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Zeitgenossen, Haufenweise


Erich Kästner 1961
Foto: von Basch
Lizenz: [CC BY-SA 3.0 nl]

Die Zeitlosigkeit der Gedichte des heute leider meist als Kinderbuchautoren wahrgenommenen Erich Kästner ist unglaublich. Wir hatten darauf ja schon in "Das Führerproblem, genetisch betrachtet", Der Zweck und die Mittel und anderen Texten Kästners hingewiesen. Heute:

Zeitgenossen, Haufenweise

Es ist nicht leicht, sie ohne Haß zu schildern,
und ganz unmöglich geht es ohne Hohn.
Sie haben Köpfe wie auf Abziehbildern
und, wo das Herz sein müßte, Telephon.

Sie wissen ganz genau, daß Kreise rund sind
und Invalidenbeine nur aus Holz.
Sie sprechend fließend, und aus diesem Grund sind
sie Tag und Nacht - auch sonntags - auf sich stoöz.

In ihren Händen wird aus allem Ware.
In ihrer Seele brennt elektrisch Licht.
Sie messen auch das Unberechnenbare.
Was sich nicht zählen läßt, das gibt es nicht!

Sie haben am Gehirn ernorme Schwielen,
fast als benutzten sie es als Gesäß.
Sie werden rot, wenn sie mit Kindern spielen,
die Liebe treiben sie programmgemäß.

Sie singen nie (nicht einmal im August)
ein hübsches Weihnachtslied auf offner Straße.
Sie sind nie froh und haben immer Lust.
Und denken, wenn sie denken, durch die Nase.

Sie loben unermüdlich unsre Zeit,
ganz als erhoielten sie von ihr Tantiemen.
Ihr Intellekt liegt meißtens doppelt breit.
Sie können sich nur noch zum Scheine schämen.

Sie haben Witz und können ihn nicht halten.
Sie wissen viel, was sie nicht verstehen.
Man muß sie sehen, wenn sie Haare spalten!
Es ist, um an den Wänden hochzugehn.

Man sollte kleine Löcher in sie schießen!
Ihr letzter Schrei wär noch ein dernier cri.
Jedoch, sie haben viel zuviel Komplicen,
als daß sie sich von uns erschießen ließen.
Man trift sie nie.

Erich Kästner, In: Werke. Bd. 1: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte. Hg. v. Harald Hartung. Hanser, München und Wien 1998, S. 72f. aus: Audio CD, gesprochen von Werner Schneyder

Themenabend: Die Welt erklären heißt die Welt verändern - Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger

Feuchtwanger Themenabend EsslingenLion Feuchtwanger wurde am 7. Juli 1884 in München geboren.

Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Weimarer Republik.

Mit seinen großen historischen Romanen wie „Jud Süß“ oder „Die häßliche Herzogin“ schuf er Modelle, um die Gegenwart begreifbar zu machen. In seinem satirischen Schlüsselroman „Erfolg“, erschienen 1930, warnte er präzise vor der faschistischen Gefahr.

Nach der Machtübertragung an die Faschisten konnte Feuchtwanger von einer Vortragsreise in die USA nicht mehr zurückkehren. Im Exil in Frankreich und in den USA bildeten er und seine Frau Marta ein intellektuelles Zentrum für andere deutschsprachige Emigranten wie Bertolt Brecht, Heinrich Mann und Arnold Zweig.

Bis zu seinem Tod im Dezember 1958 lebte er in Kalifornien.

Zum 60. Todestag stellt Jens David Biographie und Werk Lion Feuchtwangers vor.

Donnerstag, 13. Dezember 2018
19.30 Uhr
im Buchladen DieZeitGenossen
Strohstraße 28

73728 Esslingen

Eine gemeinsame Veranstaltung von DieZeitGenossen und VVN-BdA Esslingen

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