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Ver-Schleyer-te Vergangenheit

Hanns-Martin Schleyer auf dem 22. Bundesparteitag der CDU in Hamburg, 1973
Foto: Bundesarchiv 145 Bild-F041440-0014 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0
Aus gegebenem Anlass einige Bemerkungen zu Schleyers Nazi-Vergangenheit, die der deutschen Geschichtsvergessenheit anheim gefallen ist.

Hanns-Martin Schleyers Karriere in der NS-Zeit begann 1931 mit seinem Eintritt in die Hitler Jugend.

1932 Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, 1933 Eintritt in die SS und Mitglied im Corps Suevia Heidelberg, einer schlagenden Verbindung. 1935 Austritt aus dem Corps, da das Corps sich weigerte, alle jüdischen „Alten Herren“ auszuschließen.

Schleyer: “Ich werde es nie verstehen können, dass ein Corps aus der Auflage, zwei Juden aus der Gemeinschaft zu entfernen, eine Existenzfrage macht.“

1937 Eintritt in die NSDAP, Leiter des NS-Studentenwerks, einer Tarnorganisation des Sicherheitsdienstes (SD). Als solcher Mitverfasser eines Denunziationsberichts über den Freiburger Rektor Metz, der seine Universität nicht vorschriftsmäßig Hakenkreuz-beflaggt, eine Teilnahme der theologischen Fakultät an der Fronleichnamsprozession geduldet, dagegen den Reichsstudentenführer Scheel, einen Förderer Schleyers, an einer Rede gehindert hatte.

Rektor Metz war kein Widerständler, sondern NSDAP-Mitglied. Deshalb wanderte er auch nicht ins KZ, sondern wurde nur von seinem Posten entfernt.

Nachdem Schleyer in Jura promoviert hatte, organisierte er in Prag ab 1943 Zwangsarbeiter für das Deutsche Reich und war mit der sogenannten Arisierung der tschechischen Wirtschaft beschäfigt

Prag, 5. Mai 1945, Aufstand gegen die Nazi-Besatzungsmacht. Im Schulgebäude des 4. Bezirks hat sich eine SS-Einheit verschanzt, die zwanzig Geiseln, Beschäftigte der Firma Janeceln, in ihrer Gewalt hat. Die tschechischen Aufständischen verhandeln mit dem SS-Kommandanten über die Freilassung der Geiseln. Dieser verlangt dafür im Gegenzug, dass seine Frau und sein Kind herbeigebracht werden sollen. Um Mitternacht wird die Frau, die ein kleines Kind auf dem Arm trägt, mit einem Auto zu dem Schulgebäude gebracht und gegen die Geiseln ausgetauscht. Die Aufständischen ziehen sich zurück. Einen Tag später richtet die SS in unmittelbarer Nähe des Schulgebäudes ein Massaker unter der Zivilbevölkerung an: Im Keller des Hauses 253 und im Garten des Hauses 254 werden 41 Menschen erschossen aufgefunden: unbewaffnete ältere Männer, Frauen und Kinder.

Am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation, bringt eine SS-Einheit Geiseln aus der Prager Zivilbevölkerung in ihre Gewalt, setzt sich aus Prag ab und erreicht abends die amerikanischen Linien, wo sie sich gefangen nehmen lässt.

Der Führer dieser SS-Einheit wird als gedrungener, breitgesichtiger Mann mit dicken Lippen und Mensurnarben auf der Wange beschrieben, dessen Namen auf „Meier oder so ähnlich“ endet. Der einzige SS - Führer in Prag, auf den diese Beschreibung passen könnte, ist Hanns-Martin Schleyer. Er ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt, seine Frau hatte ihm am 1. November 1944 einen Sohn geboren.

Nachtrag:
Immer noch wird er von vielen Politikern als „Vorbild für die deutsche Jugend“ angepriesen. Die größte Veranstaltungshalle Stuttgarts trägt immer noch seinen Namen.

Widerstand #Mai31 - Solidarität ist kein Verbrechen!

Nach der Abschieblockade vom 31. Mai, als Nürnberger BerufsschülerInnen und andere solidarische Menschen versuchten, die Deportation eines jungen afghanischen Schülers zu verhindern, wurden etliche Menschen mit Repression überzogen. Einer von ihnen sitzt seitdem im Knast.

Wir fordern,

• dass alle Ermittlungen eingestellt, alle Anzeigen fallengelassen werden und Sercem sofort freigelassen wird

• den Stopp aller Abschiebungen, egal wohin

Gegen jede Polizeigewalt - Weg mit § 113/114

Auch nach dem Prozess geht die Solidarität weiter:

Das Bündnis "Widerstand Mai 31 - Solidarität ist kein Verbrechen" ruft daher für diesen Freitag zu einer Demonstration gegen Repression, Polizeigewalt und Abschiebungen auf und veranstaltet im Anschluss ein Soli-Festival für die von Repression Betroffenen.

Start der Demonstration: 17 Uhr | Veit-Stoß-Platz | Nürnberg
Start des Festivals: ab 19 Uhr | K4 | Nürnberg | Eintritt: 8-10€ (die Einnahmen gehen an die von Repression Betroffenen)

Spendenkonto der Roten Hilfe unter dem Stichwort „Mai 31“
GLS Bank
IBAN: DE85430609674007238359
BIC: GENODEM1GL

Das Bündnis „Widerstand Mai 31 -“ Solidarität ist kein Verbrechen“ hat sich nach den Geschehnissen rund um den 31. Mai gegründet, um die von Repression Betroffenen solidarisch zu unterstützen. Das Bündnis setzt sich aus Betroffenen, Familienangehörigen, SchülerInnen und linken Gruppen zusammen.



„Herr Mann, Herr Hummel und die Nazis“. (Überschrift in der Stuttgarter Zeitung vom 11.3.2017, S.28)

1.7.2016, Ludwigsburg:

Die Firma Mann+Hummel begeht ihr 75. Firmenjubiläum und weiht das neue Technologiezentrum ein. Den Beschäftigten ist allerdings nicht nach Feiern zumute. Sie protestieren lautstark und machen ihrem Unmut auf einer Versammlung Luft:

„Wir protestieren entschieden gegen die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen in den Inlandswerken von Mann+Hummel, davon 275 in Ludwigsburg.

Wütend und empört sind wir besonders über die ausgesprochenen 121 Kündigungen. Seit heute, dem 1.7.2016 befinden sich 121 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis! 91 davon sind aus der Produktion, viele Kollegen schon über 46 Jahre alt und viele sind Gewerkschaftsmitglieder.

Zeitgleich findet heute eine Feier von Mann+Hummel statt zur Einweihung des neuen Technologiezentrums. 350 ausgewählte Gäste sind geladen. Darunter der Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen, die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, der Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann von der CDU, der Oberbürgermeister von Ludwigsburg, Werner Spec und auch der Raumfahrer Ulf Merbold.

Nicht eingeladen sind die Kolleginnen und Kollegen von Mann+Hummel.

Sich selbst zu feiern und zeitgleich Kündigungen auszusprechen, dies bewerten wir als eine ungeheuere Provokation der Belegschaft.

Wir sind uns einig und fordern:

Sofortige Rücknahme der ausgesprochenen Kündigungen!

Unser Protest richtet sich auch an die Ludwigsburger Kreiszeitung. Während heute eine dreiseitige „Anzeigensonderveröffentlichung“ von Mann+Hummel erscheint, wurde es abgelehnt, heute eine Traueranzeige über „den Verlust von 275 Mitarbeiter(n)“ abzudrucken, die einige Kollegen initiiert hatten. Hat nur der das Recht auf Meinungsäußerung, der das meiste Geld hat? Wir sehen darin einen Akt der politischen Zensur und verlangen dazu eine Stellungnahme der Verantwortlichen der LKZ.“

1938, Stuttgart und Wien:
Die Firmengründung im Jahre 1941 hat eine Vorgeschichte:
Adolf Mann und Erich Hummel beginnen ihre Unternehmerlaufbahn als leitende Angestellte der Firma Wilhelm Bleyle in Stuttgart.
1938 bekommen die Inhaber Max und Fritz Bleyle Schwierigkeiten mit der NS-Justiz.
Max Bleyle und der Geschäftsführer Arthur Weber müssen sich wegen Volksverrat, Devisenvergehen und Steuerhinterziehung vor einem NS-Sondergericht verantworten.
„... Diese Situation haben die langjährigen Angestellten der Firma Wilh. Bleyle GmbH., Mann und Dr. Hummel, ausgenutzt, um mit den Herren Bleyle und Weber am Tag vor der Hauptverhandlung vor dem Sondergericht über den Betrieb der Firma Wilh. Bleyle GmbH einen von ihnen ausgearbeiteten Kauf- und Pachtvertrag abzuschließen, durch den die Gesellschafter der GmbH auf das schwerste übervorteilt wurden. ..." (Zitate aus der Abschrift von Dr. Edmund Natter, 12.11.1945)
Der öffentliche Kläger Bauer (im Entnazifizierungsverfahren) bestätigte dies ebenfalls am 19.1.1949. Er schreibt: „... Dem Befr. (gemeint ist Adolf Mann) ist es damals gelungen, einen unverhältnismäßig günstigen Vertrag herauszuschlagen aus dem er in den 6 Jahren bis 1945 ein Einkommen von RM 3 265 945,-- bezogen hat. ... Er hat aus der Not des deutschen Volkes, in die es durch den von der NSDAP vom Zaum gerissenen Krieg gekommen ist, riesige Profite in seine eigene Tasche gesteckt..." (RM bedeutet: Reichsmark)

Max Bleyle dagegen wurde in dem Prozess zu einer 5-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Fritz Bleyle kam in die ,,lrrenanstalt“ nach Winnenden.

Dieses „Geschäftsmodell“ zur Bereicherung behalten Mann und Hummel bei, als es im angeschlossenen Österreich um die Arisierung zweier jüdischer Unternehmen geht.

Zum Vorgang der „Arisierung“ äußert sich Adolf Mann laut Firmenchronik wie folgt :
Die Verkaufsverhandlungen mit den jüdischen Vorbesitzern seien „im besten Einvernehmen“ geführt worden.

Mit dem besten Einvernehmen kann es nicht weit her gewesen sein.
Mira Steirer, eingesetzte Verwalterin, beschreibt den Vorgang im Antwortschreiben auf einen Fragebogen der amerikanischen Militärverwaltung vom 19.1.1948:
„In der sich in unseren Händen befindlichen Korrespondenz mit dem Mutterhaus Bleyle, Stuttgart, befindet sich Kopie eine Briefes des seinerzeitigen Prokuristen Hermann Zimmer, aus dem klar hervorgeht, dass er zusammen mit dem seinerzeitigen kommissarischen Verwalter, Herrn Norbert Streit, Herrn Bratmann (Vertreter des jüdischen Besitzers -“ Anmerkung des Verfassers) durch Abnahme seines tschechischen Passes gezwungen hat, in den Verkauf einzuwilligen.“

Da weder Zimmer noch Streit irgendwelche amtlichen Befugnisse zum Entzug des Passes gehabt haben, will man sich gar nicht vorstellen, unter welchen Umständen die Abnahme des Passes wohl vor sich gegangen sein mag.

Über die „Arisierungsverhandlungen“ mit dem Besitzer der zweiten Firma schreibt Steirer:
„Herr Ing. Engelhardt hat unseres Wissens keinen Kaufvertrag unterschrieben, sondern ist -“ da er persönlich bedroht war -“ bei Nacht und Nebel ohne Verständigung seiner Wiener Angestellten abgereist.“

Über den „Arisierer“ Norbert Streit bemerkt Steirer lakonisch:
„Herr Streit ist vor kurzem wegen Zugehörigkeit zur Partei und andere Delikte gesessen. Soweit uns bekannt, befindet er sich seit kurzem auf freiem Fuß.“

Um das Maß voll zu machen, behauptet die Firmenchronik, es spräche für den „Anstand“ von Adolf Mann, dass die 300.000 Reichsmark (360.000 Schilling -“ Anmerkung des Verfassers) der „höchste Arisierungspreis gewesen sei, der in Wien bezahlt wurde.“
Steirer gibt den Effektivwert der Firma aber mit 2 Millionen Schilling an, „niedrig geschätzt.“

Ob im Falle der anderen Firma (Ing. Otto Engelhardt) überhaupt Zahlungen geleistet wurden, darf bezweifelt werden. Jedenfalls spricht Steirer nur von der Zahlung von 360.000 Schilling an Bratmann bzw. den bestellten Liquidator.

Das erfüllt den Tatbestand der räuberischen Erpressung unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und zeugt nicht von Anstand, sondern von erheblicher krimineller Energie !

Frühjahr 2017, Ludwigsburg:
Im Vorfeld des Firmenjubiläums äußert die Firma Mann + Hummel den „Wunsch“, dass ein Teil der Schlieffenstrasse in Mann + Hummel-Strasse umbenannt werden soll.
Eine Historiker-Kommission, von der Stadt Ludwigsburg beauftragt, Strassennamen und mögliche Umbenennungen zu untersuchen, rät, angesichts der oben geschilderten hässlichen Gründungsgeschichte der Firma, davon ab.

Der Gemeinderat erfährt das aber eher zufällig, da die Expertise der Historiker-Kommission bei Oberbürgermeister Spec unter Verschluß liegt. Das führt zu Diskussionen im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit, die teils abstruse Blüten treibt :
In einem Kommentar der Ludwigsburger Kreiszeitung heißt es:
„Und niemand wirft den Firmengründern Adolf Mann und Erich Hummel vor, dass sie im Dritten Reich an Verbrechen beteiligt waren (...).“ (LKZ vom 9.3.2017)

Aber das genau waren sie, wie wir oben gesehen haben. Es sei denn, man folgt dem fatalen Geschichtsverständnis des NS-Marine Richters und späteren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, dass, was damals Recht war, heute nicht Unrecht sein könne.

Ein Stadtrat der Freien Wähler sieht in der Arbeit der Historiker gar „einen Angriff gegen Mann+Hummel“. Willkommen im postfaktischen Zeitalter.

Die Stadtverwaltung strapaziert inzwischen die Logik und den gesunden Menschenverstand, denn die Umbenennung sei zu „keinem Zeitpunkt verstanden worden als Würdigung von Personen, sondern der Firma, die nach den Firmengründern benannt ist.“

OB Spec schwelgt in wolkiger Unternehmer-Prosa, von „Innovation“, „Sicherung der Arbeitsplätze“ erzählt er. Das Unternehmen stelle „nicht einseitig die kurzfristige Rendite in den Vordergrund.“
Dabei scheint ihm entgangen zu sein, dass im Industriegebiet Ludwigsburger Weststadt seit den 1990iger Jahren ein Prozess der Deindustrialisierung stattgefunden hat, der tausende von Arbeitsplätzen gekostet hat. Allein bei Mann+Hummel schmolz die Zahl der Arbeitsplätze von ca. 4000 Anfang der 1990iger Jahre auf 1600 aktuell. Der jeweilige Arbeitsplatzabbau wurde immer damit gerechtfertigt, die restlichen Arbeitsplätze zu sichern. Das war damals genauso wenig wahr, wie heute. Denn natürlich plant Mann+Hummel weiteren Arbeitsplatzabbbau, auch bei Entwicklung, Vertrieb und Einkauf.

Nachtrag:
Am 23.3.2017 teilt die Stadtverwaltung mit, dass die Umbenennung nicht weiter verfolgt werde.

Die Geschäftsleitung von Mann + Hummel teilt mit, dass ihr Mitglied, Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen ausscheidet. Gründe werden nicht genannt.

Die Kollegen, die sie letztes Jahr betriebsbedingt kündigte und die vor dem Arbeitsgericht klagten, haben ihre Prozesse gewonnen und sind immer noch bei Mann + Hummel.

Die Firma hat auf das Einlegen weiterer Rechtsmittel verzichtet.

Für Spaniens Freiheit: Münchner Frauen und Männer im Spanischen Bürgerkrieg

Im Mittelpunkt des Abends stehen die Anarchistin Martha Wüstemann (1908-1992), der Kommunist Max Gorbach (1904-1986) und der Sozialdemokrat Rolf Reventlow (1897-1981).

Anhand ihrer Lebensgeschichten sollen Motive und Wege deutlich werden, die zu ihrem Kampf an der Seite der Republik gegen den Putsch General Francos führten und die auch ihr weiteres Leben bestimmten.



Die Biografien werden vorgestellt von Annette Müssener (Martha Wüstemann), Dominik Aufleger (Max Gorbach) und Joke Reschenberg (Rolf Reventlow) Einführung: Friedbert Mühldorfer

Für Spaniens Freiheit. Münchner Frauen und Männer im Spanischen Bürgerkrieg

Donnerstag, 12. Oktober 2017,19 Uhr
Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, U3/U5 Giselastraße

Eine Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -“ Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreis München

Gegen den Rechtsruck - jetzt erst recht!


Plakat: Stuttgart gegen Rechts

Am vergangenen Sonntag ist bei der Bundestagswahl mit 12,6% eine rechtspopulistische, in Teilen rechtsextreme Partei nicht nur in den Bundestag eingezogen, sondern stellt dort sogar die drittgrößte Fraktion. Das können und werden wir nicht als „Normalzustand“ hinnehmen.

Die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ hat seit ihrer Gründung eine Entwicklung durchgemacht. Begonnen als eine nach rechts offene national-neoliberale Partei ist sie heute eine, die engen Anschluss selbst an die radikale Rechte bietet. Die Zusammensetzung der Bundestagsfraktion zeigt dies auf erschreckende Weise. Geschadet hat ihr dieser Rechtsruck nicht, im Gegenteil.

Ist die „AfD“ erst dadurch gefährlich geworden, dass sie in den Bundestag und Landesparlamente einzog?

Natürlich ist es ein Problem, wenn sich die Partei durch Wahlerfolge etabliert. Mit der Bildung einer Fraktion im Bundestag wird auch eine weitere vermeintliche Legitimierung rechter Positionen einhergehen. Die „AfD“ hat es aber schon zuvor geschafft, andere Parteien und auch Medien vor sich herzutreiben und damit den gesellschaftlichen Diskurs deutlich nach rechts zu verschieben.

Beispiele gibt es viele -“ etwa im Asylrecht, wo zuletzt eine Verschärfung auf die nächste folgte. Geflüchtete müssen oft wieder länger in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben. Der Familiennachzug wurde weitgehend ausgesetzt, dafür aber die Residenzpflicht verschärft. Erkrankte Menschen können leichter abgeschoben werden. Leistungen wurden gekürzt. Abgeschoben wird sogar nach Afghanistan, ein Land, das als eines der gefährlichsten Länder weltweit gilt.

Das hat zunächst konkrete Folgen für die Betroffenen, die in ihren Rechten stark eingeschränkt werden. Aber auch das gesellschaftliche Klima bleibt davon nicht unberührt: All diese Maßnahmen stigmatisieren Geflüchtete. Sie signalisieren, dass es sich bei den Geflüchteten nicht um Schutzsuchende, sondern vor allem um eine Belastung oder gar Bedrohung handelt.

Statt Rassist*innen und „besorgten Bürger*innen“, den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde ihre Agenda -“ zumindest in Teilen -“ von der Bundesregierung übernommen. Zeitungen übernehmen unreflektiert rechte Kampfbegriffe wie „political correctness“, seitenlange Abhandlungen darüber, ob nicht eigentlich die Linken mit ihrem Feminismus selbst schuld seien am Rechtsruck, folgen.

Wird man ja wohl noch sagen dürfen. Wird man ja wohl noch abschieben dürfen. Wird man ja wohl noch totschlagen dürfen.

In Talkshows wird nicht mehr darüber diskutiert, wie wir unsere humanitäre Verantwortung übernehmen, sondern wer am schnellsten und konsequentesten abschiebt. Bezeichnend dafür war unter anderem das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz. Probleme und Herausforderungen gibt es viele -“ wachsende soziale Spaltung, schlechte Gesundheitsversorgung auf dem Land, Klimawandel, vieles mehr -“ doch stattdessen ging es fast ausschließlich darum, wie man möglichst viele Geflüchtete möglichst schnell loswerden könnte.

Doch der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit sind nur eine Facette des Rechtsrucks. Wie sehen etwa die Antworten von Rechts auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft aus?

Das „Staatsvolk“ erhält sich nicht von selbst. Emanzipation und Selbstbestimmung sind (nicht nur) der „AfD“ daher ein Dorn im Auge: Beim sogenannten „Marsch für das Leben“ in Berlin vor wenigen Tagen demonstrierten religiöse Fundamentalist*innen gegen das Recht von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung. Reproduktive Rechte Errungenschaften jahrelanger feministischer Kämpfe, wollen diese selbsternannten „Lebensschützer“ am liebsten abschaffen. Unterstützt wird der „Marsch für das Leben“ jedoch auch von prominenten CDU-Politikern wie Wolfgang Bosbach, Volker Kauder und Norbert Lammert.

Die „AfD“ ist also nicht der einzige Grund, auf die Straße zu gehen. Sie schafft es, verschiedene rechte Strömungen zu verbinden. Das Potential für eine solche rechte Partei gibt es jedoch schon lange. Studien wie die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen schon seit Jahren, wie stark verbreitet rechtes Gedankengut in der Gesellschaft ist. Die Zustimmung zu rassistischen und sexistischen Aussagen wird größer -“ aber auch die Verschwörungstheorien und antisemitischen Feindbilder sind weit verbreitet.

Viel zu lange wurde so getan, als seien Rassismus, Antisemitismus und rechtes Gedankengut lediglich das Problem ein paar abgehängter „Ossis“. Das Erstarken der „AfD“ und anderer rechter Gruppierungen wie „Pegida“, der „Demo für Alle“ oder der „Identitären Bewegung“ zeigen, dass das ein Irrtum war. Der Anstieg rassistisch oder antisemitisch motivierter Straftaten -“ vor allem Gewalttaten -“ ist enorm. Auch Übergriffe gegen LSBTTIQs haben deutlich zugenommen. Während aber Rechtsradikale Waffen sammeln und Todeslisten anfertigen, werden linke Strukturen kriminalisiert.

Die Hoffnung, die AfD sei „in den Griff zu kriegen“, indem man sie wie eine ganz normale Partei behandelt, die Hoffnung, die „besorgten Bürger“ würden weniger besorgt, wenn man ihnen nur zuhört -“ auch das zeigt sich als gefährlicher Irrtum. Die AfD inszeniert sich als „Partei der kleinen Leute“. Dass das nicht stimmt wurde schon vielfach gezeigt. Ihr Programm offenbart, dass sie nach wie vor eine national-neoliberale Politik zu Ungunsten der Mehrheit betreibt. Wer lohnabhängig ist schneidet sich mit dem Kreuz bei der „AfD“ ins eigenen Fleisch. Die Partei hat keine Antworten auf reale soziale Probleme, sie versucht nur die gesellschaftliche Spaltung völkisch-nationalistisch voranzutreiben.

Wenn also Parteien Positionen der „AfD“ in vorauseilendem Gehorsam übernehmen, wenn in den Medien und im gesellschaftlichen Diskurs rassistische und sexistische Formulierungen wieder salonfähig gemacht werden sollen, dann müssen wir laut werden -“ gegen Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus, gegen religiösen Fundamentalismus -“ ob islamistischen oder christlichen.
Dem reaktionären Gesellschaftsbild setzen wir ein emanzipatorisches entgegen, der gesellschaftlichen Spaltung Solidarität, den Verschwörungstheorien Aufklärung. Nur gemeinsam können wir ein solidarisches Miteinander gestalten und so den plumpen Phrasen von Rechts begegnen.

Das Wahlergebnis war eine bittere, wenn auch erwartete, Enttäuschung. Doch wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken. Unser Kampf gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck geht weiter -“ auf der Straße, in der Familie und im Freundeskreis, in den Schulen, Betrieben, Vereinen und in den Köpfen.

Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Fassung der Rede zur Auftaktkundgebung zur Demo gegen dem Rechtsruck am 23.09.2017.

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