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Großbritanniens schmutziger Krieg in Nordirland

Die unbewältigte Vergangenheit des Nordirlandkonflikts macht derzeit auch bei uns Schlagzeilen. Der Dokumentarfilm "Großbritanniens geheime Terror-Truppe", den BBC Panorama am vergangenen Donnerstag ausstrahlte, lies drei ehemalige Mitglieder der britischen Military Reaction Force (MRF, Militärische Rückschlagseinheit) zu Wort kommen. Die MRF ermordete Anfang der 70er Jahre in Belfast unbewaffnete Zivilisten, um die "IRA zur Strecke zu bringen". Sie bestätigten damit öffentlich einen kleinen Teil dessen, was viele lokale Kampagnengruppen und Menschenrechtsorganisationen in jahrzehntelanger Recherchearbeit ans Tageslicht gebracht haben.

Auslöser für den gestrigen Film war der Bericht „COUNTER-GANGS: A history of undercover military units in Northern Ireland 1971-1976 (Kontras: eine Geschichte verdeckt operierender Militäreinheiten in Nordirland)“ von Margaret Urwin, den Spinwatch gemeinsam mit Justice for the Forgotten und dem Pat Finucane Centre im Januar 2013 veröffentlichte. Speziell das im nordirischen Derry beheimatete Pat Finucane Centre recherchiert seit Jahrzehnten über staatlichen Terror, dessen ungeheurere Dimensionen in immer größerem Umfang aufgedeckt werden.

Tödliche Verbündete

Denn es war bei weitem nicht nur die 1973 aufgelöste MRF, die einen schmutzigen Krieg in Nordirland führte. Reorganisiert und umbenannt, agierte die MRF als „Force Research Unit (FRU)“ weiter. Ihr Name taucht häufig auf, wenn es um die Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit pro-britischen Todesschwadronen ging. Es gab ein Netz aus Sondereinheiten der nordirischen Polizei, des britischen Militärs und ihrer „Lethal Allies“. „Lethal Allies (Tödliche Verbündete)“, so lautet auch der Titel des Buchs, das die ehemalige Journalistin und derzeitige Recherche-Mitarbeiterin des Menschenrechtszentrums Pat Fincane Centre, Anne Cadwallader, erst kürzlich im September 2013 veröffentlichte. Seitdem schlägt es hohe Wellen. Im Buch belegt Cadwallader, dass die Zusammenarbeit britischer Stellen mit den pro-britischen Paramilitärs, der Ulster Volunteer Force (UVF) und der Ulster Defence Association (UDA), deren „Spezialität“ die Ermordung katholischer Zivilisten war, bis in höchste britische Regierungskreise reichte. Diese Zusammenarbeit hatte viele Gesichter, die direkte Anstiftung zum Mord, die Bewaffnung von UDA und UVF, der Abzug von Polizeisperren vor einem Attentat, die Nichtverfolgung von Straftaten und die bewusste Lüge. Auf unserer Webseite berichten wir seit 2002 immer wieder über diese recht harmlos als „Collusion (Zusammenarbeit)“ bezeichnete Strategie des Einsatzes von Todesschwadronen (siehe hierzu den Themenschwerpunkt Collusion).

Familien der Opfer dieses Terrors haben sich in Kampagnengruppen wie Justice for the Forgotten, die Angehörigen der Ermordeten des Ballymurphy Massakers, des McGurk-™s Bar Massakers und die Familien von Bloody Sunday und viele mehr zusammengeschlossen. Mit Hilfe von Menschenrechts- und Selbsthilfeorganisationen haben sie Beweise zusammengetragen. Da die Morde von der Polizei während des Konflikts ignoriert, oder kurzerhand die Opfer zu Tätern erklärt wurden, mussten Angehörige nicht nur die Aufklärung selbst in die Hand nehmen, die Behörden versuchen immer wieder, ihre Arbeit zu behindern.

Ein Beispiel ist das Bombenattentat der UVF auf McGurk-˜s Bar am 4. Dezember 1971. Fünfzehn Menschen, die sich am frühen Samstagabend in der Belfaster Bar aufhielten, wurden getötet. Die Bar war nur noch ein Trümmerhaufen und brannte vollständig ab. Gegen besseres Wissen aus vorliegenden Gutachten erklärte die Polizei das Attentat zum „IRA Eigentor“ und damit die Barbesucher zu Bombenbauern und Terroristen.

Denn, so erläutert einer der Hinterbliebenen Robert McClanaghan, die Polizei „wollte nicht zugeben, dass das Attentat auf McGurk's Bar von (pro-britischen) Loyalisten verübt worden war, weil ... der Staat die IRA bekämpfte, und dabei Katholiken, irische Nationalisten und irische Republikaner verhaftete und internierte. In dieser Lage zuzugeben, dass die UVF gerade 15 Männer, Frauen und Kinder ermordet hatte, hätte ein Umdenken nötig gemacht. Es hätte den Staat gezwungen, Protestanten zu verhaften, die Terroristen der UVF und der UDA, und sie ins Gefängnis zu stecken.“

Das Zitat stammt aus dem Dokumentarfilm „Loss of Innocence -“ das Massaker in der McGurk-™s Bar“, den Familienangehörigen im Rahmen ihrer Kampagne produziert haben. Er wurde im Internet in englischer Sprache auf YouTube veröffentlicht. Voraussichtlich Anfang Dezember 2013 steht der Film auch mit deutschen Untertiteln zur Verfügung.

Politische Verhandlungen zur Aufarbeitung des Konflikts

Der Fokus auf den schmutzigen Krieg Großbritanniens in Nordirland kommt für die britische Regierung zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Denn in einer neuen politischen Verhandlungsrunde unter der Moderation des amerikanischen Politikers Richard Haas wird gerade über ungelöste Themen des Karfreitagsabkommens - des Friedensabkommens von 1998 -“ diskutiert. Es geht darum, Lösungen für den Umgang mit Oraniermärschen, mit Flaggen und Symbolen und eben auch mit der Aufarbeitung der Vergangenheit zu finden. Der nordirische Generalstaatsanwalt John Larkin forderte vor ein paar Tagen eine Amnestie für alle konfliktbezogenen Straftaten vor 1998. Im Lichte der derzeitigen Enthüllungen ist dies ein durchsichtiges Manöver, das den Mantel des Schweigens über die Aktivitäten des britischen Staates ausbreiten soll.

Die Collusion-Aufklärung hat auch Konsequenzen für die Erklärung des Nordirlandkonflikts. Die Darstellung, Katholiken und Protestanten hätten sich gegenseitig im Nordirlandkonflikt die Köpfe eingeschlagen, wogegen die britische Regierung in den Konflikt hineingezogen wurde, um Terror zu verhindern, wird durch Berichte über die terroristischen Methoden des Staates, die Bewaffnung pro-britischer, protestantischer Todesschwadronen und der Nichtverfolgung terroristischer Verbrechen von britischer Polizei, Armee oder loyalistischen Gangs als Propagandalüge des Krieges entlarvt, mit dem Großbritannien die irischen Viertel Nordirlands niederhalten wollte.

Auch wenn sich die derzeitige Diskussion hauptsächlich um Fälle aus den 70er Jahren dreht, heisst das nicht, dass der schmutzige Krieg nur ein Instrument der Anfangsjahre des Konflikts waren. Das Gegenteil ist der Fall, wie prominente Fälle der 80er und der 90er Jahre zeigen. Als Beispiel sei hier der Mord am Rechtsanwalt Pat Finucane erwähnt. Der Rechtsanwalt wurde im Februar 1989 an einem Sonntagmorgen beim Frühstück in seiner Nordbelfaster Wohnung vor den Augen seiner Familie ermordet. Inzwischen weiss man, dass alle am Mordkomplott beteiligten Loyalisten britische Agenten, bzw. V-Leute waren. Als die britische Regierung sich nicht länger gegen eine öffentliche Untersuchung des Mordes wehren konnte, änderte sie die gesetzliche Grundlage für öffentliche Untersuchungen. Die „Lex Finucane“ gibt der britischen Regierung seither das Recht, Dokumente und Informationen zurückzuhalten.

Erstveröffentlichung auf info-nordirland.de und auf Facebook zu finden. Der Beitrag steht außerdem zum Download als PDF zur Verfügung: >>download hier <<

RAF-Ausstellung: Notwendige Korrekturen Teil 3

Logo der RAF
Quelle: WikiPedia
Von Karl Marx stammt die These, dass sich Geschichte zweimal ereigne: Einmal als Tragödie und einmal als Farce. Auch in der Geschichte des Hanns-Martin Schleyer gibt es solche Doppelungen:

Auch Schleyer war Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Die SS wurde am 1.Oktober 1946 zur kriminellen Vereinigung erklärt. Mitgliedschaft wurde mit „automatischem Arrest“ geahndet. Dort fand sich Schleyer nach Kriegsende auch wieder. Die kriminelle Vereinigung RAF nimmt sich gegen Schleyers Verein allerdings eher wie eine Kinderkrabbelgruppe aus.

Bernt Engelmann (damals Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller, antifaschistischer Widerstandskämpfer und Überlebender der Vernichtungslager) erklärte 1977 dazu: „Als aktive Terroristen standen uns damals die Angehörigen einer kriminellen Vereinigung gegenüber. Verblüffenderweise sitzen heute von den ehemaligen Führern dieser Terroristengruppe -“ ich muss wohl sagen: - bande -“ nur wenige hinter Gittern, etliche im Bundestag, und zwar just bei jener Fraktion, die jetzt die schlimmsten Verleumder und Scharfmacher stellt, ja, wo einige Herren den Terrorismus am liebsten mit staatlichem Terror beantworten möchten.“

Ebenfalls findet in der Geschichte des Hanns-Martin Schleyer das Verbrechen der Geiselnahme eine Doppelung. 1945 ist er Täter.

Prag, 5. Mai 1945, Aufstand gegen die Nazi-Besatzungsmacht. Im Schulgebäude des 4. Bezirks hat sich eine SS-Einheit verschanzt, die zwanzig Geiseln, Beschäftigte der Firma Janeceln, in ihrer Gewalt hat. Die tschechischen Aufständischen verhandeln mit dem SS-Kommandanten über die Freilassung der Geiseln. Dieser verlangt dafür im Gegenzug, dass seine Frau und sein Kind herbeigebracht werden sollen. Um Mitternacht wird die Frau, die ein kleines Kind auf dem Arm trägt, mit einem Auto zu dem Schulgebäude gebracht und gegen die Geiseln ausgetauscht. Die Aufständischen ziehen sich zurück. Einen Tag später richtet die SS in unmittelbarer Nähe des Schulgebäudes ein Massaker unter der Zivilbevölkerung an: Im Keller des Hauses 253 und im Garten des Hauses 254 werden 41 Menschen erschossen aufgefunden: unbewaffnete ältere Männer, Frauen und Kinder.

Am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation, bringt eine SS-Einheit Geiseln aus der Prager Zivilbevölkerung in ihre Gewalt, setzt sich aus Prag ab und erreicht abends die amerikanischen Linien, wo sie sich gefangen nehmen läßt.

Der Führer dieser SS-Einheit wird als gedrungener, breitgesichtiger Mann mit dicken Lippen und Mensurnarben auf der Wange beschrieben, dessen Namen auf „Meier oder so ähnlich“ endet. Der einzige SS - Führer in Prag, auf den diese Beschreibung passen könnte, ist Hanns-Martin Schleyer. Er ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt, seine Frau hatte ihm am 1. November 1944 einen Sohn geboren.

33 Jahre später ist er Opfer.

Köln, 5. September 1977. Ein 450er Mercedes fährt gegen 17.25 Uhr die Friedrich-Schmidt- Straße entlang. In dem Wagen sitzen der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Hanns-Martin Schleyer, und sein Fahrer Heinz Marcisz. In einem zivilen Polizeifahrzeug folgen die Personenschützer Reinhold Brändle, Roland Pieter und Helmut Ulmer. Ein blauer Kinderwagen, der auf der Straße steht, zwingt Marcisz zu einer Vollbremsung. In diesem Moment eröffnen fünf Maskierte das Feuer. Alle außer Schleyer sterben im Kugelhagel. Schleyer wird aus dem Auto gezogen und in einen VW-Bus geschleppt. Er wird Geisel des RAF-Kommandos Siegfried Hausner.

Der Staat antwortet mit einer Gegengeiselnahme. Über alle Gefangenen, die nach § 129a angeklagt oder verurteilt sind, wird eine „Kontaktsperre“ verhängt, d.h. sie werden untereinander und von jedem Kontakt mit der Außenwelt vollständig isoliert.

Darunter fällt auch der Kontakt mit den Verteidigern. So finden z.B. mündliche Haftprüfungstermine ohne Verteidiger statt, bei der Verkündung des Haftbefehls hat der Rechtsanwalt kein Recht auf Anwesenheit, Vernehmungen und Ermittlungsverhandlungen werden nur durchgeführt, wenn der Rechtsanwalt auf seine Anwesenheit verzichtet. Für dieses Vorgehen gibt es keinerlei gesetzliche Grundla ge, auch wenn die Justizminister sich auf Paragraph 34 StGB , der einen übergesetzlichen rechtfertigenden Notstand vorsieht, berufen. Paragraph 34 StGB ist jedoch eine Ergänzung der reformierten Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch. Er war zum Zeitpunkt der Kontaktsperre nicht zur Legitimation staatlichen Handelns gedacht.

Und so wird innerhalb von drei Tagen das bis dahin am schnellsten verabschiedete Gesetz in der Geschichte der BRD installiert: das Kontaktsperregesetz (Ähnlich schnell wurde in jüngster Vergangenheit nur die Bankenrettung durch das Parlament gepeitscht).

Sowohl die Kontaktsperre wie auch in der Folge eine Nachrichtensperre über die Ereignisse um die Schleyer Entführung werden von einem Großen Krisenstab in Bonn angeordnet. Eine solche Einrichtung ist in der Verfassung, auch in der Notstandsgesetzgebung, nicht vorgesehen. Die Gewaltenteilung wird aufgehoben, das Parlament hat keinerlei Kontrolle über die Aktivitäten des Krisenstabs.

Am 17.10.1977 sagt der Publizist Golo Mann in der ARD-Sendung „Panorama“: “Der Moment kann kommen, in dem man jene wegen Mordes verurteilten Terroristen, die man in sicherem Gewahrsam hat, in Geiseln wird verwandeln müssen, indem man sie den Gesetzen des Friedens entzieht und unter Kriegsrecht stellt.“

Nachtrag:
Nach der Ermordung Hanns-Martin Schleyers wurde er von vielen Politikern als „Vorbild für die deutsche Jugend“ angepriesen. Die größte Veranstaltungshalle Stuttgarts trägt immer noch seinen Namen.

Baskische Impressionen 2013 Teil 7 und Schluss

Momentaufnahmen aus der Welt des permanenten Ausnahmezustands:

RAF-Ausstellung: Notwendige Korrekturen Teil 1

Logo der RAF
Quelle: WikiPedia
Im Katalog zur Ausstellung „RAF -“ Terror im Südwesten“ steht im Vorwort von Dr. Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, folgender, erstaunlicher Satz: „Es war nicht selbstverständlich, dass es der Bundesrepublik gelang -“ bei allen Schwierigkeiten und Pannen im Einzelnen -“ sich rechtsstaatlich und erfolgreich mit dem Terror der RAF auseinanderzusetzen.“

Von einer dieser „Pannen“ war auch ein Landeskind betroffen: Fritz Teufel, aufgewachsen in Ludwigsburg.

Vor dem Kammergericht Berlin wird gegen die Mitglieder der Bewegung 2.Juni -“ unter ihnen Fritz Teufel -“ wegen der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz im Februar 1975 und der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenckmann im November 1974 verhandelt. Die Angeklagten sitzen in geschlossenen Panzerglas-Kästen. Im Oktober 1980 fordern die Bundesanwälte in ihren Plädoyers Freiheitsstrafen von lebenslänglich bis 15 Jahren Gefängnis, da die Fülle von Beweismitteln zweifelsfrei die Teilnahme der Angeklagten an den ihnen zur Last gelegten Verbrechen belege. Am 178. Verhandlungstag meldet sich Fritz Teufel zu Wort: „Ich habe mir überlegt, was der Vorsitzende sagen wird, wenn ich sage: „Ich habe ein Alibi“. Womöglich wird er sagen, Ihre Witze waren auch schon mal besser.“ Tatsächlich nennt Teufel Zeugen, die bestätigen können, dass er im fraglichen Zeitraum gar nicht in Berlin, sondern von April 1974 bis Mai 1975 unter dem Namen Jörg Rasche in einem Essener Presswerk als Maschinenarbeiter im Dreischichtbetrieb beschäftigt war und im Essener Stadtteil Frintrop eine Wohnung gemietet hatte.

Fritz Teufel wird wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu fünf Jahren Haft verurteilt, die durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.

Baskische Impressionen 2013 Teil 5

Im Sommer 2013 werden im ganzen Baskenland, auf der Straße, in den Dörfern und Städten, bei Straßenfesten, überall, unter dem Motto: „Das Urteil des Volkes“ Unterschriften für folgenden Text gesammelt:

„ Die Doktrin 197/2006 und die Ausnahmebestimmungen, die nur auf die baskischen politischen Gefangenen angewandt werden, müssen abgeschafft werden, um bei der Lösung des (baskischen) Konflikts voranzukommen.“

Die Doktrin 197/2006 oder auch „Parot-Doktrin“ bedeutet die Abschaffung des Rechts auf vorzeitige Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe, die Abschaffung des Rechts auf Haftverkürzung bei guter Führung und die Möglichkeit der willkürlichen Verlängerung der Haftzeit in dem Fall, dass die Freilassung zu „sozialem Unmut“ führt. Diese Regelungen werden in erster Linie auf die baskischen politischen Gefangenen angewandt. Gorka Elejabarrieta Diaz, Koordinator für die internationalen Beziehungen von SORTU, der Partei der baskischen Linken, die sich im Februar 2013 neu konstituiert hat, erklärt dazu in einem Gespräch im September 2013 in Bidart, dass das erste Ziel des Friedensprozesses, der durch den Verzicht der ETA auf den bewaffneten Kampf einseitig von der baskischen Unabhängigkeitsbewegung eingeleitet wurde, die Freilassung aller baskischen politischen Gefangenen ist.

Drei Teilforderungen wurden dazu aufgestellt:
• Die Zusammenführung der baskischen Gefangenen im Baskenland (im Moment sind die Gefangenen über ganz Spanien und Frankreich verstreut, inhaftiert. Verwandte und Freunde müssen oft 600-700 km zurücklegen, um ihr Besuchsrecht wahrnehmen zu können.)
• Die Freilassung der kranken baskischen Gefangenen
• Das Ende der Doktrin 197/2006

Demo gegen Parot Doktrin

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von den Freunden des Baskenlandes
Die frühere Forderung nach Amnestie wird in dieser Form nicht mehr erhoben, sie wurde modifiziert: „ Wir wollen wissen, was all die Jahre in unserem Land vor sich gegangen ist, wir wollen wissen, wo unsere verschwundenen Genossen sind, wir wollen wissen, wie unsre getöteten Genossen gestorben sind und wir wollen wissen, wer dafür verantwortlich ist und zur Rechenschaft gezogen werden muss,“ erklärt Gorka.

Bei einer Amnestie werden zwar die Gefangenen freigelassen, aber sonst bleibt alles beim Alten, die Gefängnisse füllen sich schnell wieder, wie nach der Amnestie 1977.

Die Blockade des Friedensprozesses durch die spanische Regierung kann nur durchbrochen werden, wenn die Basken/innen, die ihre Stimme für BILDU (ein Wahlbündnis, in dem SORTU mitarbeitet und das bei den letzten Kommunalwahlen im spanischen Baskenland zur zweitgrößten politischen Kraft wurde) abgegeben haben, über die Stimmabgabe hinaus, aktiv werden, so Gorka. In diesem Zusammenhang steht auch die Kampagne „Das Urteil des Volkes“.

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte steht demnächst die zweite Verhandlung gegen die Doktrin 197/2006 an. In der ersten Verhandlung wurde die spanische Regierung dazu verurteilt, ihre Rechtsauffassung zu ändern. Die spanische Regierung hat sich nicht darum geschert und Berufung eingelegt. Die Kampagne „Das Urteil des Volkes“ dient dazu, die breite Unterstützung der Forderung nach Abschaffung der Doktrin 197/2006 im Baskenland zu dokumentieren und so auch politisch Druck zu erzeugen.

Update 21.10 2013 :
Ines del Rio kurz nach ihrer Freilassung

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von den Freunden des Baskenlandes
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Berufung der spanischen Regierung zurückgewiesen. Die erste baskische Gefangene, Ines del Rio, musste schon freigelassen werden.

Die Straßburger Richter urteilten : „Die Klägerin konnte nicht vorhersehen, dass im Februar 2006 die Rechtsprechung geändert und auf sie angewandt würde, was eine Verlängerung der Haftzeit um knapp neun Jahre bedeutet. Die Klägerin hat eine höhere Haftstrafe verbüßt, als dies nach dem Rechtssystem der Fall gewesen wäre.“

Nach der Doktrin Parot wäre Ines del Rio erst 2017 entlassen worden.

Ein Spendenaufruf für Kesselklagen

Der 1. Mai 2011 in Heilbronn
Foto: woschod.de
Ein Aufruf der VVN-BdA Baden-Württemberg zur finanziellen Unterstützung der Klagen gegen die gegen AntifaschistInnen gerichteten Polizeikessel:

Helft mit gegen die rechtswidrigen polizeiliche Einkesselungen!
Polizeikessel gegen Antifaschist_innen gehen weiter - die juristische Auseinandersetzung auch.

Um Nazi-Aufmärsche unter allen Umständen durchzusetzen, versucht die Polizei immer wieder, Antifaschist_innen aktiv vom Demonstrieren abzuhalten. Die werden von martialisch gekleideter Polizei und mit Gittern umzingelt und können sich nicht weiter bewegen. Wer dem „Kessel“ entkommen will, wird angezeigt und im schlimmsten Fall niedergeknüppelt und verhaftet. In jedem Fall ist eine Durchsuchung und Erfassung der Personalien bis hin zur „erkennungsdienstlichen Behandlung“ fällig. Beabsichtigt wird damit zweifellos eine massive Einschüchterung. Vor allem sind junge Menschen betroffen, die sich gegen Nazis engagieren und ihnen die Straße tatsächlich oder vermeintlich (nach Einschätzung ihres Aussehens durch die Polizei) nicht überlassen wollen. Sie sollen spüren, dass der Staat SIE dann als potentielle Straftäter und Kriminelle ansieht und behandelt.

Besonders krass wurde das mehrfach am 1. Mai praktiziert. Dieser gesetzliche Feiertag dient laut Landesverfassung (!) „dem Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Völkerverständigung“. Mit dieser Festlegung wurden aus dem Nazi-Missbrauch dieses traditionellen Kampftags der Arbeiter_innenbewegung Lehren gezogen. Doch 2009 in Ulm und 2011 in Heilbronn wurden von den staatlichen Organen nicht etwa Nazi-Zusammenrottungen und Naziparolen mit allen gebotenen Mitteln verhindert. Im Gegenteil: mit einem gigantischen Aufwand - über 2 Millionen soll es in Heilbronn gekostet haben - wurden sie erst ermöglicht.

Wurden 2009 in Ulm junge Menschen in der Sattlergasse beim Abmarsch des DGB-Demonstrationszugs sechs Stunden „gekesselt“, waren es 2011 in Heilbronn nahezu alle Angereisten, die bis zu elf Stunden vor dem Hauptbahnhof unter unsäglichen Bedingungen ausharren mussten und weder an der DGB-Kundgebung noch einer angemeldeten Antinazi-Demonstration teilnehmen konnten.

Das mochte in der „Ära Mappus“ niemand wundern, aber unter „Grün-Rot“ geht es gerade so weiter. Zuletzt am 12. Oktober 2013 in Göppingen. Eine Stadt im Ausnahmezustand für die angebliche „Meinungsfreiheit“ von 141 Nazis -“ und wieder zahlreiche „Kesselungen“. Die Nazis registrieren dankbar, wo ihnen der rote Teppich ausgerollt wird -“ und haben in der Stadt, wo sich eine Polizeischule befindet, ihren Spuk gleich für die nächsten sieben Jahre im Voraus angemeldet.
Das Hauptproblem ist das Feindbild der Polizeiführung und mancher Stadtoberen. Es gibt ein Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit, aber eben kein Recht auf Nazipropaganda! (Art. 139 GG)

Wo Nazis und Antifaschist_innen im Stil einer Polizeiübung wie randalierende Fußballfans behandelt und politisch als „Extremisten“ über einen Kamm geschoren werden, wo jugendliche konsequente Antifaschist_innen diffamiert, ausgegrenzt und kriminalisiert werden, verdammt sich der „bürgerliche“ Protest zur Wirkungslosigkeit und die Nazis kommen wieder!

Wo das in einheitlichen breiten Bündnissen überwunden wird -“ und auch dafür gibt es gute Beispiele -“ trauen sie das sich nicht mehr. Es muss aber auch auf juristischer Ebene gekämpft werden, um der Planung und dem Handeln der Polizeiführung Grenzen aufzuzeigen. Gerichtlich ist festgestellt, dass der Ulmer Kessel von 2009 rechtwidrig war.

Auch gegen den Heilbronner Kessel von 2011 haben mehrere Betroffene geklagt. Sie wollten mit individuellen „Fortsetzungsfeststellungsklagen“ („Sammelklagen“ gibt es hier nicht) beim Verwaltungsgericht feststellen lassen, dass das Vorgehen der Polizei auch hier unrechtmäßig war. Bei zwei dieser Betroffenen, Mitgliedern der VVN-BdA, beschloss der Landesvorstand, dass die Organisation das Prozesskostenrisiko übernimmt. Diese Verfahren sind leider nun auch in 2. Instanz verloren gegangen. Es sind Gerichts- und Anwaltskosten von etwa 2700 Euro angefallen. Wir bitten um Spenden, um diese Kosten aufbringen zu können. Was uns darüber hinaus in diesem Rahmen gespendet wird, stellen wir dem Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit zur Verfügung, das weitere Betroffene unterstützt.

Wir bitten um Spenden auf das Konto 2119748 BLZ 60050101, LBBW der VVN-BdA, Stichwort „Kesselklage“

Quelle: VVN-BdA Kreisverband Esslingen

Unterstützung für Erklärung gegen die Polizeikessel und Ingewahrsamnahmen am 12. Oktober in Göppingen gesucht:

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit sucht UnterstützerInnen für eine breite Erklärung gegen die Einschüchterung und Kriminalisierung von Antifaschistinnen und Antifaschisten am 12. Oktober in Göppingen.

Bis zum kommenden Samstag, den 26. Oktober kann dieser als Erstunterzeichner unterstützt werden. Selbstverständlich ist es auch möglich als Einzelperson zu unterzeichnen. Bitte per Mail melden.

Antifaschistischer Widerstand ist notwendig!
Erklärung gegen die Polizeikessel und Ingewahrsamnahmen am 12. Oktober in Göppingen

Göppingen, 12.10.2013: Rund 1.500 Menschen gingen gegen einen Aufmarsch der sogenannten "Autonomen Nationalisten Göppingen" und der NPD auf die Straße. Über 2.000 PolizistInnen waren im Einsatz, um den Aufmarsch von gerade einmal 141 Nazis zu ermöglichen. Die Bündnisse "Kreis Göppingen Nazifrei" und "Nazis Stoppen" hatten zu Protesten aufgerufen. Letzteres hatte angekündigt, sich mit Menschenblockaden den Nazis entgegenstellen zu wollen.

Bereits mehrere Stunden vor dem geplanten Aufmarsch der Nazis, hatte die Polizei die geplante Route weitläufig abgeschirmt, um einen Protest in Sichtweite der Nazis zu verhindern. AntifaschistInnen, die sich in Richtung der Aufmarschstrecke bewegten, wurden ausgebremst und gekesselt. Selbst Pressevertreter und Parlamentarier wurden in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt.

Medien, wie beispielsweise die "Stuttgarter Nachrichten", berichteten im Nachgang von bis zu 500 Ingewahrsamnahmen.

Während die Nazis marschierten, wurden die DemonstrantInnen in Garagen, engen Gefangenentransportern und in Freiluftkäfigen ihrer Freiheit beraubt. Nach teilweise über 7 Stunden Freiheitsentzug wurden sie dann mit einem Platzverweis für die komplette Göppinger Innenstadt entlassen.

Diese Einsatzstrategie ist kein Einzelfall. Überdimensionierte Polizeieinsätze und ein Festsetzen antifaschistischen Protestes gehören mittlerweile leider zum Standardrepertoire, um Naziaufmärsche zu ermöglichen.

Dass es auch anders geht, zeigen Beispiele in jüngster Vergangenheit aus Mannheim und Karlsruhe. Hier wurden Naziaufmärsche nach wenigen Metern abgebrochen, da ein gewaltsames Durchsetzen unverhältnismäßig gewesen wäre. Das wäre auch in Göppingen möglich gewesen, insbesondere dann, wenn wenige Tage vor dem Aufmarsch bekannte Antifaschisten mit Morddrohungen bedacht wurden.

Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass AntifaschistInnen festgesetzt, eingeschüchtert und kriminalisiert werden!

Antifaschismus ist und bleibt notwendig!

Weder ausufernde Polizeigewalt noch juristische Schikanen können uns einschüchtern. Geeint unterstützen wir alle, die sich gegen eine solche Willkür einsetzen!

Wir fordern politische und juristische Konsequenzen aus den Ereignissen am 12. Oktober in Göppingen:

  • Für Versammlungsfreiheit und lebendigen Widerstand!
  • Für die Einstellung sämtlicher Verfahren gegen AntifaschistInnen in Zusammenhang mit den Protesten gegen den Naziaufmarsch vom 12. Oktober 2013!

Baskische Impressionen 2013 Teil 3

Die Schließung von egin.

Foto mit freundlicher Genehmigung von baskenland.info
Im Journal du Pays Basques erschien am 5.9.2013 eine kurze Notiz folgenden Inhalts: Pablo Gorostiaga, früherer Bürgermeister von Laudio (Araba) wurde es verwehrt, seine Frau, die schwer krank war, noch einmal vor ihrem Ableben zu sehen. Der Häftling hatte am 28.8.2013 eine Ausgangserlaubnis beantragt, was trotz vorliegender ärztlicher Gutachten abgelehnt wurde. Nach Intervention der Anwälte wurde die Erlaubnis am Freitag, dem 30. August, erteilt. Die Gefängnisleitung „zögerte“ aber, dem Gefangenen den Ausgang zu gewähren, weil sie auf die Anweisung ihrer vorgesetzten Behörde wartete. Diese kam zu spät: In der Nacht vom zweiten auf den dritten September starb Judith Uriate, ohne dass ihr Mann sie noch einmal gesehen hatte.

Wer ist Pablo Gorostiaga und warum sitzt er im Gefängnis?

Pablo Gorostiaga saß im Verwaltungsrat des Verlags Orain. Der Verlag war Herausgeber der Zeitung Egin, einer baskischen Tageszeitung, die im Lauf der Jahre 150.000 Leser im Baskenland erreichte. Egin thematisierte Ereignisse, wie Polizeiübergriffe und Folter, über die in anderen Medien nicht berichtet wurde und entwickelte einen investigativen Journalismus, der zahlreiche Skandale aufdeckte, u.a. die Verwicklung hochrangiger Mitglieder der Guardia Civil und Antiterror-Spezialisten in die GAL-Morde (die GAL waren Todesschwadronen nach dem Vorbild lateinamerikanischer Diktaturen) und den Drogenhandel.

1998 wurden Zeitung, Verlag und Druckerei von der Polizei besetzt, durchsucht und versiegelt. Fast acht Jahre später begann der Prozess gegen die Redakteure und die Mitglieder des Verwaltungsrats des Verlages. Über dessen „rechtsstaatlichen Qualitäten“ fällten die internationalen Prozessbeobachter Martin Poell und Volker Gerloff ein vernichtendes Urteil:
„Insbesondere die beinahe achtjährige Verfahrensdauer, die geheimen Ermittlungen, die Behinderung der Verteidigung, die hohen Strafforderungen trotz Mangels an Beweisen, und die Kollektiv-Anklage vor einem Sondergericht machen hier ein faires Verfahren unmöglich.
Das Verfahren(...) stellt sich nach unserem Dafürhalten als politischer Massenprozess dar, der nicht darauf angelegt ist, die individuelle strafrechtliche Schuld zu klären, sondern fern rechtsstaatlicher Grundsätze ein Konstrukt der Kollektivschuld benutzt, um politisch unliebsame Zusammenhänge zu kriminalisieren und im Ergebnis zu zerstören. Das Strafrecht wird hier als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mittel missbraucht.“ (nach Ingo Niebel: Schreiben für das Baskenland S.88)

Am 19. Dezember 2007 wurde Pablo Gorostiaga zusammen mit den anderen Mitgliedern des Verwaltungsrats zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Ihm konnten keinerlei Verbrechen oder Gesetzesverstöße nachgewiesen werden -“ außer der Mitgliedschaft im Verwaltungsrat von Orain.

Mehr Flüchtlingsrechte? Wie dürfen wir das verstehen, Herr Scholz?

Aufruf zur Demo zur Anerkennung der Gruppe von Lampedusa in Hamburg
Unter den früheren Forderungen aus der Gemeinsam-Zeit von Rot und Grün fand sich auch eine nach maßvolleren Zugangsregeln für Flüchtlinge. Offenbar gemeinsam vorgetragen von Grünen und SPD. Sicher eine der volkstümlichsten Bedingungen für eine große Koalition. Wen beängstigt es nicht am hellen Nachmittag Menschen ertrinken zu sehen, ohne großes Aufsehen.

Überraschend dann nur, wie die herrschende SPD sich wirklich verhält. Z.B. in Hamburg, wo sie allein regiert. Da haben sich - mit mancherlei Tricks - Flüchtlinge aus Italien bis nach Hamburg durchgeschlagen. Leben jammervoll auf einem Kirchenboden, der ihnen von einem Pfarrer zur Verfügung gestellt wurde. Nun erhob sich -wegen allerlei Mißständen - der Ruf, wenigstens die Flüchtlinge auf Container umsteigen zu lassen. Bekanntlich ist es in Hamburg nicht wärmer als sonst im Land. Kaum zu glauben, wer dagegen wütenden Einspruch erhob? Niemand anders als Parteichef Scholz. Er drängt - ganz gesetzestreu - alle Einwanderer zur Rückkehr nach Italien. Denn: Jeder kann nur Asyl beantragen, wo er erstmals europäisches Festland betrat. Streng nach Gesetz.

Wobei freilich zu bemerken bleibt, dass dieses Gesetz vor genau zwanzig Jahren erst in dieser Weise abgeändert wurde. Vor allem auch von der SPD. Um mal von Scholz abzusehen, etwa auch in Pforzheim. Von unserem unvergessenen Becker.

Unbestreitbar also: Die SPD lügt, wenn sie nach Erweiterung der Flüchtlingsunterbringung lechzt. Sie ist genau so uninteressiert am Los der Gepeinigten wie eine Vielzahl der restlichen Mitbürger. Am Nachmittag ein wenig Herzblut vergießen: das schon. Aber ernste Maßnahmen ergreifen, um die Not um ein Geringes zu lindern: Um Gottes Willen! Lieber mit law and order regieren alle Tage - als auch nur einen Funken Hoffnung verbreiten.

Wird sich in der SPD-Versammlung, wenn alles vorbei ist und die SPD ihren Mitgliedern die eigene Schande genug vorgekaut hat, niemand erheben, um wenigstens auf dieses Eine hinzuweisen? (Es gibt doch immerhin auch noch die Anderen. Die Nicht-Scholze.)

Das Eine nämlich: Dass es nicht genügt, sein Taschentuch andächtig vollzuschneuzen und alles gut sein zu lassen. Es muss die Forderung erhoben werden: Kraftvoll zu handeln.



Weitere Informationen:

Stuttgart: Proteste gegen Einheitsbrei

Polizei gegen Versammlungsfreiheit

Foto anklicken für mehr Bilder
Am „Tag der deutschen Einheit“ fanden neben der zentralen Einheitsfeier in Stuttgart auch verschiedene Proteste statt: Das Bündnis „Kein Grund zum Feiern“ organisierte anlässlich der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Stuttgart eine antinationale Demonstration, an der sich etwa 350 Menschen beteiligten. Bereits ab 10 Uhr gab es an der Universität in Stuttgart einen Infopoint mit zahlreichem Material zum Thema.

Die Demonstration begann um 15 Uhr mit zwei Redebeiträgen und führte mit lautstarken Parolen am Bahnhof vorbei. Gegenüber vom Landtag fand die erste Zwischenkundgebung statt. Danach ging es über die Olgastraße zum Wilhelmsplatz, auf dem die Demo mit der Endkundgebung endete. Die Polizei war, wie erwartet, mit großem Aufgebot vor Ort und lief zeitweise Spalier, lockerte dies aber nach Aufforderung der Demo auf. Auch Pferde vor der Demo hielten nach Aufforderung mehr Abstand.

Die Antikapitalistische Demo gegen die "Deutschlandfeier" unter dem Motto "Ihre Einheit heißt Krise, Krieg und Armut!" wurde von mehr als 400 Teilnehmern erfolgreich und kämpferisch mit mehreren, auch spontanen Zwischenkundgebungen bis zum Abschluss um 17 Uhr durchgeführt.

Dabei musste sich die Demo gegen teils massive Polizeirepression durchsetzen, mit der die Demonstration offenbar gestoppt werden sollte (siehe Foto). Der Entschlossenheit und Durchsetzungskraft der DemonstrantInnen ist es zu verdanken, dass die Polizei dabei nicht erfolgreich war.

Bereits am frühen Donnerstagmorgen fand in Stuttgart eine Hausdurchsuchung statt; später ging sie mit Personenfeststellungen beim Linken Zentrum Lilo Herrmann gegen Leute vor von denen vermutet wurde, dass sie am Nachmittag gegen die offiziellen Feierlichkeiten demonstrieren wollten. Offenbar wurde ihnen die Festnahme angekündigt, falls es sich bei Ihnen um "linke Straftäter" handele. Jeder müsse beim Verlassen des umstellten Hauses nun seine Personalien vorzeigen. Sei man nach Überprüfung kein "linker Straftäter", komme man mit einer "Gefährderansprache" davon.

Diese Polizeiaktion blieb nicht folgenlos: "Ein kräftiges Zeichen der Solidarität wurde daraufhin von etwa 50 AktivistInnen der Bewegung gegen Stuttgart21 gesetzt. Nach einer Aktion in der Innenstadt gegen den Empfang von Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck, kamen sie mit Transparenten und Fahnen vor das Linke Zentrum, um gegen den Polizeieinsatz zu protestieren. Von dort ging es dann gemeinsam und ohne weitere Personenkontrollen zur Demonstration in der Innenstadt." (Quelle: linksunten)

Eine ver.di Sekretärin wurde den ganzen Tag in Unterbindungsgewahrsam genommen, weil laut Polizei angeblich davon auszugehen sei, „dass sie störende Handlungen plant“.

Die erst nach monatelangem Hin und Her weitab vom Feiergeschehen verordnete Demoroute führte letztlich dazu, dass die Masse der über 400.000 BesucherInnen der Einheitsfeierlichkeiten kaum etwas von dem Anliegen der DemonstrantInnen mitbekamen.

Während des ganzen Verlaufs war die antikapitalistische Demonstration umringt von Polizeikräften, die es Passanten fast unmöglich machte, mitgeführte Transparente zu erkennen und ihnen ein Bild von Gefährlichkeit der Demonstration vermittelte.

Die Dünnhäutigkeit gegenüber der in den Protesten zum Ausdruck kommenden Kritik zeigt, dass die Bundes- und Landesregierung gefallen lassen, die Ausrichter der Feierlichkeiten waren offenbar doch recht wenig Vertrauen in ihre eigene Veranstaltung haben. Zum Verfolgen ihrer imperialistischen Interessen in aller Welt setzen die deutschen Großkonzerne und ihre Regierung Chauvnismus und Rassismus ein. Standortlogik, Hetze gegen die angeblich "faulen Griechen", dem medialen Pushen reaktionärer Parteien wie der AfD und nicht zuletzt die Beteiligung an militärischen Auseinandersetzung wie in Afghanistan funktionieren nicht ohne.

Dagegen regt sich zunehmend Widerstand, dem mit Angriffen auf politische Rechte begegnet wird: Die Polizeiaktionen gegen die antikapitalistische Demonstration sind ein Angriff auf die allenthalben als "hohes Gut" gehandelte Versammlungsfreiheit. Ganz offensichtlich sollten unliebsame Proteste behindert und außer Sichtweite verbannt werden. Einmal mehr zeigt sich, wie weit es mit dem durch die grün-rote Landesregierung in Aussicht gestellten „bürgerfreundlichen“ Versammlungsgesetz her ist.

Eventuell ist der dort mit viel Aufwand gefeierte Kapitalismus doch nicht so das Gelbe vom Ei...

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