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Interview für Stattweb zur Stuttgarter Kommunalwahl mit Ariane Raad

Auf Platz drei der offenen Liste der Linkspartei für den Stuttgarter Gemeinderat kandidiert die Studentin Ariane Raad. Sie kommt aus antikapitalistischen und außerparlamentarischen linken Strukturen in Stuttgart und ist nicht Mitglied der Linkspartei. Bekannt wurde sie durch ihr Tortenattentat auf Ministerpräsident Oettinger.


Du kandidierst für einen Sitz im Stuttgarter Gemeinderat, obwohl Du sonst in explizit außerparlamentarischen Zusammenhängen wie der „Initiative Sozialproteste Stuttgart“ aktiv bist. Kann aus deiner Kandidatur geschlossen werden, dass Du nun davon ausgehst, dass über den parlamentarischen Weg mehr zu erreichen ist als über Engagement außerhalb der Parlamente?


Nein. Ich beteilige mich auch weiterhin in erster Linie an Organisierungen und Kampagnen, die von unten organisiert werden und nicht Teil dieses politischen Systems sind, sondern es in Frage stellen.

Gerade heute wird der Irrsinn dieses Systems durch die kapitalistische Krise besonders deutlich: Die Möglichkeit einer Welt in der es genug Nahrung für alle gibt, in der die notwendige Arbeit auf einen Bruchteil dessen beschränkt wird, was heute durch das kapitalistische Chaos von vielen geleistet werden muss, in der Umweltschutz und nachhaltige Energiegewinnung Vorrang haben, ist längst gegeben. Statt einer Entwicklung in diese Richtung erleben wir aber das genaue Gegenteil -“ alle gesellschaftlichen Bereiche werden nach Profitinteressen umstrukturiert, die Umwelt immer weiter zerstört, Kriege geführt und die Armut vergrößert. Von denen die von diesem System profitieren wird stets behauptet, es ginge nun mal nicht anders, viele glauben das oder geben sich mit dem bisschen Wohlstand das sie ergattern konnten zufrieden, viele sind aber auch einfach frustriert und denken sie könnten ohnehin nichts ändern.

Für mich steht fest, dass es in dieser Situation nicht lediglich um kleine Verbesserung gehen kann. Es muss darum gehen, dass ein grundlegend anderes Gesellschaftssystem entwickelt wird, in dem nicht wenige über viele bestimmen, ein Teil andere für sich arbeiten lässt und über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen entscheidet, sowie Profite wichtiger sind als die Interessen der Menschen. Es versteht sich von selbst, dass die Grundlage hin zu einer solchen befreiten Gesellschaft auf Strukturen und Aktivitäten außerhalb der Institutionen, die das jetzige System verwalten und aufrechterhalten basieren muss. Es muss in erster Linie darum gehen, dass die Menschen sich trotz aller Schwierigkeiten zusammenschließen und selbstständig handeln statt sich auf die bürgerlichen Parteien zu verlassen. Ansätze dazu gibt es selbst in der dahingehend sehr rückständigen BRD ja schon einige -“ von den Leuten an der Gewerkschaftsbasis und in Erwerbslosenvereinigungen über Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen oder Organisationen für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen bis zu antifaschistischen und linken Organisierungen.

Meine Kandidatur ist nicht der Versuch einen alternativen Weg dazu einzuschlagen, sie soll einen kleinen Beitrag zur Unterstützung dieser Initiativen außerhalb des politischen Mainstreams liefern.

Wie stellst Du dir das genau vor, was willst Du von dort aus tun?


Die Möglichkeiten werden natürlich beschränkt sein, auch weil die Parteien von Grünen bis CDU sich in den wichtigsten Fragen einig sind und die GenossInnen der Linkspartei und ich in der Minderheit sein werden -“ sollte die Liste überhaupt Fraktionsstärke erreichen. Aber auch unabhängig der Sitzverteilungen bieten die Institutionen die direkt zum Kapitalismus gehören nur beschränkt Möglichkeiten für wirklich oppositionelle Initiativen -“ sie sind schließlich in erster Linie für das Gegenteil geschaffen worden.

Ich gehe aber davon aus, dass es zumindest in ein paar Bereichen Möglichkeiten gibt, von einer Stellung im Gemeinderat aus etwas zu erreichen. Als meine Aufgaben sehe ich es vor allem an, eigenständige Aktivitäten der Menschen außerhalb der gängigen politischen Institutionen zu unterstützen. Konkret werde ich versuchen regelmäßig über die Debatten und Beschlüsse im Gemeinderat zu informieren. Das nicht nur in der Art wie alles auch der Presse oder den Bekanntmachungen zu entnehmen ist, sondern kritisch, detailliert, mit einer Darstellung der Bedeutung und wo notwendig auch mit der Aufforderung dagegen aktiv zu werden.

Dazu werde ich versuchen über meine Stellung mehr Öffentlichkeit für Initiativen zu schaffen, die in den Medien keine Erwähnung finden oder dort diffamiert werden. Das können Streikaktionen und soziale Proteste ebenso sein wie Volksentscheide oder politische Kampagnen -“ von allen wird es in den nächsten Jahren ja hoffentlich viele geben.

Natürlich werde ich aber auch der Arbeit, die in diesem System dem Gemeinderat zugedacht ist, nachkommen. Ich werde dafür eintreten, dass die dort zu fassenden Beschlüsse sich möglichst weitgehend nach den Interessen der Menschen richten, nicht nach Profitinteressen. Auch hier gibt es in Stuttgart ja einiges zu tun: Viele soziale Projekte stehen durch mangelnde Förderung vor großen Problemen, die Stadt verpulvert Millionen für mehr als fragwürdige Prestigeprojekte wie Stuttgart 21, das Verkehrsnetz ist viel zu stark auf den PKW-Verkehr ausgelegt, Öffentliche Verkehrsmittel und Radwege kommen viel zu kurz usw. Erfolge in dieser Hinsicht werden aber nicht zuletzt davon abhängen, wie stark der Druck von Bewegungen auf der Straße ist.

Grundsätzlich hat das Ganze für mich aber auch den Charakter eines Versuchs. Die konkrete Praxis kann erst zeigen was möglich ist und was nicht, ob die positiven oder die negativen Folgen überwiegen. Während die bürgerlichen Parteien im Wahlkampf das Blaue vom Himmel versprechen, ohne auch nur daran zu denken ihren Versprechungen später nachzukommen, will ich die Sache anders angehen: Ich werde keine großen Wahlversprechungen in die Welt posaunen, sondern lege lediglich dar was ich mir vorgenommen habe. Sollte ich in den Gemeinderat gewählt werden, werde ich versuchen dem nachzukommen, aber die Situation immer wieder auch selbstkritisch reflektieren.

Gibt es keinen Widerspruch zu linken oder antikapitalistischen Gruppen in Stuttgart, mit denen Du sonst vielleicht viel zu tun hast, die aber zu einem Wahlboykott oder zur Wahlsabotage, also dem Abgeben von ungültigen Wahlzetteln, aufrufen?


Widersprüche in dieser Hinsicht gibt es und ich kenne die Positionen die jegliche Beteiligung an Wahlen ablehnen. Argumente sind z.B. die generelle Ablehnung der parlamentarischen Demokratie, die tatsächlich ja nicht wirklich demokratisch ist, weil sich die Mitbestimmung auf ein Kreuz auf dem Wahlzettel beschränkt und obendrein die Parteienlandschaft davon bestimmt ist wer wieviele Wahlspenden bekommt, überhaupt in den Medien erwähnt wird usw. Ein weiteres Argument das gegen jegliche Wahlbeteiligung spricht, ist die damit verbundene symbolische Akzeptanz des Kapitalismus, an dessen Spielregeln man sich mit der Abgabe der Stimme erstmal hält. Auch die Betonung, dass ohnehin alle politischen Parteien in diesem System mehr oder weniger für die gleiche Politik stehen, zumindest was deren konkrete Umsetzung in den Parlamenten angeht, ist natürlich von Bedeutung.

Ich halte diese Argumente zunächst durchaus für richtiger als z.B. die Position von denjenigen die die Bedeutung von Wahlen überbewerten oder sie gar als wichtiger erachten als Selbstorganisierung und außerparlamentarische Aktivitäten -“ ganz zu schweigen von denen die sich tatsächlich darauf beschränken wollen über den Parlamentarismus nur ein paar Nuancen zu verändern.

Es hat sich aber in vielen politischen Kreisen die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine generelle und grundsätzliche Ablehnung der Wahlen nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Ich denke, dass es durchaus möglich ist, in konkreten Fällen zur Beteiligung an den Wahlen aufzurufen, ohne damit die grundlegende Haltung gegen mangelnde demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten und allgemein gegen das kapitalistische Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem aufzugeben.

Kannst Du deine genauen Gründe dafür, dass Du dich dafür entschieden hast, bei den Gemeinderatswahlen zu kandidieren und damit zur Wahlbeteiligung aufzurufen noch etwas konkretisieren?

Ich denke, dass es auf verschiedene Faktoren und die konkrete Situation ankommt was bei den Wahlen zu tun ist. In ein paar Stichpunkten zusammengefasst ist meine Position im konkreten Fall folgende: Ich halte es für richtig, wenn die politischen Kräfte die langfristig eine Perspektive jenseits des Kapitalismus anstreben, in möglichst vielen Bereichen sichtbar und aktiv sind -“ nicht zuletzt dort wo sie ausgeschlossen werden sollen und die bürgerlichen Parteien lieber unter sich bleiben. Gerade in Zeiten, in denen Positionen die sich grundsätzlich gegen den Kapitalismus und für eine befreite Gesellschaftsordnung aussprechen durch die weitgehende Gleichschaltung der bürgerlichen Medien kaum oder völlig verfälscht in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sind, ist es wichtig sie mehr in die Öffentlichkeit zu bringen. Eine klare Positionierung und das wirkliche Eintreten für soziale Fortschritte und echte Veränderungen von einem Sitz im Gemeinderat aus, bewerte ich im konkreten Fall höher als den Symbolcharakter einer Ablehnung der Beteiligung.

Auch sind viele der GenossInnen der Linkspartei in Stuttgart vor allem außerhalb des Parlamentarismus aktiv, sind langjährige und aktive Gewerkschaftsaktivisten die sich auch in Opposition zur Linie der Gewerkschaftsspitze befinden, Aktive aus der Antikriegsbewegung und aus anderen fortschrittlichen Zusammenhängen. Ich habe durchaus das Vertrauen, dass es ihnen ebenfalls um wirkliche Veränderungen geht, sie die parlamentarische Arbeit nicht als Allheilmittel betrachten und so fest verankert sind, dass sie wirklich versuchen im Interesse der Menschen zu handeln. Mit ihnen zusammenzuarbeiten und dazu beizutragen, dass die Linke mit möglichst vielen Abgeordneten in den Gemeinderat einzieht, halte ich daher erstmal für sinnvoll.

Die konkreten, sich mir hoffentlich mehr oder weniger bietenden Möglichkeiten die ich oben bei meinen Plänen im Fall eines Einzuges in den Gemeinderat benannt habe, spielen natürlich auch eine Rolle. Ich gehe davon aus, dass es aktuell fortschrittlichen und linken Bewegungen durchaus nutzt hier und da einen Fuß in den Parlamenten zu haben und diesen Raum nicht den bürgerlichen Parteien zu überlassen.

Positionen, die sich auch im konkreten Fall grundsätzlich gegen Wahlbeteiligungen aussprechen, resultieren meiner Meinung nach vielfach aus einer verkürzten Analyse oder einer Herangehensweise die es sich sehr einfach macht und nicht aus einem sinnvollen politischen Konzept. Es ist bekanntlich recht einfach eine besonders radikale Kritik zu äußern ohne zu versuchen durch das eigene Handeln gerade in schwierigen Bereichen auf Veränderungen hinzuwirken. Komplizierter aber eben auch sinnvoller ist es beides miteinander zu entwickeln.

Wie schon gesagt, werde ich die Erfahrungen immer wieder reflektieren und wenn mich die Praxis eines besseren belehrt natürlich auch die Konsequenzen ziehen.

Quelle: StattWeb Interview
AutorIn: Trueten, Thomas

http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=5195

"Bitte, missionieren Sie mich jetzt."

"Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge treibt der Versuch, Asylsuchende, die zum christlichen Glauben konvertiert sind, auf die Echtheit ihrer Überzeugung hin zu überprüfen, seltsame Blüten. Im Rahmen von Anhörungen kommt es zu einer Art Religionsexamina. Sie sollen offenbar klären, ob Flüchtlinge, die in Deutschland Christen geworden sind, dies nur aus taktischen Überlegungen heraus getan haben. Eine besonders bizarre Anhörung erlebte vor kurzem ein Iraner (...)

Bericht von Bernd Mesovic beim Lebenshaus Schwäbische Alb

Ein persönlicher Erfahrungsbericht zu den Polizeirepressionen gegen die antifaschistischen Proteste in Ulm

Zu den Polizeirepressionen gegen antifaschistische Demonstranten in Ulm heute ein Erfahrungsbericht von P. Schmidt:

8.15 Uhr Treffpunkt Hauptbahnhof Stuttgart, 8.32 Uhr Abfahrt mit IR

Freunde und Bekannte aus den verschiedenen Gewerkschaften haben sich getroffen um gemeinsam nach Ulm auf die Demo des DGB zu fahren. Der Bahnsteig war mit massiven Polizeiaufgebot überlaufen, um die Fahrt zu überwachen. In Ulm war eine Demo der NPD genehmigt worden. Entsprechend fanden auch diverse Gegendemos statt. Da die Fahrt friedlich verlief, störte ich mich nicht weiter an dem Polizeiaufgebot.

9.55 Uhr Ankunft in Ulm

Mit minimaler Verspätung fuhr der Zug im Ulmer Bahnhof ein. Beim Ausstieg erwartete uns erneut massives Polizeiaufgebot, welche die ankommenden Demonstranten in die Unterführung Richtung Ausgang lenkte und ein Ausweichen in andere Richtungen verhindern sollte. Da wir eh in diese Richtung wollten, kein Problem.

In der Unterführung, auf beengtem Raum plötzlich der Stopp. Zwar wurden wir in die Unterführung gelenkt, nicht aber wieder raus gelassen. Hinter uns versperrte die Polizei den Rückweg. Links und rechts Wände. Vor uns voll gepanzerte Polizisten. Natürlich fleißig am Filmen mit der Kamera.
Die Menge blieb aber ruhig. Ich sah trotz Kameraaufnahmen durch die Polizei, keine Vermummungen bei den umstehenden Demoteilnehmern. Da es mehrere Minuten weder vor noch zurück ging, versuchten jetzt einzelne Personen bei der Polizei den Durchgang zur Demo zu fordern mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit und dem Interesse an der DGB teilzunehmen. An der Spitze der Menge öffneten einige Demoteilnehmer ein Transparent gegen die Verschärfung des Versammlungsrechtes.

Gegen 9.20 Uhr Kontrolle der Demonstranten

Jetzt begann die Polizei mit umfangreichen Durchsuchungen. Hierzu wurde jeweils eine Person von zwei Polizisten aus der Menge gegriffen, hinter die Polizisten, welche die Unterführung versperrten, geführt und dort vollständig durchsucht. Ich musste meinen Tascheninhalt entleeren, legte also Taschentücher und ein Handy auf den Boden.
Während mich ein Polizist abtastete und dabei KEINE Stelle ausließ, durchsuchte ein anderer Polizist meinen Rucksack. Er fand 1 Kugelschreiber und einige leere A4-Blätter in einer Seitentasche, eine Sonnenbrille in der vorderen Tasche, ein Kopftuch in der anderen Seitentasche. Im Hauptfach des Rucksacks befand sich eine Plastikflasche mit 1,5l Wasser, ein T-shirt und etwas Verbandsmaterial, welches ich immer bei Großveranstaltungen mitführe da ich Krankenpfleger bin und auch schon öfter als Sani tätig war. Des weiteren fand er noch eine Geldbörse und meinen Personalausweis.
Im Anschluss durfte ich noch kurz die Schuhe ausziehen und diese ebenfalls durchsuchen lassen. Das selbe geschah neben mir mit drei weiteren Personen. Später erfuhr ich, das jeder aus der Unterführung in dieser Weise kontrolliert wurde. Bei Gesprächen erfuhr ich hinterher von Freundinnen das sie mit sehr festem Griff, obwohl keine Gegenwehr statt fand, zu der Kontrolle geführt wurden. Blaue Flecken belegten diese Aussagen. Auf die Bitte um einen lockeren Griff gab es Beschimpfungen wie "Schlampe" oder "Fotze" zur Antwort. Bei einer Freundin wurde der Griff auf diese Bitte hin noch fester angesetzt, begleitet von dem Satz: "Schnauze du Fotze, dir zeig ich später was richtige Schmerzen sind."
Es tut mir leid hier solche Ausdrücke zu schreiben, möchte jedoch den vollen Umfang der verachtenden Maßnahmen festhalten.

10.45 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz

Direkt nach der Durchsuchung wurde ich in einen Abgesperrten Bereich geführt. Die Polizisten erklärten mir nicht warum ich, wo hin gebracht werde. Die Wege die sie mit mir liefen und die Fragen, welche sie ihren Kollegen stellten, zeigte das sie vollständig unorganisiert waren. Meine Sachen hatte ich seit der Durchsuchung nicht zurück erhalten. Trotz prallem Sonnenschein durfte ich keine Sonnenbrille aufsetzen, durfte nicht telefonieren oder erfahren was mit mir passiert.

Während wir umher irrten wurden Busse für die Erfassung der Daten und die Personenabfrage eingerichtet. Die Uhrzeit, welche ich oben angegeben hab, konnte ich kurz von einer Bahnhofsuhr ablesen. Ich wurde jetzt mit einer Nummer vor meiner Brust, von Kopf bis Fuß gefilmt und fotografiert. Ebenso mein Ausweis und mein Kopftuch sowie Sonnenbrille. Meine Sachen wurden eingetütet. Während meiner Datenabfrage fragte der bearbeitende Polizist warum ich abgeführt werde. Ein Polizist an meiner Seite antwortete wegen mitführen von Vermummungsmaterial. Das war das erste mal das ich die genaue Formulierung der Vorwürfe erfuhr. Der Polizist im Bus fragte weiter ob ich Kopftuch und Sonnenbrille getragen habe. Als dies der Polizist neben mir verneinte, sagte der Bearbeiter im Bus ungläubig, das könne doch nicht zum Abführen reichen.

Offensichtlich gab es aber eine Anweisung alle auffälligen Personen dem Richter vorzuführen.

Ab jetzt kann ich einige Stunden keine Zeitangaben mehr machen.

Ich wurde in einen Bus gebracht. Auf dem Weg dorthin konnte ich noch einem Freund per zurufen meine Situation schildern. Meine Freunde informierten dann auch den Ermittlungsausschuss. In dem VW-Bus wartete ich dann für 30-60 Minuten. Als der Bus gefüllt war, mit 6 Demonstranten und zwei Polizisten, wurden wir durch die Innenstadt gefahren zum Polizeirevier Ulm Mitte. Das konnte ich zumindest auf einem Parkplatzschild so entziffern. Gesagt wurde uns ja immer noch nichts.

In dem Innenhof des Reviers standen mehrere Busse mit Demonstranten. Es passierte jetzt ziemlich lange nichts. Bedeutete für mich mit 6 Personen in einem Bus, in der prallen Mittagssonne warten und warten und warten. Immer noch ohne die Möglichkeit zu telefonieren. Dies können man dann gleich beim Richter erledigen.

Später wurden wir aus dem Bus einzeln geholt, wie ich aber gleich erfahren musste, nur zum Wechsel des "Gefängnisses". Meine Daten wurden erneut erfasst, meine Sachen erhielten meinen Namen und meine Zellnummer und ich erhielt eine Zelle. Die Zelle befand sich in einem großen Bus und bestand aus voll verkleideten Wänden, hatte ein Fenster von ca. 60x20cm, mit Blick auf eine Hauswand und vier Sitzen auf einer Fläche von ca. 170x90cm, die ich mir mit 3 Personen teilen durfte.

Schlechte Luft, wenig Licht und keine Auskunft zum weiteren Vorgehen begleiteten die Wartezeit. Nach einer Weile klopfte ich an die Tür um zu erfahren, wie es weiter geht. Nach einigen Minuten klopfen erklärte ein Polizist es gehe gleich weiter. Da meine zeitliche Orientierung schon lange verloren war, kann ich nicht sagen wie lange ich jetzt wartete.
Nach Ewigkeiten klopfte ich erneut um zu fragen wie lange ich noch in der Zelle bleiben müsse ohne Telefonat oder eine richterliche Anhörung. Der Polizist drohte mir daraufhin, Reizgas ins Gesicht zu sprühen, wenn ich nicht Ruhe gebe.

Stunden später wurden die Zellen einzeln leer geräumt. Ich wurde als letzter aus der Zelle geholt und zu einer Vernehmung gebracht. Kein Richter. Kein Telefonat. Aber ein Platzverweis!

Einer kurzen Aufklärung über rechtliche Vorgehensweisen, eine Vernehmung und die Bedeutung meines Platzverweises folgte meine
Entlassung. Meine Sachen erhielt ich zurück. Auf meinem Handy sah ich das es jetzt 16.47 Uhr war.

Das Revier lag mitten in dem Gebiet meines Platzverweises. Ich verließ dies zügig, erreichte meine Freunde telefonisch und traf mich mit diesen. Körperlich zeigte ich deutliche Folgen der vorangegangen Stunden. Ich konnte weder Essen, noch trinken, verspürte sehr starke Unruhe und eine Unsicherheit wie ich sie vorher nicht kannte.

Zügig wollte ich dem nach zurück nach Stuttgart um mich in mein Bett zurück zuziehen. Leider rechnete ich nicht mit einem erneuten Hindernis durch die Polizei. Der Bahnhof in Ulm wurde wegen Teilnehmern der NPD-Demo versperrt um diesen eine entspannte Abreise zu ermöglichen. Stunden später konnten wir endlich abreisen.

Stuttgart erreichten wir gegen 21.40 Uhr. Und erneut wurden wir eingekesselt. Der Bahnsteig wurde hinter uns und vor uns durch Polizisten versperrt, weil die Teilnehmer der NPD-Demo nicht geschafft hatten das Gelände zu verlassen obwohl sie eine Stunde vor uns die Stadt erreichten. Die Polizei wolle in Sorge um unsere Sicherheit nur unseren Schutz gewährleisten. Einige Mitreisende, waren auf Grund der Aktionen der Polizei in Ulm und wegen ihrer Inhaftierung am Ende. Es gab Nervenzusammenbrüche, Wutanfälle und ähnliches.

Besonders deeskalierend wirkten da Polizisten, welche uns Demo-Teilnehmer oder besser uns Opfer beobachteten und offen über die emotionalen Ausbrüche lachten. Gegen 22.30 Uhr war ich endlich zu Hause.

Ich hab versucht die Ereignisse möglichst genau wieder zu geben. Über die Demo oder das Verhalten der Polizisten gegenüber besorgten Freunden, die versuchten abgeführt Personen auswendig zu machen, schreibe ich nicht. Habe zwar einiges von Freunden erfahren, kann auch gerne an diese Personen verweisen, aber konzentriere mich auf Dinge die ich persönlich gesehen habe.

Diese Informationen dürfen gerne benutzt werden um gegen diese Art der Polizeirepressionen vorzugehen. Polizisten äußerten mir gegenüber, man müsse grundsätzlich bei der Teilnahme an Demos mit einer Festnahme rechnen! Diese Aussage über ein demokratisches Grundrecht finde ich unglaublich und weigere mich dies zu akzeptieren.

Auch und besonders in Krisenzeiten muss gelten: Ja zur Versammlungsfreiheit - Nein zu Naziaufmärschen

Presseerklärung des Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit vom 2. Mai 2009
Auch und besonders in Krisenzeiten muss gelten:
Ja zur Versammlungsfreiheit - Nein zu Naziaufmärschen

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit fordert: Die Pläne der Landesregierung zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes müssen komplett zurückgezogen und Naziaktivitäten konsequent unterbunden werden


Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit, eine Vereinigung von über 100 Organisationen und Einzelpersonen gegen eine geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes durch die baden-württembergische Landesregierung, nimmt mit Sorge wahr, wie in Zeiten der derzeitigen Wirtschaftskrise Neonazis in mehreren Städten viele Hundert Anhänger am 1. Mai mobilisieren konnten . Gleichzeitig nehmen Aktivitäten seitens der Polizei zu, demokratische Massenproteste zu kriminalisieren und den Protestierenden demokratische Grundrechte zu verweigern.

So wurden Hunderte Menschen, die sich an den Protesten am 1. Mai gegen den NPD-Aufmarsch in Ulm und in Neu-Ulm beteiligen wollten, im Ulmer Hauptbahnhof gleich bei ihrer Ankunft von der Polizei festgehalten und ihnen die Teilnahme an der DGB-Demonstration verwehrt. Erst nach einer Prozedur von Personalienfeststellungen, Filmaufnahmen und zahlreichen Platzverweisen wurden sie -“ teilweise erst nach mehreren Stunden - freigelassen. Friedliche und gewaltfreie Blockaden gegen die erlaubten Naziaufmärsche in Ulm und Neu-Ulm, wie sie in anderen Städten erfolgreich am 1. Mai durchgeführt werden konnten, wurden von der Polizei zum Schutz der NPD-Aktivitäten verhindert. Auch Aufforderungen, dass rassistische Transparente der Nazis mit der Aufschrift „Ausländer raus!“ entfernt werden sollen, kam die Polizei nicht nach.
„Das Bündnis fordert die baden-württembergische Landesregierung auf, Naziaktivitäten endlich konsequent zu unterbinden. Das im geplanten Versammlungsgesetz neu eingeführte sogenannte -šStörungsverbot-™ wird aber stattdessen weiterhin demokratische Protestaktionen gegen Naziaktivitäten kriminalisieren“, so Thomas Trüten, Sprecher des Bündnisses. Und er ergänzt: „Wir wollen nicht hinnehmen, dass die Landesregierung Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten gibt. Schon zwei Personen sollen künftig als Versammlung gelten können, was z. B. bedeuten kann, dass bereits die Aufstellung von Streikposten bei einem Arbeitskampf als Demonstration angemeldet werden muss.“

Das Bundesverfassungsgericht hat das bayerische Versammlungsgesetz teilweise vorläufig außer Kraft gesetzt, womit auch entsprechende Pläne in Baden-Württemberg zunächst gestoppt sind. Innenminister Rech hat aber seinen Entwurf zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes nicht komplett zurückgezogen. Deshalb sammelt das Bündnis weiterhin Unterschriften dagegen und hält es für nötig, weiter breit zur Verteidigung des demokratischen Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aufzurufen.

Erst recht 2009: Heraus zum 1. Mai!

Angesichts der verheerendsten Krise des Kapitalismus ist besonders in diesem Jahr eine Diskussion um eine gesellschaftliche Perspektive in einer Welt frei von Ausbeutung und Unterdrückung nötig. Die Entwicklung der Krise unterstreicht für immer mehr Menschen die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, deren einfachste Bedürfnisse zu befriedigen. Im Gegenteil zeigt sich, daß mit Rücksicht der Unternehmen und der Regierung auf die Interessen der breiten Masse der werktätigen Bevölkerung nicht zu rechnen ist. Erschrocken über den in den letzten Jahren vonstatten gegangenen Einfluss vor allem innerhalb der ArbeiterInnenschaft warnten diverse SPD Politiker vor "sozialen Unruhen". Diese Unruhen werden kommen:
  • Nicht umsonst verschärft die Bourgeoisie repressiv in dem Maße, wie verbliebene soziale Errungenschaften zerschlagen werden, ihren Repressionsapparat. Einen Vorgeschmack darauf boten die als Bürgerkriegsübungen Angriffe auf die Anti Nato Proteste Anfang April.

  • Nicht umsonst nutzen faschistische und reaktionäre Kräfte in mindestens 10 Städten Deutschlands die Orientierungslosigkeit bei Teilen des Kleinbürgertums und verelendeter Menschen.
  • Nicht umsonst wurden ausgerechnet im "Superwahljahr" angesichts bevorstehender Massenentlassungen das Kurzarbeitergeld über den Wahltermin hinaus verlängert. Mit dem altbekannten Muster des "kleineren Übels" soll versucht werden, einer kämpferischen Strömung in den Betrieben das Wasser abzugraben und den Ausbruch von Kämpfen zu verhindern.
  • Nicht umsonst ist das militärische "Engagement" Deutschlands im Ausland so umfangreich wie noch nie. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. In den zweifelhaften "Genuß" deutscher Waffen, die erneut an dritter Stelle der international gehandelten Waffen stehen,  kommen damit immer mehr Länder, die entweder nicht bereit sind, sich im "Krieg gegen den Terror" den jeweiligen imperialistischen Akteuren zu unterwerfen oder die über anderweitige ökonomische, politische oder militärstrategische Bedeutung verfügen.
Deshalb gilt es für die revolutionäre Linke, die unweigerlich stattfinden und notwendigen Kämpfe zur Verteidigung von Arbeitsplätzen, sozialer, politischer und kultureller Errungenschaften und gegen faschistische Aktivitäten zu nutzen, für eine positive gesellschaftliche Perspektive zu streiten.

In diesem Jahr finden neben den DGB Kundgebungen und Demonstrationen am 1. Mai zahlreiche revolutionäre Mai Demonstrationen statt. Diese sind teilweise bei Indymedia aufgelistet (Via Woschod):

Naziaufmärsche verhindern!


Kochduell bei Solidaritäts Volxküche für die kriminalisierten Nato - GegnerInnen

"Und wenn Ihr über diese Punkte Beschluss faßt, so trinkt eine Flasche guten Wein dazu, solches tut zu meinem Gedächtnis." Engels an Bebel und Singer am 14. November 1894

In diesem Sinne fand gestern eine sehr gut besuchte Solidaritätsvokü im "Subversiv" Stuttgart zugunsten der Roten / Bunten Hilfe Stuttgart und der Opfer der Repressionen gegen die Proteste gegen den NATO Gipfel in Strasbourg statt. Serviert wurde von den KöchInnen ein veganes 3 Gänge Menü:

Bruschetta:
- Bruschetta "el Subversivo" (Tomaten, Rucola, Zwiebeln, Knoblauch auf Baguette)

كسكسي - Cous-Cous:
- "س الحانوت" (Ras el-Hanout - angenehm scharf)
- "Libertad o Muerte" (extrem scharf)

Dazu wurden verschiedene Salate gereicht.

Süßspeisen:
- Erdnussmuffins
- Mandarinenmuffins
- Schokozimtkuchen


Im Anschluss daran gab es dann noch eine Cocktailparty bei der Libertären Initiative STuttgart (L.I.ST.) zugunsten der diesjährgen Mobilisierung zum revolutionären 1. Mai.


a.i.d.a. wehrt sich gegen Verfassungsschutz-Kampagne

Die Arbeit des antifaschistischen Archivs mißfällt offenbar dem Innenministerium. Gegen die Einstufung als "linksextremistisch" geht der Verein nun juristisch vor.

Seit fast zwanzig Jahren dokumentiert und archiviert die " Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.", kurz a.i.d.a., rechte und rechtsextreme Umriebe in München und Bayern. Allein die über die Webseite http://www.aida-archiv.de abrufbare " Chronologie rechter Aktivitäten" reicht bis in den März 1998 zurück. Zahlreiche Initiativen "gegen Rechts" greifen auf Material der Archivstelle zurück. Mehrfach - zuletzt im Januar 2008 durch die  PDF Landeshauptstadt München - wurde der Verein für seine ehrenamtliche Arbeit ausgezeichnet.(weiterlesen bei luzi-m)

Was zu Uschi noch zu sagen wäre...

... wird im aktuellen c't Editorial geklärt. Wir hatten uns ja hier schon verschiedentlich, auch satirisch mit der Thematik befasst. Wenn es den Uhrhebern um eine ernsthafte Bekämpfung der - keine Frage: widerwärtigen - Kinderpornografie ginge - würde diese dann derart dilletantisch ausgeführt werden? Von der Ersetzung der nicht nur für Profis leicht zu umgehenden Sperrlisten hin zu der Verwendung von Sperrfiltern für andere unliebsame Begriffe ist es nur noch ein kleiner Schritt. Gegenmaßnahmen? Siehe zum Beispiel bei Annika Kremer oder "Mein Parteibuch", das auch auf die am 17. April zwischen 09:00h und 09:30h in Berlin am Reichstagsufer 14 stattfindende Mahnwache hinweist:

(...) www.google.com - ruft man Google nicht über www.google.de auf, sondern über http://www.google.com/webhp/?hl=de, so filtert die Suchmaschine die Suchergebnisse nicht entsprechend der Vorgaben der deutschen Zensurgesetzgebung, wie beispielsweise ein Vergleich der Suchergebnisse zum Begriff Gewerbezentrale bei www.google.com und bei www.google.de zeigt.

www.wikileaks.org - Wikileaks wird sicher bald die geheime Zensurliste des BKA publizieren, so wie Wikileaks bereits die ebenso geheimen Zensurlisten aus Australien, Thailand und Dänemark veröffentlicht hat.

www.landgericht-karlsruhe.de - das Landgericht Karlsruhe macht Linkketten zu Wikileaks und trägt so zur Verbreitung verbotener Bytes bei.

www.ccc.de - Beim Chaos Computer Club finden sich für jeden Laien verständliche Anleitungen, wie der Uschi-Filter durch das Verwenden alternativer DNS-Server, von denen der ccc praktischerweise auch gleich eine kurze Liste bereitstellt, schnell, einfach und dauerhaft abschaltet werden kann.

www.torproject.org - das freie Anonymisierungsprogramm Tor erlaubt es jedem Internetnutzer trotz des deutschen Zensurrechts, im Internet seine Meinung zu sagen, ohne dabei die eigene IP-Adresse in den Logdateien der Server zu hinterlassen und lässt damit die teure, gerade eingeführte Vorratsdatenspeicherung ins Leere laufen. Wer Tor als Socks-Proxy mit Firefox verwendet, im Firefox die Seite about:config aufruft und das Flag network.proxy.socks_remote_dns auf True setzt, schaltet übrigens obendrein auch gleich den Uschifilter ab.

www.truecrypt.org - Mit dem freien Verschlüsselungsprogramm Truecrypt lassen sich Festplatten vollverschlüsseln, wodurch den deutschen Staatsbütteln einerseits der Inhalt der Festplatte verborgen bleibt und ihnen andererseits bei ihren üblichen Computerklauereien auch noch die Möglichkeit genommen wird, ihre Opfer durch das Unterschieben von Dateien mit verbotenen Bytes zu kriminalisieren. (...)



Neue Infomaterialien des Bündnis für Versammlungsfreiheit

Seit heute stehen neue Materialien zum Thema Versammlungsrecht auf den Seiten des Stuttgarter Bündnis (unter"Publikationen") zum Download bereit:

  • Karte Versammlungsgesetz, dreifarbig, 1500 dpi Druckauflösung Dateigröße: 5 MB!
  • Karte Versammlungsgesetz, vierfarbig 1500 dpi Druckauflösung Dateigröße: 5 MB!
  • Karte Versammlungsgesetz, dreifarbig, Standardauflösung
  • Karte Versammlungsgesetz, vierfarbig, Standardauflösung
  • Powerpoint Präsentation des DGB zum geplanten Versammlungsgesetz
  • Powerpoint Präsentation der Antifaschistischen Aktion Baden - Württemberg zum geplanten Versammlungsgesetz

  • Dort sind ebenfalls drei aktuelle Beiträge verlinkt:

  • Gewerkschaften, Versammlungsgesetz und der NATO Gipfel Beitrag im "Neuen Deutschland" von Thomas Trüten
  • Erklärung des Tübinger Bündnisses für Versammlungsfreiheit zur Entscheidung des BVG
  • Interview für die "junge Welt" mit Markus Spreitzer


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