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Ende Gelände 2022 - Shut down bullshit industries!

Blockierer:*innen mit Transparent: "Shutdown Bullshit Industries! Blockieren! Sabotieren! Enteignen!" Foto:  © Fabian Steffens via Umbruch Bildarchiv
Foto: © Fabian Steffens via Umbruch Bildarchiv
"Wir haben in dieser Woche gezeigt: die Klimagerechtigkeitsbewegung hat volle Power. Wer im Jahr 2022 noch in fossile Infrastruktur investiert, muss mit unserem Widerstand rechnen. Wir stehen eng zusammen gegen den fossilen Kapitalismus und koloniale Ausbeutung. Mit uns gibt es kein fossiles Rollback. We shut bullshit industries down!“
Luka Scott, Sprecher*in von Ende Gelände.

Vom 9. bis zum 14.08.2022 traf sich ein breites Bündnis zum System Change Camp in Hamburg. Eine Woche lang kamen Tausende zu Veranstaltungen und spannenden Workshops zu Klimagerechtigkeit und Antikolonialismus zusammen und tauschten sich aus mit dem Ziel, regionale und internationale Kämpfe zu verbinden. Rund 3.000 Menschen beteiligten sich in diesem Rahmen an Aktionen zivilen Ungehorsams von Ende Gelände -“ gegen die geplanten Flüssiggas-Terminals an der norddeutschen Küste, gegen den Ausbau fossiler Infrastruktur diesseits und jenseits des Atlantiks und gegen die Kontinuität neokolonialer Ausbeutung durch Energiekonzerne.
Ende Gelände war zeitlich und in der Fläche breit aufgestellt. Bereits am Donnerstag, den 11. August, hatte eine Gruppe von Klimaaktivist*innen das Zufahrtstor des Kunstdüngerherstellers Yara in Brunsbüttel, Schleswig-Holstein, blockiert. In Brunsbüttel soll einer der Terminals für Flüssiggas entstehen, von dem Yara als Großverbraucher von fossilem Gas profitieren will- Am Freitag legte Ende Gelände nach, besetzte die Baustelle für das geplante Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven in Niedersachsen und störte die Arbeit dort nachhaltig. Höhepunkt der Aktionswoche waren Blockaden in Hamburg am Samstag. Aktivist*innen blockierten zentrale Schienen- und Straßenverbindungen im Hamburger Hafen. Für neun lange Stunden war mitten in Europa ein wichtiger Umschlagplatz für Öl und Steinkohle lahmgelegt.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

Die Fotos für diesen Rückblick stammen von Channoh Peepovitz, Tim Wagner, Pay Numrich, Sebastian, Fabian Steffens, Mervin Goldschmidt und Jens Volle. Vielen Dank dafür!

Weitere Ereignisse zu diesem Thema

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Ohnmacht und Isolation

Das Foto zeigt Erich Fromm vor einem Berg an Büchern  in einem blauen Sakko beim Schreiben
Erich Fromm (1974) Foto: Müller-May / Rainer Funk Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

"Ein Mensch jedoch, der nicht völlig entfremdet ist,
der noch immer empfindsam geblieben ist und noch fühlen kann,
der noch nicht den Sinn für Würde verloren hat,
der nicht käuflich ist,
der am Leiden anderer selbst noch zu leiden vermag,
der noch nicht vollständig in der Existenz Weise des Habens lebt,
kurzum jemand, der noch Person geblieben ist, kein Ding,
ein solcher Mensch kann nicht anders, als sich in der heutigen Gesellschaft einsam, ohnmächtig und isoliert zu erleben."

Erich Fromm

Friedrich Engels: Über den (sehr zweifelhaften) Sieg des Menschen über die Natur

Friedrich Engels ca. 1858
Friedrich Engels ca. 1858

Was den ganzen bürgerlichen Schwätzer:Innen von wegen "Das konnte keiner ahnen" (ebenso wie den ganzen Salonlinken, die von der neuen Qualitiät der Umweltfrage in Form der drohenden Klimakatastrophe als zentraler Frage, die die Existenz der Menschheit akut bedroht, nichts wissen wollen) um die Ohren zu hauen ist:

"(...) Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen. Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirgs so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht, daß sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet die Wurzel abgruben; sie ahnten noch weniger, daß sie dadurch ihren Bergquellen für den größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütendere Flutströme über die Ebene ergießen könnten. Die Verbreiter der Kartoffel in Europa wußten nicht, daß sie mit den mehligen Knollen zugleich die Skrofelkrankheit verbreiteten. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht - sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können. (...)

Wenn der einzelne Fabrikant oder Kaufmann die fabrizierte oder eingekaufte Ware nur mit dem üblichen Profitchen verkauft, so ist er zufrieden, und es kümmert ihn nicht, was nachher aus der Ware und deren Käufer wird. Ebenso mit den natürlichen Wirkungen derselben Handlungen. Die spanischen Pflanzer in Kuba, die die Wälder an den Abhängen niederbrannten und in der Asche Dünger genug für eine Generation höchst rentabler Kaffeebäume vorfanden - was lag ihnen daran, daß nachher die tropischen Regengüsse die nun schutzlose Dammerde herabschwemmten und nur nackten Fels hinterließen? Gegenüber der Natur wie der Gesellschaft kommt bei der heutigen Produktionsweise vorwiegend nur der erste, handgreiflichste Erfolg in Betracht; und dann wundert man sich noch, daß die entfernteren Nachwirkungen der hierauf gerichteten Handlungen ganz andre, meist ganz entgegengesetzte sind, daß die Harmonie von Nachfrage und Angebot in deren polaren Gegensatz umschlägt, wie der Verlauf jedes zehnjährigen industriellen Zyklus ihn vorführt und wie auch Deutschland im »Krach« ein kleines Vorspiel davon erlebt hat; daß das auf eigne Arbeit gegründete Privateigentum sich mit Notwendigkeit fortentwickelt zur Eigentumslosigkeit der Arbeiter, während aller Besitz sich mehr und mehr in den Händen von Nichtarbeitern konzentriert (...)"

Friedrich Engels, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung der Affen aus: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR. 1962. »Dialektik der Natur«, S. 444-455. 1. Korrektur. Verfasst im Juni 1876.

Das Eisenbahngleichnis

Erich Kästner 1961 Foto: von Basch Lizenz: [CC BY-SA 3.0 nl]

Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.

Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.

Wir packen aus, wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.

Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.

Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und keiner weiß, warum.

Die erste Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.

Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.

Erich Kästner

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