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Japan führt Wiederaufnahmeverfahren für jahrzehntealtes Todesurteil durch - Fall unterstreicht Grausamkeit des "Geiseljustizsystems" und der Todesstrafe

In diesem Monat erklärte die japanische Staatsanwaltschaft, sie werde keine Berufung gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Tokio einlegen, das Verfahren gegen Iwao Hakamada, einen 87-jährigen ehemaligen Profiboxer, der im August 1966 verhaftet und wegen des Mordes an einer vierköpfigen Familie zum Tode verurteilt worden war, zu wiederholen. Dies ist das fünfte Mal, dass ein Todesstrafenfall in Japan erneut verhandelt wird. In früheren Fällen wurden die Angeklagten alle freigesprochen.

Hakamadas Fall ist nur eines von zahllosen Beispielen für Japans so genanntes "Geiseljustizsystem", bei dem Verdächtige häufig vor dem Urteil für lange und willkürliche Zeiträume - manchmal bis zu mehreren Monaten oder Jahren - festgehalten werden, um ihre Geständnisse zu erlangen. Nach Angaben seines Anwaltsteams verhörte die Polizei Hakamada 1966 durchschnittlich 12 Stunden pro Tag, wobei einige Verhöre bis zu 17 Stunden dauerten. Er wurde ohne seinen Anwalt verhört, wie es nach japanischem Recht zulässig ist, und ihm wurden Wasser und Toilettenpausen verweigert. In einem Brief, in dem er seine Erfahrungen schilderte, sagte Hakamada, dass die Behörden ihn bedrohten und sagten: "Wenn wir Ihre Todesursache als Krankheit melden, dann ist es aus", bevor sie ihn mit einem Polizeiknüppel schlugen.

Die japanische Polizei misshandelt Verdächtige während des Verhörs nur noch selten körperlich. Aber die Behörden erzwingen immer noch Geständnisse während der Untersuchungshaft. Verdächtige können keine Kaution beantragen, bevor sie angeklagt werden, und Gericht|e verweigern denjenigen, die nicht gestehen, routinemäßig die Kaution während des Prozesses. Die meisten Gefangenen werden in Zellen auf Polizeistationen festgehalten und ständig überwacht, auch während der Mahlzeiten und auf den Toiletten. Die Gerichte verhängen häufig Kommunikationsbeschränkungen, die es den Angeklagten untersagen, sich mit anderen Personen als ihren Anwälten zu treffen, sie anzurufen oder ihnen Briefe zu schreiben. Mehr als 99 Prozent der japanischen Gerichtsverfahren enden mit einer Verurteilung.

Hakamada hat jahrzehntelang seine Unschuld beteuert. Sollte er für nicht schuldig befunden werden, wäre sein Fall eine weitere deutliche Erinnerung nicht nur an die mangelhafte Justiz in Japan, sondern auch daran, dass die Todesstrafe abgeschafft werden sollte, weil sie eine grausame, unumkehrbare und irreparable Form der Bestrafung ist. Aktivisten bemängeln seit langem, dass die Insassen der Todeszelle|n erst am Tag ihrer Hinrichtung benachrichtigt werden. Jahrelang lebte Hakamada in der Angst, an einem beliebigen Tag hingerichtet zu werden.

Japan sollte dringend sein Justizsystem reformieren, indem es das "Geiseljustizsystem" abschafft und die Todesstrafe abschafft.

Quelle: Teppei Kasai via HRW / Eigene Übersetzung

Free Mumia: UN Arbeitsgruppe gegen Rassismus wendet sich an Gericht

Die UN Arbeitsgruppe von Expert*innen Afrikanischer Abstammung (im Original Working Group of Experts on People of African Descent - kurz WGEPAD) hat am 1. März 2023 einen Unterstützungsbrief für Mumia Abu-Jamal an das Court of Common Pleas Gericht in Philadelphia eingereicht, vor dem Mumias Antrag auf neue Beweisaufnahmen seit geraumer Zeit liegt.

In der Eingabe macht die WGEPAD auf die für Jahrzehnte bewußt unterschlagenen Beweise in Mumias Fall aufmerksam und kritisiert die rassistischen Methoden, die seinen Fall stark beeinflusst haben.

In ihrer grundsätzlichen Analyse des Falls sehen sie Verweise auf systemischen Rassismus, koloniales Vermächtnis aus der Sklaverei und empfehlen aus internationaler menschenrechtlicher Vorgehensweise eine Neuverhandlung von Mumias Fall.

Die Eingabe an das Gericht befindet sich als PDF hier im Wortlaut.


Quelle: Free Mumia Berlin, 26.03.2023


Mumia Abu-Jamal
Mumia Abu-Jamal
Der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal ist 68 Jahre alt. Mehr als 41 Jahre seines Lebens hat er inzwischen im Gefängnis verbracht, über 30 Jahre davon in der Todeszelle. Erst vorletztes Jahr wurde der juristische Weg dafür freigemacht, die Rechtmäßigkeit seines Verfahrens neu zu bewerten und damit letztlich vielleicht auch seine Freiheit zu erlangen.

Am 09. Dezember 1981 wurde Mumia Abu Jamal in Philadelphia, USA verhaftet, nachdem bei einem Schusswechsel ein Polizist getötet und er selbst schwer verletzt wurde. Er wurde verurteilt für einen Polizistenmord, der ihm untergeschoben wurde, wie ein bereits vor Jahren bekannt gewordenes Geständnis des mutmaßlichen Täters deutlich machte. Der afroamerikanische Aktivist kämpft seit seiner frühesten Jugend - damals als Pressesprecher der Black Panther Party - und bis heute als freier Journalist - gegen Rassismus, Polizeigewalt, Klassenherrschaft und Krieg. Dabei ist Mumia „nur“ einer von zahlreichen Gefangenen, die vom rassistischem Apparat der USA in die Knäste gesteckt wurden. Unter anderem zahlreiche AktivistInnen der Black Panther Party oder des American Indian Movement sitzen bereits mehrere Jahrzehnte hinter Gittern ohne dass ihnen jemals etwas nachgewiesen werden konnte.

Seine staatliche Hinrichtung konnte zwar 2011 endgültig verhindert werden, Mumia Abu-Jamal schwebt dennoch in Gefahr. So erkrankte er schwer an Covid 19 und überstand eine Herzoperation.

Mumia Abu-Jamal betonte seinerseits stets, dass es ihm nicht um sich, sondern um die zahlreichen anderen InsassInnen in den Todestrakten und Knästen geht. Eine breite und weltweit aktive Solidariätsbewegung fordert seit seiner Festnahme seine Freiheit:
"Die Forderung nach Freiheit für Mumia Abu-Jamal beinhaltet auch die Analyse der Gründe für seine Verurteilung, die alle in der US Gesellschaftsordnung begründet liegen:

  • institutioneller Rassismus in Verfassung, Justiz und Polizei

  • Klassenjustiz durch „Nichtverteidigung“ (oft auch Pflichtverteidigung genannt) armer Angeklagter, hauptsächlich People Of Color

  • Kriminalisierung von People Of Color (stop and search policies)

  • Anpassung der US Verfassung durch „Plea Bargains“ und „Three Strikes“ Regeln

  • Fortführung der Sklaverei unter anderem Namen (der Gefängnisindustrielle Komplex inhaftiert überwiegend People Of Color und das ist systematisch)

  • die Todesstrafe

  • politische Repression und (ehemals geheimdienstliche - COINTELPRO - inzwischen aber offizielle) Aufstandsbekämpfung"


Mehr Information:

www.freiheit-fuer-mumia.de
Free Mumia Berlin

Um in den USA die Bewegung zu seiner Freilassung bei den politischen und juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen, werden dringend Spenden gebraucht:

Rote Hilfe e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN:
DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: "Mumia"

Darüber hinaus freut Mumia sich über Briefe:

Smart Communications / PADOC
Mumia Abu-Jamal, #AM 8335
SCI Mahanoy
P. O. Box 33028
St Petersburg, FL 33733
USA

Gegen Todesurteil: Keith Lamar im Hungerstreik

Foto von Keith Lamar. Darüber gelegt: On November 16th 2023, the State of Ohio intends to kill me. I'm innocent. Keith LamarDer Hinrichtungstermin für Keith LaMar wurde festgelegt: 16. November 2023.

Keith ist am Montag in den Hungerstreik getreten.

Keith LaMar ist sowohl unschuldig als auch ein Opfer von staatsanwaltschaftlichem Fehlverhalten und der vorsätzlichen Unterdrückung von wichtigen Beweisen. Keith stellt das System staatlicher Macht und staatlicher Gewalt direkt in Frage: dasselbe System, das ihm den Mord angehängt hat.

Keith LaMar und ich waren Kläger in "Hanrahan v. Mohr". Wir haben bewiesen, dass der 1. Verfassungszusatz es wert ist, dafür zu kämpfen. Wir haben das Ohio Department of Corrections herausgefordert. Wir verteidigten das Recht von Keith und anderen der Lucasville 7 plus, ihre Geschichte erzählen zu dürfen.

Gemeinsam versuchten die klagenden Gefangenen und die klagenden Journalisten in Hanrahan v. Mohr, das Versprechen der Verfassung wahr zu machen. Der Fall wurde von Alice und Staughton Lynd initiiert und verhandelt, die verstanden, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung die Grundlage für Würde, Selbstbestimmung und letztlich Gerechtigkeit ist.

Heute stehen wir erneut an der Seite von Keith LaMar. Wir wollen Gerechtigkeit.

Keith ist stark, wortgewandt und unschuldig.

Wir werden dafür kämpfen, seinen Tod und seine Hinrichtung zu verhindern. Wir werden seine Freilassung fordern.

Wir werden seinem Streben nach Freiheit Nachdruck verleihen.

Es gibt keinerlei physische Beweise dafür, dass Keith LaMar jemanden ermordet hat, oder dass er der Anführer bei den Morden an nicht weniger als vier Insassen war. Der Staat legte Zeugenaussagen von anderen Gefangenen vor, die tatsächlich an den Morden in der Lucasville Correctional Facility beteiligt waren, die Keith als Rädelsführer benannten und die einen Deal erhielten und in einem Fall nie strafrechtlich verfolgt wurden. Der Staat unterdrückte Beweise für Keiths Unschuld, Beweise, die er in seinem Besitz hatte und die er in Keiths Prozess absichtlich unterdrückte.

Die unterdrückten Schlüsselbeweise (Brady-Verstöße) wurden tatsächlich als Beweismittel zugelassen und von den Staatsanwälten in späteren Lucasville-Prozessen verwendet. Als die Gerichte auf diese schwere Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht wurden, verweigerten sie Keith und seinen Anwälten die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Das Sechste Bundesberufungsgericht und der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigten die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass diese wichtigen Dokumente nicht herausgegeben werden müssten, weil sie nicht "wesentlich" seien. Diese Entscheidungen deuten darauf hin, dass die Richter glauben, dass kein einziger Geschworener durch eine Anfechtung oder einen Unschuldsbeweis beeinflusst worden wäre, dass irgendwie das Gewicht der anderen (nicht vorhandenen) physischen Beweise ihn verurteilt hätte.

Keiths Verteidigung wurde das grundlegende Recht auf alle Aussagen derjenigen, die gegen ihn ausgesagt haben, verweigert, einschließlich der Aussagen, die ihn hätten entlasten können. (Siehe Lucasville Uprising von Staughton Lynd und andere Materialien von Staughton und Alice Lynd)

Keith hat nun keine Möglichkeit mehr, direkt in Berufung zu gehen. Das einzige, was seiner Hinrichtung im November noch im Wege steht, ist der katholische republikanische Gouverneur Mike DeWine.

Keith hat während der gesamten dreißig Jahre, die er in Einzelhaft verbracht hat, für seine Unschuld gekämpft. Seine leidenschaftlichen Prison Radio-Kommentare und sein kraftvolles Buch Condemned (Verurteilt) beschreiben diese Tortur im Detail. (Sie können sein Buch hier kaufen)

Wir müssen dringend etwas unternehmen, um Keiths Rechtsstreit zu unterstützen und die Aufmerksamkeit auf seine ungerechte Behandlung zu lenken. Besuchen Sie www.keithlamar.org, um mehr über seinen Fall zu erfahren und wie Sie helfen können.

Während Keith in den Hungerstreik tritt, dürfen wir nicht vergessen, dass die Richtlinien des Ohio Department of Rehabilitation and Corrections (ODRC) 1 für Hungerstreiks darauf bestehen, dass "notwendige Gewalt" gegen diejenigen angewendet wird, die sich nicht an die Richtlinien halten.

Es ist mehr als zynisch, dass diese Tradition des Protests gegen den Tod durch Hungerstreik - von jemandem mit einem Hinrichtungstermin - mit Gewalt beantwortet wird, um ihn am Leben zu erhalten.

Dies macht deutlich, dass das System nicht nur Keiths Tod will, sondern auch sein Schweigen, während sie ihn töten. Sie fürchten, was er repräsentiert, seine Sache, seinen Fall und seine Stimme.

Keith wurde gesagt, dass eine Eskalation zum Hungerstreik dazu führen wird, dass er in der TPU untergebracht wird und seine verdienten Privilegien (einschließlich Kommunikation und Vollkontaktbesuche usw.) verliert.

Wir werden von der ODRC verlangen, dass sie sich während des Hungerstreiks gründlich um Keiths medizinische Bedürfnisse kümmert und die Androhung von Strafmaßnahmen einstellt, weil er zu Recht friedlich gegen die Missstände protestiert, unter denen er leidet. Er darf nicht von der Kommunikation mit seinen Angehörigen abgeschnitten werden.

Wenn wir kämpfen, gewinnen wir,

Noelle Hanrahan, Esq.

Juristischer Direktor

ODRC-Richtlinie 68-MED-17, Hungerstreik, geltend ab 1. März 2021 (PDF)

Quelle: prisonradio.org

Wer ist Keith Lamar? 
Im Alter von 13 Jahren wurde Keith Lamar bei einer Spritztour mit einem gestohlenen Auto in Cleveland erwischt. Er gestand seine Schuld ein und verbüßte sechs Monate Jugendhaft.

Ein paar Jahre später wurde er beim Diebstahl von Schmuck erwischt. Er bekannte sich schuldig und verbüßte zwei Jahre für dieses Verbrechen.

Im Alter von 19 Jahren, 1989, wurde er wegen Mordes bei einem schief gelaufenen Drogendeal angeklagt. Auch hier bekannte er sich schuldig und verbüßte eine Haftstrafe von 18 Jahren bis lebenslänglich.

Vier Jahre später, am Ostersonntag 1993, wurde Lamar beschuldigt, die Ermordung von fünf Mitgefangenen in Lucasville, Ohio, organisiert zu haben, was bis heute der größte Gefängnisaufstand in der Geschichte des Staates ist.

Von Anfang an hat er jede Verantwortung für den Aufstand und die Morde bestritten.

Quelle 

cronjob