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43. Todestag - Gedenken an Klaus-Jürgen Rattay

Foto: Manfred Kraft / Umbruch Bildarchiv Berlin
Am 22. September 1981 starb Klaus-Jürgen Rattay anläßlich der Räumung von 8 besetzten Häusern in Berlin. Sein Tod veränderte die Bewegung. Bei einigen löste die Brutalität, mit der die Räumungen durchgezogen wurden, Angst und Ohnmachtsgefühle aus. Bei dem weitaus größeren Teil der Besetzer*innen überwogen jedoch Wut und Zorn –“ sie radikalisierten sich mit hoher Geschwindigkeit.

Den Jahrestag von Klaus Jürgen Rattays Tod nehmen wir zum Anlaß für diesen Rückblick. Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "Autonome in Bewegung" über die Besetzerbewegung der 80er Jahre, die Fotos entstanden am Tag der Räumung und anläßlich einer Gedenkdemonstration für Klaus-Jürgen Rattay im Jahr 1982.

Am 22. September 1981 läßt Heinrich Lummer (CDU), der damalige Innensenator von Berlin, 8 besetzte Häuser räumen. "Die Bewohner der räumungsbedrohten Häuser hatten sich darauf verständigt, lediglich passiven Widerstand gegen die Räumung zu leisten. Sie verbarrikadieren die Eingangstüren, holen viele Menschen ins Haus, Unterstützer wie auch prominente Paten, und harren der Dinge. In der Winterfeldtstraße, in der drei der Häuser stehen, werden aber in der Nacht auf den 22. September auch Barrikaden aus umgestürzten Autos, Bauwagen etc. errichtet, und viele sind dort, um die Häuser von außen militant zu verteidigen. Klaus-Jürgen Rattay gehört auch zu ihnen.

Am frühen Morgen des Räumungstages rückt die Polizei mit einem Großaufgebot an: mit Panzerwagen, Wasserwerfern und schwerem Räumgerät. Mittags will Lummer es sich nicht nehmen lassen, in einem der geräumten Häuser eine Pressekonferenz abzuhalten. Er präsentiert sich auf dem Balkon der Bülowstraße 89 als ein siegreicher Feldherr. Dadurch heizt er die Stimmung noch zusätzlich auf. Lautstarke Proteste begleiten seinen Auftritt. Die Polizei ist nervös und knüppelt die Straße frei. Einige hundert Menschen flüchten auf die verkehrsreiche Potsdamer Straße. Dort wird Klaus-Jürgen Rattay von einem BVG-Bus erfasst und mitgeschleift. Er stirbt auf der Straße. Den ganzen Tag über bleibt der Schöneberger Kiez unruhig und voller Menschen, die Todesstelle wird umlagert und mit Blumen bedeckt, und es gibt keinen Zweifel darüber, was am Abend passieren wird. Abends kommt es zur größten Spontandemo der Bewegung, rund 10.000 Menschen beteiligen sich an einem Schweigemarsch durch Schöneberg, der in heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei mündet, „Lummer: Mörder, Mörder“ hallt es nachts durch die verwüsteten Straßenschluchten. Gleichzeitig sind im ganzen Stadtgebiet Kleingruppen unterwegs, etwa 50 Anschläge auf Banken, Polizeiwachen, Wohnungsbauunternehmen etc. werden in dieser Nacht registriert. Auch in vielen anderen Städten der BRD gibt es Demonstrationen und Anschläge." (Ausschnitt aus dem Buch "Autonome in Bewegung" - PDF-Datei)

Drei Wochen nach dem Tod Rattays bildete sich eine "unabhängige Untersuchungskommission", der ein Bundesverfassungsrichter a. D. angehörte. Der Hergang des Vorfalles war heftig umstritten. "Die Versionen reichten vom Angriff Rattays auf den Bus und dem Selbstverschulden seines Todes (Polizei-Mitteilung) bis zur Darstellung von Zeugen, der Bus sei ohne Rücksicht in die Menschenmenge gefahren. (...) Die allmählich veröffentlichten weiteren Fotos und ein Super-8-Film konnten einige Aspekte des Vorfalles klären –“ vor allem den, dass der Bus vor dem Zusammenprall nicht angegriffen worden war –“, doch gibt es vom exakten Moment des Anstoßes keine Bild-Dokumente." (siehe Wikipedia)

Nachdem die Ermittlungen noch im Dezember desselben Jahres eingestellt worden waren, bemühten sich die Eltern des Neunzehnjährigen vergebens um Wiederaufnahme des Verfahrens. Im August 1982 wurde dies abgelehnt.
Eine Dokumentation des Ermittlungsausschusses aus dem Jahr 1982 beleuchtet die genaueren Todesumstände.

"Ich hab gleichzeitig Angst und ich hab gleichzeitig auch Mut zum kämpfen." sagt Klaus-Jürgen Rattay noch am Tag vor der Räumung in einer Dokumentation des RBB.

Zahlreiche Links und eine Fotoseite beim Umbruch Bildarchiv Berlin



Weitere Informationen


Freiheit für Leonard Peltier!

Leonard Peltier
Aktivist des American Indian Movement

Kundgebung am 79. Geburtstag

Rückseite US Botschaft Berlin

2023 jährte sich zum fünfzigsten Mal die Besetzung des Ortes Wounded Knee in Süd Dakota / USA. Hier fand 1890 ein Massenmord an 300 Kindern, Frauen und Männern vom indigenen Stamm der Lakota durch die US Armeee statt.

Im Januar 1973 besetzten Aktivisteninnen des American Indian Movement (AIM) diesen Ort, um gegen die mörderische Politik der US Regierung zu demonstrieren. Sie machten damit auf Landraub und die kulturelle sowie physische Zerstörung der amerikanischen Ureinwohnerinnen aufmerksam. Damals war in der Pine Ridge Reservation, in der Nähe von Wounded Knee eine mörderische Paramiliz aktiv, welche die Bevölkerung und insbesondere AIM Sympathisant*innen angriffen und z.T. ermordeten.

Die gegen derartige Praktiken gerichtete Protestaktion in Wounded Knee erhielt weiltweite Aufmerksamkeit, auch in der dt. Presse. Die Zustände auf der Pine Ridge Reservation änderten sich dadurch jedoch leider nicht.

Der AIM Aktivist Leonard Peltier befand sich 1975 dort, um die Bevölkerung gegen den Terror zu unterstützen und wurde unter konstruierten Vorwürfen für einen angeblichen Mord am 6. Februar 1976 verhaftet und kurz darauf ohne stichhaltige Beweise verurteilt. Er wird seit inzwischen 47 Jahren als politischer Gefangener in verschiedenen US-amerikanischen Hochsicherheitsgefängnissen festgehalten.

Seine Verhaftung und die Repression gegen A.I.M. waren Teil des sogenannten COINTELPRO Programmes von der US-Bundespolizei FBI, die die Zersetzung und Zerschlagung der damals starken Protestbewegungen, u.a. auch der Black Panther Party mit geheimdienstlichen und damals noch illegalen Mitteln betrieb.

Leonard Peltiers Verurteilung zu zwei Mal lebenslänglicher Haft war nur in Folge der Bedrohung mehrerer Zeug*innen, welche ihre Aussagen später widerriefen, massiver Beeinflussung der Geschworenen und erfundener, heute als falsch nachgewiesener Beweise möglich.

Verschiedenste Bücher, Filme und Songs griffen seinen Fall in den folgenden Jahrzehnten weltweit auf und trotz einer starken und breiten Protestbewegung hat der Präsident der USA ihn noch immer nicht freigelassen.

So fand erst im Herbst 2022 ein 1100 Meilen langer Protestmarsch durch die USA bis nach Washington D.C. für seine Freilassung statt, an welchem sich ca. 2000 Menschen beteiligten. Und auch im Rahmen der weltweiten Proteste im Jahr 2016 gegen die Black Snake Pipline in Standing Rock – North Dakota, welche für die Profitinteressen eines Ölkonzerns indigenes Territorium unwiederbringlich zerstört, wurde sein Fall immer wieder thematisiert.

Mittlerweile ist Peltier im Regierungsgefängnis von Coleman in Florida inhaftiert. Sein Gesundheitszustand ist in Folge mehrerer chronischer Erkrankungen, einer Coronainfektion sowie seines fortgeschrittenen Alters von 79 Jahren sehr schlecht. Eine lebensbedrohliche Aortaaussackung könnte durch eine Operation behoben werden, was ihm jedoch seit Jahren verweigert wird.

Kundgebung – Di. 12. September 2023 – 18:30 Uhr
Rückseite US Botschaft
Behrenstr/Ebertstr – U+S-Brandenburger Tor – Berlin

Wir fordern Leonard Peltiers Freilassung sowie das Selbstbestimmungsrecht und die umfassende Entschädigung der amerikanischen Ureinwohner*innen!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Free Them All!


Quelle

cronjob