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„Betty Rosenfeld - Zwischen Davidstern und roter Fahne“

Buchcover „Betty Rosenfeld –“ Zwischen Davidstern und roter Fahne“Ein Buch wie ein Ziegelstein: fast anderthalb Kilo schwer, 672 Seiten stark.

Ein Buch, das auch wie ein Ziegelstein einschlägt in die Stuttgarter erinnerungspolitische Debatte, die geprägt ist von der Sehnsucht der CDU nach den „geordneten Verhältnissen“ der Monarchie und der Frage, ob das Denkmal des letzten württembergischen Königs vor oder neben dem Stadtpalais stehen soll.

Betty Rosenfeld war die einzige Stuttgarterin, die aktiv am Spanischen Bürgerkrieg teilnahm: Als Krankenschwester im Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden.

Dies sind die wesentlichen Stationen ihres Lebens:

Aufgewachsen in Stuttgart in einem bürgerlich-jüdischen Elternhaus entwickelt sie sich zur Kommunistin, ist im Widerstand gegen den Hitlerfaschismus aktiv, durch den Verfolgungsdruck der Nazis in die Emigration gezwungen, flieht sie nach Palästina und macht sich von dort ohne eine Minute zu zögern auf nach Spanien, um der Spanischen Republik gegen den Putsch der Franco-Faschisten beizustehen.

Nach der Niederlage der Spanischen Republik wird sie in Frankreich interniert und letztlich von den Nazi-Faschisten in Auschwitz ermordet.

Das vorliegende Buch über dieses prallvolle Leben ist weit mehr als eine „Biographie“, die die historischen Fakten rekapituliert.

Vor dem inneren Auge des Lesers entsteht ein komplexes Bild der handelnden Personen durch die Ausleuchtung des gesellschaftlichen und politischen Hintergrunds, vor dem diese agieren.

Durch die Verbindung mit der Beschreibung ihrer individuellen Lebensverhältnisse und Charakteristiken erscheinen die Individuen so als „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“(Karl Marx) und das ist im wahrsten Sinn des Wortes beeindruckend.

So beschreibt der Autor selbst seine Methode:

„Wenn keine biographischen Bezüge vorliegen, dient die Erhellung des historischen Rahmens einer Einordnung in den situativen Kontext. Sämtliche Details, selbst Farbangaben von Pullovern, basieren auf dokumentierten Tatsachen“(S.659).

Selten ist z.B. der verzweifelte Kampf einer jüdischen Familie gegen die böswillig bürokratischen Hindernisse der Immigrationsbehörden verschiedener Länder so hautnah dargestellt worden, der Leser erlebt, wie sich eine Hoffnung nach der anderen zerschlägt, die Schlinge sich immer enger zieht.

Der akribischen Recherchearbeit des Autors verdanken wir auch bisher weitgehend unbekannte Einblicke in die Verzweigtheit und Dimension des kommunistischen Widerstands, die die vorherrschende Überbetonung des bürgerlichen Widerstands Lügen straft.

Gegenüber Persönlichkeit und Lebensleistung von Betty Rosenfeld nimmt sich der letzte württembergische König wie ein Witzfigur aus, zwergenhaft wie seine zeitgenössischen Vertreter von Nopper bis Kotz.

Nach dem Ende der Stuttgarter „Königswochen“ aus Anlass des 100.Todestages seiner Majestät stellte der Direktor des Hauptstaatsarchivs fest, “Geschichte müsse ebenso von den Untertanen her betrachtet werden.“

Leider gäbe es fast nur „Dokumente von oben“.

Dem Manne kann geholfen werden:

Der Autor Michael Uhl hat fünf Jahre lang alle Dokumente, die es weltweit über das Leben der Betty Rosenfeld gibt, aufgespürt, gesichtet und ausgewertet.

Dem dringend notwendigen Perspektivewechsel hin zu einer Stadtgeschichte von unten steht also nichts mehr im Wege.

Dazu wäre –“ neben einer Ausstellung im Hauptstaatsarchiv und im Stadtpalais über das Leben der Betty Rosenfeld –“ die Einrichtung eines öffentlichen Erinnerungsortes angebracht.

Der Bismarckplatz im Stuttgarter Westen würde sich dafür anbieten: Zum einen könnte ein weiterer Platz vom reaktionären Erbe der deutschen Geschichte befreit werden.

Zum anderen wird der Platz gerade ohnehin neu gestaltet: Neuer Platz, neuer Name!

Uhl, Michael: Betty Rosenfeld. Zwischen Davidstern und roter Fahne. Biographie
1. Auflage 2022
704 Seiten, gebunden
Schmetterling Verlag
ISBN 3-89657-036-6

Zwei Jahre nach Hanau: Erinnerung ist Widerstand!

Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv
Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv
Mehr als tausend Menschen gedachten am 19. Februar 2022 am Mahnmal am Oranienplatz an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih SaraçoÄŸlu, Kaloyan Velkov und Ferhat Unvar, die aus rassistischen Motiven in Hanau ermordet worden sind.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

Am 19. Februar 2020 kamen neun junge Migrant*innen in der Stadt Hanau durch einen rassistischen Anschlag auf Shisha-Bars und einen Imbiß ums Leben. Zum Gedenken an die Ermordeten fanden am zweiten Jahrestag insgesamt 123 Gedenkveranstaltungen in 109 Städten Deutschlands statt. Die größten Gedenkveranstaltungen waren von der Initiative 19. Februar in Hanau und von verschiedenen Gruppen in Berlin organisiert worden.

Das Bündnis in Berlin, bestehend aus Aktionsbündnis Antirassismus (ABA), Migrantifa Berlin, We–™ll Come United und Wedding United organisierte drei große Gedenkveranstaltungen. An den beiden Gedenkkundgebungen am Leopoldplatz/Wedding und am Oranienplatz/Kreuzberg nahmen zwei- bis dreitausend Menschen teil.

Der Platz um den Gedenkstein am Oranienplatz füllte sich sehr schnell, so dass der Straßenverkehr gesperrt werden musste. Teilnehmer*innen der Gedenkkundgebung trauerten und legten Blumen um die Kerzen am Gedenkmal. Im Rahmen des Programm, das bis 18 Uhr dauerte, wurden mehrere Audiofiles der Angehörigen, die in der Initiative 19. Februar Hanau organisiert sind, abgespielt. Die „Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas“ erinnerte an den heimtückischen Anschlag eines Rassisten auf junge Migranten in Neukölln, bei dem zwei Jungs schwer verletzt wurden und der 22 Jährige Burak seinen Schussverletzungen erlag. Die Beratungsstelle ReachOut nannte Fälle und Zahlen bezüglich rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung in Berlin. In den Beiträgen von Amaro Foro und Romani Phen ging es um die historische und aktuelle Diskriminierung und Ausgrenzung von Roma und Sinti in Deutschland.

In den Redebeiträge wurden immer wieder die Namen der Ermordeten genannt und die offenen Fragen aufgeworfen, indem auf die Verantwortung der Polizei und anderer staatlicher Institutionen vor, während und nach dem Mord hingewiesen wurde.

Die Auftritte der Musikgruppe des Vereins Allmende, der kurdischen Sängerin Agir, eines Rappers und der Theatergruppe Theater X bereicherten das Programm. Begleitend zur Band Allmende machte das „Orchestra der Anderen“ mit seinem „Hanau –“ Niemals vergessen“ Banner auf sich aufmerksam.

Am abend schlossen sich rund zehntausend Menschen, meist Jugendliche, der Demonstration an, die um 19.30 Uhr am Zickenplatz begann. Die Gruppe Migrantifa Berlin, die die Demo prägte, räumte den Betroffenengruppen Platz für ihre Beiträge ein. –“ Garip –“
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