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#Corona in Erstaufnahmestelle Bremen: Treten Sie zurück, Frau Stahmann!

26. April 2020: Transnationales Netzwerk Afrique-Europe-Interact fordert Rücktritt von Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Bündnis90/Die Grünen) nach Corona-Masseninfektion in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in der Lindenstraße +++ Afrique-Europe-Interact unterstützt zudem die Forderung der zivilgesellschaftlichen Organisationen „Together we are Bremen“, „Bremer Flüchtlingsrat“ und „MediNetz Bremen“ nach sofortiger Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung Lindenstraße.

Das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact (das mit einer Mitgliedsgruppe auch in Bremen vertreten ist) fordert Anja Stahmann –“ die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport –“ zum Rücktritt auf. Ausschlaggebend für diese Rücktrittforderung ist weniger, dass es der zuständigen Sozialbehörde nicht gelungen ist, den massenhaften Corona-Ausbruch in der Bremer Erstaufnahmeeinrichtung Lindenstraße zu verhindern (mit mindestens 133 infizierten Geflüchteten). Denn hierfür trägt Anja Stahmann nicht die alleinige Verantwortung, das hat die politische Debatte in den letzten Wochen hinreichend gezeigt. Afrique-Europe-Interact geht es vielmehr um die Art und Weise, wie Anja Stahmann über dieses (von ihr maßgeblich mitverantwortete) Infektionsgeschehen spricht. Denn ihre gegenüber der Presse am 23.04.2020 getätigten Äußerungen waren von fehlender Sachkenntnis, Bagatellisierung und Diskriminierung geprägt. Damit zeigt sich, dass Anja Stahmann trotz ihrer fast 9-jährigen Zugehörigkeit zum Bremer Senat ganz offensichtlich von der aktuellen Krise überfordert ist. Statt einzugestehen, dass sich die Sozialbehörde mit ihrer Einschätzung getäuscht hat, wonach es möglich wäre, ein massenhaftes Infektionsgeschehen in der Lindenstraße zu vermeiden, streitet Anja Stahlmann mit sachlich falschen Argumenten und diskriminierender Wortwahl jede Verantwortung ab. In diesem Sinne ist Anja Stahmann als Vertreterin des sich zur Humanität und Weltoffenheit bekennenden Senats der Freien Hansestadt Bremen nicht mehr tragbar. Anja Stahmann sollte sich stattdessen zurückziehen und Platz für eine*n Nachfolger*in machen, die*der den Infektionsschutz (im Sinne eines Rechts auf Gesundheit) als ein unteilbares und deshalb offensiv zu verteidigendes Menschenrecht betrachtet.

Wir möchten das begründen –“ auch unter Verweis auf die Erfahrungen in unserem Netzwerk: Afrique-Europe-Interact ist in acht afrikanischen und drei europäischen Ländern aktiv. In Mali arbeiten wir im Rahmen ländlicher Entwicklung mit Dörfern zusammen, aus denen zahlreiche Migrant*innen unter anderem Richtung Europa aufgebrochen sind; in Niger unterstützen wir im Rahmen des Alarmphone Saharas Geflüchtete und Migrant*innen auf ihrem Weg durch die Sahara (https://alarmephonesahara.info/en/); in der marokkanischen Hauptstadt Rabat unterhalten wir ein Rasthaus für geflüchtete Frauen (https://afrique-europe-interact.net/1318-0-Das-Projekt.html); auf dem Mittelmeer sind wir an der Notrufnummer des Watch The Med Alarmphone beteiligt (https://alarmphone.org/de/); in Europa unterstützen wir Geflüchtete und Migrant*innen in ihrem Kampf um Rechte, nicht zuletzt Mitglieder unseres Netzwerks. Kurzum: Wir kennen die Realität auf den Flucht- und Migrationsrouten, und das ist hilfreich. Denn eine Erstaufnahmeeinrichtung ist lediglich der (vorläufige) Endpunkt einer langen, oft von Gewalt und Ausbeutung geprägten Flucht- bzw. Migrationsroute –“ ein Umstand, den es ausdrücklich zu berücksichtigen gilt, wenn man über die Unterbringung von Geflüchteten und Migrant*innen spricht.

Als der massenhafte Infektionsausbruch in der Lindenstraße bekannt wurde, äußerte sich Anja Stahmann am 23.04.2020 in den Abendnachrichten von „buten & binnen“ dahingehend, dass die Erkrankten „weitgehend beschwerdefrei“ seien und „nicht die schweren Erkrankungen“ aufweisen würden, die man aus dem Fernsehen kenne. Die Ergebnisse zeigten zudem, dass die Krankheit weiter verbreitet sei als oftmals angenommen, es gäbe ein „hohes Dunkelfeld“. Entsprechend wurde Anja Stahmann am 24.04.2020 in der Tageszeitung „taz“ mit den Worten zitiert: „Für Virologen ist das interessant.“

Mit Blick auf diese Äußerungen fragen wir uns nicht nur, wie Anja Stahmann angesichts der dynamischen Krankheitsverläufe bei Corona bereits jetzt davon sprechen kann, dass die Erkrankten lediglich milde Symptome hätten. Auch der englische Premierminister Boris Johnson hatte zunächst milde Symptome, um sich am 12. Tag plötzlich auf der Intensivstation wiederzufinden. Zudem fragen wir uns, ob Anja Stahmann die Berichte bekannt sind, wonach noch völlig unklar ist, ob es nicht auch langfristige Folgeschäden von Corona gibt. Und noch etwas irritiert an dieser Bagatellisierungsstrategie, mit der Anja Stahmann ganz offenkundig ihr schlechtes Gewisses beruhigen möchte (was zwar menschlich verständlich, für eine Senatorin aber völlig unangemessen ist): Ihre Behauptung, wonach der massenhafte Infektionsausbruch in der Lindenstraße auf das hohe Dunkelfeld von Corona verweise, ist sachlich falsch und irreführend. Denn eine Infektionsquote von 30 Prozent gibt es bislang nur in (halb-)geschlossenen Einrichtungen wie Pflegeheimen, Gefängnissen, Militäranlagen oder Gemeinschaftsunterkünften. Demgegenüber gehen Expert*innen von äußerst niedrigen Infektionsraten in der allgemeinen Bevölkerung aus, selbst in Heinsberg in Nordrhein-Westfalen (wo Corona im Februar erstmalig im großen Stil ausgebrochen ist) sollen sich gerade mal 15 Prozent aller Menschen infiziert haben. Umso unverständlicher ist, dass Anja Stahmann den massenhaften Krankheitsausbruch in der Lindenstraße zu einer „interessanten“ Angelegenheit für Virolog*innen erklärt. Eine solche Perspektive ist aus mindestens vier Gründen zynisch und diskriminierend: Erstens, weil Geflüchtete und Migrant*innen mit dieser Wortwahl zu Versuchsobjekten degradiert werden. Zweitens, weil den nunmehr Infizierten in den letzten Wochen ausdrücklich die Möglichkeit verwehrt wurde, sich gegen diese Erkrankung zu schützen (trotz zahlreicher Proteste). Drittens, weil dies bedeutet, dass Hunderte just an einem Ort in Quarantäne gezwungen werden, den sie ohnehin als bedrohliche Gefahr erleben. Und viertens, weil Anja Stahmann jede Empathie gegenüber den Infizierten bzw. in Zwangsquarantäne Geschickten vermissen lässt –“ von einer Entschuldigung im Namen der Sozialbehörde ganz zu schweigen.

Am dramatischsten –“ und das ist der hauptsächliche Grund unserer Rücktrittsforderung –“ ist unterdessen Anja Stahmanns völliges Unverständnis für die persönliche bzw. psychologische Situation der Geflüchteten und Migrant*innen in der Erstaufnahmeeinrichtung. Viele Bewohner*innen haben schreckliche Dinge erlebt, nicht nur in ihren Herkunftsländern, sondern auch auf den Flucht- und Migrationsrouten. Seit Jahren berichten Menschenrechtsorganisationen –“ darunter Afrique-Europe-Interact –“ von den fürchterlichen Situationen: Von überfüllten Lagern, ertrunkenen Familienmitgliedern oder Weggefährt*innen, Folterzellen, Versklavung, Vergewaltigung, Todesangst in der Wüste, auf dem Meer oder in Lastwagen, Rückschiebungen, willkürlichen Inhaftierungen, Massenrazzien oder polizeilicher Gewalt, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Erfahrungen streifen die Geflüchteten und Migrant*innen nicht ab, wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung ankommen. Vielmehr sind die entsprechenden Gefühle weiterhin präsent. Entsprechend problematisch ist es, wenn die Bewohner*innen keine Möglichkeit haben, sich gegen eine objektive Gefahr zu schützen –“ eine Gefahr, die auch von der übrigen Bevölkerung als hochgradig bedrohlich empfunden wird. Denn dann können die ganzen schmerzhaften Gefühle wieder hochkommen, die Angst, die Ohnmacht, das Empfinden, einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein –“ mehr noch, dann verschwimmen die Umstände in der Erstaufnahmeeinrichtung und viele der genannten Erfahrungen (die bei jedem Menschen sehr individuell ausfallen). Psycholog*innen sprechen in diesem Zusammenhang von “kumulativen Traumata–. So ist zu erklären, warum Menschen, die bisher mit ihrer psychischen Widerstandskraft selbst schlimmste Erlebnisse verarbeiten konnten, erst bei erneuten Erfahrungen von Rechtlosigkeit und Ohnmacht einen seelischen Zusammenbruch erleiden. Dies ist auch in Deutschland in Massenunterkünften regelmäßig der Fall. Die Lindenstraße ist also nicht mit einem Folterlager in Libyen gleichzusetzen, aber die Umstände einer Massenquarantäne können die Wirkung alles bisher Erlebten potenzieren und das Fass zum Überlaufen bringen (vor allem bezüglich posttraumatischer Belastungsstörungen).

Die hier angedeuteten (keineswegs automatisch ablaufenden) Dynamiken sind nicht unbekannt. In Bremen gibt es mehrere Einrichtungen, die Geflüchtete und Migrant*innen psychologisch unterstützen –“ beispielhaft erwähnt sei die Beratungsstelle „Refugio“, ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer. Insofern werfen wir Anja Stahmann nicht nur vor, ruppig und desinteressiert über die besondere Lage von Geflüchteten und Migrant*innen hinweggegangen zu sein (unter anderem in ihren Pressebriefings am 23.04.2020), sondern auch das nunmehr eingetretene Infektionsgeschehen (inklusive Massenquarantäne von 374 Menschen) fahrlässig ermöglicht zu haben. Diese Fahrlässigkeit besteht vor allem darin, dass seitens ihrer Behörde sämtliche der in den letzten Wochen formulierten Warnungen immer wieder in den Wind geschlagen wurden –“ wir möchten insbesondere auf die zahlreichen Stellungnahmen von Together we are Bremen, Flüchtlingsrat Bremen und MediNetz Bremen verweisen. Und zu diesen Warnungen gehörte auch –“ um nur eines der markantesten Beispiele zu nennen –“ die Kritik an dem ohnehin nur schwer nachvollziehbaren Sachverhalt, dass in der Erstaufnahmeeinrichtung Lindenstraße viele Zimmer keine eigenen Fenster haben und somit die von Virolog*innen immer wieder als essentiell bezeichnete Lüftung einzig über die Flure möglich ist (abgesehen von der hausinternen Lüftung, die nunmehr jedoch durch eine Klimaanlage ersetzt werden soll).

Gewiss –“ Anja Stahmann ist nicht für sämtliche der hier benannten Probleme verantwortlich, auch nicht dafür, dass sich derzeit viele Geflüchtete und Migrant*innen massive Sorgen um Familienmitglieder und Freund*innen in ihren jeweiligen Herkunftsländern machen. Es fällt aber in ihren Aufgabenbereich, diese Probleme bei ihren Maßnahmen stets im Auge zu behalten. Dass sie das nicht getan hat, sondern sich salopp, voreilig und diskriminierend geäußert hat, zeigt daher, dass Anja Stahmann von der aktuellen (noch lange anhaltenden) Situation politisch und persönlich überfordert ist. Daher fordern wir ihren Rücktritt –“ zusammen mit einer Entschuldigung bei den Bewohner*innen der Erstaufnahmeeinrichtung für das massenhafte, aber vermeidbare Infektionsgeschehen. Im Übrigen schließen wir uns den Forderungen von Together we are Bremen, Flüchtlingsrat Bremen und MediNetz Bremen an und fordern die dezentrale Verteilung der Geflüchteten auf kleine Wohnungen bzw. Wohneinheiten –“ einschließlich der Möglichkeit, eigene Mahlzeiten zuzubereiten.

via Afrique-Europe-Interact

#FreeThemAll: 66. Geburtstag von Mumia Abu-Jamal - 38 Jahre im Knast

Mumia Abu-Jamal
Mumia Abu-Jamal
Der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal wird am heutigen 24. April 66 Jahre alt. 38 Jahre seines Lebens hat er inzwischen im Gefängnis verbracht, über 29 Jahre davon in der Todeszelle. Erst vor wenigen Tagen wurde der juristische Weg dafür freigemacht, die Rechtmäßigkeit seines Verfahrens neu zu bewerten und damit letztlich vielleicht auch seine Freiheit zu erlangen.

Am 09. Dezember 1981 wurde Mumia Abu Jamal in Philadelphia, USA verhaftet, nachdem bei einem Schusswechsel ein Polizist getötet und er selbst schwer verletzt wurde. Er wurde verurteilt für einen Polizistenmord, der ihm untergeschoben wurde. Der afroamerikanische Aktivist kämpft seit seiner frühesten Jugend - damals als Pressesprecher der Black Panther Party - und bis heute als freier Journalist - gegen Rassismus, Polizeigewalt, Klassenherrschaft und Krieg. Dabei ist Mumia „nur“ einer von zahlreichen Gefangenen, die vom rassistischem Apparat der USA in die Knäste gesteckt wurden. Unter anderem zahlreiche AktivistInnen der Black Panther Party oder des American Indian Movement sitzen bereits mehrere Jahrzehnte hinter Gittern ohne dass ihnen jemals etwas nachgewiesen werden konnte.

Seine staatliche Hinrichtung konnte zwar 2011 endgültig verhindert werden, Mumia Abu-Jamal schwebt dennoch in Gefahr. Er betonte zudem stets, dass es ihm nicht um sich, sondern um die zahlreichen anderen InsassInnen in den Todestrakten und Knästen geht. Eine breite und weltweit aktive Solidariätsbewegung fordert seit seiner Festnahme seine Freiheit:

"Die Forderung nach Freiheit für Mumia Abu-Jamal beinhaltet auch die Analyse der Gründe für seine Verurteilung, die alle in der US Gesellschaftsordnung begründet liegen:

  • institutioneller Rassismus in Verfassung, Justiz und Polizei

  • Klassenjustiz durch „Nichtverteidigung“ (oft auch Pflichtverteidigung genannt) armer Angeklagter, hauptsächlich People Of Color

  • Kriminalisierung von People Of Color (stop and search policies)

  • Anpassung der US Verfassung durch „Plea Bargains“ und „Three Strikes“ Regeln

  • Fortführung der Sklaverei unter anderem Namen (der Gefängnisindustrielle Komplex inhaftiert überwiegend People Of Color und das ist systematisch)

  • die Todesstrafe

  • politische Repression und (ehemals geheimdienstliche - COINTELPRO - inzwischen aber offizielle) Aufstandsbekämpfung"

Mehr Information:

www.freiheit-fuer-mumia.de

www.bring-mumia-home.de

Unterstützer*innen haben vom 23. - 26. April 2020 eine Reihe von Aktivitäten für Mumias 66. Geburtstag vorbereitet. Darunter befinden eine Informationsveranstaltung am 24., eine "Mumia Libre Instgram Live Dance Party" am 25. und eine 24-stündige online Lesung am 26. Aril. Details dazu gibt es online auf https://mobilization4mumia.com/new-events oder https://www.facebook.com/cbmhome/.

Eine Aufnahme der gesamten Pressekonferenz befindet sich auf ZOOM.
(Zugangspassword: W5*0&6i!)

Um in den USA die Bewegung zu seiner Freilassung bei den politischen und juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen, werden dringend Spenden gebraucht:

Rote Hilfe e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN:
DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: "Mumia"

Darüber hinaus freut Mumia sich über Geburtstagspost:

Smart Communications / PADOC
Mumia Abu-Jamal, #AM 8335
SCI Mahanoy
P. O. Box 33028
St Petersburg, FL 33733
USA

Etwa 50 Personen bei heutiger Protestaktion vor der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg

Foto: Aktion Bleiberecht
Wir haben uns heute vor der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg versammelt, um unsere Solidarität mit den Bewohner*innen der Einrichtungen in Freiburg, Ellwangen, Sigmaringen, Karlsruhe, Heidelberg u.a. auszudrücken. Mit Transparenten und Plakaten wie „Holt die Menschen aus den Lagern, Gesundheitsschutz für alle, Respect Human Rights, Das Lager ist ein rechtloser Raum...“ forderten etwa 50 Personen eine überfällige Diskussion über das politische Konzept der Großlager ein, die bislang verweigert wird. Wichtig ist für uns vor allem, dass Betroffene selbst zu Wort kommen.

Flucht und Migration sind keine vorübergehenden Phänome, sie werden unseren aller Alltag bestimmen. Darauf müssen wir uns einrichten. Jedoch nicht mit Abschottung und Ausgrenzung, sondern mit Solidarität und der Gewährung von sozialen, ökonomischen und politischen Rechten.

Die EU gibt Milliarden Euro € für die Abschottung der EU und das Dublin-System aus. Nur in diesem Kontext sind auch die Landeserstaufnahmeeinrichtungen zu sehen. Jedes integrative Moment für den Einzelnen soll durch die Unterbringung in den Masseneinrichtungen verhindert werden. Ein minimalistisches Leben, bestimmt von Vorschriften, Regeln und Kontrollen greift täglich in das persönliche Leben und die Integrität der Bewohner*innen ein.

Hier geht die GRÜNE-CDU Landesregierung einen falschen Weg, der nur zur weiteren Stigmatisierung von Geflüchteten führen wird. Der Rechnungshof von Baden-Württemberg rechnet die Rentabilität der Großlager durch und fordert: „Aus betrieblich-organisatorischen Gründen sollte angestrebt werden, dass die Landeserstaufnahmeeinrichtungen eine Regelkapazität von 1.000 Plätzen nicht unterschreiten.“1 Solche finanzpolitische Gedanken im Umgang mit den Geflüchteten lehnen wir entschieden ab und fordern eine dezentrale Unterbringung..

Seit einigen Wochen sehen wir uns mit einem neuartigen Corona-Virus konfrontiert, das für alle eine Herausforderung darstellt. Vor allem aber sind Massenunterkünfte wie die LEAs besonders betroffen. Das Ministerium für Soziales und Integration kommt zu dem Schluss: „Aufgrund oft beengter Wohnverhältnisse und gemeinschaftlich genutzter Aufenthalts- und Sanitäranlagen besteht ein erhöhtes Risiko der Virusverbreitung.2 Auch das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg sieht das so. In einem Hinweisblatt 3 wird davor gewarnt, dass in einer Sammelunterkunft grundsätzlich immer ein Risiko besteht eine Infektionskrankheit zu erwerben. Die Rede ist hier nicht vom Coronavirus, sondern von Masern, Windpocken, Influenza, Tuberkulose, Keuchhusten, Kinderlähmung, Meningitis und anderen Krankheiten. Dies bedeutet, Sammelunterkünfte gefährden die Gesundheit jedes Einzelnen!

Das Regierungspräsidium Freiburg bestätigt, dass „die aktuelle Corona-Pandemie derzeit erhebliche Auswirkungen auf die Abläufe in der LEA hat“.4 In einem anderen Schreiben heißt es: „Die Sozialdienste fallen aktuell aus und der Kontakt zu Unterstützer*innen ist nur noch online möglich“5 Wir sehen, wie die Landeserstaufnahmeeinrichtungen an ihre Grenzen stoßen. Das Corona-Virus hat die Weiterführung der Einrichtungen, wie auch einen weiteren Ausbau delegitimiert.

Das für die LEA Freiburg zuständige Regierungspräsidium hat richtige Maßnahmen ergriffen, die Belegung entzerrt, Menschen an Kommunen weitergeleitet und Bewohner*innen in der Jugendherberge Freiburg bis zum 31. Mai 2020 unterbracht. Diese kurzfristige Maßnahme kann jedoch nicht die Lösung sein. Niemand weiß genau, wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht.

Um das Aufnahmekonzept, das im Wesentlichen die Handschrift von Innenminister Strobl und damit des Innenministeriums trägt, braucht es eine neue Debatte im Land unter Beteiligung von Fachleuten, Anwälten und Migrationswissenschaftler*innen, Rechtswissenschaftler*innen und den Betroffenen selbst. .

Berichte aus den Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Ellwangen, Giengen und anderen Orten müssen näher untersucht werden. In Ellwangen sind über 250 Personen mit dem Corona-Virus infiziert. Auch 20 Beschäftigte. Das sind 30 Prozent aller Infizierten im Ostalbkreis. Das gesamte Massenlager steht, wie auch in Giengen unter Quarantäne. Bis zum 3. Mai können Hunderte die Einrichtung nicht verlassen. Die Polizei bewacht das Lager. Laut Berichten aus Ellwangen „existiert keine Trennung von positiv und negativ Getesteten. Sie begegnen sich im Freien, bei der Arbeit (zum Beispiel in der Küche), in den Gebäuden und in den Zimmern. Toiletten und Waschräume müssen sie gemeinsam benutzen. Die Geflüchteten, mit denen wir gesprochen haben, können die Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Infizierte seien in eigenen Gebäuden untergebracht, nicht bestätigen.“ 6Die Kantine wurde lediglich durch einen Bauzaun aus Draht in zwei Bereiche aufgeteilt. Die Bewohner*innen essen einzeln oder in Gruppen im Freien oder auf ihren Zimmern.“

Dass nun auch die Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der Massenlager in Ellwangen, Giengen und Althütte-Sechselberg eingesetzt wird, ist fragwürdig. Welche Türen werden hier aufgestoßen? Was hat das für langfristige Konsequenzen?

Die Veranstalter der Protestaktion verfolgen die Entwicklungen mit großer Sorge und appellieren an die politische Vernunft, alle notwendigen Schritte für eine Auflösung der Massenlager einzuleiten. Aktuell bleibt den Behörden kein Ermessensspielraum. Sie müssen nach dem Infektionsschutzgesetz alle notwendigen Maßnahmen treffen, um die durch Corona drohenden Gefahren abzuwenden. Selbst nach dem Asylgesetz kann die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsversorgung beendet werden. Keine weiterer Bau einer LEA in Karlsruhe!

Wir fordern eine gesellschaftliche Diskussion über die Unterbringung von Menschen in Großeinrichtungen!

Wir fordern ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik und die Schließung von Massenunterkünften!

Lea-watch Freiburg

Aktion Bleiberecht Freiburg
Adlerstr. 12
79098 Freiburg

2 Schreiben des Ministeriums für Soziales und Integration an die Regierungspräsidien 15.04.2020


4 Schreiben des Regierungspräsidiums Freiburg April 2020

5 Schreiben des Regierungspräsidiums Freiburg 21.04.2020




Sind Menschen in der EU mehr wert als Flüchtlinge aus dem afrikanischen Kontinent oder dem Nahen Osten?

Für den 19.4.2020 hatte ein breites Bündnis wie auch schon am 5.4. im Rahmen der Kampagne - #LeaveNoOneBehind - zu einem weiteren Aktionstag unter dem Motto: Rettet die Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln - wer schweigt macht sich mitschuldig - Evakuierung der Lager jetzt! Sofortige Aufnahme der Menschen - auch in Karlsruhe aufgerufen.

Da die Stadt Karlsruhe keine Versammlungen dulden wollte, wurde in Karlsruhe ein Vorschlag für die Gestaltung des Sonntagnachmittags verbreitet, am 19.4.2020 individuell von 14 bis 16 Uhr in der Karlsruher Innenstadt spazieren zu gehen und seine Meinung zur Rettung der Flüchtlinge kund zu tun, zB. allein oder zu zweit mit Schildern, um auf die dramatische Situation aufmerksam zu machen und die sofortige Evakuierung der Lager und Aufnahme der Flüchtlinge - auch in Karlsruhe - zu fordern. Dabei sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass immer maximal 2 Personen unterwegs sind und jeweils mindestens 2 m Abstand zu allen anderen gehalten wird. Vorsichtshalber sollten auch alle Spaziergänger_innen gemäß der aktuellen Empfehlung der Bundesregierung eine Gesichts-Schutzmaske tragen.

Etliche Menschen sind auch in Karlsruhe wie auch in anderen Städte diesem Vorschlag zur sonntäglichen Freizeitgestaltung gefolgt und haben auf die tödliche Gefahr für viele Flüchtlinge in den Lagern an den Außengrenzen der EU hingewiesen und eine sofortige Evakuierung der Lager gefordert.

Dort wird die Lage immer bedrohlicher. Nach wie vor sind zehntausende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln auf engstem Raum zusammengepfercht. Eine Corona-Infektion würde sich explosionsartig im Lager ausbreiten mit verheerenden bis tödlichen Folgen für die Flüchtlinge, die durch ihre Fluchtgeschichte oft sowieso gesundheitlich geschwächt sind. Allein auf den griechischen Inseln sind ca. 42000 Menschen akut bedroht.

Nachdem mehr als 120 Städte in Deutschland ihre Aufnahmebereitschaft erklärt haben ist es fast schon zynisch, wenn sich die Bundesregierung feiert, weil sie die Genehmigung für die Aufnahme von bis zu 50 (!) Minderjährigen von den Inseln erklärt hat, obwohl allein Berlin bis zu 1500 Menschen aufnehmen will. Inzwischen sollen zwar nach Medienberichten ca. 345 (irgendwann) besonders schutzwürdige unbegleitete Jugendliche aufgenommen werden, das ist aber ebenfalls völlig ungenügend. Es ist auch inakzeptabel, dass auch die Stadt Karlsruhe, die sich erfreulicherweise zum "Sicheren Hafen" erklärt hat, lediglich 5 (!) minderjährige Geflüchtete aufnehmen will.

An Transportkapazitäten kann es nicht scheitern, da die Abschiebebehörden allein in den letzten drei Wochen eine einzelne Frau mit einem Charterflugzeug nach Togo und 2 weitere Frauen mit einem eigens dafür gecharterten Flugzeug in den Iran verbringen wollten und dafür jeweils Sonderflug- und Landeerlaubnisse mit den Regierungen verhandelt hatten.... Allein die Flüge hätten dabei jeweils mehr als ca. 100.000 € gekostet, wozu noch die Kosten für die begleitenden Polizeikräfte gekommen wären. Aufgrund eines breiten Protest wurden die Abschiebungen erst einmal gecancelt.

Inzwischen wurde auch die Flüchtlingsrettung ausgesetzt. Italien macht in der Corona-Krise seine Häfen dicht: Seenotretter_innen dürfen mit ihren Schiffen nicht mehr einlaufen. Ein deutsches Rettungsschiff, die Alan Kurdi steckt nun mit 150 Menschen an Bord auf dem Mittelmeer fest, die Vorräte und die Medikamente gehen bereits zur Neige, so dass dringende Hilfe geboten ist.

Während der Corona-Krise sollen keine privaten Rettungsschiffe mehr auslaufen, um im Mittelmeer Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Die Bundesregierung hat alle privaten Seenotrettungsorganisationen aufgefordert, ihre Seenotrettung im Mittelmeer einzustellen - mit fatalen Folgen: Allein in den letzten Tagen sind viele Flüchtlinge ertrunken, die sich zuvor bei Alarmphone und anderen Organisationen gemeldet hatten, da keine Rettung erfolgte. Die Verantwortung für jeden Ertrunkenen, der ansonsten hätte gerettet werden können, trägt somit u.A. die Bundesregierung bzw. das Innenministerium. Außerdem ist das ein eklatanter Verstoß gegen das internationale Seerecht.

Die Seenotrettungsorganisation See-eye hat inzwischen Geld für ein Charterflugzeug gesammelt mit dem mindestens ca 100 Personen nach Deutschland evakuiert werden könnten. Am Transport kann es somit nicht scheitern, auch wenn Malta und Italien ihre Häfen gesperrt haben.

In der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen sind mittlerweile 244 Personen, die Hälfte aller Insassen infiziert worden - innerhalb sehr kurzer Zeit, nach dem ein Einzelner dort den Virus hatte. In den Flüchtlingslagern und LEAs ist es den Ordnungsämtern offensichtlich egal, wenn dort Geflüchtete auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Der Vorfall zeigt deutlich wie wichtig die sofortige Räumung der Lager und die dezentrale Unterbringung - vorübergehend in leer stehenden Hotels - ist, wie dies pro asyl eV und viele andere Menschenrechtsorganisationen fordern oder sind Menschen in der EU schützenswerter als Geflüchtete aus dem afrikanischen Kontinent oder dem Nahen Osten?

Es gibt also genug Gründe zu protestieren, und die Aufnahme der vom Tode Bedrohten auch in Corona-Zeiten zu fordern. Es ist daher völlig inakzeptabel, dass das Karlsruher Ordnungsamt am 5.4. eine öffentliche Protestaktion zur Aufnahme der vom Tode Bedrohten nicht zugelassen hat, obwohl alle Abstandsgebote, Schutzmasken u.Ä. vorgesehen waren.

Selbstverständlich ist es außer Frage, dass solche Versammlungen derzeit so gestaltet werden müssen, dass niemand infiziert werden kann. Es erschließt sich aber nicht, warum von 2 Personen oder 10 Personen im Abstand von jeweils 2 Metern mit Schutzmasken auf einer Mahnwache eine größere Gefahr ausgehen soll, als von den Menschen in einer langen Schlange vor dem Baumarkt oder vor der Drogerie...

Allein die obigen Beispiele zeigen, dass die Versammlungsfreiheit als kollektive Meinungsfreiheit dringend gebraucht wird !

Inzwischen hat das BVerfG in seinen Beschlüssen v. 15. April 2020 - 1 BvR 828/20 - und v. 17. April 2020 - 1 BvQ 37/20, mit dem eine Entscheidung der Stadt Stuttgart und die Beschlüsse des VG Stuttgart und des VGH Ba-Wü korrigiert wurde, klargestellt, dass auch in Corona-Zeiten die Versammlungsfreiheit nicht vollständig außer Kraft gesetzt werden darf. Auch etliche VGs wie zB der BayVGH, das VG Schleswig und das VG Münster, VG Hannover und zuletzt das VG Halle haben inzwischen Versammlungen mit Corona-gerechten Auflagen gestattet.

Das BVerfG hat am 17.4.20 in RN 28 wie folgt ausgeführt:

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass, wie die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens vorbringt, gerade in Stuttgart die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen stark angestiegen sind. Dies befreit die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens aber nicht davon, vor einer Versagung der Zulassung der Versammlung möglichst in kooperativer Abstimmung mit dem Antragsteller alle in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und sich in dieser Weise um eine Lösung zu bemühen, die die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Ziel des Infektionsschutzes und des Schutzes von Leib und Leben auf der einen und der Versammlungsfreiheit auf der anderen Seite ermöglicht.

In Zukunft werden somit auch in Karlsruhe wieder (Korona gerechte) Veranstaltungen stattfinden können und müssen solange die Flüchtlinge in den Außenlagern weiter vom Coronavirus bedroht sind.

Rettet die Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln - wer schweigt macht sich mitschuldig - Evakuierung der Lager jetzt! Sofortige Aufnahme der Menschen - auch in Karlsruhe - #LeaveNoOneBehind -

Unsere Solidarität muss grenzenlos sein - sie darf nicht an den Stadt oder Landesgrenzen aufhören ! Überlassen wir nicht den Nationalist_innen und Rassist_innen das Feld !

Quelle: Pressemitteilung Antirassistische Initiative Grenzenlos Karlsruhe

VVN-BdA: Demokratisch durch die Pandemie!

Die Corona-Pandemie stellt die Welt plötzlich vor tödliche Gefahren. Das Virus interessiert sich dabei nicht für Politik. Politisch sind allerdings die Reaktionen der Regierungen und Parteien.

Zahlreiche Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten wurden innerhalb kurzer Zeit weltweit eingeführt. Diese Maßnahmen sind objektiv notwendig, um ein Massensterben zu verhindern. Gleichzeitig wird erkennbar, dass in dieser Krise in vielen Ländern bereits zuvor erkennbare autoritäre und restriktive Entwicklungstendenzen verstärkt und beschleunigt werden.

Innerhalb der EU gilt dies insbesondere für die Regierung Ungarns, die die parlamentarische Arbeit auf unbestimmte Zeit hat aussetzen lassen.

Auch in Deutschland gibt es von Seiten der Bundes- und Landesregierungen problematische Äußerungen, Erwägungen, Gesetzesvorhaben und teilweise auch Maßnahmen.

Begleitet werden diese Tendenzen ebenfalls in vielen Ländern durch extrem rechte, xenophobe, rassistische und insbesondere antisemitische Verschwörungstheorien, die sich auf Ursprung, Verbreitung und Folgen der Corona-Pandemie beziehen.

Zu dieser Situation fordert die VVN-BdA folgendes:

• Begriffe wie „Ausgangssperre“, „Ausnahmezustand“ und „Krieg“ haben in der Krisenbewältigung nichts zu suchen. Sie machen unnötig Angst und

suggerieren militärische Lösungen für medizinische und gesellschaftliche Probleme.

• Alle Verordnungen und Maßnahmen müssen konkret begründet, zeitlich befristet, auch durch unabhängige Experten bewertet und ausgewertet werden und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Dies gilt jeweils auch für zeitliche Verlängerungen.

• Verordnungen und Maßnahmen müssen Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein.

• Gesetzgeberische Prozesse, insbesondere die sich auf Krisenbewältigung beziehen, sind auf die Zeit nach der Pandemie zu verschieben. Gute Gesetze brauchen Zeit zur Reflexion.

• Notwendige Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum sind mit Augenmaß durchzusetzen. Spaziergänger sind keine Verbrecher.

• Politische Aktivitäten im öffentlichen Raum, die die notwendigen Einschränkungen beachtet, müssen selbstverständlich möglich sein.

• Besonders gefährdet sind Obdachlose und Geflüchtete. Sie bedürfen einer besonders guten Fürsorge, nicht martialischer Abschottung. Es müssen Maßnahmen für eine angemessene Unterbringung ergriffen werden, z. B. in Hotels.

• Die gefährlichen Lagern an der EU-Außengrenze und in Griechenland müssen aufgelöst und die Geflüchteten evakuiert und dezentral untergebracht und versorgt werden.

• Deutschland muss endlich den Kindern und Jugendlichen, zu deren Aufnahme sich „Solidarische Städte“ bereiterklärt haben, aufnehmen.

• Das Militär kann Transport- und Hilfsdienste leisten, aber nicht Ordnungsmacht im Inneren sein. Die Trennung von Polizei und Militär ist unabdingbar. Bundeswehrsanitätskräfte sind der zivilen Leitung zu unterstellen.

• Die EU muss den Missbrauch der Pandemie zur Festschreibung strukturell antidemokratischer Ziele in ihren Mitgliedsstaaten

unterbinden.

• Verschwörungstheoretische Erklärungsmuster, auch wenn sie vorgeben „für das Volk“ zu sprechen, sind zurückzuweisen. Die Krise nutzen wollende faschistische Gruppen sind aufzulösen.

• Nach Abschluss der Pandemie bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Auswertung: Welche Maßnahmen haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen, auf welche könnte in einem ähnlichen Fall verzichtet werden?

Quelle: Erklärung der VVN-BdA, 8. April 2020

40. Jahrestag des Hungerstreiks von 12 deutschen Sinti in Dachau

Am Karfreitag 1980, dem 4. April, traten zwölf Sinti, unter ihnen die Überlebenden des Holocaust Jakob Bamberger, Hans Braun, Ranco Brandtner und Franz Wirbel, in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau in den Hungerstreik. Zentrale Forderungen waren die Anerkennung des NS-Völkermords an den Sinti und Roma durch die Bundesregierung, die sofortige Beendigung der polizeilichen Sondererfassung von Sinti und Roma sowie die Herausgabe der NS-Akten aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, die im Bayerischen Landeskriminalamt weiterhin verwendet worden waren. Der Protest löste eine breite internationale Solidaritätswelle aus und markierte einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der Minderheit.

„Die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma am 17. März 1982 durch Bundeskanzler Helmut Schmidt stellte die Erfüllung einer zentralen Forderung des Hungerstreiks dar.

Diese völkerrechtliche Anerkennung bedeutete einen Neubeginn im Verhältnis der Bundesregierung zu den deutschen Sinti und Roma“, erklärte Romani Rose heute.

Die polizeiliche Sondererfassung in der Bundesrepublik erfolgte durch bayerische Kriminalpolizisten in der „Landfahrerzentrale“, die bis in die 1970er Jahre Namen, Fingerabdrucke und persönliche Daten von Sinti und Roma aus dem gesamten Bundesgebiet in Akten erfasste.

Diese Erfassung setzte direkt die NS-Erfassung fort, und zwar auf der Grundlage der NS-Akten und mit dem Personal aus dem ehemaligen RSHA, die im Bayerischen LKA wieder verbeamtet worden waren –“ und die regelmäßig in Entschädigungsanträgen von Sinti und Roma als Gutachter fungierten. Das bayrische Innenministerium verweigerte die öffentliche Distanzierung von diesen Praktiken und sprach von einer bis 1970 rechtmäßigen Kriminalarbeit.

„Wir konnten schon ein Jahr nach dem Hungerstreik NS-Akten an der Universität Tübingen sicherstellen. Dieses Material mit Vermessungen, Auswertungen und Befragungen haben wir ins Bundesarchiv in Koblenz überstellen können. Wir sind sicher, dass bis heute noch NS-Rassegutachten irgendwo im bayerischen Landeskriminalamt existieren, die aus diesen Akten erstellt wurden“, so Rose zu weiteren Aktionen nach dem Hungerstreik.

Die Unterstützung durch eine breite öffentliche Wahrnehmung des Hungerstreiks in der Presse, Solidaritätsbekundungen u.a. durch Annemarie und Heinrich Böll und der Besuch des damaligen Bundesjustizministers Hans-Jochen Vogel in Dachau am 12. April 1980, brachte eine bis dahin nicht vorhandene Aufmerksamkeit für die Situation der Sinti und Roma in Deutschland und beeinflusste maßgeblich die spätere Bürgerrechtsarbeit.

Quelle: Pressemitteilung

cronjob