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Sind Menschen in der EU mehr wert als Flüchtlinge aus dem afrikanischen Kontinent oder dem Nahen Osten?

Für den 19.4.2020 hatte ein breites Bündnis wie auch schon am 5.4. im Rahmen der Kampagne - #LeaveNoOneBehind - zu einem weiteren Aktionstag unter dem Motto: Rettet die Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln - wer schweigt macht sich mitschuldig - Evakuierung der Lager jetzt! Sofortige Aufnahme der Menschen - auch in Karlsruhe aufgerufen.

Da die Stadt Karlsruhe keine Versammlungen dulden wollte, wurde in Karlsruhe ein Vorschlag für die Gestaltung des Sonntagnachmittags verbreitet, am 19.4.2020 individuell von 14 bis 16 Uhr in der Karlsruher Innenstadt spazieren zu gehen und seine Meinung zur Rettung der Flüchtlinge kund zu tun, zB. allein oder zu zweit mit Schildern, um auf die dramatische Situation aufmerksam zu machen und die sofortige Evakuierung der Lager und Aufnahme der Flüchtlinge - auch in Karlsruhe - zu fordern. Dabei sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass immer maximal 2 Personen unterwegs sind und jeweils mindestens 2 m Abstand zu allen anderen gehalten wird. Vorsichtshalber sollten auch alle Spaziergänger_innen gemäß der aktuellen Empfehlung der Bundesregierung eine Gesichts-Schutzmaske tragen.

Etliche Menschen sind auch in Karlsruhe wie auch in anderen Städte diesem Vorschlag zur sonntäglichen Freizeitgestaltung gefolgt und haben auf die tödliche Gefahr für viele Flüchtlinge in den Lagern an den Außengrenzen der EU hingewiesen und eine sofortige Evakuierung der Lager gefordert.

Dort wird die Lage immer bedrohlicher. Nach wie vor sind zehntausende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln auf engstem Raum zusammengepfercht. Eine Corona-Infektion würde sich explosionsartig im Lager ausbreiten mit verheerenden bis tödlichen Folgen für die Flüchtlinge, die durch ihre Fluchtgeschichte oft sowieso gesundheitlich geschwächt sind. Allein auf den griechischen Inseln sind ca. 42000 Menschen akut bedroht.

Nachdem mehr als 120 Städte in Deutschland ihre Aufnahmebereitschaft erklärt haben ist es fast schon zynisch, wenn sich die Bundesregierung feiert, weil sie die Genehmigung für die Aufnahme von bis zu 50 (!) Minderjährigen von den Inseln erklärt hat, obwohl allein Berlin bis zu 1500 Menschen aufnehmen will. Inzwischen sollen zwar nach Medienberichten ca. 345 (irgendwann) besonders schutzwürdige unbegleitete Jugendliche aufgenommen werden, das ist aber ebenfalls völlig ungenügend. Es ist auch inakzeptabel, dass auch die Stadt Karlsruhe, die sich erfreulicherweise zum "Sicheren Hafen" erklärt hat, lediglich 5 (!) minderjährige Geflüchtete aufnehmen will.

An Transportkapazitäten kann es nicht scheitern, da die Abschiebebehörden allein in den letzten drei Wochen eine einzelne Frau mit einem Charterflugzeug nach Togo und 2 weitere Frauen mit einem eigens dafür gecharterten Flugzeug in den Iran verbringen wollten und dafür jeweils Sonderflug- und Landeerlaubnisse mit den Regierungen verhandelt hatten.... Allein die Flüge hätten dabei jeweils mehr als ca. 100.000 € gekostet, wozu noch die Kosten für die begleitenden Polizeikräfte gekommen wären. Aufgrund eines breiten Protest wurden die Abschiebungen erst einmal gecancelt.

Inzwischen wurde auch die Flüchtlingsrettung ausgesetzt. Italien macht in der Corona-Krise seine Häfen dicht: Seenotretter_innen dürfen mit ihren Schiffen nicht mehr einlaufen. Ein deutsches Rettungsschiff, die Alan Kurdi steckt nun mit 150 Menschen an Bord auf dem Mittelmeer fest, die Vorräte und die Medikamente gehen bereits zur Neige, so dass dringende Hilfe geboten ist.

Während der Corona-Krise sollen keine privaten Rettungsschiffe mehr auslaufen, um im Mittelmeer Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Die Bundesregierung hat alle privaten Seenotrettungsorganisationen aufgefordert, ihre Seenotrettung im Mittelmeer einzustellen - mit fatalen Folgen: Allein in den letzten Tagen sind viele Flüchtlinge ertrunken, die sich zuvor bei Alarmphone und anderen Organisationen gemeldet hatten, da keine Rettung erfolgte. Die Verantwortung für jeden Ertrunkenen, der ansonsten hätte gerettet werden können, trägt somit u.A. die Bundesregierung bzw. das Innenministerium. Außerdem ist das ein eklatanter Verstoß gegen das internationale Seerecht.

Die Seenotrettungsorganisation See-eye hat inzwischen Geld für ein Charterflugzeug gesammelt mit dem mindestens ca 100 Personen nach Deutschland evakuiert werden könnten. Am Transport kann es somit nicht scheitern, auch wenn Malta und Italien ihre Häfen gesperrt haben.

In der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen sind mittlerweile 244 Personen, die Hälfte aller Insassen infiziert worden - innerhalb sehr kurzer Zeit, nach dem ein Einzelner dort den Virus hatte. In den Flüchtlingslagern und LEAs ist es den Ordnungsämtern offensichtlich egal, wenn dort Geflüchtete auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Der Vorfall zeigt deutlich wie wichtig die sofortige Räumung der Lager und die dezentrale Unterbringung - vorübergehend in leer stehenden Hotels - ist, wie dies pro asyl eV und viele andere Menschenrechtsorganisationen fordern oder sind Menschen in der EU schützenswerter als Geflüchtete aus dem afrikanischen Kontinent oder dem Nahen Osten?

Es gibt also genug Gründe zu protestieren, und die Aufnahme der vom Tode Bedrohten auch in Corona-Zeiten zu fordern. Es ist daher völlig inakzeptabel, dass das Karlsruher Ordnungsamt am 5.4. eine öffentliche Protestaktion zur Aufnahme der vom Tode Bedrohten nicht zugelassen hat, obwohl alle Abstandsgebote, Schutzmasken u.Ä. vorgesehen waren.

Selbstverständlich ist es außer Frage, dass solche Versammlungen derzeit so gestaltet werden müssen, dass niemand infiziert werden kann. Es erschließt sich aber nicht, warum von 2 Personen oder 10 Personen im Abstand von jeweils 2 Metern mit Schutzmasken auf einer Mahnwache eine größere Gefahr ausgehen soll, als von den Menschen in einer langen Schlange vor dem Baumarkt oder vor der Drogerie...

Allein die obigen Beispiele zeigen, dass die Versammlungsfreiheit als kollektive Meinungsfreiheit dringend gebraucht wird !

Inzwischen hat das BVerfG in seinen Beschlüssen v. 15. April 2020 - 1 BvR 828/20 - und v. 17. April 2020 - 1 BvQ 37/20, mit dem eine Entscheidung der Stadt Stuttgart und die Beschlüsse des VG Stuttgart und des VGH Ba-Wü korrigiert wurde, klargestellt, dass auch in Corona-Zeiten die Versammlungsfreiheit nicht vollständig außer Kraft gesetzt werden darf. Auch etliche VGs wie zB der BayVGH, das VG Schleswig und das VG Münster, VG Hannover und zuletzt das VG Halle haben inzwischen Versammlungen mit Corona-gerechten Auflagen gestattet.

Das BVerfG hat am 17.4.20 in RN 28 wie folgt ausgeführt:

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass, wie die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens vorbringt, gerade in Stuttgart die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen stark angestiegen sind. Dies befreit die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens aber nicht davon, vor einer Versagung der Zulassung der Versammlung möglichst in kooperativer Abstimmung mit dem Antragsteller alle in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und sich in dieser Weise um eine Lösung zu bemühen, die die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Ziel des Infektionsschutzes und des Schutzes von Leib und Leben auf der einen und der Versammlungsfreiheit auf der anderen Seite ermöglicht.

In Zukunft werden somit auch in Karlsruhe wieder (Korona gerechte) Veranstaltungen stattfinden können und müssen solange die Flüchtlinge in den Außenlagern weiter vom Coronavirus bedroht sind.

Rettet die Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln - wer schweigt macht sich mitschuldig - Evakuierung der Lager jetzt! Sofortige Aufnahme der Menschen - auch in Karlsruhe - #LeaveNoOneBehind -

Unsere Solidarität muss grenzenlos sein - sie darf nicht an den Stadt oder Landesgrenzen aufhören ! Überlassen wir nicht den Nationalist_innen und Rassist_innen das Feld !

Quelle: Pressemitteilung Antirassistische Initiative Grenzenlos Karlsruhe

Im Windschatten der #Coronakrise: Verschärfung des Polizeigesetzes in Baden-Württemberg

Download der Studie per Klick auf die Vorschau (PDF)
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In Baden-Württemberg steht die erneute Verschärfung des Polizeigesetzes an. Gerade jetzt, während der Corona-Krise, soll ein Gesetzesentwurf durchgebracht werden, der sich drastisch von den Ankündigungen der vergangenen Monate unterscheidet. Die Verabschiedung soll einmal mehr weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit passieren. Der Gesetzesentwurf wurde in den letzten Monaten an einigen Stellen grundlegend verändert. Über die zuletzt durchgeführten inhaltlichen Änderungen ist bisher in der Presse weder umfangreich noch differenziert diskutiert worden. Auch deuten Rechtschreibfehler im neuen Gesetzesentwurf auf eine sehr hektische und ungenaue Arbeitsweise hin.

Nach der Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes sollen umfangreiche Durchsuchungen von Personen und Sachen im Zusammenhang mit Veranstaltungen und Ansammlungen, der Einsatz von Body Cams in Geschäftsräumen und Wohnungen, sowie grundlegend ausgeweitete Videoüberwachung im öffentlichen Raum ermöglicht werden. Forderungen nach einer Kennzeichnungspflicht, wie sie die Grünen bereits vor Jahren versprachen, sowie unabhängigen Ermittlungsstellen zur Aufklärung von polizeilichem Fehlverhalten bleiben weiterhin ungehört.

Mehr dazu in der Analyse 2020/20 von Stefan Gruber von der Informationsstelle Militarisierung (IMI): Baden-Württemberg: Verschärfung des Polizeigesetzes während Corona-Krise

VVN-BdA: Demokratisch durch die Pandemie!

Die Corona-Pandemie stellt die Welt plötzlich vor tödliche Gefahren. Das Virus interessiert sich dabei nicht für Politik. Politisch sind allerdings die Reaktionen der Regierungen und Parteien.

Zahlreiche Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten wurden innerhalb kurzer Zeit weltweit eingeführt. Diese Maßnahmen sind objektiv notwendig, um ein Massensterben zu verhindern. Gleichzeitig wird erkennbar, dass in dieser Krise in vielen Ländern bereits zuvor erkennbare autoritäre und restriktive Entwicklungstendenzen verstärkt und beschleunigt werden.

Innerhalb der EU gilt dies insbesondere für die Regierung Ungarns, die die parlamentarische Arbeit auf unbestimmte Zeit hat aussetzen lassen.

Auch in Deutschland gibt es von Seiten der Bundes- und Landesregierungen problematische Äußerungen, Erwägungen, Gesetzesvorhaben und teilweise auch Maßnahmen.

Begleitet werden diese Tendenzen ebenfalls in vielen Ländern durch extrem rechte, xenophobe, rassistische und insbesondere antisemitische Verschwörungstheorien, die sich auf Ursprung, Verbreitung und Folgen der Corona-Pandemie beziehen.

Zu dieser Situation fordert die VVN-BdA folgendes:

• Begriffe wie „Ausgangssperre“, „Ausnahmezustand“ und „Krieg“ haben in der Krisenbewältigung nichts zu suchen. Sie machen unnötig Angst und

suggerieren militärische Lösungen für medizinische und gesellschaftliche Probleme.

• Alle Verordnungen und Maßnahmen müssen konkret begründet, zeitlich befristet, auch durch unabhängige Experten bewertet und ausgewertet werden und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Dies gilt jeweils auch für zeitliche Verlängerungen.

• Verordnungen und Maßnahmen müssen Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein.

• Gesetzgeberische Prozesse, insbesondere die sich auf Krisenbewältigung beziehen, sind auf die Zeit nach der Pandemie zu verschieben. Gute Gesetze brauchen Zeit zur Reflexion.

• Notwendige Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum sind mit Augenmaß durchzusetzen. Spaziergänger sind keine Verbrecher.

• Politische Aktivitäten im öffentlichen Raum, die die notwendigen Einschränkungen beachtet, müssen selbstverständlich möglich sein.

• Besonders gefährdet sind Obdachlose und Geflüchtete. Sie bedürfen einer besonders guten Fürsorge, nicht martialischer Abschottung. Es müssen Maßnahmen für eine angemessene Unterbringung ergriffen werden, z. B. in Hotels.

• Die gefährlichen Lagern an der EU-Außengrenze und in Griechenland müssen aufgelöst und die Geflüchteten evakuiert und dezentral untergebracht und versorgt werden.

• Deutschland muss endlich den Kindern und Jugendlichen, zu deren Aufnahme sich „Solidarische Städte“ bereiterklärt haben, aufnehmen.

• Das Militär kann Transport- und Hilfsdienste leisten, aber nicht Ordnungsmacht im Inneren sein. Die Trennung von Polizei und Militär ist unabdingbar. Bundeswehrsanitätskräfte sind der zivilen Leitung zu unterstellen.

• Die EU muss den Missbrauch der Pandemie zur Festschreibung strukturell antidemokratischer Ziele in ihren Mitgliedsstaaten

unterbinden.

• Verschwörungstheoretische Erklärungsmuster, auch wenn sie vorgeben „für das Volk“ zu sprechen, sind zurückzuweisen. Die Krise nutzen wollende faschistische Gruppen sind aufzulösen.

• Nach Abschluss der Pandemie bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Auswertung: Welche Maßnahmen haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen, auf welche könnte in einem ähnlichen Fall verzichtet werden?

Quelle: Erklärung der VVN-BdA, 8. April 2020

40. Jahrestag des Hungerstreiks von 12 deutschen Sinti in Dachau

Am Karfreitag 1980, dem 4. April, traten zwölf Sinti, unter ihnen die Überlebenden des Holocaust Jakob Bamberger, Hans Braun, Ranco Brandtner und Franz Wirbel, in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau in den Hungerstreik. Zentrale Forderungen waren die Anerkennung des NS-Völkermords an den Sinti und Roma durch die Bundesregierung, die sofortige Beendigung der polizeilichen Sondererfassung von Sinti und Roma sowie die Herausgabe der NS-Akten aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, die im Bayerischen Landeskriminalamt weiterhin verwendet worden waren. Der Protest löste eine breite internationale Solidaritätswelle aus und markierte einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der Minderheit.

„Die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma am 17. März 1982 durch Bundeskanzler Helmut Schmidt stellte die Erfüllung einer zentralen Forderung des Hungerstreiks dar.

Diese völkerrechtliche Anerkennung bedeutete einen Neubeginn im Verhältnis der Bundesregierung zu den deutschen Sinti und Roma“, erklärte Romani Rose heute.

Die polizeiliche Sondererfassung in der Bundesrepublik erfolgte durch bayerische Kriminalpolizisten in der „Landfahrerzentrale“, die bis in die 1970er Jahre Namen, Fingerabdrucke und persönliche Daten von Sinti und Roma aus dem gesamten Bundesgebiet in Akten erfasste.

Diese Erfassung setzte direkt die NS-Erfassung fort, und zwar auf der Grundlage der NS-Akten und mit dem Personal aus dem ehemaligen RSHA, die im Bayerischen LKA wieder verbeamtet worden waren -“ und die regelmäßig in Entschädigungsanträgen von Sinti und Roma als Gutachter fungierten. Das bayrische Innenministerium verweigerte die öffentliche Distanzierung von diesen Praktiken und sprach von einer bis 1970 rechtmäßigen Kriminalarbeit.

„Wir konnten schon ein Jahr nach dem Hungerstreik NS-Akten an der Universität Tübingen sicherstellen. Dieses Material mit Vermessungen, Auswertungen und Befragungen haben wir ins Bundesarchiv in Koblenz überstellen können. Wir sind sicher, dass bis heute noch NS-Rassegutachten irgendwo im bayerischen Landeskriminalamt existieren, die aus diesen Akten erstellt wurden“, so Rose zu weiteren Aktionen nach dem Hungerstreik.

Die Unterstützung durch eine breite öffentliche Wahrnehmung des Hungerstreiks in der Presse, Solidaritätsbekundungen u.a. durch Annemarie und Heinrich Böll und der Besuch des damaligen Bundesjustizministers Hans-Jochen Vogel in Dachau am 12. April 1980, brachte eine bis dahin nicht vorhandene Aufmerksamkeit für die Situation der Sinti und Roma in Deutschland und beeinflusste maßgeblich die spätere Bürgerrechtsarbeit.

Quelle: Pressemitteilung

18. März: Tag der politischen Gefangenen

Plakat von Holger Meins zum 18. März 1970
Der 18. März als internationaler Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen knüpft an eine lange Tradition der revolutionären ArbeiterInnenbewegung an.

Am 18.3.1848 stand das sich gerade entwickelnde Proletariat auf den Barrikaden, 23 Jahre später, am 18.3.1871, kam es zum ersten Mal zu einer breit in der verarmten Bevölkerung verankerten Zerschlagung parlamentarisch-monarchistischer Machtstrukturen durch die proletarische Klasse. An diesem Tag griffen die Pariser Arbeiterinnen und Arbeiter zu den Waffen und schufen für einen kurzen Zeitraum eine selbstverwaltete Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die als Pariser Commune bekannt wurde. Nach nur 71 Tagen wurde der Versuch, sich von den Fesseln der Herrschaft zu befreien, brutal niedergeschlagen.

Die militärisch hochgerüstete Reaktion übte nach ihrem Sieg über die Kommunard_innen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet, über 13.000 Menschen zu meist lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Doch im kollektiven Gedächtnis der sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Bewegungen blieb die Commune nicht in erster Linie als Niederlage haften, sondern als die Geschichte eines gemeinsamen Aufbruchs. Bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein galt der 18. März als „Tag der Commune“.

1923 erklärte die ein Jahr zuvor gegründete Internationale Rote Hilfe (RHI) den Tag zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“. Der Faschismus jedoch sollte dieser Tradition ein Ende setzen.

1996 initiierte der „Förderverein Libertad! für internationale Kommunikation und Solidarität“ zusammen mit der Roten Hilfe e.V. zum ersten Mal wieder einen Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen. Seitdem werden an diesem Tag vielfältige Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt; die Rote Hilfe versucht mit der jährlichen Sonderausgabe zum 18. März, den politischen Gefangenen eine Stimme zu verleihen sowie den verschiedenen Solidaritäts- und Antirepressionsinitiativen eine Plattform zu bieten, um die Themen „Staatliche Repression“ und „Politische Gefangene“ ins Bewusstsein zu rufen.

Zwar werden/wurden wegen der Coronavirus-Pandemie zurecht alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt, aber das sollte uns nicht daran hindern, trotzdem solidarisch und unterstützend zu wirken. Gerade jetzt werden wahrscheinlich wegen des Virus auch Besuche in den Gefängnissen erschwert werden und Kontakte zwischen den Gefangenen minimiert. In Hamburg gibt es bereits ein Besuchsverbot. Das führt zu einer noch schwereren Isolation und Zeit für unsere Genoss*innen hinter den Mauern. Die Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO) fordert deshalb jetzt die sofortige Entlassung von Gefangenen.

Und da die öffentlichen Veranstaltungen zum Tag der politischen Gefangenen jetzt ausfallen, sollten wir die Zeit nutzen, um so mehr Briefe an unsere Genoss*innen und Freund*innen in den Knästen zu schreiben. Sie haben es nötiger denn je!

Eine Liste von Adressen gibt es natürlich in der kostenlosen Massenzeitung der Roten Hilfe e.V. zum 18.3., die in fünf Zeitungen beiliegt sowie in großen Mengen verteilt und in linken Locations ausgelegt wird. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf Knastkämpfen und der Vernetzung hinter Gittern. Weitere Artikel widmen sich der Situation von politischen Gefangenen hierzulande und international.

Prozess wegen Hausbesetzung: Stadträte Hannes Rockenbauch, Thomas Adler und Luigi Pantisano vor Gericht

Die Hausbesetzung in der Wilhelm-Raabe-Str. 4 im Stuttgarter Süden liegt beinahe zwei Jahre zurück, die Kriminalisierung geht immer noch weiter. Nach mehreren Prozessen sind nun auch die Stadträte Thomas Adler, Hannes Rockenbauch und Luigi Pantisano angeklagt. Der Vorwurf? Ihre Solidarität mit den zwei Familien, die aus einer Notlage heraus die zwei Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Str. besetzt hatten. Die Stadträte hatten sich kurz nach der Besetzung vor Ort ein Bild von der Situation gemacht und die zwei Familien kennengelernt. In einer der besetzten Wohnungen wurde ein Rockpolitik-Video aufgenommen. Rockpolitik ist ein Live Videoformat in dem Hannes Rockenbauch und Luigi Pantisano regelmäßig mit den Zuschauern über die aktuelle Kommunalpolitik diskutieren. Damit sollen sie, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, den Frieden des Hauses gebrochen haben.

WILHELM-RAABE-STR. STEHT IMMER NOCH LEER
Das Gebäude in der Raabe-Straße hat fünf Wohnungen. Zum Zeitpunkt der Hausbesetzung standen zwei Wohnungen leer, die drei anderen waren von Familien in regulären Mietverhältnissen bewohnt. Im Anschluss an eine Kundgebung vom Aktionsbündnis Recht auf Wohnen am 28. April 2019 auf dem Erwin-Schoettle-Platz zogen hunderte Menschen zu dem Haus und besetzten es -“ zwei Familien beschlossen zu bleiben. Die Alleinerziehende Rosevita mit Sohn zog in eine der leerstehenden Wohnungen. Die junge Familie Adriana mit Partner und Kind zogen in die andere leerstehende Wohnung des Gebäudes. Rosevita hatte ihre alte Wohnung wegen Eigenbedarfs verloren und lebte vor der Besetzung mit Sohn in einem kleinen Zimmer bei ihrer Schwester. Adriana mit Partner und Kind lebten in einer viel zu kleinen Wohnung und hatten zuvor trotz langer und intensiver Suche keine größere Wohnung finden können.

Die Besetzung erfuhr viel Zuspruch in der Stadt. Die Besetzer*innen forderten Mietverträge zu sozialen Konditionen, worauf sich die Eigentümerfamilie Passy nicht einließ. Stattdessen erfolgte genau einen Monat nach der Besetzung die Zwangsräumung mit einem Großaufgebot der Polizei. Noch am selben Abend demonstrierten aus Protest 600 Menschen in Heslach.

SCHIKANEN GEGEN BEWOHNER*INNEN -“ ENTMIETUNG LÄUFT WEITER
Mittlerweile ist das Haus nach unzähligen Räumungsklagen bis auf eine Familie vollständig entmietet. Vier von fünf Wohnungen stehen also leer. Die letzte verbleibende Familie ist ebenfalls mit einer Räumungsklage konfrontiert. Monatelang patrouillierte ein privater Sicherheitsdienst mindestens einmal täglich im Gebäude. An der Hausfassade wurde eine Kamera montiert. Ein Durchgang vom Hinterhof zum Nachbarshof wurde zuerst mit einem Bretterverschlag verbarrikadiert, mittlerweile trennt eine Steinmauer die Höfe. Die Zugänge zu den anderen Wohnungen wurden mit Holzplatten verschraubt. Der Dachboden -“ auf dem persönliche Gegenstände der Mieter*innen lagerten -“ wurde kurzerhand zugeschraubt und die Müllcontainer verschlossen. Seit zwei Jahren betreibt die Eigentümerfamilie Passy eine Einschüchterungs- und Entmietungsstrategie. Die damals besetzten Wohnungen stehen heute -“ fast zwei Jahre nach der Hausbesetzung -“ immer noch leer und es wurden keine großen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt.

Und die Stadtverwaltung? Die hat seit Einführung der Satzung gegen Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum 2016 nur 2.400 Euro an Bußgeldern verhängt. Zu 2.200 Euro wurden alleine die Hausbesetzerinnen verurteilt. Die Stadtspitze stört sich also nicht sonderlich an dem Leerstand von mindestens 3.000 Wohnungen in Stuttgart. Das ist ein unerträglicher Zustand und nicht hinnehmbar. Mit der Belebung von Leerstand scheint die Stadtspitze ein viel größeres Problem zu haben, so leitete die Stadt auf eigene Faust die Zwangsräumung der im letzten Jahr besetzten Forststraße 140 im Stuttgarter Westen in die Wege. Eines ist klar. Nicht diejenigen, die auf den Skandal von unbegründeten Leerstand aufmerksam machen gehören angeklagt, sondern Spekulanten, die auf der Jagd nach maximaler Rendite Wohnungen und Häuser oft jahrelang leerstehen lasen.

Prozesstermine

Montag, 9. März 2020
8:30 Uhr Kundgebung vor dem Amtsgericht 9:15 Prozessbeginn

Montag, 23. März 2020
8:30 Uhr Kundgebung vor dem Amtsgericht 9:15 Prozessbeginn

Adresse: 70190 Stuttgart | Hauffstr. 5 | Haltestelle Neckartor

Aktionsbündnis Recht auf Wohnen
www.recht-auf-wohnen.de

Am 18. März und darüber hinaus: Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Gemeinsam gegen Repression und Unterdrückung

Am 18. März und darüber hinaus: Freiheit für alle politischen Gefangenen

Der 18. März als Tag der politischen Gefangenen ist ein Teil der Geschichte des Kampfes für eine befreite und klassenlose Gesellschaft. Dieser Kampf hält bis heute an. Immer noch kämpfen wir für eine Welt ohne Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung. Denn die kapitalistischen Verhältnisse produzieren Armut, Krieg, Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung -“ und das am laufenden Band. Die Methoden haben sich verändert, die Herrschenden haben sich geändert und doch ist die Systematik die selbe geblieben: Die Ausbeutung des Großteils der Bevölkerung, die den Reichtum einer Minderheit produzieren. Wer sich gegen dieses System der organisierten Unterdrückung und Ausbeutung auflehnt und für eine gerechte, solidarische Gesellschaft kämpft, bekommt früher oder später die Repression des Staates zu spüren.

Repression kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und wird gerade jetzt, in Zeiten der wachsenden Unzufriedenheit und des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung, immer mehr zum Mittel der Wahl, um die herrschende Ordnung aufrecht zu erhalten. So sind wir seit Jahren mit einer stetigen Verschärfung der repressiven Maßnahmen konfrontiert, z.B.

• durch gesetzliche Verschärfungen, wie der Verabschiedung neuer Polizeigesetze, die der Polizei umfangreiche und weitgehende Rechte zugesteht, während das Versammlungsrecht sukzessive immer weiter eingeschränkt wird oder der Einführung des §114, das sog. Bullenschubsgesetz, der bereits eine Berührung von PolizistInnen mit mindestens drei Monaten Haft bestraft.

• durch gezielte Desinformations- und Hetzkampagnen seitens Polizei, Politik und Medien, wie beispielsweise an Silvester in Leipzig.

• durch die zunehmende Kriminalisierung von antifaschistischen und antikapitalistischen Protesten, bei der auch immer öfters den Angeklagten Knast droht.

Z.B. wie bei der Repression im Nachgang der Proteste gegen den G20 Gipfel in Hamburg. Hier gibt es auch mehr als 2 Jahre nach dem Gipfel nach wie vor Gefangene und Angeklagte, es stehen sogar weitere Massenprozesse an und es wird mit aller Kraft versucht alleine die Beteiligung an einer Demonstration, von der angeblich Steine und Flaschen geworfen worden seien, zu kriminalisieren und Beteiligte zu hohen (Haft-)strafen zu verurteilen -“ ohne eine konkrete „Straftat“ nachweisen zu müssen.

• werden türkische und kurdische Strukturen mit Hilfe der sog. Antiterrorparagraphen §129 verfolgt und vor Gericht gestellt. Seit 2016 findet vor dem OLG München der bislang größte §129b Prozess statt, der sich gegen 10 ATIK-Mitglieder richtet, denen die Mitgliedschaft in der TKP/ML (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) vorgeworfen wird. Zusätzlich sind vor allem kurdische AktivistInnen mit Repression konfrontiert: mehrmals im Jahr kommt es zu Verhaftungen und Verurteilungen von AktivistInnen, denen die Mitgliedschaft (oder Unterstützung) in der PKK vorgeworfen wird, die trotz (oder gerade wegen) erfolgreicher Bekämpfung von islamistischen Milizen und Verteidigung des freiheitlichen Projektes Rojava, nach wie vor als terroristische Organisation gelten.

Widerstand -“ Repression -“ Solidarität Repression zielt dabei darauf ab Kämpfe zu unterdrücken und letztlich zu zerschlagen, um die herrschende Ordnung mit aller Gewalt aufrechtzuerhalten und die entstehenden Klassenkämpfe zu verhindern -“ einerseits akut, andererseits präventiv, um die ideologische Vorherrschaft über die Geschichte zu gewinnen, aber auch durch Einschüchterung und Abschreckung AktivistInnen abzuhalten diesen Kampf aufzunehmen oder weiterzuführen.

D.h. dass Repression uns alle was angeht: Wenn der Kampf um Befreiung, der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung angegriffen wird, dann werden wir alle angegriffen -“ auch wenn es nur einzelne trifft.

Umso notwendiger ist es am 18. März, aber auch Tag für Tag, dieser Repression unsere Solidarität entgegenzusetzen. Denn wenn Repression in der kapitalistischen Logik auf Widerstand folgt, so muss in einer revolutionären Logik Solidarität auf Repression folgen. Und während die Herrschenden sich in der Verfolgung von politischen AktivistInnen ziemlich einig sind, so muss es für uns darum gehen in der Frage der Solidarität ideologische und politische Unterschiede zu überwinden, um den Angriffen unsere geschlossene Solidarität entgegenstellen zu können und gemeinsam den Kampf für eine befreite Gesellschaft weiterzuentwickeln. Zeigen wir uns also solidarisch mit denjenigen, die mit Repression konfrontiert sind, und mit den Gefangenen, die für die Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen und weltweit in Knästen weggesperrt sind. Nutzen wir den Tag der politischen Gefangenen und zeigen ihnen, dass sie nicht alleine sind.

Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Kundgebung: Samstag, 14. März, 15 Uhr
Vor der JVA Stammheim
U15 Stammheim

Geschichte des 18. März

Der 18. März ist der Jahrestag der Pariser Kommune, der erste proletarische Versuch einer sozialistischen Umwälzung. Die Pariser Kommune wurde während des Deutsch-Französischen Krieges (1870-1871) spontan gebildet, vertrieb die konservative Zentralregierung aus der Hauptstadt Frankreichs und errichtete mit rätedemokratischen und sozialistischem Vorbild einen „Stadtrat“.

Fortan -“ für 72 Tage -“ regierte die Pariser Kommune bis zum 28. Mai 1871, als die Regierungstruppen die Macht über Paris wieder übernahmen. Die Reaktion übte nach ihrem Sieg an den KommunardInnen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet und mehr als 40.000 zu meist lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

So wurde der 18. März von der Internationalen Roten Hilfe 1923 zum Tag der politischen Gefangenen ausgerufen, als Erinnerung an die Kommune, als Geschichte des Aufbruchs, aber auch als Erinnerung an die Repression. Mit diesem Datum wurde auch der Zusammenhang zwischen Revolution und Konterrevolution, also dem Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse und der daraus folgenden Repression deutlich gemacht.

Im Faschismus wurde der 18. März verboten und konnte auch auf Grund der Repression nicht mehr begangen werden. Nach dem Faschismus wurde der 18. März erst wieder 1996, auf Initiative von Libertad, zum Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen begangen. Seither wird dieser Tag jedes Jahr mit Veranstaltungen, Demos oder anderen Aktivitäten begangen.

In Stuttgart wird seit einigen Jahren am 18. März vor den Knast in Stammheim gegangen, um den Gefangenen deutlich zu machen, dass wir sie nicht vergessen haben und dass sie weiterhin Teil der Kämpfe sind.

Quelle: Aufruf Arbeitskreis Solidarität und Zusammen Kämpfen Stuttgart

Trauer und Wut über Marias Tod

Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv
In Trauer und Wut demonstrierten am 1. Februar Anwohner und Kiezbewohner*innen in Gedenken an Maria und gegen tödliche Polizeigewalt. Sie fordern eine unabhängige Aufklärung des Falles. Die 33 Jährige Maria war am 24. Januar bei einem Polizeieinsatz in ihrer Wohnung in der Grünberger Straße 46 erschossen worden. Während in der Presse die Darstellung der Polizei weitgehend kritiklos übernommen wurde, die Tötung Marias sei in Notwehr erfolgt, stellen Anwohnende diese Version in Frage. Maria hatte Multiple Sklerose und wog ca. 45 Kilogramm. Warum ist ein gut ausgerüstetes Team von vier Polizisten nicht in der Lage, eine angebliche Bedrohungssituation, die von dieser Frau ausgehen sollte, anders als mit tödlichem Schusswaffengebrauch zu meistern?

Hierzu eine Anwohnenden-Meldung Exekution in Friedrichshain, die am 25. Januar auf Indymedia über die Todesschüsse veröffentlicht wurde:

In der Presse wird behauptet, sie wäre eine Bedrohung gewesen. Dabei war sie alleine in ihrem Zimmer eingeschlossen und die vier Polizisten hatten die Tür aufgebrochen. Kurz darauf traf sie eine Kugel tödlich. Maria hatte Multiple Sklerose und wog ca. 45 Kilogramm. Die Polizei war von Marias Untermieter in die Wohnung in der Grünberger Straße 46 gerufen worden. Nachbarn aus dem selben Haus haben uns gegenüber bestätigt, dass Maria psychische Probleme hatte und manchmal ausrastete. Doch als Gefahr war sie nie wahrgenommen worden und alle Angelegenheiten seien immer untereinander im Haus lösbar gewesen. Die Polizei zu rufen war ein Fehler.

Maria war im Kiez um den Boxhagner Platz meist mit ihrem Fahrrad und ihrem schwarzen Hund unterwegs. Dass sie wohl auch politisch aktiv war, dafür sprechen die Antifafahnen in ihrer Wohnung, unter denen sie starb. Viele kannten sie vom sehen und auf dem Boxi wurde die Meldung über ihren Tod schockiert aufgenommen. Wie jeder Mensch hatte sie bessere und schlechtere Phasen. Dass sie jetzt durch ein vierköpfiges Sturmkommando in Notwehr erschossen werden musste, glaubt niemand, denn ein anstupsen hätte sie zu Fall bringen können. Der Satz fällt: „Es war eigentlich eine Exekution.“

Beim Bäcker an der Ecke hängt die B.Z. von Samstag im Ständer, auf der ersten Seite ihr Bild und große Lettern, in denen Maria die „Messerfrau“ genannt wird. Die Bedienung meint, dass die Polizei hier sowieso total durchdreht. „Sie machen was sie wollen und werden nie bestraft.“

Am Samstag gibt es noch keine Reaktion im Kiez, außer ein paar Blumen und Kerzen vor der Haustür in der Grünberger Straße. Im Treppenhaus hängt ein kleiner Zettel, der das Entsetzen der Nachbarn über die Bluttat ausdrückt. Bei den Leuten, die wir heute getroffen haben, herrscht Wut und Trauer.

Zur Bilderserie beim Umbruch Bildarchiv

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