traurigen Gegebenheiten des Tages. Und da sieht es leider ganz anders aus. Zunächst das Antimilitaristische. Da hat die EU einfach die NATO aus- und abgeschaltet. Alles Militärische wird über diese Organisation verhandelt. Auch wenn die Lasten der Toten und der Kosten dann auf niemand fallen, als auf die EG-Mitglieder selbst.

Dann die scheinbare Gleichwertigkeit sämtlicher Beteiligter. Das hat sich gerade jetzt schreiend erwiesen. Nachdem der Generalsekretär eben erst den Iran eingeladen hatte zu einer vagen Diskussion über einen Waffenstillstand in Syrien, wurde er einen Tag später wieder ausgeladen. Auf zugestandenen Wunsch der USA. Das wurde brav vollzogen. Ohne irgendeinen Aufschrei des gesamten Restbündnisses. Dass ohne Iran die ganze Affäre leerlaufen würde, war damit klar. Was aber hilft dann ein Festhalten an einer solchen mit der NATO verbündeten EU?

Es hilft nichts: eine EU in dieser Form hat bisher mehr Unglück erbracht als sonst eine Organisation. Und zwar ziemlich von Anfang an. Als de Gaulle aus allerlei durchsichtigen Gründen aus der NATO ausstieg, war das Gequengel groß - bei allen Vasallen der USA und ihren Anhängern. Leider wurde bald nach de Gaulles Tod die Linie zurückgefahren. Auf keinen Fall aber brachte es einen Rückfall in die alte Politik der Überfälle und Kriegserklärungen. Es ist also ein vertretbares Risiko auszutreten - und abzuwarten.

Gysi weiß das sicher so gut wie jeder andere. Wenn er sich jetzt trotzdem zu irgendwelchen Techtelmechteln aufmacht und kleine Fransen am alten Gewande liebkost, liegt das nicht an Erkenntnismängeln. Sondern - sehr kurzsichtig - an Angeboten an SPD und eventuell GRÜNE, noch zu seinen Lebzeiten zu einer Koalition zu kommen. Dieses Ziel ist vielleicht schon möglich. Nur wird es nichts bringen. Außer ein paar Stimmenthaltungen, wenn die Bundesrepublik demnächst zur nächsten Feindbekämpfung ausrückt. Und davon haben wir nichts.

Sahra Wagenknecht hatte in dem berühmten Nichtgespräch mit Lanz völlig Recht, als sie auf der alten Linie beharrte. Denn es kommt nicht darauf an, ob in der Politik die nächsten kleinen Erfolge zählen. Sondern ob die Uraltdecke der schmeichlerischen Umhüllung endlich den klammernden Fingern der Festhalter entrissen wird.

Polizei als Kontrollorgan der allgemeinen Wohlfahrt

Transparente an einem Wohnhaus in St. Pauli, Proteste gegen das ausgerufene Gefahrengebiet im Januar 2014

By Emma7stern (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Was sich in Hamburg gerade abspielt, ist keineswegs ein Rückfall in alte Zeiten. Es ist der Vorstoß in eine ganz neue Art der Fürsorge. Wenn die Polizei die Gefährdungszonen markiert, in denen ihr alles erlaubt ist, dann handelt es sich um den Vollzug einer neuen Vollmacht. Derjenigen sich als einzige und absolute Garantieerklärung des öffentlichen Wohls darzustellen. Deshald die offene Unterstützung der Maßnahme durch Partei und restliche Staatsorgane. Denn hier wird nicht mehr behauptet, wie früher, es gelte einzelne Gewaltvorstöße zu beseitigen. Sondern: Es stünden Gefahrensituationen ins Haus, die solche Kontrollen unerläßlich erscheinen ließen. Polizei also nicht nur als Exekutor der Handlungen, sondern als Ausdruck einer Situationseinschätzung, in der die Polizei selbst als einziges Organ erscheint, das über die Gefährlichkeit einer Situation entscheidet.

Damit ist die Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen aufgehoben.

Zugleich soll das Ganze keineswegs am Gesamtbild des Polizisten kratzen. Er bleibt - wie in "POLIZEIREVIER" und anderen Sendungen immer neu vorgeführt, der Anwalt der kleinen Leute. Wobei in all diesen Sendungen auffällig bleibt, mit welchen Tricks die Polizei zugunsten des kleinen Mannes arbeitet. Im Ton zufriedenster Vereinbarung. Ohne große Angriffe der Obrigkeit. Der Schwenk wird dann einleuchtend: Wenn eben Gefahr für die einzelnen kleinen Leute droht, muss die gesamte Polizei schließlich alles tun, was eine herkömmliche Polizeidirektive bisher für unzulässig angesehen hätte.

Der Grundgedanke ist nicht neu. Wer die vielen kleinen Prozesse verfolgt hat, denen Liebknecht und Luxemburg ausgesetzt waren, der sieht, dass die Allmacht der Polizei immer schon drohte. Und immer schon jeden Umbruchsversuch von unten verhinderte.

Gewiss - die Allmachtserklärung der Polizei findet im Augenblick nur in Hamburg statt. Aber die einmal erfolgreiche Taktik droht immer, sich auszuweiten.

Wenn am heutigen Sonntag wieder die vereinigten LINKEN sich zur Großdemonstration versammeln, dann vermeiden sie den ewigen Vorwurf der Traditionshuberei am ehesten, wenn sie alle zusammen sich gegen solche Tendenzen wehren. Sie sind gefährlicher als so manche Attacken der offen reaktionären Faschisten. Weil gegen diese sich noch genug Erinnerungen türmen aus der Nazizeit. Die Polizeiattitüde, wie sie sich in Hamburg herausbildet, wirkt unter dem Mantel der Modernität viel gefährlicher.

Rede bei der 203. Montagsdemo gegen S21

Heute hatte ich die Gelegenheit, bei der 203. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 eine kurze Rede zu halten. Diese sei hier dokumentiert:

Liebe S21 GegnerInnen,
liebe FreundInnen der Versammlungsfreiheit,
heute haben erneut tausende Menschen gegen Stuttgart 21 demonstriert und damit klargemacht, dass sie sich nicht ihrer Grundrechte berauben lassen.

Ich vertrete das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit. Wir halten es für unerträglich, dass ganz offensichtlich gerade an den Wochenenden, an denen S21 GegnerInnen ihr Anliegen einer breiten Masse bekannt machen könnten, dies gerichtlich untersagt wurde.

Ich sage: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht wertgeschätzt.

Der juristische Trick: Die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs wird zum Bestandteil der Rechtsordnung "ernannt" und damit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Und die darf ja nicht "bedroht" werden. Es gibt im Gegensatz zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit jedoch kein Grundrecht auf störungsfreien Verkehr oder Einkauf!

Letztlich ließe sich mit dieser Begründung eigentlich jede Demonstration verbieten.

Könnte es sein, daß dieses Urteil des VGH politisch motiviert ist? Es mutet doch zumindest seltsam an, daß derselbe Gerichtshof vor drei Jahren ganz anders geurteilt hat. Da hieß es in seiner Entscheidung am 29. Oktober 2010: "Das Interesse des Aktionsbündnisses gegen -ºStuttgart 21-¹, mit seiner Versammlung möglichst große Beachtung zu finden" überwiege das öffentliche Interesse, am Arnulf-Klett-Platz Verkehrsbeeinträchtigungen zu vermeiden. Außerdem hat dieser VGH regelmäßig Neonaziaufmärsche genehmigt, für die ganze Innenstädte komplett abgeriegelt und Tausende Polizisten eingesetzt werden wie kürzlich Göppingen. Alles, um die Versammlungsfreiheit von ein paar Dutzend Neonazis zu schützen. Wir halten das für einen wirklich besorgniserregenden Umgang mit Grundrechten.

Die Befangenheit des VGH macht nicht einmal vor den Grundrechenarten halt, ich zitiere wieder dessen Urteil: "Die von der Antragsgegnerin errechnete Zahl von insgesamt ca. 8300 Verkehrsteilnehmern überwiegt bei Weitem die Anzahl der Teilnehmer der Montagsdemonstration, die sich im Jahresverlauf 2013 auf durchschnittlich 1500 Personen und im Durchschnitt der letzten beiden Monate auf ca. 1200 Personen belaufen hat. Selbst bei Zugrundelegung der von der Veranstalterin angegebenen Zahlen von 2000 bis 3000 Teilnehmern änderte sich an diesem Zahlenverhältnis nichts wesentliches."

Im ersten Fall sind es pro Demonstrant ca. 7 Verkehrsteilnehmer, die behindert werden, im zweiten Fall sind es nur noch ca. 3 Verkehrsteilnehmer.

Wenn eine Halbierung des Zahlenverhältnisses "nichts wesentliches ändert", und man davon ausgehen kann, dass die Mitglieder des ersten Senats des VGH rechnen können, dann gibt es für diese Willkür nur eine Erklärung: Der VGH als dienstbarer Erfüllungsgehilfe der S21-Betreiber.

Ein Indiz dafür, dass der VGH genau weiß, wie er hier das Recht verbiegt, ist, dass er auf der anderen Seite nämlich kein Zahlenverhältnis festlegt, ab welchem man den Verkehr dann behindern darf. Die Absurdität der VGH Argumentation wäre zu offensichtlich.

Warnen wollen wir vor einer Orientierung auf die Wahlen, wie dies einige trotz der Erfahrungen der letzten Jahre wieder erwägen. Die 2008 geplante Verschärfung des Versammlungsrechtes wurde letztlich auf Grund breiten Protestes auf Eis gelegt. Unter der Grün-Roten Regierung hat sich jedoch nicht alles zum positiven geändert. Das VGH Urteil wirft ein Licht darauf, wie das angekündigte “bürgerfreundliche- Versammlungsgesetz aussehen wird, wenn sich dagegen kein Protest regt. Wir sagen deshalb: Jede demokratische Bewegung muss sich auch die Verteidigung und Erweiterung der politischen Grundrechte zur Aufgabe machen.

Natürlich muss diesem Schandurteil auch juristisch entgegen getreten werden. Entscheidend ist aber, dass die Versammlungsfreiheit immer wieder auf der Straße verteidigt wird.

Wir fordern OB Kuhn auf, seinen Ordnungsbürgermeister anzuweisen, seine Verfügung gegen die Montagsdemos zurück zu nehmen und auf die Umsetzung des VGH-Urteils zu verzichten!

Einstellung aller Verfahren gegen S21 GegnerInnen, die in Zusammenhang mit dem Urteil des VGH eingeleitet wurden!

Angesichts der zu befürchtenden weitgehenden Auswirkungen des VGH-Urteils appellieren wir an alle demokratischen Kräfte auch zukünftig im Rahmen der Montagsdemo gegen S21 für die Versammlungsfreiheit auf die Straße zu gehen.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

Siehe auch: "Recht aufs Demonstrieren erkämpfen", im Gespräch mit der Tageszeitung junge Welt
"Kritik an Verlegung der Montags-Demos", Beitrag von Christian Schwarz in den Stuttgarter Nachrichten zu unserer Pressemitteilung "Anschlag auf Versammlungsfreiheit!"

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Montagsdemos gegen Stuttgart 21: Anschlag auf Versammlungsfreiheit!

Am 16. und 23.12.2013 dürfen die Montagsdemos gegen Stuttgart 21 nicht auf dem Arnulf-Klett-Platz vor dem Hauptbahnhof stattfinden.

Begründung: Die Stadt Stuttgart „habe bei der gebotenen Abwägung in vertretbarer Weise den Interessen (...) der betroffenen Verkehrsteilnehmer den Vorrang gegenüber dem von der Versammlungsfreiheit geschützten Interesse (der S21- Gegner) (...) eingeräumt.“

Zu deutsch: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird der Straßenverkehrsordnung, bzw. den „Interessen der Verkehrsteilnehmer“ geopfert.

Der juristische Trick: Die Sicherheit und Leichtigkeit (!) des Straßenverkehrs wird zum Bestandteil der Rechtsordnung „ernannt“ und damit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Und wenn die „bedroht“ ist -“ siehe oben.

Mit dieser Begründung lässt sich jede Demonstration verbieten.

Diese Entscheidung des VGH ist von erheblicher politischer Brisanz:

Ist es doch derselbe Verwaltungsgerichtshof, der regelmäßig jeden Neonazi-Aufmarsch genehmigt, obwohl dafür ganze Innenstädte komplett abgeriegelt - der Verkehr also vollständig zum Erliegen kommt - und tausende Polizisten eingesetzt werden (Heilbronn, Göppingen etc.), um die Versammlungsfreiheit von ein paar dutzend Neonazis zu „schützen“.

Zum anderen hat derselbe Verwaltungsgerichtshof vor drei Jahren in gleicher Sache das gerade Gegenteil entschieden:

„Das Interesse des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, mit seiner Versammlung möglichst große Beachtung zu finden, überwiegt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen am Arnulf-Klett-Platz.“ (Entscheidung vom 29.10.2010, Az. 1 S 2493/10)

Dass die Argumentation von Ordnungsbürgermeister Schairer an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt auch die wundersame Verlängerung der Verkehrsstaus: Vom 30.11.2013 („Auf dem Cityring bildet sich regelmäßig ein bis zu einem Kilometer langer Stau“, Schairer im StZ- Interview) bis zum 10.12.2013 hat sich die Staulänge - zumindest im Schriftsatz der Stadt Stuttgart - dann verfünf- bzw. verachtfacht.

Der grüne OB schweigt zu alledem.

„Offensichtlich handelt Schairer im Einvernehmen mit dem grünen OB Kuhn. Da ist die Ankündigung eines „bürgerfreundlichen“ Versammlungsgesetzes durch die grün-rote Landesregierung schon fast als Drohung zu verstehen,“ so Thomas Trüten, der Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit. Und weiter: „Angesichts dieser Entwicklung sehen wir uns erneut in unserer Forderung nach einem fortschrittlichen Versammlungsgesetz bestätigt. Die Vorrangigkeit des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit vor nachgeordneten Vorschriften und Gesetzen muss politisch und juristisch durchgekämpft werden. Wir rufen deshalb die demokratische Öffentlichkeit auf - unabhängig vom jeweiligen Standpunkt zu Stuttgart 21 - am 16. und 23.12.2013 im Rahmen der Montagsdemos gegen diesen Anschlag auf die Versammlungsfreiheit zu demonstrieren.“


Quelle: Pressemitteilung vom 14.12.2013 / versammlungsrecht.info

Aber die Terroristen!

Generalbundesanwalt Harald Range auf der Jahrespressekonferenz seiner Behörde: "Für den Lauschangriff auf Angela Merkel sieht der Generalbundesanwalt keinerlei Belege. Auch das massenhafte illegale Abschöpfen von Daten -“ wie Edward Snowden behauptet -“ habe es nicht gegeben." ("NSA-Spähaffäre? Gibt es nicht, sagt der Bundesanwalt", in der "Welt" vom 11.12.13).
Die beste Demokratie, die man für Geld kaufen kann?
Wie auch immer:
"Ein in deutschen Medien veröffentlichtes angebliches NSA-Dokument genüge Range jedenfalls nicht, um damit einen Anfangsverdacht zu begründen." Komisch, wenn der Staat gegen Demonstranten vorgeht, reicht normalerweise der geringste Anlass.
Zum Beispiel Regenschirme.
Und weil wir es hier mit einem Springer Blatt zu tun haben sind, geht es nahtlos zu "ABER DIE TERRORISTEN!!!" über. Ganz großes Hallentennis! (fefe, 11.12.13)

Auf der anderen Seite findet eine Auf­klä­rung über den NSU und ins­be­son­de­re des­sen Ver­stri­ckung mit deut­schen Ge­heim­diens­ten und Be­hör­den von of­fi­zi­el­ler Seite nur schlep­pend statt. In den par­la­men­ta­ri­schen Un­ter­su­chungs­aus­schüs­sen wird ge­lo­gen und be­schö­nigt, es wur­den Akten ver­nich­tet, zu­rück­ge­hal­ten und ma­ni­pu­liert und struk­tu­rel­le Pro­ble­me als in­di­vi­du­el­les Ver­sa­gen von Ein­zel­per­so­nen dar­ge­stellt. Gar nicht komisch.
Liegt das wirklich nur an den "fehlenden Befugnissen"? (Range, ebenda)

Das Geschrei mit "den Terroristen" dient immer offensichtlicher nicht nur zur Ablenkung von ihren Taten sondern zur Legalisierung der Stärkung der Dienste und deren Zusammenarbeit mit Polizeien und anderen staatlichen Institutionen. Immerhin die Aufhebung einer "Konsequenz" aus dem Faschismus. An deren Aufhebung mit der Gründung neuer Geheimdienste und der Rekrutierung alter FaschistInnen für Geheimdienste, Bundeswehr, Bürokratie usw. unmittelbar nach dessen Ende begonnen wurde.

Dokumentarfilm "Verlust der Unschuld - das Massaker in der McGurk's Bar"

Der Dokumentarfilm "Verlust der Unschuld - das Massaker in der McGurk's Bar" (Originalsprache: englisch) hat seit kurzem deutsche Untertitel. Er steht im Internet zur Verfügung. Ein "Danke schön" an alle, die mitgeholfen haben, dieses Projekt zu verwirklichen.

Eine Wandmalerei an der Ecke von Great Georges Street in Belfast ist das einzige, was von McGurk-™s Bar noch übrig ist Die Familien der Opfer hatten sie im Rahmen ihrer Kampagne zum 40. Jahrestag des Massakers angebracht.

Fünfzehn Besucher des Pubs wurden am frühen Abend des 4. Dezember 1971, einem Samstag, durch eine Bombe pro-britischer Paramilitärs ermordet, 16 weitere erlitten zum Teil schwere Verletzungen, das Pub wurde völlig zerstört. Die britische Regierung und die nordirische Polizei RUC (Royal Ulster Constabulary) begannen sofort nach dem Attentat eine Kampagne, mit der sie das Attentat als "IRA-Eigentor" darstellten und die Opfer zu Terroristen oder zumindest zu Symphatisanten erklärten. Zeugen wurden ignoriert, die Selbstbezichtigung eines der Täter stieß auf taube Ohren, Unterlagen verschwanden.

Die Hinterbliebenen kämpfen immer noch um Aufklärung. Im Dokumentarfilm "Verlust der Unschuld - das Massaker in der McGurk's Bar" haben sie die Fakten zusammengetragen, die sie gegen den Widerstand staatlicher Stellen recherchiert haben. Der Dokumentarfilm steht im Internet auf Youtube zur Verfügung und kann dort oder über unsere Webseite Info Nordirland angesehen werden:




Quelle

Koalitionsvertrag: Wo bleibt Europa? Und wo die Flüchtlinge?

Europa macht die Grenzen dicht: Eurosur startet
Screenshot: Broschüre der EU Kommission
Dass SPD und Union bei Europa weitgehend einig sind, konnte man schon bei jeder Bundestagssitzung beobachten. Dazu hätte es keinen Vertrag gebraucht. Wie bisher gilt: Europa unterwerfen. Deutschland muss die absolute Vorhand behalten.

Soviel zu den großen Versprechungen, die die SPD-Spitze jetzt in zahllosen Veranstaltungen verkündet. Nur - was bedeutet das konkret?

Nachdem seit Montag EUROSUR in Kraft tritt, heißt das: Strikteste Abtrennung der Festung Europa vom Rest der Welt. Es ergibt sich ein System, das "Grenzüberschreitungen" für das schlimmste Vergehen ansieht.

Offenbar soll sich ein Netz entfalten, in welchem mit sämtlichen Medien Aufmerksamkeit erzeugt wird für Unregelmäßigkeiten aller Art. Zweck des Ganzen: Keineswegs in erster Linie Rettung Schiffbrüchiger. Vielmehr: Zurückweisung aller Aufsässigen. Zurück nach Möglichkeit in die Heimat, der sie zu entrinnen hofften. Dass mit dieser Maßnahme natürlich weiterhin Leute ertrinken, darf nicht verwundern. Denn - um den Argusaugen der Aufseher zu entgehen - müssen sich die brüchigen Schiffe mit Flüchtlingen immer weiter von den gewohnten Wegen bewegen. Und es wird weiterhin vor Lampedusa oder Malta das Unglück sich steigern.

Es war nicht völlig klar, ob unsere Bundesrepublik direkt oder eher indirekt am neuen Überwachungssystem beteiligt ist. Dass sie auf jeden Fall davon profitiert, ist selbstverständlich. Und wie bei uns die Aufnahmewilligkeit sich gestaltet, dazu nur ein kleines Beispiel: Vor mehreren Monaten hatte unser Vaterland sich genötigt gesehen, fünftausend Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen zu wollen. Nach den letzten Nachrichten beträgt die Summe der wirklich Aufgenommenen gerade 1300. Das sagt wohl alles.

Wie Benjamin - selbst ein Geflohener - sinngemäß meinte: "Dass alles so weitergeht, ist die wahre Katastrophe". Sollten die SPD-Mitglieder, angesichts dieser Perspektive, nicht doch dieser Möglichkeit absagen? Und angesichts der jetzt schon drohenden Folgen nicht doch ein kräftiges "NEIN" zu allen verführerischen Angeboten riskieren?

Großbritanniens schmutziger Krieg in Nordirland

Die unbewältigte Vergangenheit des Nordirlandkonflikts macht derzeit auch bei uns Schlagzeilen. Der Dokumentarfilm "Großbritanniens geheime Terror-Truppe", den BBC Panorama am vergangenen Donnerstag ausstrahlte, lies drei ehemalige Mitglieder der britischen Military Reaction Force (MRF, Militärische Rückschlagseinheit) zu Wort kommen. Die MRF ermordete Anfang der 70er Jahre in Belfast unbewaffnete Zivilisten, um die "IRA zur Strecke zu bringen". Sie bestätigten damit öffentlich einen kleinen Teil dessen, was viele lokale Kampagnengruppen und Menschenrechtsorganisationen in jahrzehntelanger Recherchearbeit ans Tageslicht gebracht haben.

Auslöser für den gestrigen Film war der Bericht „COUNTER-GANGS: A history of undercover military units in Northern Ireland 1971-1976 (Kontras: eine Geschichte verdeckt operierender Militäreinheiten in Nordirland)“ von Margaret Urwin, den Spinwatch gemeinsam mit Justice for the Forgotten und dem Pat Finucane Centre im Januar 2013 veröffentlichte. Speziell das im nordirischen Derry beheimatete Pat Finucane Centre recherchiert seit Jahrzehnten über staatlichen Terror, dessen ungeheurere Dimensionen in immer größerem Umfang aufgedeckt werden.

Tödliche Verbündete

Denn es war bei weitem nicht nur die 1973 aufgelöste MRF, die einen schmutzigen Krieg in Nordirland führte. Reorganisiert und umbenannt, agierte die MRF als „Force Research Unit (FRU)“ weiter. Ihr Name taucht häufig auf, wenn es um die Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit pro-britischen Todesschwadronen ging. Es gab ein Netz aus Sondereinheiten der nordirischen Polizei, des britischen Militärs und ihrer „Lethal Allies“. „Lethal Allies (Tödliche Verbündete)“, so lautet auch der Titel des Buchs, das die ehemalige Journalistin und derzeitige Recherche-Mitarbeiterin des Menschenrechtszentrums Pat Fincane Centre, Anne Cadwallader, erst kürzlich im September 2013 veröffentlichte. Seitdem schlägt es hohe Wellen. Im Buch belegt Cadwallader, dass die Zusammenarbeit britischer Stellen mit den pro-britischen Paramilitärs, der Ulster Volunteer Force (UVF) und der Ulster Defence Association (UDA), deren „Spezialität“ die Ermordung katholischer Zivilisten war, bis in höchste britische Regierungskreise reichte. Diese Zusammenarbeit hatte viele Gesichter, die direkte Anstiftung zum Mord, die Bewaffnung von UDA und UVF, der Abzug von Polizeisperren vor einem Attentat, die Nichtverfolgung von Straftaten und die bewusste Lüge. Auf unserer Webseite berichten wir seit 2002 immer wieder über diese recht harmlos als „Collusion (Zusammenarbeit)“ bezeichnete Strategie des Einsatzes von Todesschwadronen (siehe hierzu den Themenschwerpunkt Collusion).

Familien der Opfer dieses Terrors haben sich in Kampagnengruppen wie Justice for the Forgotten, die Angehörigen der Ermordeten des Ballymurphy Massakers, des McGurk-™s Bar Massakers und die Familien von Bloody Sunday und viele mehr zusammengeschlossen. Mit Hilfe von Menschenrechts- und Selbsthilfeorganisationen haben sie Beweise zusammengetragen. Da die Morde von der Polizei während des Konflikts ignoriert, oder kurzerhand die Opfer zu Tätern erklärt wurden, mussten Angehörige nicht nur die Aufklärung selbst in die Hand nehmen, die Behörden versuchen immer wieder, ihre Arbeit zu behindern.

Ein Beispiel ist das Bombenattentat der UVF auf McGurk-˜s Bar am 4. Dezember 1971. Fünfzehn Menschen, die sich am frühen Samstagabend in der Belfaster Bar aufhielten, wurden getötet. Die Bar war nur noch ein Trümmerhaufen und brannte vollständig ab. Gegen besseres Wissen aus vorliegenden Gutachten erklärte die Polizei das Attentat zum „IRA Eigentor“ und damit die Barbesucher zu Bombenbauern und Terroristen.

Denn, so erläutert einer der Hinterbliebenen Robert McClanaghan, die Polizei „wollte nicht zugeben, dass das Attentat auf McGurk's Bar von (pro-britischen) Loyalisten verübt worden war, weil ... der Staat die IRA bekämpfte, und dabei Katholiken, irische Nationalisten und irische Republikaner verhaftete und internierte. In dieser Lage zuzugeben, dass die UVF gerade 15 Männer, Frauen und Kinder ermordet hatte, hätte ein Umdenken nötig gemacht. Es hätte den Staat gezwungen, Protestanten zu verhaften, die Terroristen der UVF und der UDA, und sie ins Gefängnis zu stecken.“

Das Zitat stammt aus dem Dokumentarfilm „Loss of Innocence -“ das Massaker in der McGurk-™s Bar“, den Familienangehörigen im Rahmen ihrer Kampagne produziert haben. Er wurde im Internet in englischer Sprache auf YouTube veröffentlicht. Voraussichtlich Anfang Dezember 2013 steht der Film auch mit deutschen Untertiteln zur Verfügung.

Politische Verhandlungen zur Aufarbeitung des Konflikts

Der Fokus auf den schmutzigen Krieg Großbritanniens in Nordirland kommt für die britische Regierung zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Denn in einer neuen politischen Verhandlungsrunde unter der Moderation des amerikanischen Politikers Richard Haas wird gerade über ungelöste Themen des Karfreitagsabkommens - des Friedensabkommens von 1998 -“ diskutiert. Es geht darum, Lösungen für den Umgang mit Oraniermärschen, mit Flaggen und Symbolen und eben auch mit der Aufarbeitung der Vergangenheit zu finden. Der nordirische Generalstaatsanwalt John Larkin forderte vor ein paar Tagen eine Amnestie für alle konfliktbezogenen Straftaten vor 1998. Im Lichte der derzeitigen Enthüllungen ist dies ein durchsichtiges Manöver, das den Mantel des Schweigens über die Aktivitäten des britischen Staates ausbreiten soll.

Die Collusion-Aufklärung hat auch Konsequenzen für die Erklärung des Nordirlandkonflikts. Die Darstellung, Katholiken und Protestanten hätten sich gegenseitig im Nordirlandkonflikt die Köpfe eingeschlagen, wogegen die britische Regierung in den Konflikt hineingezogen wurde, um Terror zu verhindern, wird durch Berichte über die terroristischen Methoden des Staates, die Bewaffnung pro-britischer, protestantischer Todesschwadronen und der Nichtverfolgung terroristischer Verbrechen von britischer Polizei, Armee oder loyalistischen Gangs als Propagandalüge des Krieges entlarvt, mit dem Großbritannien die irischen Viertel Nordirlands niederhalten wollte.

Auch wenn sich die derzeitige Diskussion hauptsächlich um Fälle aus den 70er Jahren dreht, heisst das nicht, dass der schmutzige Krieg nur ein Instrument der Anfangsjahre des Konflikts waren. Das Gegenteil ist der Fall, wie prominente Fälle der 80er und der 90er Jahre zeigen. Als Beispiel sei hier der Mord am Rechtsanwalt Pat Finucane erwähnt. Der Rechtsanwalt wurde im Februar 1989 an einem Sonntagmorgen beim Frühstück in seiner Nordbelfaster Wohnung vor den Augen seiner Familie ermordet. Inzwischen weiss man, dass alle am Mordkomplott beteiligten Loyalisten britische Agenten, bzw. V-Leute waren. Als die britische Regierung sich nicht länger gegen eine öffentliche Untersuchung des Mordes wehren konnte, änderte sie die gesetzliche Grundlage für öffentliche Untersuchungen. Die „Lex Finucane“ gibt der britischen Regierung seither das Recht, Dokumente und Informationen zurückzuhalten.

Erstveröffentlichung auf info-nordirland.de und auf Facebook zu finden. Der Beitrag steht außerdem zum Download als PDF zur Verfügung: >>download hier <<
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