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Anpassung an einen Unrechtsstaat ist Unrecht

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer Quelle: Fritz Bauer Institut / A. Mergen
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
Quelle: Fritz Bauer Institut / A. Mergen
"Wenn die Prozesse einen Sinn haben, so ist es die unumgängliche Erkenntnis, daß Anpassung an einen Unrechtsstaat Unrecht ist. Wenn der Staat kriminell ist, weil er die Menschen- und Freiheitsrechte, die Gewissensfreiheit, das Recht auf eigenen Glauben, (...) das Recht auf eigenes Leben systematisch verletzt, ist Mitmachen kriminell. Es ist, wie unsere Prozesse demonstrieren sollen, möglicherweise Mord, gemeiner Mord. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich selber Hand anlege oder nicht. Es kommt nicht darauf an, ob an meinen eigenen Händen Blut klebt oder ob sie nur mit Tinte besudelt sind, ob ich aktiver Täter, Nutzniesser oder nur beifällig nickender Zuschauer bin."

Fritz Bauer (* 16. Juli 1903 in Stuttgart; -  1. Juli 1968 in Frankfurt am Main): "Warum Auschwitz-Prozesse?", in: Neutralität. Kritische Zeitschrift für Kultur und Politik, Jg. 2 (1964/65), H. 6-“7 S. 9, via Fritz Bauer Institut

„GFF erhebt Klage gegen das Finanzamt Ludwigsburg: Entzug der Gemeinnützigkeit des soziokulturellen Zentrums „DemoZ“ ist rechtswidrig“

Seit nun mehr als zwei Jahren hängt das DemoZ Ludwigsburg in Bezug auf die Gemeinnützigkeit in der Luft. Erst gegen Ende des vergangenen Jahres wurde der Widerspruch unsererseits gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit an Rechtsbehelfsstelle des Finanzamt Ludwigsburg übergeben. Seit September werden uns seitdem immer wieder Versprechungen gemacht, dass bis zu einem bestimmten Datum eine Entscheidung der Behörde vorliegen würde -“ jedoch läuft jede vom Finanzamt selbst benannte Frist aus, ohne dass eine Entscheidung getroffen wurde.

Im Oktober 2019 wurde dem Demokratischen Zentrum Ludwigsburg die Gemeinnützigkeit entzogen -“ der Entzug fußt auf dem erst im Februar 2019 gefällten Urteil zur politischen Betätigung gemeinnütziger Vereine im Fall der bundesweit tätigen Organisation Attac Deutschland. Ziel des Urteils sollte eigentlich die Trennung zwischen gemeinnützigen Organisationen und Parteien in Bezug auf Steuervorteile sein. Mit dem Urteil ist das Bundesfinanzministerium jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen-“ es ist nicht nur eine mangelnde Rechtssicherheit für sich politisch betätigende Vereine entstanden. Vielmehr ist eine grundlegende Diskussion darüber entstanden, wer in der Bundesrepublik Deutschland Teil der politischen Willensbildung ist und wer nicht.

Diesen Zustand können wir so nicht mehr hinnehmen -“ weder für uns, noch für die vielen anderen gemeinnützigen Vereine, die tagtäglich wertvolle Arbeit leisten und wegen der immer noch unklaren Rechtslage keine Sicherheit über ihre Handlungsmöglichkeiten haben. Leider hat auch der erst kürzlich veröffentlichte Anwendungserlass keine Klarheit und Sicherheit für politisch bildende Vereine gebracht, mehr dazu könnt ihr zum Beispiel auf der Seite der Allianz -“ Rechtssicherheit für politische Willensbildung zu dem Thema erfahren.

Deshalb haben wir nun eine Untätigkeitsklage gegen das Finanzamt eingereicht. Wie immer stellen wir euch die Klageschrift vom 09.02.2022 zur Verfügung, damit unsere Argumentation und unser Vorgehen weiterhin transparent und nachvollziehbar bleiben. Wie immer könnt ihr Rückfragen über gemeinnuetzigkeit@demoz-lb.de an und schicken. Nachfolgend veröffentlichen wir die heutige gemeinsame Pressemitteilung von der GFF -“ Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., Campact e.V. und dem DemoZ Ludwigsburg.

GFF erhebt Klage gegen das Finanzamt Ludwigsburg: Entzug der Gemeinnützigkeit des sozio-kulturellen Zentrums „DemoZ“ ist rechtswidrig

Berlin/Stuttgart, 9. Februar 2022 -“ Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und Campact e.V. hat das Demokratische Zentrum Ludwigsburg e.V. (DemoZ) heute vor dem Finanzgericht Stuttgart Klage gegen den Entzug seiner Gemeinnützigkeit eingereicht. Ziel der Klage ist es, mehr Rechtssicherheit für gemeinnützige Vereine zu schaffen, die in der politischen Bildung aktiv sind.

„Das Finanzamt hat ein viel zu enges Verständnis von politischer Bildung und Demokratieförderung. Selbstverständlich darf in einem Kulturzentrum auch eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen stattfinden“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Eine lebendige Demokratie braucht solche Begegnungsorte, an denen sich Menschen einbringen und auch eine politische Haltung zeigen können.“

Foto: DemoZ
Foto: DemoZ
Das selbstverwaltete DemoZ ist seit 40 Jahren ein wichtiger sozialer Treffpunkt in Ludwigsburg und bietet ein vielfältiges und meist kostenloses Kultur- und Bildungsprogramm an. Dazu zählen Theateraufführungen, Zeichenkurse und bildungspolitische Veranstaltungen. Bereits im Oktober 2019 hatte das Finanzamt Ludwigsburg dem DemoZ die Gemeinnützigkeit entzogen. Es warf dem Verein mangelnde geistige Offenheit in der politischen Bildungsarbeit vor. Anlass hierfür waren kapitalismuskritische Veranstaltungen des Vereins. Das DemoZ legte umgehend Einspruch ein und wartet nun seit über zwei Jahren auf eine endgültige Entscheidung der Behörde.

„Die seit Jahren andauernde Ungewissheit über den Steuerstatus ist eine große Belastung, da wir nicht wissen, wie wir uns in Zukunft finanzieren sollen“, sagt Yvonne Kratz, Vorstandsmitglied des DemoZ. „Bereits jetzt sind aufgrund der fehlenden Gemeinnützigkeit viele staatliche Förderungen weggefallen und auch einen erheblichen Teil der Corona-Hilfen konnten wir wegen des unsicheren Steuerstatus-˜ nicht abrufen. Nur dank der großen Solidarität, die wir seitens unserer lokalen Unterstützer*innen erfahren haben, konnten wir unsere Arbeit vorübergehend finanzieren.“

Auch die Bürgerbewegung Campact unterstützt die Arbeit des soziokulturellen Zentrums Ludwigsburg mit einer Förderung von 20.000 Euro für die Prozesskosten und die Arbeit des Vereins. Unter anderem will Campact damit die Finanzierung des jährlichen „Mut gegen Rechts“-Festivals in Ludwigsburg sichern. Campact hatte im Oktober 2019 selbst die Gemeinnützigkeit verloren. Wie im Fall des DemoZ verwiesen die Finanzbehörden auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zu Attac. Der BFH hatte 2019 die Einschätzung der Finanzbehörden bestätigt, dass Attac wegen „allgemeinpolitischer Tätigkeit“ nicht gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinne sei. „Uns ist es ein großes Anliegen, kleine Vereine zu stärken, die von der Rechtsunsicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht betroffen sind“, sagt Felix Kolb, Geschäftsführender Vorstand von Campact. „Zentren wie das DemoZ leisten wichtige Arbeit gegen Rechts und verteidigen unsere Demokratie vor Ort, in fast jeder kleineren oder größeren Stadt in Deutschland. Ein Gemeinnützigkeitsrecht, das diesen Vereinen die Gemeinnützigkeit entzieht, hat seinen Namen nicht verdient.“

Die GFF, das DemoZ und Campact sind Mitglieder der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung. Der Zusammenschluss aus fast 200 Vereinen und Stiftungen fordert eine gesetzliche Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, damit sich gemeinnützige Organisation für Menschenrechte und Gerechtigkeit engagieren können.

Yvonne Kratz, Vorstandsmitglied des DemoZ, steht für Interviews zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Klage finden Sie unter:

freiheitsrechte.org/demoz

Quelle

„Antifaschismus bleibt notwendig!“ - Info-Veranstaltung zum „Wasen-Prozess“ gegen Antifaschist:innen in Baden-Württemberg

Nach sechs Monaten Prozess gegen die beiden Antifas Jo und Dy ging das sog. „Wasen-Verfahren“ Mitte Oktober 2021 zu Ende. Beide wurden vor dem Landgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Als Solidaritätskampagne begleiteten wir den gesamten Verfahrenskomplex bereits seit den ersten Hausdurchsuchungen 2020 und versuchten Solidarität zu organisieren. Zum ersten Prozess gegen Jo und Dy, der im April 2021 startete, gestalteten wir eine solidarische Begleitung.
Mit dem Urteil ist das Verfahren und eine erste intensive Phase der Solidaritätskampagne zu Ende.
Nichts desto trotz, sitzt Dy weiterhin in U-Haft, stehen weitere Prozesse gegen andere Beschuldigte an und auch die Revision im Prozess gegen Jo und Dy erwartet uns. Mit der Veranstaltung wollen wir zu diesem Zeitpunkt folgende Fragen aufstellen:
In welchem Verhältnis steht der Prozess und die kriminalisierte antifaschistische Intervention zu den aufkommenden Querdenken-Demonstrationen im Frühjahr 2020? Inwieweit stellt dieser Repressionsangriff eine neue Qualität dar? Was für Schlüsse können wir aus dem Prozessverlauf ziehen?
Wie sah die Prozessbegleitung aus? Was sind für uns grundsätzlichere Herangehensweisen gegenüber staatlicher Repression und der Organisierung von Solidarität?
Gemeinsam wollen wir die bisherige Arbeit der Solikampagne und unsere Einschätzungen zu den Fragen diskutieren.

Linkes Zentrum Lilo Herrmann
Böblinger Str. 105
70199 Stuttgart
Haltestelle "Erwin-Schöttle-Platz - U1, U9, U34, Bus 42)

50 Jahre "Bloody Sunday"

Mit einem Gedenkmarsch haben zahlreiche Menschen in Nordirland an die Opfer des "Blutsonntags" vor 50 Jahren erinnert. Demonstranten und Angehörige zogen am Sonntag durch die Stadt Derry. Dabei trugen sie Fotos der Toten. Am 30. Januar 1972 hatten britische Fallschirmjäger in der Stadt 13 unbewaffnete katholische Demonstranten erschossen. Ein weiterer starb Monate später an seinen Verletzungen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Nur gegen einen der Soldaten wurde Anklage erhoben, es kam aber nicht zu einem Verfahren.

Quelle: junge Welt

Herzschläge

Die Revolutionären Zellen (RZ) waren ein militanter Zusammenhang, der von Anfang der 1970er bis zum Beginn der 1990er-Jahre aktiv war.

Die RZ erfreuten sich in weiten Teilen der linksradikalen Szene großer Beliebtheit, da sie von wenigen Ausnahmen abgesehen eng am Puls der sozialen Auseinandersetzungen agierten und versuchten, eine bewegungsnahe revolutionäre Politik umzusetzen.

Ihre Mitglieder sahen sich nicht als sogenannte Berufsrevolutionäre, sondern waren größtenteils selbst in zumeist autonomen Zusammenhängen aktiv und beteiligten sich an den damaligen Kämpfen wie beispielsweise der Jugendzentrums- und Häuserbewegung, der Anti-Atomkraft- oder der Startbahnbewegung in Frankfurt am Main. Darüber hinaus setzten sie entscheidende Impulse in der damaligen Flüchtlingsbewegung.

Das in diesem Buch aufgezeichnete Gespräch gibt nicht nur entscheidende Einblicke in den Gruppenzusammenhang der RZ, sondern ist als Teil einer kritischen Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte zu lesen. Es stellt unter anderem die Frage, welche Schlüsse aus den Erfahrungen der Gruppe für heutige Militante zu ziehen wären und welche Bedeutung sie für heutige und zukünftige Kämpfe haben könnten.

Herzschläge

Gespräch mit Ex-Militanten der Revolutionären Zellen

ISBN 9-78-3-86241-490-1 | erschienen 22/01 | 304 Seiten | Paperback | lieferbar | 19,80 €

#freechris: Solivokü und Input am 29.01

Das Verfahren gegen Chris vor dem Landgericht wurde auf den 25. März verlegt. Bereits am kommenden Samstag, den 29. Januar gibt es eine Solivokü. Mit leckerem Essen (ab 19 Uhr) und einem kurzen Input des Betroffenen (20 Uhr).

Infos unter www.weitermachen.info

Linkes Zentrum Lilo Herrmann

Böblinger Str. 105

70199 Stuttgart

Haltestelle "Erwin-Schöttle-Platz - U1, U9, U34, Bus 42)

Mit Nazis marschieren ist kein Spazieren! Für Aufklärung und Solidarität statt Verschwörungsmythen - Erklärung des Bundesausschusses der VVN-BdA

Die größte verschwörungsideologische Organisation in Deutschland hieß NSDAP. Im Namen der „deutschen Freiheit“ mobilisierte sie gegen eine „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“, die das deutsche Volk vergiften und knechten wolle. Das kann man alles nachlesen in einem der meistgedruckten Bücher deutscher Sprache -“ Adolf Hitlers „Mein Kampf“.

An dieses Vorbild knüpfen heute der „III. Weg“, die „Freien Sachsen“, die „AfD“ und weitere extrem rechte und neofaschistische Organisationen an. Ihnen ist es in diesen Wochen gelungen die von Anfang an wissenschaftsfeindliche, egoistische und nach Feindbildern gierende Szene der deutschen Impfgegner*innen in nie dagewesenem Ausmaß bundesweit in vielen Städten zu mobilisieren.

Längst geht es nicht mehr nur darum, inmitten einer Pandemie, in völliger Verkennung der Realität, lebensrettende Maßnahmen des Infektionsschutzes zu hintertreiben, sondern gegen „das System“ an sich zu mobilisieren. Diese Bewegung ist:

• antidemokratisch, indem sie einen angeblichen „Volkswillen“ über demokratische Prozesse stellt
• mindestens latent antisemitisch, indem sie erneut das altbekannte antisemitische Denkmuster von der Existenz einer angeblichen geheimen Elite mit ebensolch geheimen Pläne behauptet
• sozialdarwinistisch -“ soll doch sterben, wer nicht gesund genug ist
• geschichtsrevisionistisch und eine Beleidigung der Opfer des NS-Regimes, indem sie sich selbst als „verfolgt wie die Juden“ gerieren
• zunehmend verbal und körperlich gewaltbereit gegen Journalistinnen, Beamtinnen und sogar Ärztinnen, die ohnehin schwer genug an der Pandemie zu kämpfen haben
Es zeigt sich außerdem, dass sowohl Behörden und Polizei als auch etablierte Politiker
innen dem Druck des Mobs zu weichen beginnen.

Stattdessen fordern wir:

• Gesetzte Regeln für das öffentliche Leben, die Leib und Leben retten sollen, müssen auch durchgesetzt werden.
• Infrastruktur und Personal des Gesundheitswesens als auch Journalist*innen sind zu schützen.
• Mordaufrufe in Sozialen Medien sind genauso zu verfolgen wie in der realen Welt.
• Tatsächliche soziale Verwerfungen, die durch die Pandemie verstärkt werden, gehören auf die Tagesordnung, u.a. die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens.
• Wir brauchen klare Kante gegen die Ideologien des Egoismus und der Verschwörungsmythen.

Wir halten dagegen!

Quelle

Jagd auf Verfassungsfeinde · Der Radikalenerlass und seine Opfer

"Ob angehende Lehrer oder Postboten, viele junge Leute hat der Verfassungsschutz in den 70er- und 80er-Jahren politisch durchleuchtet. Grundlage: der sogenannte Radikalenerlass; er hat die Jagd auf Verfassungsfeinde ausgelöst. Die Opfer fühlten sich in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit angegriffen, sprachen von Berufsverboten. Auch Winfried Kretschmann, heute Ministerpräsident von Baden-Württemberg, war betroffen.

Alle Parteien wollten den Staatsdienst damals vor der rebellischen Jugend und der "Gefahr aus dem Osten" schützen. Auch der damalige Bundeskanzler Willy Brandt. Rückblickend bewertete er den Beschluss als großen Fehler. Doch bis heute zeigt die Politik kaum Interesse an der Aufarbeitung. Gleichzeitig ist die Verteidigung unserer Demokratie aktueller denn je." (ARD.de)

Der Film von Hermann G. Abmayr ist in der ARD Mediathek zu sehen.

Oury Jalloh Gedenken in Dessau

Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv
Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv
In Erinnerung an Oury Jalloh, der vor 17 Jahren in einer Polizeizelle in Dessau verbrannte, demonstrierten am 7. Januar 2022 mehr als 2000 Menschen durch Dessau-Roßlau. Die Demo führte unter dem Motto „No justice, no peace -“ Wir fordern Aufklärung!“ quer durch die Stadt.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

"Gerechtigkeit müssen wir uns selbst erkämpfen"

Am 7. Januar 2005 wurde Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier körperlich schwer misshandelt, an Händen und Füßen in der Zelle 5 angekettet und von Polizeibeamten angezündet. Er verbrannte bis zur Unkenntlichkeit. Anlässlich des 17. Todestages organisierte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh -“ wie in jedem Jahr -“ eine Gedenkdemonstration durch die Stadt Dessau. Sie führte zum Ort des Verbrechens, zum Polizeirevier in die Wolfgangstrasse 25 entlang an den Orten des Verschleierns und des Vertuschens, unter anderem an der Staatsanwaltschaft Dessau und dem Amtsgericht und dem Landgericht in Dessau.

Über 2.000 Teilnehmerinnen, die auch mit Bussen aus Göttingen, Nürnberg, Berlin oder Köln angereist waren, versammelten sich gegen 14 Uhr am Dessauer Hauptbahnhof. Dort begrüßte Mouctar Bah, ein enger Freund von Oury und Mitbegründer der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, die Anwesenden. Er erklärte, dass Oury Jalloh unmöglich die Matratze selbst in Brand gesteckt haben kann, so wie es von der Polizei und Justiz bis heute behauptet wird. Er machte deutlich, dass Oury Jalloh kein Einzelfall ist, dass es sehr viele Opfer aus der Black Community gibt und dass bis heute weiter gemordet wird: "Wir werden weiter kämpfen bis zum Schluss, nicht nur für Gerechtigkeit für Oury Jalloh, sondern auch für Laye-Alma Condé, für Dominique Koumadio, für Christy Schwundeck und für Mariamma Sarr und alle anderen Opfer von Polizeigewalt." Auch Saliou, der Bruder von Oury, der extra aus Guinea angereist war, bedankte sich für die große Unterstützung und bekräftigte seinen Willen nicht aufzugeben: "Mein Bruder wurde misshandelt, getötet und verbrannt. Die Polizei, die Justiz und die Politiker versuchen das alles zu vertuschen. Wir werden weiter kämpfen und alles aufklären."

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hatte Anfang November 2021 ein neues Brandgutachten vorgestellt. Es zeigt erstmals eine Rekonstruktion des Brandes in einem originalen Nachbau der Zelle, in der Oury Jalloh verbrannte. Die Bilder zeigen nachdrücklich, dass ein Brandbild, so wie es am 7. Januar 2005 vorgefunden wurde, nur mit Hilfe von Brandbeschleunigern entstanden sein kann. Zudem haben auch die im Vorfeld durchgeführten Bewegungsversuche deutlich gemacht, dass Oury Jalloh sich nur unter extremen Schmerzen sehr eingeschränkt bewegen konnte. Auch diese Versuche stehen den Behauptungen der Generalstaatsanwaltschaft von Sachsen-Anhalt entgegen, dass Oury Jalloh das Feuer selbst entzündet haben soll.

Die Demonstration verlief sehr kraftvoll, geeint von der gemeinsamen Trauer und Wut über die Morde im Dessauer Polizeirevier und der Verweigerung staatlicher Behörden, diese überhaupt als solche anzuerkennen, geschweige denn, sie aufklären zu wollen. Es wurden starke Reden gehalten und insbesondere die migrantische und Black Community fanden klare und kämpferische Worte für die Kontinuität rassistischer Verbrechen ihrer systematischen Vertuschung durch staatliche Institutionen.

"Die Lüge, dass er sich selbst verbrannt hat wird von Staat und Polizei bis heute verteidigt [...] Gutachten werden nicht anerkannt und die Täter werden weiterhin geschützt. Deshalb erkennen wir, dass der Staat kein Interesse daran hat uns vor weiteren rassistischen Morden zu schützen.", erklärten junge Aktivist
innen der Panthifa. "Oury Jallohs Mörder sind das Produkt eines rassistisch kapitalistischen Systems. Ein System, das darauf abzielt, Leute wie ihn zu dehumanisieren. Uns Schwarze Menschen und Afro Siblings zu dehumanisieren. Es reicht längst nicht mehr Oury Jalloh als Opfer eines Einzelfalls von Polizeigewalt zu beschreiben. Oury Jalloh ist Opfer eines gewaltvollen Systems mit globaler Kontinuität."

Viele Redebeiträge haben herausgestellt, dass der Kampf um Gerechtigkeit ein globaler Kampf ist. Und dass es sich lohnt nicht aufzugeben, sondern diesen Kampf kontinuierlich und mit Entschlossenheit fortzusetzen. Die staatlichen Institutionen versuchen alles, um die Wahrheit zu vertuschen. Umso wichtiger ist die selbstorganisierte Aufklärungsarbeit, die die Fakten Schritt für Schritt an die Öffentlichkeit bringt und die Justiz in ihren Lügen entlarvt.

Die Demonstration am 7. Januar 2022 hat gezeigt, dass diese kontinuierliche Arbeit Erfolg hat. Auch wenn der Mord an Oury Jalloh juristisch nicht aufgeklärt ist, so ist die Wahrheit bereits in viele Teile der Gesellschaft vorgedrungen.

Oury Jalloh -“ Das war Mord!

Nadine Saeed, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

"Was haben die letzten 17 Jahre gezeigt? Einerseits die Ignoranz des deutschen Staates. Aber viel wichtiger die Fähigkeit Schwarzer Selbstorganisation zur Mobilisierung und zum aktiven Handeln. Unsere Fähigkeit zu vernetzen und hier als gemeinsames Bündnis afrodiasporischer Personen geschlossen aufzutreten. Unsere Fähigkeit, den antiimperialistischen, antirassistischen sowie Klassenkampf auf allen Ebenen intersektional zu führen. Unsere Fähigkeit diesen Kampf Generation über Generation weiterzuführen."

(Panthifa, Power to the People)

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