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Berlin: Meuterei geräumt

Foto: © Mike Menzel via Umbruch Bildarchiv Berlin
Am 25. März um 8:18 Uhr wurde die Kiezkneipe Meuterei aus den Räumlichkeiten der Reichenberger Straße 58 geräumt. Nach knapp zwei Jahren ohne Mietvertrag wurde die kollektiv-geführte Kneipe nun aus der Nachbarschaft verdrängt. Die Räumung fand unter einem massiven Polizeieinsatz statt, bei dem ein ganzer Straßenblock zur Roten Zone erklärt wurde. An den Absperrungen versammelten sich mehrere hundert Menschen, um gegen die Räumung zu protestieren. Bereits im Vorfeld hatte es Demonstrationen, Kundgebungen und Solidaritätsbekundungen gegeben. Hier ein Fotorückblick auf die Aktionen und ein Blick nach vorne von der Meuterei: „Wir werden uns wieder sehen, ob auf Plena oder bei Aktionen. Wir werden weiterhin aktiv bleiben und einen Raum für die Meuterei in der Nähe suchen. Unsere Räume wurden uns genommen, doch die Meuterei bleibt.“

Wir sind wütend. Wütend darüber, dass über Jahre aufgebaute rebellische & solidarische Kiezkultur immer wieder zerstört wird. Durch die B., Investorinnen, in unserem Fall Goran Nenadic, der Justiz und der Politik. Wir sind wütend, dass Lebens- und Wohnräume für Profite zerstört werden. Wir sind wütend, dass der „Berliner Charme- beworben wird durch Spekulantinnen, die Menschen verdrängen, die diesen über Jahrzehnte mitgeprägt haben. Und dies nur, um daraus Profit zu schlagen. Aber wir sind auch dankbar, für eure Aktionen, eure Solidarität und für all die Jahre, in denen ihr mit uns gemeinsam die Meuterei zu diesem Ort gemacht habt, den wir so sehr lieben. Der Ort, an dem wir zusammen politisch aktiv waren, an dem wir zusammen ein Getränk trinken konnten, uns austauschen und ein wenig unsere Utopien leben und erlebbar machen konnten. Wir können es einfach nicht oft genug sagen: Danke. Vielen Dank, dass ihr uns in diesen Tagen, Wochen und Jahren bis zu diesem Moment beigestanden seid. Wir werden nicht aufhören, unsere Arbeit weiterzuführen, auch wenn dies erstmal ohne Räume passieren wird. Wir werden uns wieder sehen, ob auf Plena oder bei Aktionen. Wir werden weiterhin aktiv bleiben und einen Raum für die Meuterei in der Nähe suchen. Unsere Räume wurden uns genommen, doch die Meuterei bleibt. -“ Das Meutereikollektiv -“

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7. April 1919: Münchner Räterepublik. Ernst Toller

Foto, entstanden im Gefängnis zwischen 1919 und 1924. Quelle: National Library of Israel, CC BY 3.0
Ernst Toller gehört 1918/19 zu den Hauptakteuren in Revolution und Räterepublik, er rief zusammen mit Gustav Landauer, Erich Mühsam u. a. am 7. April 1919 die Münchner Räterepublik aus. Am Morgen des 4. Juni 1919 wird Ernst Toller verhaftet. In den ersten Maitagen hatte er sich gerade noch vor den brutal vorgehenden Soldaten der gegenrevolutionären „Weißen Garden“ verstecken können. Nach aufreibenden Fluchten von Quartier zu Quartier hatte er im Haus des Kunstmalers Hans Reichel ein Versteck gefunden.

"Die Verteidigung Tollers übernahmen in der Hauptsache der Berliner Rechtsanwalt Hugo Haase [...] daneben die Münchener Rechtsanwälte Anton Gänßler und Adolf Kaufmann. Insgesamt waren zur Verhandlung 50 Zeugen geladen, neben Max Weber auch die Schriftsteller Max Martersteig, Björn Björnsen und Max Halbe. Sie sollten im Sinne der Verteidigung mit Gutachten über Tollers dichterisches Werk für dessen ethische Grundhaltung zeugen [...]. Carl Hauptmann und Thomas Mann ließen ihre diesbezüglichen schriftlichen Äußerungen von den Verteidigern verlesen." (Max Weber: Zur Neuordnung Deutschlands: Schriften und Reden 1918-1920, Studienausgabe Bd. 16, hg. Wolfgang J. Mommsen u.a., Tübingen 1991, S. 234)

Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit für den Inhaftierten wurde ihm 1920 von der bayerischen Landesregierung anlässlich der 100. Aufführung des bereits 1917/18 geschriebenen Dramas Die Wandlung die Begnadigung angeboten. Diese lehnte Toller mit der Begründung ab, dass er gegenüber den anderen Gefangenen nicht bevorzugt werden wolle, nachdem seine Forderung nach einer allgemeinen Amnestie für alle Revolutionäre der Räterepublik abgelehnt wurde.

"In den zwanziger Jahren war Ernst Toller der bekannteste lebende Dramatiker deutscher Sprache. Sein Bühnenerstling 'Die Wandlung' (1919) gilt als eines der Schlüsselwerke des dramatischen Expressionismus. In seiner berühmten, noch heute fesselnden Autobiographie 'Eine Jugend in Deutschland' (1933) schildert Toller exemplarisch für seine Generation seine durch den Ersten Weltkrieg geprägte Wandlung 'vom Patrioten zum Pazifisten'."
Wallstein Verlag, Anmerkung zur kritischen Gesamtausgabe.

"Er war einer der ganz wenigen, die präzise und analytisch vorhergesagt haben, wie Hitler funktioniert und was passieren wird, wenn die Nazis an die Macht kommen. Er hat auch früh entdeckt, welchen Anteil daran die Medien haben und wie die Nazis mit neuen Medien umgehen. Deswegen ist er ja auch von den Nazis angegriffen worden. Die Kommunisten haben Ihn, weil er eher aus dem Anarchismus gekommen war, ebenfalls angefeindet. Zwischen diesen Blöcken Ist er zerrieben worden.- (Albert Ostermaier, 2002)

"Ich habe eine stille Liebe zu Tollern. Der Mann hat das, was wir heute alle sagen, in jenen Jahren 1916 und 1917 gesagt, als das noch Kopf und Kragen kostete; er hat seine Gesinnung auch im Krieg entsprechend bestätigt; er hat diese Gesinnung durchgehalten, mit der Tat und mit dem Wort, und er hat für diese seine Gesinnung bezahlt. Und das darf man nie vergessen." (Kurt Tucholsky, 1931)

Ernst Toller hat sich kurz nach der Niederlage der spanischen Republik am 22. Mai 1939 im Mayflower Hotel am Central Park in New York erhängt. Schon seit Jahren hat er auf Reisen einen Strick in seinem Koffer mitgeführt. „Nicht, weil er schlechtere, sondern weil er feinere Nerven als seine Mitkämpfer gegen den Faschismus gehabt hat“, so der Schriftsteller Sinclair Lewis bei seiner Beerdigung bei der er zusammen mit Oskar Maria Graf die Totenreden hielt. Klaus Mann verlas ein Grußwort seines Vaters Thomas.

Lesehinweise:

Dramen
1919 - Die Wandlung
1922 - Die Maschinenstürmer
1923 -“ Der deutsche Hinkemann
1939 - Pastor Hall

Prosa und Lyrik
1924 - Das Schwalbenbuch
1930 - Feuer aus den Kesseln
1933 - Die blinde Göttin
1936 - Eine Jugend in Deutschland
1934 - Nie wieder Friede
1935 - Briefe aus dem Gefängnis

Blogkino: Testament Stuart Christie (2009)

Im Rahmen unserer Reihe Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus zeigen wir in der Kurzreihe "Testament" das von Duncan Pickstock geführte Gespräch mit dem Herausgeber der "Black Flag", Stuart Christie. Der am 15. August 2020 an Lungenkrebs verstorbene Stuart wurde 1964 wegen der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages auf den spanischen Diktator Franco verhaftet und zu 20 Jahren Knast verurteilt. Auf internationalen Druck hin (unter anderem mit der Unterstützung von Bertrand Russell und Jean-Paul Sartre) wurde er bereits nach drei Jahren Haft freigelassen und konnte nach Großbritannien zurückkehren.

Berlin: Housing Action Day

Foto: © Oliver Feldhaus / Umbruch Bildarchiv Berlin
Die diesjährige Mietenwahnsinns-Demo fand am 27. März, dem Housing Action Day statt. Bereits im 4. Jahr und in internationaler Tradition gingen in Berlin mehr als tausend Menschen und zahlreiche Initiativen auf die Strasse. In weiteren 64 Städten gab es an diesem Tag Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen.

Der Aufruf stand unter dem Motto: „Wohnen für Menschen statt für Profite“, was die antikapitalistische Ausrichtung der Proteste deutlich machte. Immer mehr Gruppen schließen sich der Mieter*innenbewegung an, denn das Recht auf Wohnen verbindet unsere Kämpfe. Gerade in Berlin, wo große Immobilienfirmen durch Unterschriften demnächst enteignet werden sollen und ein Mietendeckel für wirklich viele Mieter*innen eine aktuelle Entlastung bringt, gehen aber die Zwangsräumungen auch in der Pandemie voran. Die Kollektivkneipe Meuterei, in der man sich nicht nur zum Pläne schmieden traf -“ wurde die Woche zuvor geräumt. Das Polizeiaufgebot, das die Zwangsräumung begleitet hatte, zeigte den „Respekt“, den Berlins Innensenator Geisel der Mieter*innenbewegung zollt.

Aber es wird weiter Unruhe geben, denn wir kämpfen für eine solidarische Stadt. Die Demonstration war erst der Auftakt in diesem Jahr. -“ Karin vom Bündnis gegen Zwangsräumungen -“

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Stuttgart: Corona-Party mit Polizeischutz

Foto: demosanitaeter.com
Am heutigen Samstag waren gleich mehrere Versammlungen aus dem Umfeld der Initiative "Querdenken711" angemeldet. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen riefen zum Gegenprotest auf. Mit Fahrrad und Maske wurde gegen rechte Strukturen und die Missachtung von Infektionsschutzregeln demonstriert und zeitweise die Demonstrationsroute der Querdenken-Demonstration blockiert. Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. sicherte diese Gegenproteste mit einer Fahrradstreife sanitätsdienstlich ab. Es mussten 2 Personen behandelt werden. Unsere Sanitätskräfte wurden bei der Ausübung ihrer Aufgaben nicht behindert.

Während die Polizei schon um die Mittagszeit die Gegenproteste mit einem Großaufgebot einkesselte und später erkennungsdienstlich behandelte, sowie Platzverweise aussprach, konnte die Querdenken-Demonstration trotz massenhaft offensichtlichster Verstöße gegen die Infektionsschutzauflagen weitgehend unbehelligt ihrer Wege ziehen. Sowohl Masken, als auch ausreichende Abstände waren auf der Querdenken-Demonstration kaum zu sehen. Trotz der inzwischen durch Studien belegten Gesundheitsgefahr durch solche Aufzüge schritt die Polizei kaum ein und begründete dies mit einem angeblich dadurch entstehenden Infektionsrisiko durch Aerosole. Aus den Erfahrungen von nunmehr einem Jahr waren massive Verstöße gegen Infektionsschutzregeln bereits im Vorfeld absehbar. Trotzdem entschloss sich die Stadt Stuttgart nicht dazu, ein Verbot dieser Versammlungen auszusprechen.

Angesichts der aktuell 3. Welle der Pandemie und der sich verschärfenden Situation auf den Intensivstationen möchte die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. ihr Unverständnis über diese Vorgehensweise der Behörden zum Ausdruck bringen. Es kann angesichts der Gesundheitsrisiken für die gesamte Bevölkerung nicht sein, dass Superspreader-Events vom Staatsapperat auch noch geschützt werden, statt sie konseqeunt aufzulösen. Die Begründungen des Polizeipräsidiums Stuttgart können wir nur als absurd zurückweisen. Aerosole entstehen auch in einer großen schreienden Menschenmenge und führen ohne Maske und Abstand mit zunehmender Zeit zu mehr Infektionen. Lediglich ein schnelles und konsequentes Eingreifen hätte Übertragungen durch kürzere Kontaktzeit effektiv verhindern können. Gerne kommen wir unserem medizinischen Bildungsauftrag nach und erklären den Verantwortlichen nochmals ausführlich, dass die Infektionswahrscheinlichkeit vor allem von der Erregerdosis abhängt, die wiederrum mit der Zeit ansteigt. Wir bitten das Polizeipräsidium Stuttgart die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zum Infketionsschutz, insbesondere die Einhaltung der sogenannten AHA-Regeln, ernst zu nehmen und keine gegenteiligen, wissenschaftlich nicht haltbaren Theorien zu verbreiten.

Gegenproteste mit Masken werden hingegen regelmäßig eingekesselt, zusammengedrängt, sodass Abstände nicht mehr eigehalten werden können und anschließend aufgelöst. Demonstrationen, wie die Gedenkdemonstration in Hanau, bei denen eine Einhaltung der Infektionsschutzregeln erwartbar war, wurden stattdessen trotz niedrigerer Inzidenzen oft verboten. So kann nur der Eindruck entstehen, dass Polizei und Behörden immer wieder aufs Neue mit zweierlei Maß messen, statt aus den vergangenen Monaten zu lernen und konsequent den gesamtgesellschaftlich relevanten Infektionsschutz durchzusetzen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 29

Rede für den Frieden

Foto: © Jörg Kolbe, Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 dea
"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der Hamburger ist noch umringt von Ruinen und doch zögerte er, die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. „Der Regen von gestern macht uns nicht nass“, sagen viele.

Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."

Bertold Brecht (1952)

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