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Der Kiezdrache war wieder unterwegs

Foto: © MiKa / Umbruch Bildarchiv Berlin
Es ist schon fast eine Tradition geworden: Auch in diesem Jahr zogen am Samstag, den 16. November, wieder viele Kreuzberger*innen, jung und alt, durch die Straßen und beleuchteten eine Reihe von Orten, die gerade exemplarisch für das Verdrängungsgeschehen, aber auch für den Widerstand in der Stadt stehen. Gemeinsam mit sozialen Einrichtungen, den Anti-Gentrifizierungsgruppen der Nachbarschaft und mit dem Kiezdrachen, der mit kollektivem Schlüsselklappern geweckt wurde und in diesem Jahr sogar mit seinem Nachwuchs, einem kleineren Drache und vielen Dracheneiern, kam. Mit solidarischen Superkräften schützen sie den Kiez vor Verdrängung!

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Pressemitteilung der #Liebig34 zum Räumungsprozess am 15.11.2019

Am 15.11.2019 findet am Landgericht Tegeler Weg um 9:00 Uhr der Gerichtsprozess gegen den Pächter der Liebigstraße 34, Raduga e.V., statt. Der Eigentümer Padovicz klagt auf Räumung des queer-feministischen Wohnprojekts im friedrichshainer Eckhaus Rigaerstraße/ Liebigstraße.

Der Kläger Herr Padovicz hatte den Bewohner*innen 2008 einen 10-Jährigen Pachtvertrag für Gewerberäume ausgestellt. Und zwar für ein Gebäude, das damals schon seit fast 20 Jahren von der Hausgemeinschaft bewohnt wurde, also auch für Herrn Padovicz als eindeutig nicht gewerblich genutzt erkennbar war und ist.

Die Sprecherin der Hausgemeinschaft Monika dazu: „Mit der Vermeidung eines Wohnraummietvertrages mit dem Raduga e.V. und den dort lebenden Menschen, hat er unser Wohnmietverhältnis absichtlich befristet, eine grundlose Befristung eines Wohnmietverhältnisses ist nach deutschem Mietrecht aber gar nicht möglich. Daher hat Herr Padovicz der Hausgemeinschaft einen Pachtvertrag ausgestellt, um das Vertragsverhältnis zu befristen. Das ist ein Skandal und wir fordern ein Ende dieser bewussten Beschneidung unserer Rechte als Mieter*innen.“

2008, als die Hausgemeinschaft das Haus kaufen wollte, ist er dieser zuvor gekommen und hat es für 600.000 Euro erworben. 10 Jahre später hat eben diese Gemeinschaft als Pächterin an ihn 570.140,31 Euro Miete gezahlt UND das Haus eigenständig in Stand gehalten und selbst verwaltet. Inzwischen sind die Immobilienpreise rund um das Haus im friedrichshainer Nordkiez massiv gestiegen. Der Verpächter Herr Padovicz, ein Multimillionär, der allein in Friedrichshain mindestens 200 Immobilien besitzt, ist also heute einerseits mit dem Haus auf 0, andererseits ist es aufgrund seiner Lage heute mehr wert als damals. Sprecherin Monika: „Unsere Situation ist für tausende von Berliner_innen traurige Realität geworden. Weil Wohnraum noch immer als Ware und Investitionsmöglichkeit und nicht als Menschenrecht angesehen wird, sehen sie sich mit massiven Mieterhöhungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen und Rausschmiss konfrontiert. Diese Logik muss endlich durchbrochen werden!“

Unser Hausprojekt besteht seit 30 Jahren und ist in seiner Geschichte in Berlin einzigartig. Das Haus ist Ort eines gemeinsamen queerfeministischen Zusammenlebens, einer der letzten Rückzugsräume ohne cis- Männer. Die Bar in der Liebig 34 ist Ort zahlreicher unkommerzieller Veranstaltungen und kollektiver Kiezküchen. Die Liebig34 hat für das Zusammenleben im Kiez eine große Bedeutung als Ort des Zusammenkommens.

Sprecherin Monika: „ Wir aber leben in diesem Haus. Und es ist eben keine Möglichkeit noch mehr Geld zu verdienen, sondern unser Zuhause!“

Anschließend an den Gerichtstermin laden wir um 15 Uhr am 15.11.2019 zu einer Pressekonferenz vor dem Haus in der Liebigstraße 34 ein, an der auch unser Anwalt Moritz Heusinger teilnehmen wird.



Quelle: Erklärung Liebig 34 Kollektiv, 13. November 2019

Geschichte wird gemalt

Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv Berlin
AktivistInnen der Kollektive Pappsatt und orangotango haben das legendäre Wandbild in der Waldemar Straße 81 in Kreuzberg neu gemalt und aktualisiert. Es ist eines der ersten Fassadenbilder in Berlin.

Das ursprüngliche Wandbild entstand in Eigeninitiative der damaligen BewohnerIinnen. Aus Protest gegen ihren drohenden Rausschmiss und Abriss des Hauses malten sie es am 1. Mai 1975 in nur wenigen Stunden -“ tagsüber und illegal -“ mit Pinseln und Farbrollen an Malerstangen aus ihren Fenstern heraus.

Die Leute aus der Waldemarstraße 81 waren im Kiez gut vernetzt und haben sich mit anderen von Verdrängung betroffenen Menschen solidarisiert und sie unterstützt. Unter anderem boten sie eine Mietrechtsberatung im Haus an. Um die Verwurzelung im Kiez darzustellen, entschieden sie sich für einen Baum als Motiv, in dessen Mitte ein weißes Banner gespannt ist: „Wir bleiben drin!“ Was sich bewahrheiten sollte: Das Hausprojekt besteht immer noch. Mittlerweile ist es Teil der Luisenstadt-Genossenschaft. Dadurch sind die BewohnerIinnen langfristig vor unbezahlbaren Mieten und Verdrängung geschützt.

Aufgrund einer notwendigen Renovierung der Fassade verschwand das alte Bild unter neuem Putz. Die Idee zur Neugestaltung des Wandbildes entwickelte das ehemalige Pappsatt-Kollektiv gemeinsam mit den jetzigen Bewohnerinnen. Die Streetart-AktivistInnen hatten bereits einige stadtpolitische Fassadenbilder in Kooperation mit Hausprojekten wie z.B. der Brunnenstr. 183 oder der Manteuffelstr. 39 umgesetzt. Das Motiv des Baumes sollte beibehalten und mit den gleichen Flächen übertragen werden, die bei der ersten Bemalung damals mit Armen und Pinseln aus den Fenstern erreicht werden konnten. Aus „Wir bleiben drin“ wurde „Wir bleiben alle“, ergänzt von typischen Berliner Großstadttieren wie z.B. der Kotti-Taube, dem Waschbären und dem Pinguin, die gemeinsam im Baum herumklettern.

Angesichts des Mietenwahnsinns weltweit ist das Wandbild auch nach über 40 Jahren brandaktuell, genauso wie die Forderung, die dort nun gut sichtbar in 10 verschiedenen Sprachen zu lesen ist: „Die Häuser denen, die drin wohnen“.

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Kontakt zu Ex-Pappsatt: pappsatt@riseup.net

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Hartz IV: Statement vom Bündnis „Auf Recht bestehen“ zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur teilweisen Verfassungswidrigkeit von Sanktionen im SGB II

Wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom heutigen Tag, wonach die bestehende Sanktionsregelung zum großen Teil als verfassungswidrig anzusehen ist und in der bestehenden Form nicht mehr angewendet werden darf. Der Schutz des menschenwürdigen Existenzminimums muss nach unserer Auffassung in jedem Fall sichergestellt sein. Das betrifft nicht nur die vom Verfassungsgericht als grundgesetzwidrig beurteilten Sanktionen in Höhe von mehr als 30% des Regelbedarfs. Es schließt für uns auch eine Sanktionsmaschinerie aus, die starr und quasi automatisch abläuft und weder Ermessen noch eine Härtefallregelung kennt und bei der praktischen Umsetzung das Nachholen einer versäumten Mitwirkung nicht honoriert. Zudem dürfte das Urteil indirekt auch das Aus für die besonders scharfen Sanktionsregelungen für unter 25-Jährige bedeuten. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist daher als eine Ohrfeige für diejenigen Politiker und Politikerinnen sowie die Parteien anzusehen, die „Hartz IV“ beschlossen und seit rund 15 Jahren verteidigt haben.

Zurzeit bekommen dies jedes Jahr rund 8% aller betroffenen Arbeitslosen im Bezug von Leistungen nach dem SGB II zu spüren. Für sie bedeutet dies eine lang andauernde Unterschreitung des Existenzminimums. Die materiellen und psychischen Folgen sind in der Regel verheerend. Hunger, Angst, Depressionen, massive Verschuldung und auch der Verlust der Wohnung drohen. Gerade jüngere Arbeitslose resignieren und brechen oft jeden Kontakt mit dem Jobcenter ab. Aus Angst vor Sanktionen nehmen Betroffene fast jede Arbeit an. Dies begünstigt prekäre Arbeitsverhältnisse, niedrige Löhne und miese Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Im Namen des Bündnisses „Auf Recht bestehen“ fordern wir daher, dass das bestehende Sanktionssystem im SGB II abgeschafft wird. Wir fordern die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien auf, umgehend entsprechend tätig zu werden. Dafür reicht es allerdings nicht aus, die Vorgaben des Verfassungsgerichts nur insoweit umzusetzen, wie es verfassungsrechtlich unbedingt geboten ist. Nur weil das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen nicht vollständig abgeschafft hat, folgt daraus nicht, dass das Sanktionsregime überhaupt aufrechterhalten werden muss. Im Einklang mit dem Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum fordern wir, dass an die Stelle der geltenden Sanktionsregelungen ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung von Alg-2-Berechtigten treten muss.

Quelle: Bündnis „Auf Recht bestehen“, Berlin 5.11.2019


Das Bündnis „Auf Recht bestehen“ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS - NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, der Duisburger Initiative „Auf Recht bestehen!“, der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG PLESA), dem Bundeserwerbslosenausschuss ver.di, dem Erwerbslosenforum Deutschland, dem Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), dem Regionalverbund der Erwerbsloseninitiativen Weser Ems e.V., Tacheles e.V., Wuppertal, Widerspruch e.V. Bielefeld, der Nationalen Armutskonferenz (nak) sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen.

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