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Oury Jalloh bleibt unvergessen!

Gestern bei der Kundgebung in Gedenken an Oury Jalloh in Stuttgart hielt Janka Kluge, Landesgeschäftsführerin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, die folgende Rede:

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Passanten,

Wir haben uns heute versammelt um an den Tod von Oury Jalloh zu erinnern. Er war ein Asylbewerber aus Sierra Leone und lebte in Dessau. Am 7. Januar 2005 wurde er verhaftet. Er hat in einem Park zwei Frauen gebeten ihr Handy zu benutzen. Sie hatten sich belästigt gefühlt und die Polizei gerufen. Diese hat darauf eine Gruppe von Menschen aus Schwarzafrika, unter ihnen Oury Jalloh, festgenommen. Er war kurz zuvor wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Weil er sich wehrte, als er in die Wache gebracht wurde ist er mit Fesseln an Händen und Füßen fixiert worden. Die Zelle ist nach Angaben der Polizei jede halbe Stunde überprüft worden. Obwohl er durchsucht worden ist, soll es ihm gelungen sein ein Feuerzeug aus der Tasche zu holen und seine Kleider, oder die feuerfeste Matratze anzuzünden. Verschiedene Brandgutachten haben ergeben, dass es ohne Brandbeschleuniger gar nicht möglich gewesen ist so einen Brand zu legen. Obwohl die Zelle überwacht wurde hat die Polizei nicht reagiert. Weil er bei einem Telefonat nicht gestört werden wollte hat ein Polizeibeamter den Lautsprecher am Monitor leiser gedreht. Kurz darauf hat der Dienstgruppenleiter den angegangenen Feueralarm ganz ausgeschaltet. Obwohl Oury Jalloh gefesselt war haben Männer der Feuerwehr die den Brand gelöscht haben, ausgesagt, dass sie den Leichnam Oury Jallohs ohne Fesseln und ausgestreckt gefunden haben. Obduktionen ergaben danach, dass er eine gebrochene Nase hatte und die Trommelfelle der Ohren verletzt waren. Bei dieser ersten Untersuchung des Tatorts wurde kein Feuerzeug gefunden. Erst in einer späteren Liste der Reservatenkammer ist ein leicht beschädigtes Feuerzeug aufgetaucht. Die Polizisten taten alles um zu vertuschen, dass in der Polizeizelle Oury Jalloh brutal erschlagen wurde. Als sie dann bemerkten, dass er lebensgefährlich verletzt ist, nahmen sie ihm die Fesseln ab, überschütteten ihn mit Brandbeschleuniger und verbrannten ihn. Die Gutachten ergaben, dass es müssen mindestens zwei Liter Brandeschleuniger gewesen sein gewesen sein müssen. Eher sogar mehr.

Schuldig gemacht haben sich aber nicht nur die Polizisten, sondern auch die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat alles unternommen um nicht wirklich ermitteln zu müssen. Schließlich ist bei einem Verfahren, wegen unterlassender Hilfeleistung der Polizist Andreas S. zu einer Geldstrafe von etwas über 10 000.- Euro verurteilt worden. Die Strafe wurde großzügiger weise von der Gewerkschaft der Polizei bezahlt.

Angeblich ist die Polizei ein Spiegel der Gesellschaft. Ich behaupte aber, dass rassistische Einstellungen bei den Beamten verbreiteter sind, als beim Rest der Bevölkerung. Und da ist er schon erschreckend hoch.

Ein Beispiel aus der Region. Mehrere Polizisten aus Baden-Württemberg waren Mitglied im rassistischen Ku-Klux-Klan. Obwohl V-Leute dies dem Verfassungsschutz in Baden-Württemberg gemeldet haben, wurde keine Konsequenz gezogen. Sie bekamen schließlich eine Abmahnung.

Neben dem Rassismus in den Reihen gibt es aber noch ein weiteres Problem. Es ist der alte Korpsgeist, der noch immer vorhanden ist. Der interne Druck ist so hoch, dass kaum ein Polizist, oder eine Polizistin es wagt gegen andere auszusagen. Das zeigt der Mord an Oury Jalloh. Es gibt aber noch andere Beispiele und wir müssen dabei nicht auf die neuen Bundesländer schauen.

Auch bei der zähen und noch lange nicht vollständigen Aufklärung über die Verbrechen des NSU und ihrer Strukturen zeigte sich dieser Korpsgeist.

Ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes meldete sich nach der Veröffentlich der Phantombilder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber und berichtete, dass 2003 ein Informant aus der Naziszene mit dem Decknamen Erbse, ihm bei einem Treffen von einer Gruppe namens NSU berichtet habe und auch der Name Mundlos gefallen sei. Also vor der sogenannten Selbstenttarnung des Kerntrios.

Vor dem Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags hat der Informant Erbse ausgesagt und jedes Wissen über den NSU bestritten. Er wurde in Handschellen vorgeführt, weil er wegen mehrerer Delikte in Haft war. Nach seinen Schilderungen hat die Polizei gezielt einseitig ermittelt um ihn hinter Gitter zu bekommen.

Nach ihm hat der ehemalige Verfassungsschutzbeamte, der ihn damals befragte vor dem Ausschuss ausgesagt. Er erinnerte sich noch sehr gut an das fast dreistündige Gespräch mit dem Informanten und, dass er die Bezeichnung NSU erwähnt hat. Außerdem hat er fünf Namen genannt, unter denen auch ein Mundlos war. Der Beamte macht sich heute noch Vorwürfe diese Hinweise nicht ernst genommen zu haben. An die Einschüchterungsversuche, die er davor vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags öffentlich gemacht hat, wollte er sich nicht mehr erinnern. War er bei der Anhörung vor dem Bundestag noch voller Elan, gab er bei der Anhörung in Stuttgart das Bild eines gebrochenen Mannes ab. Er ist dienstunfähig geschrieben. Wer, oder was ihm geschehen ist, wollte er nicht sagen. Seine Angst war zu groß.

Ungefähr ein Jahr später hat sich Erbse auf ein Gespräch mit dem Journalisten Thomas Moser eingelassen. Jetzt sagte er, dass die ursprüngliche Darstellung gestimmt hat und er bei Gesprächen mit Nazis aus Heilbronn den Begriff NSU und die Namen gehört hat. Beim Untersuchungsausschuss hat er falsch ausgesagt, weil er im Gefängnis unter Druck gesetzt worden ist. Zwei Beamte haben ihn kurz vor der Anhörung im Gefängnis aufgesucht und ihn so unter Druck gesetzt, dass er falsch ausgesagt hat.

Ein ähnlicher Vorgang stand gestern in der Presse. Ein Mitarbeiter der Justiz in Dessau hatte im November 2013 auf einer Polizeistation in Dessau ausgesagt, dass der Polizist Andreas S. früher Mitglied einer Betriebsfeuerwehr gewesen ist und Erfahrung im Umgang mit Brandbeschleunigern hatte.

Die Welt, der ja nicht nachgesagt werden kann, dass sie linksradikal oder links ist, hat gestern über den Vorfall berichtet:

„Im April 2014 wiederholte der Justizmitarbeiter demnach seinen Vorwurf in einer SMS an das Polizeirevier, erneut unter Alkoholeinfluss. Gegen ihn sei ein Disziplinarverfahren wegen übler Nachrede eingeleitet worden, er habe seine Aussagen zurückgezogen, heißt es in dem Bericht. Bei einer Befragung im Oktober 2014 durch die Staatsanwaltschaft habe er keine weiteren Aussagen gemacht.“

Es ist deutlich zu spüren wie das System der Einschüchterung nach innen funktioniert.

Der Mord an Oury Jalloh wäre schon längst vergessen, hätte es nicht eine Initiative gegeben, die nicht locker gelassen hat und immer wieder Aufklärung gefordert hat. Sie haben Veranstaltungen und Kundgebungen durchgeführt, aber auch neue Gutachten zur Untersuchung der angeblichen Selbsttötung von Oury Jalloh in Auftrag gegeben. Für all das haben sie mehr als 100 000.- Euro ausgegeben.

Ihr Beispiel und ihre Hartnäckigkeit soll uns ein Beispiel in einem Kampf für eine bessere, nicht rassistische Welt sein.

Quelle: VVN-BdA Stuttgart

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

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In Mexiko ist es besonders gefährlich für Journalisten: 13 Reporter und Medienschaffende wurden 2017 in dem lateinamerikanischen Land getötet.

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Hunderttausende von Einwohnern von Puerto Rico sitzen selbst drei Monate nach dem Wirbelsturm "Maria" noch im Dunkeln. Die Verzögerungen beim Wiederaufbau verstärken die Abwanderung aufs amerikanische Festland.

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In Venezuela haben sowohl Regierungs- als auch Oppositionsvertreter öffentlich Bilanz über das vergangene Jahr gezogen. Dabei versuchten sie auch, sich angesichts der 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen zu positionieren.

Die Ankündigung von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, die Kryptowährung Petro einzuführen, ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Maduro hatte im Dezember zunächst den Plan öffentlich gemacht und anschließend erste Details zur geplanten Umsetzung genannt. Der Petro soll die erste Kryptowährung sein, deren Wert nicht einzig auf Spekulation beruht, sondern reale Gegenwerte hat.

Trotz Wirtschaftskrise und internationaler Einkreisung machen Venezuelas Kommunen weiter in ihrem Kampf für den „Sozialismus von unten“.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 05. Januar 2018

"Um zu sein, muß der Mensch revoltieren, doch muß seine Revolte die Grenzen wahren, die sie in sich selbst findet und wo die Menschen, wenn sie sich zusammenschließen, zu sein beginnen." A. Camus

Heute vor 58 Jahren starb Albert Camus mit nur 46 Jahren bei einem Autounfall. 1957 erhielt das ehemalige Mitglied der Rèsistance Gruppe Combat und maßgebliche Mitarbeiter der gleichnamigen Zeitschrift den Literaturnobelpreis. "Camus wandte sich in seinen Reden und Schriften gegen alle autoritären Staatsformen, insbesondere gegen den stalinistischen Sozialismus. Es ist jedoch keineswegs so, dass er Befürworter einer parlamentarischen Demokratie war. Vielmehr vertrat Camus einen Anarchosyndikalismus, bei dem die Produktionsmittel in den Händen der Gewerkschaften liegen. Bereits 1944 wünschte er sich eine „internationalistische Ökonomie, in der die Rohstoffe verstaatlicht werden, der Handel kooperativ organisiert und die kolonialen Absatzmärkte allen zugänglich gemacht werden und das Geld selbst Kollektivstatus erhält.“ Wenig später forderte er die „Vereinigten Staaten der Welt“, die „Abschaffung der Lohnarbeit“ und, „die Gewerkschaften an der Verwaltung des Volkseinkommens zu beteiligen“. 1951 betonte er zusammenfassend: „Meine Sympathien gelten den libertären Formen des Syndikalismus.“[19]"



Über den idealisierten Arbeiter

Eric Arthur Blair aka George Orwell (1943)
"Ich mache mir nichts Besonderes aus dem idealisierten -ºArbeiter-¹, wie er sich in den Gedanken des bürgerlichen Kommunismus spiegelt. Wenn ich aber einen lebendigen Arbeiter aus Fleisch und Blut im Kampf mit seinem natürlichen Feind, dem Polizisten sehe, brauche ich mich nicht zu fragen, auf wessen Seite ich stehe."

George Orwell [1938]: Mein Katalonien. Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg, Diogenes 1975, S. 155

Januar

Erich Mühsam kurz vor seinem 50. Geburtstag.
Quelle: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 146-1981-003-08

Anno 1913 schuf Erich Mühsam einen im Grunde noch heute gültigen Kalender. Die Tage, in denen diese Zustände auf dem Müllhaufen der Geschichte landen werden, rücken näher. Anlässlich dessen 105. Jahrestages beginnen wir jeden Monat in diesem Jahr mit dem entsprechenden Text.

Januar:

Der Reiche klappt den Pelz empor,
und mollig glüht das Ofenrohr.
Der Arme klebt, daß er nicht frier,
sein Fenster zu mit Packpapier.

Erich Mühsam, 1878-1934

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