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Eingekesselt - oder wie ich bei der Demo gegen die NPD verhaftet wurde

Es ist Montag, der 30. Juli kurz vor halb 12 Uhr mittags. Ich stand am Rotebühlplatz und versuchte, die Szenerie zu überblicken: Was machen die Gegendemonstranten, von wo kommt der NPD-LKW und wie verhält sich die Polizei? Der LKW der NPD hatte gerade die Kreuzung am Rotebühlplatz erreicht, da drängten auch schon dutzende behelmte Polizisten alle Umstehenden exakt an jene Hauswand, an der ich bereits stand. Ein paar Augenblicke später schloss sich die Polizeikette um uns und der NPD-LKW mit der Aufschrift „unterwegs für deutsche Interessen“, gesäumt von Polizisten in voller Montur, fuhr über die Kreuzung. Doch obwohl diese schon umstellt und abgesperrt war, wurden wir, allesamt willkürlich Gefangene, nicht wieder freigelassen. Weder informierte uns jemand, warum wir hier festgehalten wurden, noch wie lange das dauern würde, geschweige denn, was als Nächstes geschehen sollte. Direkt neben mir fing eine Frau, etwa Mitte dreißig, die sich auf ein Fahrrad stützte, an zu schluchzen: „Seit dem 30.9.2010 macht mir die Polizei einfach nur noch Angst“, sagte sie. Dann wurde sie von zwei Beamten aus dem Polizeikessel geführt. Ich fragte den Polizeiführer, ob ich auch gehen könne. Er kam mir unangenehm nahe, als er antwortete: „Sie nicht. Sie gehören dazu.“ Doch eine ganze Weile später wurde auch ich von zwei Beamten aus dem Kessel geführt. Ich wollte meine Beschwerde zu Protokoll geben. „Das können Sie auf der Wache beim Sachbearbeiter“, hieß es. Meinen Personalausweis musste ich zuerst abgeben, dann auch meine Handtasche; ich wurde durchsucht und von Kopf bis Fuß mit einer Handkamera abgefilmt, die Hände mit Kabelbindern hinter meinem Rücken gefesselt, und ich musste in den Laderaum eines fensterlosen Gefangenentransporters steigen; nur wenig Licht drang durch ein kleines Dachgitter. Auf blanken Bänken saß ich neben fünf anderen, gleichermaßen Gefesselten. Als unsere Fahrt ins Ungewisse begann, konnten wir uns weder anschnallen noch festhalten.


 

In Stuttgart hat es die NPD leichter

Auf einer sogenannten „Deutschlandfahrt” reisten Funktionsträger und Mitglieder der NPD wochenlang mit einem rot-beklebten Werbe-LKW durch verschiedene Städte, um Kundgebungen unter dem Motto „Wir wollen nicht Zahlmeister Europas sein“ abzuhalten. In Kiel, Neumünster, Lüneburg, Bielefeld oder Ulm verlegten oder verkürzten die örtlichen Behörden die Kundgebungen erheblich. Amtsträger/-innen und Stadtpolitik bekannten sich immer wieder klar zu den Gegenprotesten und ließen Blockaden gewähren. In Ulm war der Oberbürgermeister Ivo Gönner trotz Privaturlaub vor Ort und bekräftigte seine Hoffnung auf ein baldiges Verbot der NPD.

In Stuttgart dagegen sah es ganz anders aus: Nur der OB-Kandidat Hannes Rockenbauch und Mitglieder der Linken waren präsent. In München gingen weit über tausend Menschen gegen die NPD auf die Straßen, in Stuttgart waren es nur ein paar Hundert. Thomas Trüten vom Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit nimmt die Behörden der Stadt Stuttgart in die Verantwortung: „Offenbar gab es bei der Stadt keine Überlegungen, die NPD-Aktion zu verbieten. Herr Scheithauer vom Ordnungsamt erklärte sogar: ‘Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig – das soll und kann man nicht unterdrücken. Wer angesichts der Verstrickung führender NPD-Funktionäre in die NSU-Morde die Demagogie der Neonazis für eine “Meinungsäußerung” hält, verhält sich nach Ansicht des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zumindest „geschichtslos“.“

Während des gesamten Tages war die Polizei mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Polizeikräften in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs, riegelte ganze Straßenzüge ab und führte immer wieder Personenkontrollen durch. Selbst berittene Einheiten wurden in unmittelbarer Nähe der Sitzblockade einer Gruppe junger Antifaschisten eingesetzt. Um die Menge der Gegendemonstranten und zufällig Eingekesselten überhaupt bewältigen zu können, kamen auch Streifen- und Zivilpolizisten zum Einsatz. Etwa 60 Menschen wurden, ohne unmittelbare Begründung, bis zu über sechs Stunden im Kessel festgehalten, anschließend aufgrund verschiedenster Vorwürfe festgenommen und auf der Wasenwache teils bis zum Abend in Sammelzellen gesperrt. Auch von Schlägen und Tritten durch Einsatzkräfte wurde berichtet. Insgesamt nahm die Polizei an diesem Tag ca. 75 Protestierende in Gewahrsam.

 

Große Verwirrung auf der Wasenwache

Nach einer etwa zehnminütigen Fahrt hielt der Gefangenentransporter an, und die Tür wurde geöffnet. Wir wurden namentlich aufgerufen und mussten einzeln aus dem Wagen steigen. Der Beamte, der mich am Rotebühlplatz gefesselt hatte, trennte nun die Kabelbinder wieder auf. „Ich hoffe es ging so“, sagte er. Als ich ihm mitteilte, dass ich nicht verstünde, warum das alles nötig sei, blickte er nur zu Boden. Dann fragte ich, wo ich mich über diese Maßnahmen beschweren und Widerspruch einlegen könne. „Beim Sachbearbeiter – der ist in der Wache“, hieß es wieder. Doch bevor ich von den zwei Polizisten, die mir seit dem Rotebühlplatz zugeteilt waren, in die Wache geführt wurde, kam es zu einer Planänderung: Die Polizeistelle war nicht groß genug – wir sollten alle auf die Wache am Cannstatter Wasen gebracht werden. Dort angekommen, wiederholte ich mein Anliegen der Beschwerde. Und wieder hieß es, dass ich das später beim Sachbearbeiter machen könne. Einen Grund für meine Festnahme konnte man mir ebenfalls immer noch nicht nennen. Keiner der Beamten interessierte sich dafür, was ich überhaupt an der Kreuzung am Rotebühlplatz gemacht habe. Dann wurden nochmals meine Personalien überprüft, ich wurde erneut fotografiert und zu guter Letzt gefragt, ob ich Alkohol getrunken hätte. Dann musste ich im Eingangsbereich der Wasenwache Platz nehmen. Ich war eine der Ersten, doch nach und nach füllte sich der Raum mit den Festgenommenen, die in ihrer Verschiedenheit einem Querschnitt der Stuttgarter Bevölkerung gleichkamen. Niemand wusste genau, warum wir verhaftet worden waren. Manche haben etwas von „schwerem Landfriedensbruch“ und „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ gehört, anderen wurde von Polizisten „geplante Gefangenenbefreiung“ vorgeworfen. Die Verwirrung zeigte sich auch beim Ausfüllen der Formulare durch die Polizisten: Ich war Ohrenzeugin, wie mehrere Beamte beratschlagten, wen sie nun eigentlich als Einsatzleiter für diese großangelegte Festnahmeaktion in das entsprechende Feld des Formulars eintragen sollten.

 

Rechtsmittel gegen illegale Polizeikessel sind langwierig

Es war nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit, dass die Polizei in Baden–Württemberg so rigoros gegen Bürger und Bürgerinnen vorging, um eine rechtsextreme Demonstration oder Kundgebung zu „schützen“. So wurden in Heilbronn am 1. Mai im letzten Jahr gleich Hunderte eingekesselt und in Gewahrsam genommen, während die Neonazis durchs Bahnhofsviertel marschierten. Dabei wurde bereits am 29.11.2010 in zwei Entscheidungen ein ähnlicher Polizeikessel am 1. Mai 2009, der beim Weinhof in Ulm durchgezogen wurde, vom Verwaltungsgericht Sigmaringen für rechtswidrig erklärt. Doch sind die Umstände eines Polizeikessels nur geringfügig anders, muss die Rechtswidrigkeit erneut per Gericht festgestellt werden. Gegen den Heilbronner Kessel läuft ebenfalls eine Klage. Doch der Weg der Entscheidung ist lang. Erst für den 25. Oktober 2012 – also eineinhalb Jahre nach der Einkesselung – ist der Verhandlungstermin angesetzt. Janka Kluge, Landessprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), vermutet beim Stuttgarter Kessel auch einen Rechtsbruch: „Wir werden prüfen, ob wir gegen die Einsatzkräfte Anzeige wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und unterlassener Hilfeleistung erstatten.“

 

Der Festnahmegrund folgt auf dem Postweg

Mittlerweile war es 14:30 Uhr geworden, als ich mit noch drei weiteren Verhafteten endlich namentlich aufgerufen wurde. Von einem Polizisten mit grauem Schnauzbart und einer jüngeren Polizistin wurden wir aus dem Gebäude in den Innenhof der Wache geführt. Doch es ging nicht in ein angrenzendes Gebäude – wir wurden die Stufen zu den Kellerzellen hinuntergeführt. Ich versuchte abermals, Widerspruch einzulegen. Der Polizist antwortete mantraartig, was ich schon so oft gehört hatte, dass ich das beim Sachbearbeiter machen könne. „Doch es ist noch nicht klar, wer das heute sein wird“, fügte er schulterzuckend hinzu. Bevor wir die Zellen, nach Geschlechtern getrennt betraten, mussten wir unsere Schnürsenkel entfernen, eine junge Frau zusätzlich ihren BH ausziehen – „zum Selbstschutz“, konstatierte die Beamtin. Kurze Zeit später bekamen wir Zellenzuwachs, von weiteren jungen Frauen; insgesamt waren wir nun zu sechst, wieder bunt gemischt, im Alter zwischen sechzehn und sechsunddreißig. Eine Unterhaltung war kaum möglich, da der Hall in der Zelle fast alles übertönte. Der Raum war nahezu leer; wer sitzen wollte, musste mit dem eiskalten Kellerboden vorliebnehmen. In der linken Ecke neben der Tür befand sich eine Art Plumpsklo, eingelassen in den Boden und ohne Sichtschutz! Und es gab eine Gegensprechanlage. Beides benutzten wir nicht. Rechts neben der Tür, weiter oben an der Wand, befand sich eine Überwachungskamera. Nach etwa einer Stunde – jetzt war es kurz vor 15:30 Uhr – ging die Tür wieder auf und die Hälfte von uns wurde namentlich aufgefordert, die Zelle zu verlassen. Uns wurde ein Platzverweis bis 20 Uhr vorgelesen, der fast alle Straßen beinhaltete, die zur Route der Montagsdemo gehörten. Draußen bekamen wir durch ein Fenster unsere Handtaschen ausgehändigt. Der Polizist, der mir den durchsichtigen Beutel mit meiner Handtasche reichte, sagte, Widerspruch könne ich jetzt nicht einlegen und die Begründung, weshalb ich festgenommen und eingesperrt wurde, werde ich dann auf dem Postweg erhalten. Etwa fünfzig Meter von der Wache entfernt wurden wir von anderen Nazigegnern, die nicht verhaftet wurden, in Empfang genommen. Ein Jugendlicher, der auch gerade wieder freigekommen war, sagte kopfschüttelnd: „Da beschweren sich alle, dass die Jugend so politikverdrossen ist. Und kaum engagieren wir uns, werden wir verhaftet.“

Einkesselt, gefesselt, dann in Kellerzellen gepfercht, weil sie uns für Nazigegner hielten – nicht damals, letztes Jahrhundert, sondern heute, im Jahr 2012, am helllichten Mittag in der Stuttgarter Innenstadt. Dass Polizisten aus Baden-Württemberg Mitglieder des Ku-Klux-Klans waren, sind für den baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall „eine absolute Ausnahme“. Dass die NPD ihre „Deutschlandfahrt“ in Stuttgart fast unbehelligt durchführen konnte, ist, im Vergleich zu anderen Städten, ebenfalls eine Ausnahme. Hierzu äußerte sich der Innenminister jedoch nicht. Später ließ die baden-württembergische NPD auf ihrer Homepage verlauten: „Wir bedanken uns an dieser Stelle bei der Stuttgarter Polizei für eine faire Behandlung, das konsequente Säubern der Stadtmitte und die damit verbundene Sicherstellung der Meinungsfreiheit für uns Nationaldemokraten“.

Erstveröffentlichung einund20, September-Ausgabe. Sowie bei BlogNau

Kurden Mannheim: Volksfeinde raus!

Die Empörung ist groß. Es gab schon wieder Zoff mit den schlimmen Kurden in Mannheim. Die Gewerkschaft der Polizei - immer einfach Staats-Ton-Verstärkung - fordert eindringlich, dass ein solcher Aufmarsch nie mehr geduldet werden dürfe. Andere schieben nach und verweisen darauf, dass fünf Hundertschaften aus dem Elsaß angerückt seien. Die organisierten Türken verschmähen die Möglichkeit, mit den Kurden zusammen auf die gepresste Situation sämtlicher Minderheiten in Deutschland hinzuweisen. Sie zetern mit gegen solche, denen es gerade noch dreckiger geht.

Die offizielle Darstellung der Vorkommnisse, die zum Knatsch führten, weist schon mal ein kleines Rätsel auf. Demnach hätte ein einzelner Minderjähriger mit einem verbotenen Kennzeichen zur demonstrierenden Menge aufschließen wollen. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber es dürfte mit ziemlicher Sicherheit ein Plakat der PKK gewesen sein. Laut Polizei hätten die Ordner der Demo mit diesem Einzelnen nicht fertig werden können!!! Und darauf die deutsche Polizei anrufen müssen. Die wäre dann auf den aktiven Widerstand - mit Flaschen und Steinen - von ca. 5000 Teilnehmern gestoßen. 5000 aus 40 000! Die Polizei hätte dann - daraufhin - noch viele verbotene Kennzeichen gefunden. Die sie vor dem frevelhaften Vorstoß des PKK-Bannerträgers offenbar nicht gestört hatten.

Ergänzend muss notiert werden, dass verschiedene kurdische Gruppen auf dem Weg nach Mannheim schon freitags polizeilich begleitet wurden. Immer wieder wurden bei dieser Gelegenheit "verbotene Kennzeichen" wahrgenommen.So in der Nähe von Bruchsal. Und bei einem Trupp Fußwanderer von Kehl aus. (Badische Zeitung - Internetausgabe 9.9.2012).

Das dürfte den Unmut eines Teils der kurdischen Teilnehmer der Kundgebung schon verständlicher machen.

Ohne Sherlock Holmes spielen zu wollen: Das mindeste, was sich sagen lässt: die Gesamtpolizei stand ein Wochenende lang auf der Lauer, um einer unbeliebten Gruppe publikumswirksam das Leben schwer zu machen. Die Jagd nach verbotenen Abzeichen mit logisch daraus folgenden Krächen wirkt so ruhestiftend wie das Gehetze nach Kopftüchern oder die Stellung von "Hasspredigern". Aufkleber tun im Gegensatz zu polizeilichen Gerätschaften der Friedensherstellung sehr selten weh. Man könnte sie im Zweifel auch einmal ohne Aufsehen kleben lassen.

Wie gesagt: Genaueres wissen wir alle nicht. Nur wird man präziseren Schilderungen der Hintergründe nachgehen müssen. Es gibt sicher noch mehr Wege zur Wahrheitsfindung als die der Gewerkschaft der Polizei.

kritisch-lesen.de Nr. 21 - Polizei im Rassismus

Photograph by Tomasz Sienicki
Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported
Quelle
Rassistisches polizeiliches Handeln wird sowohl von Mainstream-Medien als auch von Politiker_innen nur selten aufgegriffen. Erfahren dennoch – aufgrund erfolgreicher Kampagnenarbeit durch Aktivist_innen (etwa Initiative Oury Jalloh oder Initiative Christy Schwundeck) – einzelne Schicksale von Betroffenen rassistischer Polizeigewalt mediale Öffentlichkeit, wird nicht nur von offizieller Seite häufig von „bedauerlichen Einzelfällen“ gesprochen. Demnach seien rassistische Kontrollen, Misshandlungen oder gar Morde lediglich auf individuelles Fehlverhalten zurückzuführen. Polizei als Institution, in die fest das gesellschaftlich verankerte rassistische Verhältnis eingeschrieben ist, wird dennoch fast nie thematisiert. Hinzu kommt, dass die Polizei über das Gewaltmonopol des Staates verfügt und ihr damit die Legitimation zukommt, für „Recht und Ordnung“ zu sorgen. Polizei kann daher nicht nur als Spiegel der Gesellschaft begriffen werden, sondern auch als Institution, die etwa durch gezielte Kontrollpraxen Kriminalität politisch und medial mit hervorbringen kann. (Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag „Alltägliche Ausnahmefälle“, der in der aktuellen Ausgabe der antirassistischen Zeitschrift ZAG erschienen ist). Rassistische Polizeihandlungen sind als Form des institutionellen Rassismus zu betrachten, wie Hannah Eitel anhand der Broschüre „Institutioneller Rassismus“ des Migrationsrates Berlin Brandenburg aufzeigt. Eitel sieht in der Broschüre ein detailliertes Bild rassistischen Alltags dargestellt, bei dem polizeiliche Praxis nicht ausgespart bleibt. Dass das Thema „Polizei im Rassismus“ im deutschsprachigen Raum unterrepräsentiert ist, zeigt sich auch anhand der bisher erschienenen Publikationen. Es finden sich nur sehr wenige Veröffentlichungen zum Thema, weshalb wir uns in dieser Ausgabe auch englischsprachiger Literatur zugewendet haben. Biplab Basu hat sich die Studie „But Is It Racial Profiling?“ genauer angeschaut. Die Studie zeigt, dass bei einer beträchtlichen Anzahl von polizeilichen Kontrollen, Rassismus für die Polizist_innen handlungsleitend ist. Racial Profiling beschreibt diese gängige Polizeipraxis, nach der Menschen aufgrund rassialisierter Attribute polizeilich kontrolliert werden. Die Praxis, Menschen zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe zu kontrollieren, wurde jüngst von dem Verwaltungsgericht Koblenz als legitim erklärt (dagegen gab es einige Proteste, etwa eine Petition, die über 15.000 Menschen unterzeichnet haben). Johanna Mohrfeldt ermöglicht in ihren beiden Rezensionen „Rassistische Polizeipraxis im demokratischen Rahmen“ und „Pionierarbeit trotz eingegrenzter Perspektive“ sowohl Einführung als auch Vertiefung zum Thema Racial Profiling anhand von Studien aus verschiedenen Ländern. Eine der wenigen in deutscher Sprache erschienen Veröffentlichungen, die das Thema Polizei im Rassismus aufgreift, ist der Bericht „Täter unbekannt“ von Amnesty International. Die Rezensentin Laura Janßen sucht allerdings darin vergeblich nach einer kritischen Analyse. Abschließend lobt peps perdu in der Rezension zu „Banlieues. Die Zeit der Forderungen ist vorbei“ den Perspektivenreichtum dieser Textsammlung. Das Buch zeigt auf, wie Rassismus und räumliche Ausgrenzung zusammen spielen.

Um sich weiter mit dem Thema rassistische Polizeigewalt zu befassen, empfehlen wir darüber hinaus den Besuch der Konferenz „Racial Profiling Reloaded“ der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, die am 12. und 13. Oktober in Berlin sattfinden wird (weitere Informationen auf der KOP-Homepage).

Bei den weiteren Rezensionen richtet zunächst Martin Brandt den Blick auf das neue Buch von Heinz-Jürgen Voß. In „Intersexualität – Intersex“ plädiert Voß für Brandt in überzeugender Weise für ein konsequentes Ende der medizinischen Eingriffe an Neugeborenen und Kleinkindern aufgrund der Diagnose „Intersex“. Wenig überzeugend findet hingegen Sebastian Friedrich den Versuch des Medientheoretikers Byung Chul-Han, seinen populären Essays in „Topologie der Gewalt“ ein theoretisches Fundament zu verpassen. Friedrich stellt in seiner Rezension „Große Hülle, kleiner Kern“ fest, dass Han letztlich wenig Substanzielles anbiete. Weitaus Substanzieller erscheint für Adi Quarti die Analyse der „Sicherheitsarchitektur 9/11“ von Stuart Price, der die veränderten Formen der Repression im Neoliberalismus untersucht. Patrick Schreiner widmet sich anschließend dem Buch „Bankrotteure bitten zur Kasse“ von Jürgen Leibiger, in dem richtige Fragen und Ansätze präsentiert werden, wenngleich Schreiner nicht alle Antworten überzeugen. Schließlich lobt Ismail Küpeli die Dissertation „Der ethnische Dominanzanspruch des türkischen Nationalismus“ von SavaÅŸ TaÅŸ als eine Analyse, der es gelingt, die ideologischen Komponenten des türkischen Nationalismus zu dekonstruieren.

Weiterlesen in der am 4. September erschienenen Ausgabe von kritisch-lesen.de

Frankfurt: Occupy geräumt! Bei erbittertem Schweigen über den wahren Grund...

In Frankfurt ist es also mal wieder so weit! Das Verwaltungsgericht hat gesprochen. Und den Eilantrag der Occupy-Leute abgelehnt. Demnach - der Wortlaut ist noch nicht einmal veröffentlicht - geht alles gegen die Zelte. Die dürfen nicht Ausdrucksmittel einer Demo sein.

Betont höflich gehen die - schon auf Vorrat bereitgestellten - Polizisten vor, wie man den Mitteilungen von fr-online entnehmen kann. Auf Wunsch wird weggetragen! Sonst jede Habseligkeit gewissenhaft dem Eigentümer zugeordnet und öffentlich notiert. Sagt jetzt, kann es demokratischer zugehen? Worüber beklagen die sechzig noch Anwesenden sich dann?

Vor allem darüber, dass der wahre Grund der Räumung gar nicht genannt wird. Es geht nicht um den Euro, wenn wir dem zuständigen Dezernenten Frank - CDU - glauben dürfen. Es geht um den zerstörten Rasen mitten in Frankfurt, der endlich der Gesamtheit der Bürger zurückgegeben werden muss. Und dann vor allem um die Ratten!

Als strenger Traditionalist schließt sich Frank einer Heerschar von Begründern einer Räumung an, die sich alle lieber den Mund verbrannt hätten, als ihre wahren Motive zu nennen. So 1968 in Paris, als das besetzte Theater ODEON geräumt wurde. Keineswegs, weil dem Minister Malraux das offene Diskutieren missfallen hätte. Oh nein! Aber die Ratten, die schwarzen, die grauen, die sich hemmungslos vermehrten - die waren einfach nicht mehr zu dulden.

An anderer Stelle - zum Polizeikessel vom 30.Juli verkündete der dortige Kollege des Dezernenten Frank: "Herr Scheithauer vom Ordnungsamt erklärte vielmehr: "Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig - das soll und kann man nicht unterdrücken." (vergl den Beitrag von Th. Trueten zum Polizeikessel)

Und auch er nicht wahrscheinlich nicht, weil er heimlich Nazi wäre. Sondern weil er alle Maßnahmen stützt,mit welchen man den Massen ihren Handlungsraum einschränken kann. Hier also den aktiven Antifaschisten,die die Verbreitung von Nazi-Totengeruch in ihrer Stadt nicht dulden wollen. Und darin trifft er sich mit dem Kollegen aus Frankfurt. Die wirklichen politischen Absichten dürfen nie ausgesprochen werden. Sie laufen immer darauf hinaus, dass eins verschwiegen werden muss: der böse Wille der Obrigkeit. Ihr Wille, breite demokratische Diskussion einzuschränken, den Protestierenden den Mund zuzuhalten, alle Proteste durch Hinweis auf das doch völlig normale und gerichtlich abgesicherte Verfahren zu ersticken.

Die Schlussresolution der verbliebenen Träger des Occupy-Camps angesichts der Machtverhältnisse bleibt zwar verständlich, aber doch allzu bescheiden. Alle Teilnehmer hatten sich zum Verzicht auf Gegenwehr zu verpflichten. Einziger letzter Protestschritt: den Entscheid des Verwaltungsgerichts anfechten bei der nächsthöheren Instanz. Die gewichtigere Drohung gegen die Stadt Frankfurt und die Bankenmacht wurde nicht ausgesprochen. Dass nämlich die bürgerliche Macht mit all ihrem Gewicht es nicht hindern können wird, dass an vielen kleineren Orten sich Anhänger der Occupy-Bewegung zusammenfinden, die es Behörden und Banken weiterhin schwer machen werden, ihr trauriges Geschäft, mit geschlossenem Kniffmund betrieben, immer weiter fortzuführen - bis in alle Ewigkeit.

Erklärung zur "NPD-Deutschlandtour": Polizei und Ordnungsamt machen in Stuttgart Nazis den Weg frei!

Zum Stuttgarter Polizeikessel gegen AntifaschistInnen erklärt das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit:


Am 30.7.2012 versuchte die NPD im Rahmen ihrer sogenannten "Deutschlandtour" eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt abzuhalten. Zahlreiche Antifaschisten protestierten dagegen und versuchten mit Sitzblockaden die Durchführung der Kundgebung zu verhindern.

Den Nazis wurde der Weg regelrecht frei geprügelt: Mehrere Hundertschaften, Reiterstaffel und Greiftrupps (BFE-Einheiten) waren im Einsatz.

Die Gegendemonstranten wurden ohne Vorankündigung eingekesselt, stundenlang bei praller Sonne im Polizeikessel ohne Wasser und Nahrung festgehalten und dann zum Teil mit auf dem Rücken gefesselten Händen zur Wasenwache nach Cannstatt gefahren. Der Ermittlungsausschuss der Antifaschisten meldete 75 Festnahmen.

Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit:
"Die Kesselung der Demonstranten und ihre anschließende Festnahme sind rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Gegen diese illegale Praxis der Stuttgarter Polizei sind Feststellungsklagen von S21-Gegnern, die auch von dieser Praxis betroffen sind, beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängig. Diese Verfahren werden aber seit über einem Jahr nicht entschieden. Der jüngste Vorfall zeigt aber, wie dringend notwendig das ist."

Empört zeigte sich Thomas Trüten über das Verhalten des Ordnungsamts: "Offenbar gab es bei der Stadt keine Überlegungen, die NPD-Aktion zu verbieten. Herr Scheithauer vom Ordnungsamt erklärte vielmehr: "Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig - das soll und kann man nicht unterdrücken."

Wer angesichts der Verstrickung führender NPD-Funktionäre in die NSU-Morde die Demagogie der Neonazis für eine "Meinungsäußerung" hält, verhält sich nach Ansicht des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zumindest "geschichtslos".

Für das Bündnis für Versammlungsfreiheit ist Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Deshalb sind wir prinzipiell für ein Verbot faschistischer Propaganda und daher auch gegen die Genehmigung von Naziaufmärschen.


Der Vorfall in Stuttgart ist kein Einzelfall: In Heilbronn wurden am 1. Mai 2011 ebenfalls hunderte Demonstranten, die gegen einen Naziaufmarsch protestieren wollten, stundenlang eingekesselt.

Nachdem in der Vergangenheit mehrfach die Unzulässigkeit dieser Polizeipraxis gerichtlich festgestellt wurde fordern wir die Landesregierung auf, endlich ihr Versprechen eines "bürgerfreundlichen Versammlungsrechtes" einzulösen. Für uns gehört zu einem fortschrittlichen Versammlungsrecht dazu, dass endlich Schluss sein muss mit einer Polizeipraxis, die demokratische und antifaschistische Proteste mit Repressionen überzieht, während Naziaufmärsche gegebenenfalls durchgeprügelt werden.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit erklärt sich solidarisch mit allen, die von dem Polizeikessel betroffen waren und fordert die Einstellung sämtlicher Verfahren gegen die antifaschistischen Gegendemonstranten. Vorsorglich empfiehlt das Bündnis, sich bei Bußgeldbescheiden, Vorladungen oder ähnlichem an die örtlichen Rechtshilfevereinigungen und -gruppen zu wenden.

(...)



Wer einmal in den Reißwolf fällt...

Michael Csaszkóczy auf der Demonstration gegen Berufsverbote in
Mannheim, 27. Januar 2007

Zur Bilderserie
Carmen Hofmeister berichtet über den Verfassungsschutz Baden-Württemberg, der die Zähne nicht von den Waden des Heidelberger Lehrers lassen will, in die er sich vor Jahren verbissen hat. Der Bericht:

Verfassungsschutz bespitzelt und verfolgt weiterhin zu Unrecht mit Berufsverbot belegten Heidelberger Lehrer

Klage gegen den VS vor dem Verwaltungsgericht Köln

Der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkòczy, der in den Jahren 2004-2007 mit Berufsverbot belegt worden war, hat Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz erhoben.

Angebliche „Erkenntnisse“ des Verfassungsschutzes, beispielsweise über Teilnahme an Demonstrationen, waren die Grundlage für das Berufsverbot, das vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim letztinstanzlich als grundrechtswidrig erklärt wurde. Der VGH hatte damals in seiner Urteilsbegründung wörtlich geschrieben, er könne nicht nachvollziehen, dass „Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird“. Die Landesregierung Baden-Württemberg stellte Csaszkóczy dann 2008 als Lehrer ein.

Sowohl das Landesamt wie das Bundesamt für Verfassungsschutz lehnen es trotz dieses eindeutigen Urteils ab, die inkriminierten Daten zu löschen oder Csaszkóczy auch nur vollständigen Einblick in die über ihn gesammelten Daten zu gewähren. Stattdessen erklärt der Verfassungsschutz, dass er zu seiner „Aufgabenwahrung“ Csaszkóczy auch weiterhin beobachten müsse. Insbesondere, dass dieser sich gegen das Berufsverbot gewehrt habe und sich weiterhin gegen Berufsverbote einsetze, sei ein Anhaltspunkt für seine Verfassungsfeindlichkeit. Damit wird der Kampf gegen eine gerichtlich festgestellte Grundrechtsverletzung selbst wiederum zum Beleg für eine angebliche Verfassungsfeindlichkeit gemacht.

Damit erheben sich das Landesamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz über die Einschätzungen und Entscheidungen der Landesregierung wie auch der Gerichte.

Der Fall offenbart eine Seite, ohne die das angebliche „Versagen“ des Inlandsgeheimdienstes in der NSU-Affäre nicht zu verstehen ist.

Während Informationen über mordende Neonazis geschreddert werden, sind offensichtlich genügend Kapazitäten frei, um unbequeme Linke bis ins kleinste Detail ihrer Biographie auszuforschen. Dass diese Ausforschung auch noch ausdrücklich mit dem Engagement in der antifaschistischen Bewegung begründet wird, kann angesichts der politischen Ausrichtung des Verfassungsschutzes kaum noch verwundern, bleibt aber dennoch ein Skandal. Der Verfassungsschutz hat seit seiner Existenz eine massive Politik zur Überwachung, Einschüchterung und Bekämpfung kritischer linker Opposition betrieben und beharrt darauf, sie weiter zu betreiben.

Ziel der Klage Csaszkóczys ist die vollständige Einsicht in die gespeicherten Daten und ihre anschließende Löschung. Details der juristischen Auseinandersetzung finden Sie unter www.gegen-berufsverbote.de

Dort finden Sie auch Informationen zu dem zugrundeliegenden Berufsverbotsfall.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Auf Wunsch vermitteln wir Ihnen auch Kontakt zu Michael Csaszkóczy oder seinem Anwalt Martin Heiming.

Spanische Bergarbeiter vs. RiotPolice im Kampf gegen "Sparpaket"

"Der “Schwarze Marsch” der um ihre Existenz kämpfenden Bergarbeiter Asturiens erreichte am 11.Juli Madrid. Dort wurden die Arbeiter von zehntausenden solidarischen Menschen freundlich empfangen. Die Polizei ging mit massivster Brutalität gegen die friedlichen Demonstranten mit Gummigeschossen, Tränengas und Schlagstöcken vor. Es gibt zahlreiche Schwerverletzte, darunter auch Kinder und alte Menschen.So sieht die kapitalistische “Demokratie” aus: Zügellose Gewalt der demokratischen “Staatsbürger in Uniform” gegen die arbeitende Klasse,das Prinzip der Solidarität und den Widerstand gegen den Sozialabbau." Via syndikalismus.org, dort finden sich neben Fotos auch ein paar Videos. Ralf Streck setzt sich auf telepolis mit dem geplanten neuen "Sparpaket" der spanischen Regierung auseinander.

Verfassungsschutz: Sein Name ist das erste Verbrechen

Otto John, der erste Vorsitzende des Vereins, war auch das erste Reinigungsopfer. Herr Fromm, der sich heute Friedrich zur Ausmerzung preisgab, wird nicht der letzte gewesen sein.

Immer wieder neu der Versuch, die Verfassung von geheimnisvollen Verunreinigern freizuklopfen. In allen möglichen anderen Staaten werden von den Diensten wahrscheinlich größere Verbrechen begangen. Aber sie heißen dort wahrheitsgemäß "Geheimdienst" oder ähnlich. Und dienen offenherzig der Machterhaltung ihres Staates.

Bei uns dagegen wurde bei der Gründung schon ein Mönchsorden hinzuerfunden. Die Verfassung - Menschenwerk - war natürlich allseitig bedroht - von Verfall und unerwarteten Folgen vielleicht ganz anders gemeinter Aktionen. Dagegen war einzuschreiten. Unweigerlich trat die Totalitarismus-Theorie in den Dienst der Wächtergruppe. Nagefeinde der neu erstellten demokratischen Ordnung waren einmal die Kommunisten aller Art - zum andern die "Ewig-Gestrigen", wie man mitfühlend sagte. Neonazis, die Anschluss an frühere, aber gesinnungsfeste Nazis suchten, um unter neuen Verhältnissen vom Zusammenhalt zu profitieren.

In der Frühzeit der Gründung waren die Erkenntnismerkmale noch nicht völlig festgelegt. Die Engländer hatten ihren Einfluss eingesetzt, um John ins erste Amt zu hieven. Sie waren - damals! - noch überzeugt, dass alte Nazis gerne eine neue Rechtsgruppierung gründen wollten. John, als halbwegs Eingeweihter in die Widerstandsbewegung vom Juli 1944, ebenfalls.

Die Gruppe Gehlen, wesentlich besser verankert mit den Diensten des vorigen Systems, sah in Fortsetzung der Beobachtung der "Fremde Heere Ost" vor allem die Kommunisten als Hauptfeinde. Sie hatten die Amis als Schutzpatrone hinter sich.

Sie durfte den eigenen Club gründen. BND. Bundesnachrichtendienst. Mit einem Wort: damals gab es noch halbwegs offene Meinungsverschiedenheiten, wer in der neuen Bundesrepublik den Hauptfeind der "Verfassung" darzustellen habe. Offenbar war John selbst Opfer dieser Zerrissenheit. Als er in Ostberlin auftauchte, wollte er zwar keine Geheimnisse verraten, aber aufbegehren gegen die kopfgewaschenen Nazis, die entnazifiziert oder nicht,in den Dienst des neuen alten Vaterlandes getreten waren. Als er dann die DDR wieder verlassen hatte, hielt er die Phantasie des von ihm selbst zu rettenden Vaterlandes nicht durch und plädierte auf Entführung aus Westberlin in die "ZONE". Wo er dann unter Druck gesetzt worden sei. So wirkte er bei allem Verständnis zwiespältig.

Ich selbst war als junger Student beim Verfahren gegen den Rückgekehrten Herbst 1956 dabei und hörte das Plaidoyer des damaligen Generalbundesanwalts. Es ereignete sich das Seltsame: es wurden - wegen kaum beweisbaren Geheimnisverrats - von ihm zwei Jahre Gefängnis gefordert. Das Gericht gab gleich das Doppelte aus. Vier Jahre. Immerhin selten. Aber damals als Säuberungsakt spezieller Art landesweit akzeptiert. Verrat gegenüber dem Osten war auf keinen Fall zu dulden, auch dann nicht, wenn keinerlei realer Schaden für die BRD nachzuweisen war.

Damit hatte sich das Konzept des neuen Geheimdienstes durchgesetzt. Hauptfeind unserer Verfassung war ab jetzt immer der, den die oberen Leitenden als solchen markierten. Objektive Gefährdungsmerkmale entfielen. Das zu Schützende wurde ab jetzt obrigkeitlich festgelegt. Die Dienste leisteten Vorarbeit für weitere administrative und gerichtliche Erledigung von Störfällen.

Das zeigt der Abgang Fromms inzwischen. Er hat wahrscheinlich gar nicht so viel Präzises beigetragen zum Schutz der Neonazis bei ihren Morden. Es wäre vermutlich falsch, jedem einzelnen Zuträger und Helfer aus den Reihen des Geheimdienstes ausgeprägt rechte Gesinnungsziele zu unterstellen. Es ging und geht vor allem um den Machterhalt gegen alle übrigen Instanzen im Staat. Um die Abweisung von einfacher Polizei, von gerichtlicher Untersuchung, von Pressemeldungen. Das haben die Dienste alle gemeinsam in allen vergleichbaren Ämtern westlicher und östlicher Staaten. Bei uns mit dem Vorteil, dass einer oben als Schuldiger abserviert wird. Und dass alle sich nachher gegenseitig beteuern können, dass jetzt unsere Verfassung wieder tropfend und sauber an der Leine hängt.

Folgerung für den Rest, der solche Bleichungen nicht überschätzt: Die staatlichen Dienste nie als Autorität heranziehen. Ganz egal, ob ein einzelner Nackenschlag von oben gerade unseren persönlichen Vorlieben entspricht. Der Staat in dieser Erscheinungsform ist und bleibt Feind. Und deshalb nie von "Pannen" reden, wenn es sich um Absicht handelt.

2. Prozesstag gegen Karlsruher Demoanmelder - Kampagne 19. Mai mobilisiert zum Prozess

Nach der bundesweiten Demonstration am 19. Mai 2007 in Karlsruhe, die anlässlich von Repressionen gegen Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm stattfand, erhielt der Anmelder einen Strafbefehl über 4800 Euro. Er soll nicht ausreichend für die Durchsetzung der Auflagen gesorgt haben. Zum Verfahren kommende Woche erschien eine Pressemitteilung der Kampagne 19. Mai:

Im Juni 2008 wurde der Anmelder einer bundesweiten Demonstration im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm vom Amtsgericht Karlsruhe zu 60 Tagessätzen verurteilt. Der Fall hat bundesweite Aufmerksamkeit erlangt. Mit dem Urteil in erster Instanz untergräbt das Amtsgericht Karlsruhe das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.

Nun folgt die zweite Instanz. Die Kampagne 19. Mai ruft dazu auf, den öffentlichen Prozess im Gerichtssaal zu begleiten.

Nach der Vernehmung etlicher Zeugen und der Begutachtung von Fotos und Filmaufnahmen am 1. Prozesstag wurde die Berufungsverhandlung gegen einen Anmelder einer Demonstration um 17 Uhr am Abend unterbrochen. Die Verhandlung wird erst am Donnerstag, den 5. Juli fortgesetzt. Der geplante Termin am 21. Juni entfällt.

Am 5. Juli sollen noch zwei weitere Zeugen vernommen werden. Anschließend ist mit den Plädoyers und der Urteilsverkündung am frühen Nachmittag zu rechnen.

Zweiter Verhandlungstag am Landgericht
Do, 5. Juli 2012, 9:00 Uhr, Saal 126 (1. OG)
Hans-Thoma-Str. 7
76133 Karlsruhe

Alle Infos und Presse zum Prozess: http://www.kampagne19mai.de

Einen Prozessbericht des 1. Prozesstages gibt es von der Roten Hilfe Karlsruhe.

Kiel: 1.000 wegen Streik gekündigt! Streikende + Streikrecht verteidigen!

Aufruf zur Demonstration

Samstag, 30. Juni 2012, 12 Uhr, Kiel

Gewerkschaftshaus, Legienstraße

Beim Krankenhauskonzern Fresenius Helios kämpfen die Beschäftigten derzeit um den Erhalt von existenzsichernden Tariflöhnen in den Servicebetrieben. Am ersten und zweiten Tag des Arbeitskampfes haben 70 Beschäftigte der Zentralen Servicegesellschaft Damp mbH (ZSG) aufgrund der Streikplanung von ver.di & NGG gestreikt.

Dies nahm der Konzern zum Anlass, allen 1.000 Beschäftigen der ZSG zu kündigen.

Dieses Vorgehen ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ohne Beispiel.
Es erinnert an frühkapitalistische Methoden. Fresenius Helios will den gerechten Streik mit 1.000 fristlosen Kündigungen brechen.

Nicht nur die Streikenden in den Servicebetrieben, sondern auch alle anderen Streikenden in den Krankenhäusern und Rehakliniken bei der Fresenius Helios Tochter Damp Holding AG sollen eingeschüchtert werden, damit sie ihr grundgesetzlich garantiertes Streikrecht nicht wahrnehmen.

 

Wehret den Anfängen!

Das ist ein Angriff auf alle Arbeitnehmer/innen, die von ihrem Streikrecht Gebrauch machen.

Wir demonstrieren für
  • Solidarität mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen
  • Wiedereinstellung der 1.000 Gekündigten
  • Respektierung des Streikrechts durch Fresenius Helios
  • Weg mit dem Renditedruck in privatisierten Krankenhäusern!

Schlusskundgebung

am Anleger Reventlou

Redner/innen

  • Frank Bsirske, Vorsitzender ver.di
  • Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender NGG
  • Ellen Paschke, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
  • betroffene Kolleg/innen

Aufrufe von Ver.di & NGG

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