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„Solange Sie sich an die Spielregeln halten...“

Antimilitaristische Aktion bei einem Bundeswehr Messestand
Foto: IndyMedia
Heute wurden zwei AntimilitaristInnen in Stuttgart zu 20 bzw. 30 Arbeitsstunden verurteilt. Sie wurden für „schuldig“ befunden, bei einer Aktion gegen die Bundeswehrpräsenz bei der Bildungsmesse „Didacta“ am 24. Februar des vergangenen Jahres den Tatbestand der Sachbeschädigung begangen zu haben. Bei dieser von über 100.000 BesucherInnen frequentierten Messe handelt es sich um die größte Fachmesse für Bildungswirtschaft in Europa. Seit Jahren versucht die Bundeswehr, dort Fuß zu fassen und sich als Ausbilder für das Bundeswehrhandwerk zu profilieren. Dies jedoch nicht ohne antimilitaristischen Protest -“ wie auch im vergangenen Jahr.

Eine Gruppe AntimilitaristInnen hatte sich auf den Boden vor dem Bundeswehrstand gelegt und wollten mit Ketchup auf ihrer Kleidung das Blut von Kriegsopfern symbolisieren. Die kreative Aktion wurde durch das gleichzeitige Abspielen von Tönen von Explosionen und Gewehrschüssen akustisch unterlegt. Bei der Durchführung der Aktion wurden einige der sich im „Eigentum der Bundeswehr“ befindlichen Teppichfliesen (zumindest laut dem Zeugen Hauptmann H. „hochwertige Ware“) irreparabel mit der „ketchupähnlichen Masse“ beschädigt. Die Uniformen zweier ebenfalls anwesender Soldaten waren zum Glück noch durch Reinigung zu retten.

Trotzdem: Der bei der Aktion entstandene „Sachschaden“ durch die Ketchup-Flecken belief sich auf 12 Euro (Uniformreinigung) bzw. 83 Euro (Ersatz für die hochwertigen Teppichfliesen). Aus dem Grund hatte das Stuttgarter Amtsgericht das Verfahren zunächst wegen Geringfügigkeit aufgehoben. Das gefiel der Staatsanwaltschaft aber nicht , die sich deswegen an das Landgericht gewandt hatte. Dieses kassierte den Beschluß des Amtsgerichts, weshalb es zur heutigen Verhandlung kam.

Obwohl diese „Sachbeschädigung“ ganz offenbar nicht vorsätzlich stattfand, meinte der Staatsanwalt 20 Tagessätze bzw. 30 Tagessätze zu 10 Euro gegen die beiden AntimilitaristInnen fordern zu müssen und dies - trotz des jungen Lebensalters der beiden - nach Erwachsenenstrafrecht und trotz deren Mittellosigkeit.

Die zwei Dutzend BesucherInnen sahen sich annähernd ebenso vielen Polizei- und JustizbeamtInnen gegenüber. Diese wollten den BesucherInnen an die Wäsche, tasteten jedeN, der Einlass in die Verhandlung begehrte, ab und fertigten von deren Ausweisen Kopien an. Angesichts der Friedlichkeit der ProzessbesucherInnen und auch der Ziele der Angeklagten muss sich das Gericht die Frage nach der Verhältnismäßigkeit dieser Mittel gefallen lassen. Zugleich wurde so auch unzweideutig der politische Charakter des Prozesses überdeutlich unterstrichen und bei aller Lächerlichkeit der Anwürfe ebenso die politische Botschaft des Verfahrens.

Die BesucherInnen zeigten sich wohl auch gerade deswegen solidarisch mit den beiden AntimilitaristInnen. Bis auf eine Erklärung zum Prozess, in der neben der Kriegspolitik der BRD die Klassenjustiz, die einen Oberst Klein freispricht, antimilitaristische Friedensaktivistinnen jedoch mit Verfahren überzieht, angegriffen wurde, verweigerten beide Angeklagten, die auf einen Anwalt verzichteten und sich selbst verteidigten, jegliche weitere Aussage.

Der Richter entsprach letztlich nicht den konkreten Forderungen des Staatsanwaltes. Er verdonnerte die Angeklagten zu 20 bzw. 30 Arbeitsstunden, ihre Kosten müssen sie selbst tragen, die sonstigen Kosten trägt die Staatskasse.

Das Urteil ist ebenso wie die Begründung selbstgefällig. Eine an den Haaren herbeigezogene „Argumentation“, nach der ein Bundeswehreinsatz wegen der Taliban und deren Unterdrückung unter anderem der afghanischen Frau ja schon sinnvoll sei, andererseits auch das „Engagement“ der „jungen Menschen“, die sich aber auch „an die Spielregeln des Gesetzgebers“ halten müssten, und die Soldaten „nicht angehen dürften“ als Bestandteil der „bürgerlichen Demokratie“ hergenommen wurden, kleistert im Grunde nur mühevoll liberal zu, dass 20 bzw. 30 Arbeitsstunden eben auch nicht umsonst sind.

Während Menschen in Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr sterben, mokieren sich hier Gerichte über Ketchupflecken.

Gegen Todesstrafe und für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal: Wrap the US Embassy - Die US-Botschaft einwickeln!

Mumia Abu-Jamal Foto: freemumia.org
Beim diesjährigen Ostermarsch in Berlin findet ein ungewöhnlicher Protest gegen die Todesstrafe statt: Aktivisten und Aktivistinnen aus der ganzen Bundesrepublik werden die Botschaft der USA am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor mit dem längsten Transparent der Welt umkreisen und damit symbolisch einwickeln.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind der einzige Staat der „westlichen“ Welt, der seine Gefangenen hinrichtet und gehören damit zu den nur 10% der Staaten weltweit, die noch an der Todesstrafe festhalten.

Vor wenigen Tagen erschien der Bericht zur Todesstrafe 2011 von Amnesty International: Die USA belegen weltweit Platz 5 der Henkernationen -“ nach China, dem Iran, Saudi-Arabien und dem Irak und gefolgt von Jemen. Seit 10 Jahren sinkt die Zustimmung der Bevölkerung jedoch kontinuierlich, und 2011 hat mit Illinois bereits der 16. Bundesstaat die Todesstrafe abgeschafft, Oregon hat einen Hinrichtungsstopp verhängt.

Die Anti-Todesstrafen-Bewegung schenkt den USA besondere Aufmerksamkeit, weil die Abschaffung der barbarischen Strafe in diesem Staat auf der ganzen Welt Signalcharakter hätte.

Aber auch die oft vorgeschlagene Alternative -“ Lebenslänglich ohne Möglichkeit vorzeitiger Entlassung -“ ist unmenschlich. In den USA sind davon 41.000 Menschen betroffen, darunter der afro-amerikanische Journalist und Schriftsteller Mumia Abu-Jamal, der beinah 30 Jahre in der Todeszelle saß -“ zu Unrecht und unter Verstoß gegen die US-amerikanische Verfassung, wie der US Supreme Court im November 2011 bestätigte.

Schon im Jahr 2000 stellte die wohl renommierteste Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem ausführlichen Bericht fest, nicht nur das Todesurteil, sondern auch der gesamte Prozess gegen Mumia Abu-Jamal habe „gegen die internationalen Mindeststandards verstoßen“, unter anderem, weil Abu-Jamals Schuld dort nie zweifelsfrei erwiesen worden sei.

Dennoch soll Abu-Jamal nun nach all den Jahren, die er widerrechtlich unter den brutalen Bedingungen der Todeshaft verbringen musste, nicht freigelassen werden, sondern bis an sein Lebensende im Gefängnis bleiben.

660 Meter Transparent in vielen Sprachen -“ darunter Chinesisch, Persisch, Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Hebräisch, Laotisch, Lettisch, Tamil und mehr - rund um die Botschaft rufen auf zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe, zur Freiheit für Mumia Abu-Jamal und zur internationalen Ächtung jahrzehntelanger Haftstrafen bis zum Tod.

Samstag 7. April, 13:30, Pariser Platz, 10117 Berlin

Quelle: Pressemitteilung vom Netzwerk gegen die Todesstrafe und für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal.

6000 Menschen bei europäischem Aktionstag M31 gegen Kapitalismus / Veranstalter kritisieren Polizeigewalt und Massenfestnahmen

m31 banner Frankfurt. Auf der bundesweiten Demonstration im Rahmen des antikapitalistischen Aktionstages “M31″ haben 6000 Menschen gegen die neoliberale und autoritäre Krisenpolitik der EU demonstriert. Zeitgleich fanden in über dreißig europäischen Städten Demonstrationen und Besetzungen statt, u. a. in Madrid, Athen, Mailand, Zagreb, Wien, Uetrecht, Moskau und Kiew. In Redebeiträgen und Grußbotschaften wurden die dramatischen Auswirkungen der aktuellen Krisenpolitik in verschiedenen europäischen Ländern thematisiert. Redner_innen des M31-Bündnisses bewerteten den heutigen Aktionstag als ersten Schritt, den antikapitalistischen Protest international zu vernetzen.

Im Verlauf der Demonstration kam es zu Farbbeutel- und Steinwürfen gegen den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zentrale der Stadtpolizei und Leiharbeitsfirmen. Mit der Begründung, „einzelne Verdächtige“ zu ermitteln, spaltete die Polizei auf Höhe Allerheiligentor das gesamte hintere Drittel der Demonstration unter Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz ab und kesselte es ein. Dabei wurden mehrere Menschen zum Teil erheblich verletzt. Durch diesen unverhältnismäßigen Eingriff wurde die gesamte Demonstration über eineinhalb Stunden festgesetzt und ihre Fortsetzung damit faktisch unmöglich gemacht. Daraufhin wurde die Demonstration, die eigentlich zum Bauplatz der neuen EZB ziehen sollte, im Frankfurter Ostend aufgelöst. Mehr als 200 Demonstranten waren über 6 Stunden auf offener Straße eingekesselt. Rechtsanwälten wurde der Kontakt zu den Eingekesselten verwehrt. Diese Maßnahmen der Polizei bewerte ein Sprecher des Bündnisses als „offensichtlich rechtswidrig“.

Nach Auflösung der Demonstration zogen hunderte Demonstrant_innen durch die Frankfurter Innenstadt. Dabei kam es erneut zu militanten Aktionen gegen Büro- und Geschäftsgebäude, u. a. gegen den Frankfurter Römer und die Arbeitsagentur.

Leo Schneider, Sprecher des M31-Bündnis, erklärte zur Demonstration: “In Frankfurt wurde ein deutliches Zeichen gegen die aktuelle deutsche und europäische Krisenpolitik gesetzt. Diese Krisenpolitik soll die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitals auf dem Rücken der Lohnabhängigen sanieren. Wegen ein paar kaputter Scheiben hat die Polizei unsere Demonstration brutal angegriffen, dutzende Demonstrantinnen verletzt und über zweihundert Menschen stundenlang festgesetzt. Das ist angesichts der brutalen Auswirkungen der Sparpolitik für die Menschen in Europa und weltweit absurd. Die militanten Proteste richteten sich direkt gegen Institutionen, die für neoliberale Krisenregulierung und verschärfte Ausbeutung stehen. Der Angriff auf unsere Demonstration wird, wie die Reaktion vieler DemonstrantInnen gezeigt hat, unseren Widerstand nicht brechen“, so Schneider abschließend.

Quelle: PM

Weitere Informationen auf der internationalen Website des M31 Netzwerkes: march31.net.

Siehe auch die Videos bei Syndikalismus und bei den Filmpiraten sowie die Rede von Jutta Ditfurth.

Europaweite Mobilisierung gegen Kapitalismus und autoritäre Krisenpolitik

m31 banner Am Samstag, den 31. März werden in ganz Europa große Demonstrationen, Streiks und Besetzungen gegen die autoritäre Krisenpolitik der EU stattfinden. Hintergrund ist der „europaweite Aktionstag gegen den Kapitalismus“, der von verschiedenen linken Gruppen und Basisgewerkschaften unter dem gemeinsamen Label  „M31“ organisiert wird. -¨Die antiautoritären Organisationen wollen damit ein deutliches Zeichen gegen den maßgeblich von Deutschland betriebenen Versuch unternehmen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf dem Rücken von Lohnabhängigen und MigrantInnen zu sanieren. Mit dem international koordinierten Protest soll auch ein Zeichen gegen die nationalistische Stimmungsmache gegenüber Lohnabhängigen in den südeuropäischen Ländern und die militärische Abschottung der EU-Außengrenzen gesetzt werden. Dagegen setzen die Organisatorinnen und Organisatoren die Perspektive einer grenzübergreifenden Selbstorganisation der von der Sparpolitik betroffenen Menschen.

Insgesamt soll der Aktionstag im Frühjahr den Auftakt für eine weitergehende, europaweite Kooperation linker Gruppen und Basisgewerkschaften mit massiven Protesten im ganzen Jahr 2012 darstellen. In ganz Europa werden am 31. März verschiedene Aktionen stattfinden. Demonstrationen und weitere Aktionen wird es an diesem Tag mindestens in 42 Städten in Griechenland, Italien, Spanien, Polen, Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Slowenien, Kroatien, der Ukraine und in New York geben. In Spanien wird inzwischen sogar bereits für den 29. März zu einem landesweiten Generalstreik mobilisiert. Diese Form internationaler Koordinierung des Widerstandes in der „Euro-Krise“ stellt eine neue Qualität in der Zusammenarbeit der antikapitalistischen Linken dar.

In Deutschland soll die zentrale Aktion am 31. März 2012 in Frankfurt a.M. stattfinden. Im Rahmen einer Demonstration „für die Stilllegung der EZB“, zu der von einem breiten Bündnis seit Monaten bundesweit mobilisiert wird, soll hier die Baustelle der neuen Europäischen Zentralbank „besucht“ werden. Dazu werden mehrere tausend TeilnehmerInnen erwartet.

Weitere Informationen auf der internationalen Website des M31 Netzwerkes: march31.net

Quelle: PM

Marokko: Hinter einer demokratischen Fassade - ein Folterregime

Kundgebung zur Unterstützung des politischen Gefangenen Ezedine Eroussi vor dem marokkanischen Konsulat in Toulouse
Im Februar 2011 gründete sich in Marokko die Bewegung "mouvement du 20 février", die inspiriert vom Vorbild anderer arabischer Länder demokratische Reformen fordert. Im Verlauf dieses Jahres wurde in Marokko eine neue Verfassung beschlossen und eine neue Regierung gewählt. Die reale politische und soziale Situation ist jedoch unverändert und die Forderungen des "mouvement du 20 février" wurden nicht erfüllt - die Bewegung kämpft weiterhin für wirkliche Veränderungen. Zahlreiche politische AktivistInnen sitzen im Zuge der Auseinandersetzungen in diversen Gefängnissen des Landes ein - unter Bedingungen, die angesichts der regierungsoffiziellen demokratischen Versprechungen wie Hohn klingen, wie der Brief eines der vielen Gefangenen, Ezedine Eroussi, zeigt. Der studentische Aktivist an der Universität von Taza ist seit dem 1. Dezember 2011 wegen seines Engagements in der nationalen Union der marokkanischen Studenten (UNEM) und seinem aktiven Engagement in der Bewegung 20. Februar in Marokko inhaftiert.

Aus dem 2009 gegründeten "Blog du Réseau de solidarité avec les peuples du Maroc, du Sahara occidental et d'ailleurs (RSPMSOA)" dokumentieren wir eine Übersetzung der "Erklärung der vier politischen Häftlinge im Gefängnis von Ain Kadouss in Fez" mitsamt dem Vorwort des Unterstützerkomitees:


Guten Tag,
Marokkos König, ‚der Partner der Demokratie’, Unterzeichner aller Menschenrechtschartas, der sogar erklärt, das internationale Recht stehe über seiner Verfassung der Monarchie, bricht wieder sein Wort, foltert, wendet Gewalt an, setzt das Leben von etwa 10 jungen Kämpfern aufs Spiel, die in seinen eigenen Gefängnissen im Hungerstreik stehen. Der Todeskampf von Ezedine Eroussi im Gefängnis von Taza wird durch Infusionen verlängert, vier junge Aktivisten im Gefängnis von Ain Kadouss in Fez sind im Hungerstreik, andere im Gefängnis von Errachidia. Die Fahnen der Menschenrechte und der Demokratie sind für Politik und Medien das Mäntelchen, mit dem verdeckt wird, wie das Königreich Marokko seine "Untertanen" gefangen hält, wie auf königlichen Erlass hin minderjährige Mädchen vergewaltigt und Volkskämpfe praktisch im Blut ertränkt werden, und unsere großen Medien sind die Komplizen dieses Schweigens. Aufgrund der Lage der politischen Gefangenen wurden mehrfach die politischen Verantwortlichen in Frankreich alarmiert, aber ihnen sind wohl Luxusresidenzen in Marrakesch mehr wert als das Leben der jungen Aktivisten, die für ein befreites demokratisches Marokko kämpfen.

Anbei die übersetzte Erklärung der vier politischen Gefangenen von Ain Kadouss in Fès. Wir stehen auf der Seite der hungerstreikenden Häftlinge in den Gefängnissen eines Regimes, das davon profitiert, dass es in Frankreich und Europa große Freunde und Komplizen hat, und wir bitten Euch, uns zu helfen die Aktivisten zu befreien und ihr Leben zu retten.

moha oukziz für das Unterstützerkomitee

Es folgt die Erklärung der vier politischen Häftlinge im Gefängnis von Ain Kadouss in Fez, Marokko:


An die nationale und internationale Öffentlichkeit

Das Regime in Marokko hat es mit seinen diversen Methoden, darunter Infusionen und Spritzen und hochtrabende Versprechen, nicht geschafft, die politischen Häftlinge im Hungerstreik in Marokko zu zermürben. Unser siegreicher Kampf hat die Sache der politischen Gefangenen national und international bekannt gemacht; und die Volksmassen haben unseren Kampf aufgegriffen. Das Regime und seine Kollaborateure geraten in Hektik und wollen unseren Streik mit allen Mitteln brechen, der dem mörderischen Charakter des Regimes und seiner Demagogie von angeblicher Achtung der Menschenrechte, Bruch mit der Vergangenheit usw. die Maske entrissen hat. Wir politischen Häftlinge im Gefängnis von Ain Kadouss in Fès, Mohamed Ghaloud, Mohamed Fetal, Mohaled Zeghdidi, Ibrahim Saîdi, stehen seit dem 23. Februar 2012 im Hungerstreik, der politische Häftling Mohamed Ghelat im Gefängnis von Taza seit dem 23. Januar 2012, und drei weitere politische Gefangene im örtlichen Gefängnis von Errachidi haben sich dem Kampf angeschlossen und halten Hungerstreik seit dem 22. Februar 2012.

Ezedine Erroussi im Gefängnis von Taza ist seit dem 19. Dezember 2011 im Hungerstreik, sein Gesundheitszustand ist sehr schlecht, er steht am Rande des Martyriums.

In dieser Situation laviert das Regime, um aus seiner Isolierung heraus zu kommen, und um unseren Kampf zu brechen und seine Folgen zu begrenzen. Am 26. Februar zog eine Solidaritätskaravane nach Taza. Während dieser Unterstützungsdemonstration traten Geheimdienstagenten als Menschenrechtsaktivisten auf und redeten auf Ezedine Eroussis Vater ein um ihn einzuschüchtern und zu beeinflussen. Sie sagten zu ihm: „Manche Leute nutzen Deinen Sohn nur aus und profitieren vom Hungerstreik, sie drängen ihm in die Opferrolle und in das Todes-Abenteuer. Dein Sohn Ezedine setzt seine Gesundheit und sein Leben völlig umsonst aufs Spiel, er hat doch nur noch ein paar Monate Haft und soll an seine persönlichen Interessen denken. Wach auf, Du hast die Verantwortung, Deinen Sohn zu retten…“ Und noch etliche andere führten Reden schwingend ihre Kampagne gegen den Kampf des Genossen Ezedine, gegen die Kämpfe der Studenten und gegen die Aktivisten des Weges der Basisdemokratie.“

Die vier Häftlinge berichten, dass in der Region, im Gefängnis und gegenüber den Eltern Ezedines gezielt Leute eingesetzt wurden, um von oben das Gerücht zu streuen, Ezedine habe seinen Hungerstreik aufgegeben. Außerdem suchte der Generalstaatsanwalt am 27. Februar das Gespräch mit ihnen, um sie mit Versprechen der Haftverkürzung für die „Meinungshäftlinge“ zur Unterbrechung des Hungerstreiks zu bewegen; sie lehnten das „Angebot“ mit Hinweis auf ihre Forderungen, v. a. nach Befreiung der politischen Gefangenen, entschieden ab. „Dass das Treffen mit uns zu diesem Zeitpunkt unter diesen Bedingungen organisiert wurde, war kein Zufall: Es handelt sich um einen abgestimmten Plan gegen den Kampf der politischen Gefangenen, gegen die Studentenmassenbewegung in der Hochburg Dher EL Mehraz in Fès, wo das Regime mit Gewalt und Angriffen der „Baltajis“ (Kollaborateure) vorgeht, und gegen die streikenden Studenten in Taza, die ebenfalls der Unterdrückung und Gewalt der Ordnungskräfte ausgesetzt sind[...]

Wir grüßen alle Aktivisten der Menschenrechtsvereine, der Arbeitslosen unter den höheren Angestellten, der Bewegung des 20. Februar, der nationalen und internationalen Aktivisten, die sich mit uns solidarisieren und unseren Kampf unterstützen, den Kampf der Freien und der Revolutionäre. Wir begrüßen alle Initiativen für unsere Sache, die Sache des marokkanischen Volkes. Wir bestätigen unsere Verbundenheit mit den Werten und Prinzipien des Kampfes; wir enthüllen und bekämpfen kraftvoll jeden Versuch von Aufschneiderei, Opportunismus, Kompromissen auf dem Rücken der politischen Häftlinge, ihrer Familien und der Martyrien und Leiden des Volkes. […]

Freiheit für die politischen Häftlinge!
Kampf bis zum Sieg oder Martyrium.
Weder Frieden noch Resignation! Vorwärts mit dem Kampf!“

Siehe auch: Ezedine Eroussi in Lebensgefahr

Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung...

Solidaritätskundgebung vor der JVA in Stuttgart Stammheim zum Tag der politischen Gefangenen in Stuttgart am 18.03.2012

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Noch nie haben so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft Erfahrungen mit dem bürgerlichen Staat und seinen Organen gemacht wie in den letzten Monaten. Während gegenüber faschistischen Kräften wie dem sog. "NSU" außer einzelnen Verhaftungen und der Bildung von Ausschüssen keine wirklichen Maßnahmen ergriffen werden, erleben fortschrittliche und revolutionäre Bewegungen nicht selten die volle Wirksamkeit staatlicher Repression.

Mit weit über 1400 Verfahren in Zusammenhang mit den Protesten gegen Stuttgart 21 ist das die seit Jahren größte Repressionswelle gegen Teile der Bevölkerung, die sich sonst nicht unter subversivem Verdacht fanden. Dabei wird zusehends weniger zimperlich mit Grundrechten umgegangen.

So will die Stuttgarter CDU-Gemeinderatsfraktion laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 16.3.2012 eine gemeinsame Resolution gegen die wöchentlich stattfindenen Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 verabschieden.

Sie möchte erreichen "dass der Protest das öffentliche Leben nicht länger über die Maßen beeinträchtigt". Und das obwohl die Veranstalter selbst sich entschlossen hatten, die Montagsdemonstrationen fortan auf dem Marktplatz abzuhalten, um nicht den Unmut der Autofahrer auf sich zu ziehen.

Aus diesem Grund wurde in verschiedenen Redebeiträgen bei den Aktionen in Stuttgart anlässlich des 18. März – dem internationalen Tag der  politischen Gefangenen - in Stuttgart auf diese Verfahren eingegangen und zur spektrenübergreifenden Solidarität aufgerufen.

Die zwei Antifaschisten Smily und Danny, sowie mehrere linke kurdische Jugendliche sitzen aktuell nach dem politischem Willen der Staatsanwaltschaft in der JVA Stammheim. Der Stuttgarter Antifaschist Chris sowie ein Aktivist des S21-Widerstandes saßen im letzten Jahr nach skandalösen Prozessen ebenso mehrere Monate in Untersuchungshaft.

Anfang August 2011 wurde Chris in Stuttgart-Heslach verhaftet und sogleich in Untersuchungshaft gesteckt. Vorgeworfen wurde ihm die Beteiligung an antirassistischen Protesten Anfang Juni gegen ein sog. „Islamkritisches Wochenende" der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pax Europa, dem Internet- Netzwerke „PI News" und der rassistischen Partei „Die Freiheit".

Bereits in den Tagen nach der Verhaftung bekundeten Antifaschistinnen und Antifaschisten vor der JVA ihre Solidarität mit Chris und allen anderen politischen Gefangenen. Nach der Gründung eines Solikreises Mitte August entwickelte dieser eine Öffentlichkeitsarbeit und baute politischen Druck auf.

An den Prozesstagen vor dem Stuttgarter Amtsgericht im September solidarisierte sich ein breites Spektrum mit dem Betroffenen und forderte seine sofortige Freilassung. Trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen und einem auf Indizien beruhenden Anklagekonstruktes wurde Chris damals zu einer elfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Im Herbst 2011 bereitete der Solikreis sich auf die anstehende Berufungsverhandlung vor. Die Berufungsverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht endete mit einem Vergleich: Chris erhielt zwar mit 15 Monaten eine höhere Strafe, diese wurde jedoch auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Das Chris nun auf freiem Fuß ist, ist nicht zuletzt ein Erfolg der politischen Prozessführung und der anhaltenden Solidaritätsarbeit. Sein Fall zeigt zudem, dass es notwendig und möglich ist, den juristischen Angriffen der Herrschenden politischen Widerstand und entschlossene Solidarität entgegenzusetzen.

Am 27. Januar 2012 wurde der Stuttgarter Antifaschist Danny am Flughafen Düsseldorf festgenommen. Der Solikreis Stuttgart schreibt dazu: “Juristische Grundlage seiner Inhaftierung ist der Widerruf einer Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2010, da er gegen die damals verhängten Auflagen verstoßen und sich dem Zugriff der bundesdeutschen Repressionsbehörden entzogen habe. Danny hatte sich längere Zeit im Ausland aufgehalten und seine Arbeitsstunden die Teil der Bewährung gewesen waren nicht abgeleistet. Zwischenzeitlich wurde Danny in die JVA Stuttgart im Stadtteil Stammheim verlegt.

Hintergrund des Prozesses aus dem Jahr 2010 ist ein Angriff auf Funktionäre und Mitglieder der faschistischen NPD im Anschluss an ein Konzert des neonazistischen Liedermachers Frank Rennicke im Februar 2007 in Sindelfingen. Dort wurden Danny sowie sechs weitere angeklagte Antifaschisten in zweiter Instanz vor dem Landgericht Stuttgart zu mehrjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.“ Mehr Informationen zu den damaligen Verfahren finden sich im damaligen Prozessblog.

Am 08. Februar 2012 wurde Smily – Bassist bei den „Produzenten der Froide“ frühmorgens durch einen SEK Einsatz in seiner Wohnung verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt. Ihm wurde vorgeworfen, Zeugen die ihn belasten könnten, über Facebook bedroht zu haben um die Aussagen zu verhindern. Obwohl es keinerlei Beweise für eine Bedrohung gab, wurde Smily wegen ’’Verdunkelungsgefahr’’ verhaftet und in die JVA  Stammheim verfrachtet.

Am 17. Februar 2012 wurde dann gegen Smily wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung verhandelt. Das Urteil: Zehn Monate Haft.

Die Verfahren gegen die Stuttgarter Antifaschisten müssen auch in Zusammenhang mit der bundesweiten Repression gesehen werden: 44 AntifaschistInnen aus Sachsen sind momentan in einem Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129) angeklagt. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie im Zeitraum zwischen 2010 und 2011 militant und organisiert gegen Nazis vorgegangen seien – unter anderem im Vorfeld des jährlich stattfindenden Naziaufmarsches in Dresden.

An dem §129 Verfahren in Dresden zeigt sich gerade hinsichtlich der großangelegten als “Handygate” bekannt gewordenen Funkzellenauswertung während des Naziaufmarschs im Jahr 2011, den Hausdurchsuchungen in Sachsen, Stuttgart und Berlin und der sich verschärfenden Repression gegen AntifaschistInnen der Wille des Staates, antifaschistischen Widerstand zu kriminalisieren mehr als deutlich. Unterstrichen wurde das auch nochmal bei der Demonstration am 17. März, die sich - trotz völlig friedlichen Verlaufs - von starken Polizeikräften gesäumt sah. Dass es dabei neben der Provokation gegenüber den DemonstrantInnen um den "öffentlichen Eindruck" gehen sollte, ist recht durchsichtig und gleichzeitig in seiner Wirkung fraglich. Zuviele politisch aktive Menschen haben inzwischen in Stuttgart ihre Erfahrungen machen können.

Die Demonstration in Stuttgart und die Spontankundgebung in Stammheim am 17. März sowie die Solidaritätskundgebung in Stammheim am 18. März machten deutlich: Bei allem, was die scheinbar so verschiedenen Proteste trennt - die gemachten Erfahrungen in der Solidaritätsarbeit sind wertvoll, unteilbar und müssen in eine deutliche Stärkung der Antirepressions- und Solidaritätsstrukturen umgewandelt werden. Dabei sind die Erfahrungen “junger” Bewegungen wie die gegen Stuttgart 21 keineswegs neu. Sie stellen die jahrzehntealten Erfahrungen linker Politik in einen breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang. Es bestehen große Chancen, wenn es gelingt, in der Realität vorhandene Vorbehalte und eine manchmal beiderseitige vorhandene Bewegungsborniertheit und -überheblichkeit zu überwinden.

Getroffen werden einige - Gemeint sind wir alle! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

18. März: Tag der politischen Gefangenen

Der 18. März wird in der BRD seit Mitte der 1990er Jahre wieder als „Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen“ begangen. Angeknüpft wird damit an eine Tradition der ArbeiterInnenbewegung. Der 18. März 1848 steht für die Kämpfe des neu entstandenen Proletariats gegen die alten Herrscher und auch die neu entstandene Bourgeoisie. Am 18. März 1871 übernahm die Nationalgarde in Paris die Macht und läutet somit den Beginn der Pariser Commune ein. Beide Versuche, sich von den Fesseln der Herrschaft zu befreien, werden brutal niedergeschlagen. So kostete die Rache der französischen Bourgeoisie 25000 Menschen das Leben, 3000 starben in den Knästen, 13700 wurden verurteilt, die meisten zu lebenslänglichen Strafen. Dieser Tag wurde zuerst Tag der Pariser Kommune genannt. 1922 wurde auf dem IV. Weltkongress der kommunistischen Internationale die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet und u. a. die Durchführung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen beschlossen, der am 18. März 1923 erstmals ausgerufen werden konnte. Mit diesem Tag sollte vor allem das Bewusstsein und die Solidarität für die Lage der politischen Gefangenen weltweit erzeugt und verankert werden und auf diese Weise auch praktisch zum Ausdruck kommen.



Weitere Informationen:
www.18maerz.de
www.political-prisoners.net
www.berlin.rote-hilfe.de
www.rote-hilfe.de

Heraus mit den politischen Gefangenen! Am 18. März auf nach Stammheim!

Kundgebung vor der JVA Stammheim
Foto: Solikreis

Neben dem Aufruf zur Antirepressionsdemo morgen in Stuttgart und der unter anderem als Sonderbeilage in der Tageszeitung "junge Welt" erschienenen Zeitung der Roten Hilfe zum 18. März gibt es für Stuttgart noch einen Aufruf zur Kundgebung in Stuttgart Stammheim am 18. März:

"Den Tag der politischen Gefangenen am 18. März begehen wir in diesem Jahr mit einer Kundgebung vor der JVA Stammheim. Aktuell sitzen zwei Antifaschisten sowie mehrere linke kurdische Jugendliche dort in Untersuchungshaft. Mit der Kundgebung wollen wir zeigen, dass sie nicht alleine sind und auf die Notwendigkeit der politischen und sozialen Unterstützung der Gefangenen aufmerksam machen! Heraus mit den politischen Gefangenen! Am 18. März auf nach Stammheim – Solidarität praktisch machen!

Der Tag der politischen Gefangenen am 18. März steht seit Jahren für die Solidarität, das Durchhaltevermögen und die Kampfbereitschaft linker Bewegungen. An diesem Tag erteilen wir den Versuchen der Herrschenden, uns durch Knastmauern zu spalten und zu isolieren, eine klare Absage. Im Jahr 1871 begann die Pariser ArbeiterInnenschaft am 18. März einen herausragenden Kampf gegen die Herrschenden und errichtete für drei Monate die erste freie und selbstbestimmte Republik von Unten.  Der Versuch endete mit der blutigen Verfolgung und Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung. Schon immer waren unsere Kämpfe verbunden mit Angriffen der Gegenseite. Unsere Waffe dagegen heißt Solidarität!

Gerade hier in Stuttgart gibt es mehr als genug Gründe für eine starke und kämpferische Solidaritätsarbeit: Die zwei Antifaschisten Smily und Danny, sowie mehrere linke kurdische Jugendliche sitzen aktuell nach politischem Willen der Staatsanwaltschaft in der JVA Stammheim. Ein weiterer Antifaschist, sowie ein Aktivist des Anti-S21-Widerstandes saßen im letzten Jahr nach skandalösen Prozessen ebenso mehrere Monate in Untersuchungshaft.

Die Stuttgarter Repressionsbehörden üben sich derzeit im Wegsperren von konsequent fortschrittlicher Politik – unsere Antwort kann nur die aufrichtige Solidarität mit den Betroffenen und ein noch massiverer Widerstand gegen das herrschende System der tagtäglichen Ausbeutung, Unterdrückung, Gewalt und Unmnenschlichkeit sein. Hier und überall!

Kommt zur Knastkundgebung!

Sonntag 18.3. \ 17:00 Uhr \ Parkplatz vor der JVA Stammheim (U15 bis Endhaltestelle Stammheim) (...)"

TV Tipp: Bambule

"24 Stunden in einem geschlossenen Mädchenheim: Irene und Monika unternehmen einen Ausbruchsversuch. Während Irene die Flucht gelingt, landet Monika zur Strafe in der Arrestzelle und erzählt dort einer Fürsorgerin ihre Lebensgeschichte. Die Situation im Heim spitzt sich zu und in der Nacht wird eine "Bambule", ein Aufstand, angezettelt." (arte)

"Der Film kritisiert die autoritären Methoden der Heimerziehung (Fürsorgeerziehung) in einem Mädchenheim. Im Verlauf der Handlung kommt es zu einer Revolte der Heiminsassinnen gegen die unterdrückenden Strukturen. Die Handlung des Films wird oft auch als Parabel auf die gesellschaftlichen Zustände der Zeit verstanden, denen eine neue, verschärfte Form des Klassenkampfes entgegengesetzt werden müsse." (wikipedia)


Die Ausstrahlung des Films war für den 24. Mai 1970 in der ARD geplant, wurde wegen der Beteiligung der Drehbuchautorin Ulrike Meinhof an der Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai aber abgesetzt. Das Drehbuch erschien als "Bambule: Fürsorge - Sorge für wen?" bereits 1971 in Buchform. Erst ab 1994 wurde der Film in den dritten Programmen der ARD gezeigt. Film und Drehbuch sind die authentische Wiedergabe der Zustände, die sie in ihren Reportagen über Heimerziehung beschrieben hat und heute wichtige Dokumente für die Beurteilung der Erziehungspraxis in Einrichtungen der Jugendhilfe der 1940er bis 1970er Jahre sind.

Montag, 12. März 2012 um 00.05 Uhr bei arte.


Zum Film bei UBUWeb

Eröffnungsblockade: Wackersteine im Bauch

Am Todestag von Oury Jalloh demonstrierten auch in diesem Jahr etwa 150-200 Menschen durch Dessau. Sie forderten Aufklärung und Gerechtigkeit und eine Anklage gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Mordes. Mit mitgetragenen Särgen erinnerten sie an die Namen weiterer Todesopfer rassistischer Gewalt: Dominique Koumadio, Halim Dener, Markus Omafuma, Mohammad Selah, Arumugasamy Subramaniam.
Foto: heba/Umbruch Bildarchiv
Ausführliche Darstellung der Situation des Jalloh-Prozesses: Prozessfarce statt rechtsstaatlichem Verfahren: Richterliche Ohrfeige ins Gesicht der Familie Jalloh. (Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Es kann einem passieren, dass man sich am Brunnenrand vorfindet, wie einst der Wolf. "Ich dacht, es wären sieben Geißlein in meinem Bauch, nun - dünkt mich - sind es bloß sieben Wackerstein". Und zwar solche, die einen herabziehen ins finstere Loch, eh man es sich versieht.

Gemeint damit: Innerhalb des Staatswesens, dessen Teil man nun einmal darstellt, gern oder ungern, empfindet einer immer deutlicher, nicht nur, dass vieles sich verbirgt. Sondern - dass die Methoden nicht mehr funktionieren, um im Prinzip herauszubekommen, was das sein könnte, das sich verbirgt. Einfach: Was los ist im Innern.

Beispiel: Jalloh-Prozess. Die normale juristische Methode, die Wahrheit und den Hintergrund zu erforschen, versagt, wenn eine ganze Polizei-Einheit geschlossen sich weigert, wahrheitsgemäße Zeugenaussagen abzugeben. Und zwar ganz unabhängig davon, ob der Tote Opfer einer staatlichen Mordtat oder "nur" dasjenige einer groben Fahrlässigkeit geworden ist. An der geschlossenen und konsequenten Aussageverweigerung bricht jede Wahrheitsforschung zusammen, die ohne körperlichen Zugriff erreichbar wäre. Die Einzelrichterin steht jetzt vor der Versuchung, das Prozessverfahren einstellen zu lassen. Ergebnis siebenjähriger Anstrengungen: eine geringe Bußzahlung für den angeklagten Polizisten. Mit anderen Worten: Null.

In größerem Umfang: Ergebnislosigkeit der Suche nach den wirklichen Tätern des NSU - "Nationalsozialistischer Untergrund". Wenn eine spezialisierte Gruppe wie der nationale und die föderalen Verfassungsschutze nach Jahren nicht einmal Fragen stellen können nach notwendig vorhandenen Mittätern, dann bleibt nur ein Schluss: es handelt sich nicht um Panne, nicht um Unfähigkeit, sondern um böse Absicht, also Schuld. Die Absicht, die Schuldigen anschließend die Schuld aufdecken lassen zu wollen, beweist dann weiter nur eins: Es soll nichts aufgedeckt werden.

Zu Ende gedacht führt das zu der Erkenntnis: der bürgerliche Staat funktioniert an verschiedenen Ecken nicht mehr. Er verschafft nicht mehr die versprochene Aufdeckung des Verborgenen.

Damit ist der Boden entzogen allen Theorien der bürgerlichen Justiz. "Lass nur die Gesetze walten/und du wirst dein Recht erhalten" Das eben findet nicht mehr statt.

Was dann?

Der Gedanke liegt nahe, dann eben die Sache in die - kollektive - eigene Hand zu nehmen - und per Steinwurf und Funkenschlag den überflüssig gewordenen Orten der Wahrheitsfindung ein böses Adieu zu bieten. Das macht zwar als Geste möglicherweise Spaß, aber erbringt keine weitere Erkenntnis. Der leere Bauch wird davon nimmer satt.

Im Geschichtsmüll wühlen! Da finden sich Beispiele. Als im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts, nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland, sich zunächst gegen den Hauptmann Dreyfus der Verdacht erhob, er hätte für die Deutschen spioniert, da sollte die Sache zunächst schnell per Militärgericht abgetan werden. Ersturteil: Verbannung auf die Teufelsinsel. Nach den engen Beweisregeln war die Sache damit erledigt. Kein Einwand mehr vorzubringen. (Wie jetzt im Fall Jalloh!) Und gelogen wurde nach Wunsch und Erwartung der Obrigkeit.

Der Weg, den die Gegner des Urteils fanden, erschöpfte sich nicht in Steinwurf und dem Angriff gegen bloße Steine. Es gelang - vor allem auch durch die Unterstützung des Schriftstellers Zola - das Verfahren im Kriegsgericht selbst zum Gegenstand der Empörung zu machen. Und zunächst nur zu dem eines verlangten Prozesses. Zola zwang mit seiner Schrift "J' accuse!" zunächst , Vertreter der Obrigkeit ihn persönlich wegen Beleidigung zu verklagen. Damit war die Möglichkeit des Weiter-Klagens auf einem umfassenderen Feld eröffnet. Um die Geschichte nicht zu sehr auszuwalzen: am Ende musste Dreyfus freigesprochen werden. So etwas geschah sicher nur selten. Aber immerhin: es geschah. Und verhinderte Jahre vor dem ersten Weltkrieg die sofortige Umwandlung der französischen Republik in eine Militärdiktatur.

Jalloh-Prozess einstellen? Von wegen. Juristisch feststeht bis jetzt: es ist kollektiv gelogen worden innerhalb der Polizeiverwaltung Dessau. Also müsste die ganze Verwaltung behandelt werden als ein der kriminellen Verabredung verdächtiges Institut. Es müsste nach Wegen gesucht werden, das ganze Institut in die kriminologische Untersuchung einzubeziehen. Anders werden wir die Wackersteine im Bauch gewiss nicht mehr los.

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