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Österreich: Umwelthaftung ade?

In Österreich will die regierende große Koalition ein Umwelthaftungs-Gesetz beschließen, das nichts anderes als ein Pro-Industrie- und ein Pro-Gentechnik-Gesetz ist. Damit wäre Österreich wahrscheinlich das erste Land in der EU, das Unternehmen von der Sanierung von Umweltschäden freistellt. Zustandegekommen ist das Gesetz durch intensives Lobbying der Industrie, wie eine durchgesickerte interne E-Mail der österreichischen Wirtschaftskammer zeigt.

„Wir konnten die wichtigsten unserer Anliegen durchsetzen“, heißt es in dieser internen E-Mail, die an die wichtigsten Vertreter der österreichischen Wirtschaftskammer, an die Fachverbände und wichtige österreichische Industrieunternehmen ging. Geschrieben wurde es am 9. Mai, wenige Stunden nachdem der Ministerrat ein völlig anderes Umwelthaftungsgesetz durchwinkte als ursprünglich geplant war.

Insgesamt werden in der E-Mail elf „Verbesserungen“ aufgelistet, die unter anderem von der „Projektgruppe Umwelthaftung“ in der Wirtschaftskammer durchgesetzt werden konnten. Von besonderer Tragweite sind folgende Punkte:

• Ursprünglich sollte der Verursacher eines Umweltschadens in jedem Fall für die Kosten der Sanierung aufkommen. Nun ist dies nicht der Fall, wenn die zum Schaden führenden Emissionen oder Tätigkeiten von einer Genehmigung gedeckt sind („Normalbetriebseinrede“, „permit defense“). Dieser Punkt war am stärksten umstritten und wurde jetzt -“ wie die Vertreterin der Wirtschaftskammer beschreibt - „entsprechend unseres Formulierungsvorschlages“ im Gesetz verankert.

• Weiters wird der Betreiber von der Kostentragung befreit, wenn das schädigende Ereignis zum Zeitpunkt der Tätigkeit nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht als wahrscheinlich für einen Schadenseintritt angesehen worden ist. Damit sei das „Entwicklungsrisiko“ berücksichtigt worden, wie es die Wirtschaftskammer ausdrückt.


Sieg der Gentechnik-Lobby

Hier scheint es sich neben der generellen Niederlage für die Umwelt auch um einen Sieg der in Österreich kaum in der Öffentlichkeit agierenden Gentechnik-Lobby zu handeln: Nach dieser Formulierung sind sowohl der Gentechnik-Konzern als auch der verantwortliche Bauer aus der Haftung für mögliche Umweltschäden entlassen, sobald die zuständige Behörde den Anbau der genmanipulierten Pflanze genehmigt hat und alle Auflagen eingehalten wurden. Die Zeche zahlt nicht der Verursacher, sondern der Steuerzahler.

Nachteile sind auch für bestehende Umweltgesetze zu erwarten: Die strengeren Haftungsbestimmungen, beispielsweise aus dem Wasserrecht, wären nicht mehr anwendbar oder verfassungswidrig, erklärt beispielsweise Thomas Alge vom Ökobüro, der Koordinationsstelle der österreichischen Umweltschutzorganisationen.

Ob das Gesetz noch verhindert werden kann, hängt in erster Linie von der SPÖ ab, die hier zweigleisig unterwegs ist: Einerseits haben alle sozialdemokratischen Minister im Ministerrat vom 9. Mai dem „Pro-Industrie-Gesetz“ zugestimmt, andererseits wurde es in einer Aussendung von SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr kritisiert. Experten befürchten, dass Österreich im Falle einer Zustimmung zum Gesetz einen Präzedenzfall schaffen könnte, der andere EU-Mitgliedsländer zur Nachahmung bewegen könnte.

Text und weitere Informationen: Mag. Klaus Faißner, Freier Journalist, Wien
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