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Demonstrationsrecht verteidigen! Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte

Von den USA bis zur Türkei, von Frankreich bis Ungarn rücken Regierungen nach rechts, heben durch die Verfassung gesicherte demokratische Grundrechte auf, verbieten und unterdrücken Proteste und Streiks und gehen den Weg in einen Polizeistaat. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland liegt in diesem Trend: In den letzten zwei Jahren hat auch sie demokratische Grundrechte von Millionen hier lebenden Migrant*innen massiv beschnitten, insbesondere 2016 im Zuge des „Asylpaket II“; mit verfassungswidrigen Methoden hat sie viele Migrantenorganisationen verfolgt und kriminalisiert, beispielsweise kurdische und türkische Frauen-, Studenten- und Arbeiterorganisationen wie NAV-DEM, ATIK und YXK.

Seit den jüngsten Gesetzesänderungen durch die Bundesregierung (u.a. §113, 114 StGB sowie Massen-Überwachung von WhatsApp/facebook), der Initiative zur Einschränkung des Streikrechts („Tarifeinheit“) und den schweren Grundrechtsverletzungen gegen Demonstrantinnen, Sanitäterinnen, Rechtsanwältinnen und Journalistinnen beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 ist es offensichtlich: Nach den Repressionen gegen Flüchtlinge und Migrantenorganisationen werden der gesamten sozialen Bewegung und der ganzen Bevölkerung der Bundesrepublik grundlegende demokratische Rechte genommen -“ insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit.

Schon Wochen vor dem G20-Gipfel wurden unverzichtbare Bestandteile der Versammlungsfreiheit wie zentrale Übernachtungsmöglichkeiten in Protestcamps verboten; genehmigte Camps räumte die Polizei in den Tagen vor dem Gipfel gegen ausdrückliche Gerichtsbeschlüsse. Die Auftakt-Demo der Gipfelgegner am 6.7. wurde unter Einsatz von brutaler Gewalt, mit Wasserwerfern und Schlagstöcken polizeilich aufgelöst, obwohl von ihr keinerlei Eskalation ausgegangen war. Dutzende Demonstrantinnen wurden durch Polizeigewalt im Laufe der Demonstrationen schwer verletzt. Die Polizei griff sogar gekennzeichnete Anwältinnen, Sanitäterinnen und Journalistinnen tätlich an. Mehr als 30 missliebigen Journalist*innen entzogen die deutschen Behörden im Verlauf des Gipfels nachträglich die Arbeitserlaubnis vor Ort. Hoch gerüstete Spezialeinheiten stürmten mit Kriegswaffen in Hamburg Häuser, sie terrorisierten ganze Straßenzüge, während die behaupteten Anlässe keiner Überprüfung standhalten. Privatwohnungen und Jugendzentren wurden polizeilich „durchsucht“ und verwüstet.

Über 250 Demonstrantinnen wurden von der Polizei unter teils haarsträubender Begründung in oftmals überfallartigen Szenen von vermummten Polizeibeamtinnen festgenommen und tagelang unter folterähnlichen Bedingungen ihrer Freiheit beraubt, darunter fast der gesamte Jugendvorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd und ein kompletter anreisender Bus der Jugendorganisation „Die Falken“. Zu den Haftmethoden zählten systematischer Schlafentzug, Demütigungen und Schläge. Mehr als einen Monat nach den Gipfelprotesten dauert die Freiheitsberaubung immer noch an, noch sitzen 31 Demonstrant*innen in Untersuchungshaft, der größte Teil von ihnen ausländischer Herkunft. Die mittlerweile freigelassenen ver.di-Mitglieder werden weiterhin mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht, die mit einer Reihe von neuen Gesetzen durchgesetzt werden sollen.

Bereits wenige Wochen vor dem G20-Gipfel reformierte die Bundesregierung die §113 und 114 des Strafgesetzbuches („Widerstand oder tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“). Demnach droht in diesem Fall künftig eine Mindeststrafe von drei Monaten. Für den Vorwurf des Widerstands reicht dabei oft schon ein ängstlich weggezogener Arm. Zudem wurde der Katalog für besonders schwere Fälle, die mit sechs Monaten Mindeststrafe belegt sind, erweitert: Künftig reicht dafür u.a. auch die so genannte gemeinschaftliche Tatausführung -“ doch welche Demonstration, welcher Streik erfolgt nicht gemeinschaftlich?

Diese Gesetzesänderungen werden das gesamte Demonstrationsgeschehen in Deutschland nachhaltig verändern. Wenn jeder Demonstrant Angst haben muss, z.B. im Falle eines Handgemenges hinter Gittern zu landen -“ und zwar auch, wenn es von der Polizei ausging -“ werden sich viele von der Teilnahme an Kundgebungen, Demos oder Streiks abgeschreckt sehen. Die derzeitigen Gesetzesänderungen gehören zu den tiefsten Eingriffen in die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes) seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und höhlen damit ein elementares Recht völlig aus, das vom BVerfG als „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“ bezeichnet wurde. Weiterhin widersprechen sie der Menschenwürde (Art. 1), der Freiheit der Person (Art. 2), schränken die Meinungsfreiheit (Art. 5) massiv ein, die das BVerfG als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt bezeichnete und richten sich nicht zuletzt gegen die Pressefreiheit. Die uns durch unsere Verfassung gewährten Rechte lassen wir uns nicht nehmen. Wir fordern:

  • Freiheit für die politischen Gefangenen von G20 und NAV-DEM/ATIK und Einstellung der Verfahren!

  • Verteidigung des Demonstrationsrechts: Weg mit der Reform der § 113 u. 114 StGB!

  • Verteidigung des Streikrechts: Weg mit der „Tarifeinheit“!

  • Verteidigung der Pressefreiheit: Weg mit der Repression gegen Journalist*innen!



Via demonstrationsrecht-verteidigen.de

Stuttgart: Linke Politik lässt sich nicht verbieten! Solidarität mit Indymedia Linksunten!

Wir unterstützen den Aufruf zu einer Protestkundgebung gegen das Verbot von Indymedia Linksunten:

Am Freitag, den 25. August gab das Innenministerium das Verbot der linken Informationsplattform Indymedia Linksunten bekannt. Polizeikräfte durchsuchten vier Wohnungen und das Kulturzentrum KTS in Freiburg, beschlagnahmten Speichermedien und Technik. Der Innenminister begründete den harten Schlag gegen das vielgenutzte Portal mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Kriminalisierung von Indymedia Linksunten ist das erste Resultat einer breiten Kampagne gegen linke Politik, die von bürgerlichen Parteien und Medien schon vor dem Gipfel ins Rollen gebracht wurde und nach ihm erst richtig in Fahrt kam. Von der revolutionären und radikalen Linken über linke Kulturzentren bis hin zur Linkspartei, wird alles diffamiert und angegriffen, was am neoliberalen Kurs der Herrschenden rüttelt: eine Bildzeitung, die ihre LeserInnen zur Fahndung nach AktivistInnen aufhetzt, Forderungen nach EU-weiten Dateien zur Erfassung von linken AktivistInnen, Debatten über die Schließungen von Räumlichkeiten. Alle politischen Kräfte, die sich nicht vom selbstbestimmten Widerstand gegen den Gipfel distanzieren, befinden sich mit auf der Abschussliste.

Es ist nicht nur die ausufernde Polizeigewalt während des Gipfels, die unzähligen verletzten AktivistInnen und die teils noch andauernden unbegründeten Haftstrafen, die mit dem Schlag gegen Links unter den Teppich gekehrt werden sollen. Es geht darum, politische Kräfteverhältnisse zu schaffen, in denen Widerstand zum Verbrechen gemacht wird, sobald er anfängt, sich zu artikulieren. Der direkte Protest gegen das immer zerstörerischere Wüten des kriselnden Kapitalismus, gegen Kriegspolitik, Sozialabbau, Abschottungspolitik, zunehmend unsichere und schlechte Arbeitsbedingungen, soll nicht als Anknüpfungspunkt zur Veränderung der Zustände, sondern als unmittelbare Gefahr für die Menschen der Gesellschaft verkauft werden. Eine Gefahr kann linker Widerstand durchaus sein - allerdings nur für diejenigen, die an der Verschlechterung der Lebensbedingungen von großen Teilen der Gesellschaft mitwirken und davon profitieren. Natürlich ist es kein Zufall, dass das harte staatliche Durchgreifen nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl stattfindet. Die vermeintliche Bedrohung der "Inneren Sicherheit" ist schon seit Jahren ein Dauerbrenner in der Öffentlichkeitsarbeit der großen bürgerlichen Parteien.

Und jetzt? Es ist nicht klar abzusehen, wie sich die Offensive gegen Links weiter ausgestalten wird. Fakt ist: das Fundament dafür ist gelegt. Die Herrschenden schaffen eine Stimmung, in der die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, wie der Versammlungs- und der Pressefreiheit auf zunehmend fruchtaren Boden stößt, in der Proteste zur "Gefahr für Leib und Leben" hochstilisiert werden. Schließlich soll ein schwerbewaffnetes SEK, das wegen Steinen und Barrikaden Häuser stürmt, nicht als Ansatz zur weiteren Militarisierung der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ein mutiger Einsatz zur "Rettung in der Not" liest sich wesentlich besser in der bürgerlichen Berichterstattung...

Das können wir nicht hinnehmen!
Wir befinden uns in einer Zeit, in der große Teile der lohnabhängigen Bevölkerung in immer schlechtere Lebensbedingungen gezwängt werden, in der Ausgrenzung und Abschottung wieder brutale und sichtbare Formen annehmen. Die Gesellschaft wird kompromisslos - und für viele inzwischen auch selbst spürbar - nach den Interessen des Kapitals ausgerichtet. Der Widerstand dagegen ist zwar folgerichtig, aber keine leichte Aufgabe. Er kann nur Früchte tragen, wenn wir ihn gemeinsam verteidigen, lautstark und selbstbewusst an seiner Notwendigkeit festhalten. Wir haben so viele Anknüpfungspunkte, anhand derer wir Menschen für den Kampf für eine bessere Gesellschaft begeistern können und wir erleben täglich, wie dieses System Perspektivlosigkeit und Verzweiflung produziert. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die Stimmen zu erheben, anstatt in Resignation zu verfallen, solidarisch zusammenzuhalten, anstatt uns verunsichern und vereinzeln zu lassen!

Kommt zur Solidaritätskundgebung zur Verteidigung linker Politik gegen staatliche Kriminalisierung! Zeigen wir gemeinsam, dass ihre Verbote nicht über die tagtäglichen Verbrechen der herrschenden Ordnung hinwegtäuschen können. Eine Politik des Widerstandes braucht widerständige Medien, die sich nicht von den politischen Koordinaten der Herrschenden und dem lukrativen Handel mit Informationen lenken lassen.

Wir sind alle Linksunten!

Kundgebung am Rotebühlplatz / Stadtmitte
Donnerstag 31. August / 18 Uhr

„Diese Prozesse sind so politisch, wie Prozesse nur sein können.“ Erklärung der Kampagne „United we stand!“ zu den ersten G20-Prozessen am 28. und 29. August 2017

Mit besonders offensichtlich politisch motivierten Anklagen beginnen am 28. und 29. August die Prozesse gegen vermeintliche Straftäter_innen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Kampagne „United we stand!“ ruft für beide Tage zu Kundgebungen vor dem Amtsgericht am Sievekingplatz auf.

Im ersten Verfahren am 28. August steht ein junger Mann aus den Niederlanden vor Gericht, dem schwerer Landfriedensbruch, Widerstand und Körperverletzung vorgeworfen werden. Überraschend dünn bei diesen schwerwiegenden Anklagepunkten erscheint die Beweislage. Es können weder Video- noch Fotomaterial vorgelegt werden, lediglich zwei Polizeibeamte sollen die vorgeworfenen Straftaten bezeugen. Bei der weitreichenden polizeilichen Videodokumentation der Proteste gegen den G20-Gipfel ist das kaum vorstellbar. Trotzdem sitzt der Niederländer seit Anfang Juli in Untersuchungshaft.

Der im zweiten Prozess Angeklagte ist ein polnischer Staatsangehöriger. Er war fernab aller G20-Proteste festgenommen worden und wird seit Anfang Juli unter sehr schwachen Tatvorwürfen in Untersuchungshaft gehalten -“ angesichts der Konstruktion der Staatsanwaltschaft, die dem nicht vorbestraften Mann lediglich mögliche spätere Straftaten unterstellt, ein rechtspolitischer Skandal.

„Dieser Prozess ist so politisch, wie ein Prozess nur sein kann“, kommentiert Kim König für die Kampagne „United we stand!“. „Die Staatsanwaltschaft behauptet vor aller Welt ernsthaft, wer in einer Stadt, in der irgendwo eine Demonstration stattfindet, Murmeln dabei hat, muss automatisch ein gefährlicher Verbrecher sein. Diese abenteuerliche Anklage, aber auch die Behinderung der Verteidigung in der Gefangenensammelstelle und die Verletzung der Rechte des Gefangenen in der JVA Billwerder belegen den unbedingten Verfolgungswillen des Staates. Er will endlich Verurteilte präsentieren, egal um welchen Preis. Dazu agiert er auch nach einer Art Feindstrafrecht: Eine derart unverhältnismäßige Untersuchungshaft wurde nicht nur gegen die beiden jetzt Angeklagten verhängt, sondern auch gegen viele andere beim Gipfel festgenommene nicht-deutsche Staatsangehörige -“ und fast nur gegen sie.

Die Tatsache, dass im ersten Verfahren gegen den jungen Niederländer Richter Johann Krieten den Vorsitz hat, lässt uns ein überhartes Urteil befürchten. Krieten hat sich in den vergangenen Jahren mehr als einmal als Hardliner präsentiert.

Diese Anklagen, diese Prozesse sollen eine politische Machtdemonstration des Apparats werden. Dem setzen wir unseren juristischen und politischen Widerstand und unsere Solidarität entgegen, bei diesen und allen weiteren G20-Prozessen. Wir werden die Angeklagten nicht allein lassen. Kommt zu den Kundgebungen am 28. August, um 9 Uhr und am 29. August, um 10 Uhr vor dem Amtsgericht!“

Quelle

Freiheit 4.0 - Rettet die Grundrechte: Mobivideo

Die Regierung reißt Grundrechte ab - dagegen gibt es zum Glück auch einen fortschrittlichen Widerspruch, der ein bürgerliches bis linksradikales Spektrum vereint. Den Aufruf zur Freiheit 4.0 Demo unterstützen bereits über 40 Organisationen.

Neulich hatten wir hier den Aufruf gepostet, heute folgt das Mobi-Video.

Freiheit 4.0 - Rettet die Grundrechte

Die Regierung reißt Grundrechte ab - dagegen gibt es zum Glück auch einen fortschrittlichen Widerspruch, der ein bürgerliches bis linksradikales Spektrum vereint. Den Aufruf zur Freiheit 4.0 Demo unterstützen bereits über 40 Organisationen:

Freiheit feiern -“ Rettet die Grundrechte

Ohne Freiheit ist alles nichts. Deshalb wollen wir sie feiern und ein Zeichen gegen die freiheitsfeindliche Politik der Großen Koalition in den vergangenen Jahren setzen.

Wann und wo?

Am Samstag, 9. September 2017 am Berliner Gendarmenmarkt, direkt vor dem Konzerthaus.
Fest der Grundrechte ab 12:00 Uhr
Demo um 14:00 Uhr

Unsere Forderungen:

  • Staatliche Überwachung abbauen!
  • Keine Vorratsdatenspeicherungen!
  • Privatheit schützen: On- und Offline-Verfolgung eindämmen!
  • Pressefreiheit -“ Keine Zensur!
  • Grundrechte und Rechtsstaat sichern!

Wir haben genug von einer Regierung, die durch die Hintertür und über Nacht Gesetze für das Hacken unserer Rechner und Smartphones durchdrückt und uns Bürger nur als Datengeber für staatlichen und kommerziellen „Datenreichtum“ sieht.

Wir wollen uns für diejenigen starkmachen, denen die Freiheit genommen wurde, weil sie als Journalist*innen und Aktivist*innen ihren Beruf ausgeübt haben. Als Teil einer Gesellschaft, in der Überwachung immer mehr zum Normalzustand wird, setzen wir uns für diejenigen ein, die sich auf private Gespräche über Telefon und Internet verlassen müssen.
Wir tanzen an gegen die politische Treibjagd von einem vermeintlichen Bedrohungszustand zum nächsten. Wir wollen eine breite Diskussion darüber, in welcher digitalen Gesellschaft wir leben wollen. Wir setzen uns für das Ende von immer neuen Überwachungsgesetzen ein und fordern stattdessen durchdachtes Handeln im Sinne der Freiheit.
Wir stellen uns gegen grundrechtsfeindliche, aktionistische Symbolpolitik und wollen gemeinsam über eine freiheitliche Zukunft nachdenken, von der alle Menschen etwas haben. Wir wollen unsere Freiheit feiern und ein gutes Beispiel für alle sein, die sich kreativ gegen die Alarmisten in der Politik zur Wehr setzen wollen.
Wir haben keine Angst und lassen uns auch keine einreden!
Was wir anbieten:
  • Gute Musik: Wir tanzen um den Gendarmenmarkt.
  • Cryptoparty: Bring Deine digitalen Geräte mit, wir helfen Dir ganz praktisch bei Verschlüsselungswerkzeugen und Privatsphäreschutz.
  • Bunte Anonymisierung: Bring Deine Kinder und Eltern mit, denn sie wollen unbedingt unsere Biometrieschminke ausprobieren!
  • Eine Festtafel der Freiheit: Lasst uns zusammen essen, trinken, diskutieren!
  • Gute Laune: Bring gern alles mit, was die Stimmung hebt -“ frohe Schilder, humorvolle Masken, Essen zum Teilen, Becher zum Füllen und Tanzbeine aller Couleur!
  • Und natürlich politische Mitbestimmung: Auf dem Demonstrationszug werden wir unsere Forderungen lautstark kundtun.

90 Jahre Hinrichtung: Sacco und Vanzetti Presente!

Sacco (rechts) und Vanzetti (links) als Angeklagte, mit Handschellen aneinander gefesselt

Vor 90 Jahren, am 9. April 1927, wurde das Todesurteil gegen die beiden aus Italien in die USA eingewanderten Arbeiter Ferdinando „Nicola“ Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die sich der anarchistischen Arbeiterbewegung angeschlossen hatten, verkündet. In der Nacht vom 22. auf den 23. August 1927 wurden beide im Staatsgefängnis von Charlestown, Massachusetts, hingerichtet.

Morde an Revolutionären und Arbeiterführern mit Hilfe der Justiz sind eng mit der Geschichte der USA verbunden: Die Chicagoer Arbeiterführer Parsons, Spies, Engels und Fischer wurden am 11. November 1887 als Reaktion auf die große Streikwelle Opfer der Klassenjustiz. Die Tradition setzte sich mit den in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts trotz weltweiter Solidaritätskampagnen hingerichteten anarchistischen Arbeitern Sacco und Vanzetti fort. Auch heute gehört die Todesstrafe zu den Mitteln der rassistischen Klassenjustiz in den USA.

„Ich habe nicht nur mein ganzes Leben lang kein wirkliches Verbrechen begangen, wohl einige Sünden, aber keine Verbrechen, sondern auch das Verbrechen bekämpft, das die offizielle Moral und das offizielle Gesetz billigen und heiligen: Die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Wenn es einen Grund gibt, warum Sie mich in wenigen Minuten vernichten können, dann ist dies der Grund und kein anderer.“

Bartolomeo Vanzetti



Erich Mühsam setzte ihnen mit "Staatsräson. Ein Denkmal für Sacco und Vanzetti" ein ebensolches. Aus dessen 15. Akt:

Brüder, euer Name lebt
unsern Fahnen eingewebt
ewig unvergänglich.
Wenn die rote Freiheitsflamme loht,
soll ihr Glanz der Welt verkünden
euern Kampf und euern Tod.
Treue euerm kühnen Geist,
der den Weg der Zukunft weist.

Brüder, wir geloben:
Was euch leiden ließ der Mörder Staat,
jede Stunde eurer Qualen
sei ein Hebel unsrer Tat.
Kampf sei euer Dank und Lohn,
Kampf dem Staat, der Reaktion,
Kampf bis zu dem Tage,
da der Spuk der Macht in Staub zerrinnt,
wenn in jedem Land auf Erden
sich das Arbeitsvolk besinnt.

Brüder, die ihr für uns starbt,
euer Blut fließt unvernarbt,
bis die Massen siegen.

Klassenkampf und Solidarität
geben in die Hand des Volkes
Land, Fabrik und Feldgerät.

Eure Sehnsucht, eure Pein
soll uns Stern und Geißel sein,
Sacco und Vanzetti!

Euer Beispiel stirbt der Menschheit nie.
Freie Welt sei euer Denkmal,
Sozialismus, Anarchie!

Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978

Gründung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission im Fall Oury Jalloh

Wir hatten mehrfach über den Fall des im Jahr 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers verbrannten Flüchtlings Oury Jalloh berichtet. Das vor über einem Jahr erstellte Brandgutachten lässt offenbar die Vermutung zu, daß "ein Dritter die Matratze, auf der der 36-Jährige an Händen und Füßen fixiert worden war, in Brand gesetzt haben (müsste). Bislang war die Justiz stets davon ausgegangen, dass Jalloh die Matratze mit einem Feuerzeug selbst angezündet hatte. (...)", so die "Welt" vom 16.08.2017. Seit dem Tode Jallohs äußerten Vertreter von Solidaritätsorganisationen Zweifel an der polizeilichen Darstellung der Vorgänge in der Zelle. Siehe auch die ausführliche Erklärung von Break the Silence - Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.: "Generalstaatsanwaltschaft entzieht Staatsanwaltschaft Dessau das Ermittlungsverfahren im Fall Oury Jalloh

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V. veröffentlichte heute eine Pressemitteilung:

Der renommierte Londoner Brandsachverständige Iain Peck äußerte in seinem vorläufigen Gutachten zum Brandversuch der Staatsanwaltschaft vom 18. August 2016 ernste Kritik an den offiziellen Ermittlungsvorgängen und dem generellen Umgang der deutschen Behörden mit dem ungeklärten Verbrennungstod von Oury Jalloh:
Bei einem Vorfall, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, sollten den Interessen der Familie des Verstorbenen seitens des Staates der höchste Respekt und Rücksichtnahme entgegengebracht werden. Grundsätzlich sollte der Staat für die Familie arbeiten und deshalb offene und ehrliche Untersuchungen aller in diesem Fall bekannten Fakten und Hypothesen darüber, wie das Feuer zustande kam, aufführen und vollständig untersuchen, damit von der Familie und Freunden so gut wie möglich nachvollzogen werden kann, wie der Verstorbene ums Leben kam. Im Fall von Herrn Jallohs Tod in der Polizeizelle sind diese Untersuchungen unserer Meinung nach von Anfang an fehlerhaft gewesen.“ (> 2017/01/method-critical-statement-of-the-fire-test-by-dr-kurt-zollinger.pdf, Pkt.31 und 32)

Der von der Dessauer Staatsanwaltschaft inszenierte Brandversuch in Schmiedeberg am 18.August 2016 steht in einer langen Reihe fehlerhafter und manipulativer Ermittlungen und ist Bestandteil einer höchst unwissenschaftlichen Beweisführungskette seitens der verantwortlichen Behörden in Sachsen-Anhalt.

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hatte am 11. November 2013 eine Anzeige beim damaligen Generalbundesanwalt Harald Range wegen Mordes gegen unbekannte Polizisten gestellt. Range wurden diesbezüglich zahlreiche Indizien und Beweise vorgelegt, die faktisch untermauern, dass Oury Jalloh sich nicht selbst angezündet haben kann. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass sich die Ermittlungen in Sachsen-Anhalt von Anfang allein auf die Selbstentzündungsthese beschränkten, wichtige Beweisstücke in Obhut der Staatsanwaltschaft
verschwanden oder im Fall des vorgelegten Asservats „Feuerzeugrest“ hinzumanipuliert wurden.

Trotzdem erklärte Range seine Behörde für nicht zuständig und leitete die Anzeige über die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zurück nach Dessau. Damit wurde offenkundig, dass selbst der Generalbundesanwalt die vorgelegten Fakten zum Schutze der staatlichen Täter ignorierte. Gleichzeitig ist dies auch ein offizieller Nachweis dafür, dass Naumburg bereits seit Jahren über die Ungereimtheiten in den Ermittlungen zum Fall von Oury Jalloh informiert ist. In der Konsequenz hätte sie der Staatsanwaltschaft Dessau also schon viel früher die Zuständigkeit entziehen können. Das hat sie jedoch erst jetzt, im Juni 2017 hinter verschlossenen Türen getan, nachdem die „missliche“ () Transparenzoffensive der Staatsanwaltschaft Dessau offenbar alle zentralen Hypothesen des Falles ins Wanken gebracht zu haben scheint. ()
(Link:>FREIE PRESSE / Fall-Jalloh-Verschlusssache-Feuertod)

Stillschweigend hat sich auch der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann im Dezember 2016 vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet. Dieser hatte seine Arbeit als Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Dessau am 21. Januar 2005, also nur wenige Tage nach der Ermordung Oury Jallohs, aufgenommen. Zuvor arbeitete Bittmann 12 Jahre lang als Oberstaatsanwalt in Halle. Genau in diese Behörde hat nun die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg mit den Ermittlungen im Fall Oury Jalloh betraut. Die Behauptung des Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft, Halle wäre etwas entfernt von Dessau und damit neutraler Boden für konsequente und unvoreingenommene Ermittlungen, kann schon allein aus dem Grund, dass Folker Bittmann 12 Jahre lang in dieser Behörde seinen Dienst verrichtet hatte, nicht geteilt werden. Wer ernsthaft behauptet, dass allein die geographische Distanz zweier Ortschaften als ein Maßstab für die angebliche Neutralität von Polizei- und Justizbehörden in Sachsen-Anhalt gedeutet werden kann, versucht einmal mehr, die Öffentlichkeit über die Realität von Staatsräson hinwegzutäuschen. Im Februar 2017 hatte sich eine Expertengruppe der Vereinten Nationen intensiver mit dem Fall von Oury Jalloh beschäftigt. Ihre vorläufigen Ergebnisse präsentierte sie am 27. Februar 2017 in Berlin. Die Experten zeigten sich besorgt über die mangelnden Untersuchungen der Todesursache und die Lücken in den Ermittlungen im Fall von Oury Jalloh. Sie sind der Auffassung, dass institutioneller Rassismus und rassistische Stereotypisierung durch das deutsche Strafjustizsystem bisher verhindert haben, dass die Täter tatsächlich ermittelt und verfolgt werden. Die endgültigen Ergebnisse der Expertengruppe werden dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im September 2017 vorgestellt werden.(LINK:>2017/02/27/statement-to-the-media-by-the-united-nations-working-group-of-experts-on-people-of-african-descent-on-the-conclusion-of-its-official-visit-to-germany-20-27-february-2017/)

Die Ermordung Oury Jallohs ist ein rassistisches Verbrechen, dass bis in die höchsten Kreise der deutschen Polizei, Justiz und Politik nachhaltig gedeckelt wird. Eine Vielzahl von Experten und Gutachtern aus dem Ausland haben aufgrund der ihnen vorliegenden Faktenlage bereits bestätigt, dass hier offensichtlich ein Mord vertuscht werden soll.

Der deutsche Rechtsstaat hat nunmehr über 12 Jahre lang auf allen Ebenen bewiesen, dass er nicht gewillt ist, die Todesumstände von Oury Jalloh lückenlos aufzuklären -“ und das nicht nur in diesem, sondern in vielen Fällen mit Beteiligung staatlicher Institutionen von den Toden Christy Schwundeck-˜s, Mareame Sarr-˜, Laye Conde-˜s Halim Dener-˜s bis hin zum NSU-Komplex. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh sieht es daher in ihrer Verantwortung eine selbstorganisierte internationale Untersuchungskommission aufzubauen. Diese soll in den nächsten Wochen gebildet und zeitnah der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

O U R Y J A L L O H -“ D A S W A R M O R D ! ! !

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