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Gemeinsam gegen ihre Repression

Michael Csaszkóczy bei einer Demonstration gegen sein Berufsverbot, 2007
„Der Kampf gegen Unterdrückung ist das Projekt der politischen Linken in ihrer Gesamtheit und ihrer Vielfalt.“

Kritisch-lesen.de sprach mit Michael Csaszkoczy über Arbeitsweisen der Roten Hilfe und die Notwendigkeit, Repression solidarisch und organisiert zu bekämpfen.

kritisch-lesen.de: Gerade erst erschien ja eure Broschüre zur Geschichte der Roten Hilfe zur Zeit des deutschen Faschismus, in der die Organisation aus der Illegalität heraus arbeiten musste. Die Methoden der staatlichen Repression und Überwachung haben sich seitdem massiv verändert. Kannst du einige Entwicklungen in Arbeitsweisen und -schwerpunkten der Roten Hilfe skizzieren?

Michael Csaszkoczy: Natürlich haben wir uns ganz bewusst in die Tradition der historischen Roten Hilfe Deutschlands (RHD) gestellt, die in den 1920er Jahren bestand. Das ist aber keine organisatorische Kontinuität. Die wird höchstens gelegentlich von übereifrigen Verfassungsschutzämtern hergestellt, die damit die Rote Hilfe als „Unterorganisation der KPD“ darstellen wollen -“ was sie so schon damals nicht war. Die Rote Hilfe der 1920er und 1930er Jahre war ganz anders strukturiert und hatte ganz andere Aufgaben. Nach der durch Freikorps blutig erstickten Novemberrevolution und den Märzkämpfen 1920 waren die deutschen Gefängnisse voll von revolutionären Arbeitern (seltener Arbeiterinnen), deren Familien draußen von Hunger und Existenzangst bedroht waren. Die direkte Unterstützung der Gefangenen in den Knästen, aber auch ihrer Familien, war damals die Hauptaufgabe der RHD. Große Bekanntheit erreichten damals zum Beispiel die Kinderheime der Roten Hilfe. Obwohl die historische RHD sehr deutlich unter dem Einfluss der KPD stand, trug sie ihren strömungsübergreifenden Anspruch nicht zu Unrecht vor sich her. Ihre wichtigsten Kampagnen (zum Beipiel für Max Hoelz, Erich Mühsam oder Sacco und Vanzetti) beschäftigten sich mit inhaftierten AnarchistInnen oder RätekommunistInnen. Die damalige RHD konnte auch viele bürgerliche Intellektuelle für ihre Sache gewinnen, unter ihnen Thomas Mann, Albert Einstein oder Kurt Tucholsky.

Auch wenn die RHD ihre Arbeit in der Illegalität fortsetzte, gab es in der BRD zunächst kein Anknüpfen an diese Tradition. Erst im Zuge der 68er-Revolte gründeten sich wieder RH-Gruppen, die sich bald in konkurrierende Grüppchen und Parteien aufspalteten. War deren Hauptbeschäftigungsfeld zunächst die Unterstützung von GenossInnen, die wegen Demonstrationsdelikten angeklagt waren, bildete die Unterstützung der in Isolationshaft sitzenden Stadtguerilla aus RAF, Bewegung 2. Juni et cetera den Arbeitsschwerpunkt vieler RH-Gruppen -“ auch wenn sie sich häufig ideologisch scharf von bewaffneten Gruppen abgrenzten.

Mit dem Ende der K-Gruppen-Zeit öffnete sich eine verbliebene Rote-Hilfe-Struktur (die ursprünglich der KPD-ML nahestehende RHD) zu einer tatsächlich strömungsübergreifenden Organisation. Das bedeutet für unsere heutige politische Arbeit, dass wir es ablehnen, uns allgemeinpolitisch zu äußern. Unterstützt werden von uns alle, die von Repression betroffen sind und die sich mit ihrer Politik nachvollziehbar in den Kontext einer linken, antikapitalistischen, feministischen und emanzipatorischen Bewegung stellen. Das reicht von der gewaltfreien Castor-Blockiererin bis zum Angehörigen einer revolutionären migrantischen Exilorganisation, vom einfachen Strafbefehl über Verfahren, in denen es um langjährige Haftstrafen geht.

kritisch-lesen.de: Was sind deiner Meinung nach aktuell die effektivsten Strategien der Herrschenden, kritische Kräfte in ihrer Organisation und Arbeit zu kontrollieren und zu behindern?

Michael Csaszkoczy: Das ist sehr situationsabhängig und richtet sich immer nach den momentanen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen. In der BRD spielen zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich nicht nur staatliche Repression, sondern auch Propaganda und Einschüchterung eine zentrale Rolle. Auch staatliche Repression setzt in Deutschland häufig schon sehr niedrigschwellig an, um Menschen, die sich politisieren, sofort und unmittelbar aufzuzeigen, welche Konsequenzen das haben kann. Wo wirkliche soziale Veränderungen greifbar scheinen oder der Status Quo schlicht unerträglich geworden ist, wirkt niedrigschwellige Repression nicht mehr. Nicht umsonst werden in Deutschland zum Beispiel türkische und kurdische Exillinke für viele Jahre eingeknastet, schlicht und einfach nur, weil sie sich politisch organisiert haben.

kritisch-lesen.de: Überwachung ist längst im Alltag angekommen. Die Dimensionen und Mechanismen sind dabei kaum mehr abzusehen. Welche Entwicklungen in diesem Bereich beunruhigen Dich derzeit am meisten?

Michael Csaszkoczy: In diesem Bereich tut sich in der letzten Zeit so unglaublich viel, dass ich mich schwertue, einen konkreten Punkt zu benennen. Was mich an dem gesamten Komplex „Überwachung“ aber am meisten interessiert, ist nicht die technische, sondern die gesellschaftliche und politische Dimension: Führt das Wissen, dass jeder meiner Schritte überwacht werden kann, automatisch zu politischer Lethargie? Und wenn ja, wie können wir das ändern? Kein Gesetz wird bei den gegenwärtigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen Firmen oder Staaten daran hindern, alle nur denkbaren Möglichkeiten der Überwachung zu nutzen. Gibt es dennoch Möglichkeiten, es ihnen schwer zu machen? Wir bei der RH wären ja schon froh, wenn Linke grundsätzlich ihre Mails, Chats und Festplatten verschlüsseln würden. Das wäre umso wichtiger, als es ja nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaften sind, die gern an unsere Daten wollen, denen zumindest offiziell aber rechtliche Grenzen gesetzt sind. Was der sogenannte „Verfassungsschutz“ und andere Geheimdienste tun, unterliegt schon formal fast gar keiner gesetzlichen Kontrolle.

kritisch-lesen.de: Derzeit laufen ja beispielsweise die Gerichtsverfahren gegen Aaron und Balu in Berlin. Was macht ihr in einem solchen Fall konkret, wie sieht die Unterstützung aus?

Michael Csaszkoczy: Die Unterstützung der Roten Hilfe hat zum einen natürlich einen materiellen Aspekt. Genauso schlimm wie die Belastungen eines Prozesses und die eventuelle Strafe sind oft die finanziellen Folgen, die nicht selten existenzbedrohend sein können. Für diese Folgen wollen wir als Linke gemeinsam einstehen. Zurzeit können wir in der Regel 50 Prozent der Unkosten stemmen, ganz gleich ob der Antrag von einem Rote-Hilfe-Mitglied gestellt wird oder nicht.

Der andere Aspekt betrifft Prozessbegleitung und Öffentlichkeitsarbeit. Wir wollen die Leute ermutigen, politische Prozesse auch politisch zu führen. Tatsächlich agieren Gerichte ja nicht im luftleeren Raum und der Ausgang eines politischen Verfahrens ist meist stärker von der hergestellten Öffentlichkeit bestimmt, als von juristischen Finessen. Aber natürlich führen wir auch Beratungsarbeit durch, vermitteln linke und solidarische AnwältInnen und überlegen uns gemeinsam Prozessstrategien.

kritisch-lesen.de: Was empfiehlst du Menschen, die in Kontakt mit Repressionsinstitutionen kommen? Wie kann man unangenehmen Erfahrungen vorbeugen; wie verteidigt man sich am besten, wenn es doch soweit kommt?

Michael Csaszkoczy: Das Wichtigste: Einen kühlen Kopf bewahren und bei Polizei und Staatsanwaltschaft keine Aussagen machen. Niemand ist dazu verpflichtet und selbst eine Aussage vor Gericht sollte mit GenossInnen und einem Rechtsbeistand vorher gut überlegt werden. Dazu ist später genügend Zeit, und häufig ist es ohnehin das Beste, auch vor Gericht gar keine Aussagen zur Sache zu machen. Auch wenn man Fehler gemacht hat (zum Beispiel Aussagen gemacht oder sich bei einer Hausdurchsuchung blöd verhalten) ist es wichtig, das nicht verschämt mit sich alleine abzumachen. In jedem Fall ist es sinnvoll, nach einem Vorfall so bald wie möglich mit FreundInnen und GenossInnen zu sprechen und die nächstgelegene Rote-Hilfe-Ortsgruppe zu kontaktieren. Und natürlich ist es gut, seine Rechte zu kennen. Dazu geben wir schon seit Jahrzehnten die immer wieder aktualisierte Broschüre „Was tun, wenn es brennt?“ heraus.

kritisch-lesen.de: Wie schätzt du die Chancen ein, aus dem bürgerlichen Recht ein Werkzeug für Unterdrückte zu machen? Inwieweit ist Verteidigen gegen Repression innerhalb des Rahmens des bürgerlichen Justizsystems, das Einfordern der Durchsetzung des gültigen Rechts auch für Marginalisierte, beziehungsweise das Erkämpfen neuer Gesetzte (beispielsweise im Bereich Datenschutz) möglich und sinnvoll?

Michael Csaszkoczy: Das bürgerliche Recht markiert immer erreichte und erkämpfte Standards. Das macht es in einer kapitalistischen Gesellschaft noch lange nicht generell zu einem Werkzeug der Unterdrückten. Neue Gesetze spiegeln gesellschaftliche Machtkämpfe allenfalls wider, sie können sie gewiss nicht ersetzen. Niemand sollte darauf bauen „sein Recht“ zu bekommen, nur, weil er oder sie vor Gericht zieht.

Die Rote Hilfe rät deshalb in der Regel auch von Klagen gegen staatliche Organe ab, es sei denn, damit wird ein besonderes Ziel verfolgt (zum Beispiel, wenn es gute Aussichten auf ein Präzedenzurteil gibt) und auch dann nur, wenn der Prozess von einer öffentlichen Kampagne begleitet wird. Aber wenn es darum geht, sich vor Gericht gegen staatliche Repression zu wehren, dann können und werden wir auf erkämpfte rechtliche Standards ganz gewiss nicht verzichten. Auch wenn wir uns mehr erträumen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es die politische Linke, die erkämpfte Grundrechte gegen die verteidigt, die sie schleifen wollen.

kritisch-lesen.de: Wird über Repression geredet, geht es schnell und oft ausschließlich um Staat und Polizei. Gerade das Thema Überwachung macht jedoch deutlich, dass Repression zunehmend von „privaten“ Akteuren aus der Wirtschaft übernommen wird. Backgroundchecks und Überwachung von ArbeitnehmerInnen und -suchenden ist längst gang und gäbe. Polizeiliche und militärische Aufgaben werden zunehmend von privaten Sicherheitsfirmen ausgeübt. Ist ein Fokus auf staatliche Repression haltbar?

Michael Csaszkoczy: Ein Fokus auf staatliche Repression als alleiniger politischer Standpunkt ist natürlich nicht haltbar. Repression bedeutet zunächst einmal ja einfach „Unterdrückung“. Der Kampf gegen Unterdrückung ist das Projekt der politischen Linken in ihrer Gesamtheit und ihrer Vielfalt. Diesen Kampf kann und will die Rote Hilfe der Linken nicht abnehmen, sondern sie dabei unterstützen. Wir tun das, indem wir den Kampf gegen staatliche Repression organisieren. Dabei sind wir noch lange nicht so erfolgreich, wie wir es gerne wären.

Aber ihr habt natürlich recht: Es gibt Bereiche, in denen Repression sich außerhalb des Rahmens strafrechtlicher Verfolgung abspielt. Wir machen uns beispielsweise schon länger Gedanken über Betriebsrepression und leisten in diesem Bereich auch Unterstützung, wo Gewerkschaften sie versagen. Aber solche Repression landet letztlich ja auch wieder vor Gerichten. Wir können Klassensolidarität unterstützen, nicht aber organisieren oder gar ersetzen.

Die angesprochene Broschüre „Was tun, wenn-˜s brennt“ gibt es als Download auf der Webseite der Roten Hilfe .


Zuerst erschienen in Ausgabe 42, „Repression und Überwachung- vom 03. Januar 2017

Keine Gnade: Obama verweigert Freilassung von Leonard Peltier

Seit nunmehr 41 Jahren sitzt der AIM Aktivist Leonard Peltier als politischer Gefangener in den USA ohne Aussicht, jemals in Freiheit zu kommen, im Gefängnis. Am 23. Dezember hat er sich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt und bedankt sich bei seinen UnterstützerInnen für die Solidarität. Seit November läuft eine auch von Amnesty International unterstützte Kampagne, die Präsident Barack Obama dazu auffordert, Peltier zu begnadigen.

Dieser Versuch ist offenbar gescheitert:

Obama Denies Clemency for Leonard Peltier. Siehe auch: "Sieg der Solidarität. US-Präsident Barack Obama begnadigt Oscar López Rivera und Chelsea Manning. Hoffnung auf Freilassung von Leonard Peltier enttäuscht" Beitrag von Jürgen Heiser in der Tageszeitung junge Welt. Darin: "(...) Enttäuscht wurden bislang die Hoffnungen auf eine Freilassung Leonard Peltiers vom American Indian Movement. Für den seit 40 Jahren Inhaftierten hatte die Solidaritätsbewegung weltweit und auch in der BRD seit Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt. (...)"

Sowie: Obama Denies Clemency to Native American Activist Leonard Peltier bei Democracy Now!

WARRIOR: The Life of Leonard Peltier

Seit nunmehr 41 Jahren sitzt der AIM Aktivist Leonard Peltier als politischer Gefangener in den USA ohne Aussicht, jemals in Freiheit zu kommen, im Gefängnis. Am 23. Dezember hat er sich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt und bedankt sich bei seinen UnterstützerInnen für die Solidarität. Seit November läuft eine auch von Amnesty International unterstützte Kampagne, die Präsident Barack Obama dazu auffordert, Peltier zu begnadigen.

Aus diesem Anlass zeigen wir heute die Dokumentation Warrior: The Life of Leonard Peltier aus dem Jahre 1992 von Suzie Baer.

Oury Jalloh Gedenken 2017: 2000 Menschen gegen tödliche Polizeigewalt und Staatsrassismus in Dessau's Straßen

Foto: heba/Umbruch Bildarchiv
12 Jahre sind vergangen, seitdem Oury Jalloh an Händen und Füßen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Zu seinem Todestag fand in diesem Jahr die bisher größte Gedenkdemonstration in Dessau-Roßlau statt. Ein Nachwort von Thomas Ndindah von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh.

Die Oury Jalloh-Bewegung dankt allen Beteiligten aus ganzem Herzen für die überaus kraftvolle Manifestation am 7. Januar 2017 in Dessau gegen das #Verbrennen #Vertuschen #Verschleppen und #Verfolgen - das war ein sehr, sehr inspirierender und kraftspendender Auftakt dieses Jahres in unserem gemeinsamen Kampf gegen staatlich geförderte und juristisch gedeckelte Morde an unseren Schwestern und Brüdern!
Aus dem ganzen Bundesgebiet waren 2000 solidarische Menschen zusammengekommen und klagten die kontinuierlichen Verbrechen europäisch geprägter Gesellschaften in Deutschland, Europa und der ganzen Welt an. Denn Oury Jalloh ist #KeinEinzelfall, sondern heuchlerischer Standard einer selbsternannten "ersten Welt", der seit über 500 Jahren wie selbstverständlich fremd-definierte Leben auslöscht und dabei seit 1948 auch noch allen Ernstes von "Menschenrechten" schwadroniert. Diese sogenannte "Alte Welt" Europa hat nicht nur "damals" die ganze Welt kolonialisiert und versklavt - sie zerstört die Lebensgrundlagen aller Menschen dieses Planeten bis heute...

Der Fall Oury Jalloh steht in besonderer Weise für diese verbrecherische Verlogenheit der weißen Mehrheitsgesellschaft und ihrer staatlichen Institutionen - von der rassistischen Ausländergesetzgebung, die gerade wieder unverhohlen ausgeweitet wird, über die exekutiven Staatsgewalten der Polizei, Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörden, die staatsloyale Justiz, die die eigenen "rechtsstaatlichen Prinzipien" bis in höchste Instanzen hinein beugt, um kriminelle Staatsdiener*innen zu schützen und schließlich auch die sog. 4. Gewalt der Medien, die es bis auf wenige Ausnahmen verabsäumen, diese staatlichen Praktiken entschieden zu hinterfragen und bloßzustellen. Während die, die sich für Wahrheit und eine gerechte Gesellschaft einsetzen, polizeilich und juristisch verfolgt werden, können sich die Täter im Auftrag des Staates sicher sein, dass ihnen keine Strafe drohen wird - und hier geht es eben nicht nur um polizeilichen Korpsgeist, sondern auch um regelmäßige staatsanwaltliche Manipulationen und Strafvereitelungen sowie um juristische Rechtsbeugungen bis in die höchsten Rechtsinstanzen.

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hat der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau am Sonnabend eine vernichtende gutachterliche Stellungnahme zu ihrer manipulativen "Feuershow" vom 18. August 2016 im sächsischen Schmiedeberg zugestellt. Die renommierten Londoner Brandsachverständigen Iain Peck und Emma Wilson bemängelten die fachlichen Fehler durch eine Vielzahl von der originären Brandsituation abweichenden Parameter und einen brandforensisch völlig ungeeigneten Körper-Dummy, welche die Ergebnisse als wissenschaftlich unbrauchbar disqualifizieren. Zudem wird die Intransparenz des Versuches durch Vorenthaltung der technischen Parameter zum Versuchsaufbau und dessen Durchführung gerügt und die fehlende Verantwortung gegenüber den Hinterbliebenen betont. (Stellungnahme des Brandsachverständigen Iain Peck) und (Radio Lotte: Aktuelles zu den Brandgutachten)
Die Ergebnisse des presseöffentlich durchgeführten "Brandversuches" der StAW liegen 6 Monate nach Durchführung mit fadenscheinigen Begründungen und entgegen den eigenen "Versprechungen" noch immer nicht vor (!), sodass über das Fachgutachten hinaus auch der Verdacht der Verschleppung der Ermittlungen im Raum steht

Zu dieser Intransparenz passt, dass es sich die Einsatzleitung der Polizei vor Ort nicht hat verkneifen können, die anwesenden Pressefotografen widerrechtlich in ihrer Berufsausübung zu behindern, indem sie ihnen den Zugang zum Übergabeort vor der Staatsanwaltschaft wegen angeblicher "Sicherheitsbedenken" untersagte.

Wir werden die Polizei-Täter und deren staatliche "Helfer" in den Ministerien, Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und sie zum Eingeständnis ihrer Verbrechen zwingen:

OURY JALLOH - DAS WAR MORD!!!

#KeinEinzelfall! - #KeineEinzeltäter!

Wir bedanken uns insbesondere bei allen Anwesenden der betroffenen Communities, den Organisatoren der ersten Stunde von The VOICE Refugee Forum und der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen in Deutschland sowie unserem Kampagnenpartner 2017, dem Bundesvorstand der Roten Hilfe für ihre nachhaltige Solidarität, die diesen Kampf erst ermöglicht und zu dieser starken Manifestation beigetragen haben!

Mehr Informationen unter:
initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Facebook: facebook.com/InitiativeOuryJalloh/
Twitter: https://twitter.com/OuryJalloh
Kampagnen-Blog: keineinzelfall.net/

Thomas Ndindah und Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Quelle und Fotoreportage beim Umbruch Bildarchiv, Berlin


Weitere Fotos und Informationen:

Incident at Oglala: The Leonard Peltier Story

Seit nunmehr 41 Jahren sitzt der AIM Aktivist Leonard Peltier als politischer Gefangener in den USA ohne Aussicht, jemals in Freiheit zu kommen, im Gefängnis. Am 23. Dezember hat er sich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. und bedankt sich bei seinen UnterstützerInnen für die Solidarität. Seit November läuft eine auch von Amnesty International unterstützte Kampagne, die Präsident Barack Obama dazu auffordert, Peltier zu begnadigen.

Aus diesem Anlass zeigen wir heute die Dokumentation Zwischenfall in Oglala

Operation Konfetti - der 11. Tatort im NSU-VS-Komplex

Wie bei jedem Anschlag zuvor, folgt auch auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 das, was viele -šSicherheitspolitiker-™ anlassfrei und seit Jahrzehnten fordern: einen „starken Staat“, noch mehr Polizei, noch mehr (Video-)Überwachung, Befugnisse und (elektronische) Fesseln ... um vor dem Terrorismus das zu beschützen, was sie uns step by step wegnehmen.

Dazu zählt nach Vorstellungen des Innenministers de Maizière u.a. die Alleinherrschaft des Inlandgeheimdienstes in Gestalt des „Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)“, die Abschaffung föderativer Gewaltenteilung. Ein Anschlagsziel vieler Regierungskonstellationen, das mit Blick auf das bestehende Grundgesetz verfassungsfeindlich ist. Ein Grund mehr, hinter die Mauern des BfV in Köln zu schauen.

Wolf Wetzel setzt mit diesem Beitrag die Zusammenfassung seiner fünfjährigen Recherche zum NSU-VS-Komplex fort.

Heute geht es um den 11. Tatort: Bundesamt für Verfassungsschutz/Köln.

1998 tauchten Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft „Thüringen Heimatschutz“ (THS) ab. Das wußte der Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) noch. Dann will er dreizehn Jahre lang nichts mehr gewußt haben. Weder habe der -šVerfassungsschutz-™ gewußt, wo sie sich über ein Jahrzehnt aufhielten, noch dass sie den NSU gegründet hatten und ab dem Jahr 2000 insgesamt zehn Menschen ermordet haben (sollen).

Die einen sagen achselzuckend, dass so etwas passieren kann und verweisen darauf, dass man das Gegenteil nicht beweisen könne. Dieses einfältige Spiel funktioniert vor allem dann, wenn man keine Möglichkeit bekommt, Ermittlungsergebnisse adäquat zu überprüfen.
In diesem Beitrag geht es darum, das Gegenteil zu beweisen: Dem Inlandsheimdienst fehlte es weder an Wissen über, noch an Zugängen zu den abgetauchten Neonazis.

Sie machten schwere Straftaten möglich, anstatt sie zu verhindern.

1998 tauchten mehrere Neonazis ab, als in einer Garage in Jena 1,4 Kilogramm Sprengstoff, Rohrbomben und neonazistisches Propagandamaterial gefunden worden war. Gleichfalls fand man in der Garage eine geheime Telefonliste, auf der die wichtigsten „Kameraden“ verzeichnet waren. Auf diesen „Glücksfall“ war der Inlandsgeheimdienst (und die Staatsschutzabteilungen der Polizei) bestens vorbereitet: Auf besagter Telefonliste befanden sich auch vier V-Männer, also Neonazis, die das vollste Vertrauen der Abgetauchten genossen und als „Quellen“ von den Verfolgungsorganen „geführt“ wurden:

  • Tino Brandt (Deckname -ºOtto-¹ bzw. -ºOskar-¹). Organisatorischer Kopf der neonazistischen Kameradschaft -ºThüringer Heimatschutz-¹. V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes von 1995 bis 2001. „Thüringer Heimatschützer erzählen (gegenüber der Zeitung, d.V.), wie Brandt sie ermuntert habe, -ºim Untergrund kleine Zellen zu bilden-¹. Er habe das Motto -ºeine Idee sucht Handelnde-¹ ausgegeben. -ºTaten statt Worte-¹ habe er gefordert." (stuttgarter-nachrichten.de vom 17.7.2014)
  • Thomas Starke (VP 562). Einer der führenden Köpfe der sächsischen -ºBlood & Honour-¹-Sektion, V-Mann des LKA Berlin von 2000 bis 2011.
  • Thomas Richter (Deckname -ºCorelli-¹), einflussreicher Neonaziaktivist aus Sachsen-Anhalt, V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz von 1994 -“ 2014. "Thomas R. engagierte sich (...) bei dem rechten Fanzine -ºDer Weiße Wolf-¹ in dessen Ausgabe Nummer 18 im Jahr 2002 ein interessantes Vorwort erschienen ist. Fett gedruckt, ohne nähere Erläuterung, heißt es da: -ºVielen Dank an den NSU-¹. Es ist die erste bekannte Erwähnung des NSU in der Öffentlichkeit, neun Jahre bevor die einzigartige Mordserie aufgedeckt wird." (Spiegel-online vom 18.9.2012)
  • Kai Dalek, einer der Führungsköpfe der 1984 vom damaligen Neonazi-Führer Michael Kühnen gegründeten >Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front-¹ (GdNF). Er gehörte zu den Gründern des neofaschistischen -ºThule-Netzwerkes-¹. Laut offiziellen Angaben wurde dieser Neonazi vom LfV Bayern von 1994 bis 1998 als V-Mann geführt.

Sie versorgten den Inlandgeheimdienst mit wichtigen Informationen und beteiligten sich engagiert am Aufbau eines neonazistischen Untergrundes:

  • Besorgung von 1.4 Kilo Sprengstoff (VP 562)
  • Das Gewähren von Unterschlupf für die Abgetauchten (V-Mann Corelli und VP 562)
  • Beschaffung von Blanko-Reisepässen und Geld (V-Mann Otto)
  • Aufbau eines neonazistischen Infosystems namens Thule-Netzwerk. (V-Mann Dalek)

Es ist also keine Übertreibung, wenn man sagen kann: Der Geheimdienst war mit zahlreichen V-Leuten am neonazistischen Untergrund beteiligt -“ von Anfang an.
Oder anders gesagt: Wenn man die offizielle Version vom -šTerror-Trio-™ zur Grundlage nimmt, dann hatte der Geheimdienst mehr „Quellen“ im neonazistischen Untergrund als der NSU Mitglieder.

Die Selbstaufklärung des NSU

2011 nimmt der NSU nach bis heute aufrechterhaltener Version seine „Selbstauflösung“ und „Selbstvermarktung“ in die eigene Hand. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begehen in einem Campingwagen in Eisenach-Stregda „einvernehmlichen Selbstmord“. Das „letzte lebende“ Mitglied des NSU, Beate Zschäpe, verschickt an mehrere Adressen Videos, in denen der NSU mehrere Morde als rassistische Taten begrüßt.

Sechs Tage später

„Köln, Bundesamt für Verfassungsschutz, 10. November 2011. Frau N., Sachbearbeiterin, gewissenhaft, fragt sicherheitshalber noch einmal nach.

„Was soll hier vernichtet werden?“
„Sechs Akten“, sagt der Referatsleiter M.
„Sind das denn V-Mann-Akten, oder sind das Werbungsakten?“
„Es sind V-Mann-Akten.“
„Die werden doch nicht vernichtet. Wieso sollen die vernichtet werden?“
„Tun Sie das, was ich sage.“
„Nein, das tue ich nicht. Geben Sie mir das schriftlich.“
Referatsleiter M. schickt eine E-Mail.

Einen Tag später, zwischen zehn und elf Uhr, schiebt Frau N., gewissenhaft und zusammen mit einem Kollegen, sechs Akten in den Schlund des gewaltigen Reißwolfs im Keller des Bundesamts. Sechs Akten, auf die der Referatsleiter stieß, als er hektisch nach drei Namen suchte: Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt. (...) Drei Namen, die den Verfassungsschützern seit einer Woche Sorgen machen, seit Maskierte eine Bank in Eisenach überfielen und ein Haus in Zwickau explodierte. Namen, die schon bald mit einer Mordserie verbunden, zu Synonymen einer Staatsaffäre werden." (Stern vom 26.11.2014)

Als dieser Vorgang an die Öffentlichkeit gelangt, lieferte der Referatsleiter folgende gewissenhaft-penible Erklärung ab: Es habe sich um die fristgerechte Löschung von veralteten Unterlagen gehandelt. Reine Routine: Aus Kapazitätsmangel werden Akten, die als überaltert erachtet werden, vernichtet. Ein ordentlicher, Platz schaffender Mann, ein Wächter des Datenschutzgesetzes. Nur keine Aufregung.
Komplementär wird noch eine andere, extrem geistreiche Variante in die Welt gesetzt: Die vernichteten V-Mann-Akten hätten nichts mit dem NSU oder seinem Umfeld zu tun.

Operation Rennsteig

Zwischen 1996 und 2003 hatten Polizei, BfV und BND genau das getan, woran es dreizehn Jahre gemangelt haben soll: Zuspiel und Zusammenarbeit.
Gemeinsam rekrutierten sie Neonazis in Thüringen. Das Ziel war klar: der „Thüringer Heimatschutz“ (THS), die größte neonazistische Kameradschaft in Thüringen, mit bis zu 150 Mitgliedern. Der Erfolg dieser „Operation“ konnte sich sehen lassen. Ein bis zwei Dutzend Neonazis wurden als V-Leute angeworben. Sie bekamen Decknamen aus der T-Serie: Tulpe, Treppe, Tusche, Tinte, Tacho, Tarif usw..
Es waren genau diese Akten, die man hat verschwinden lassen. Denn sie hatten keinerlei Bezug zum NSU-Komplex. Verstanden?
Denn was sollen V-Leute, die man im THS anwirbt, mit denen zu tun haben, die aus dem THS hervorgegangen sind? Eine geradezu hochschwangere Verschwörungstheorie.

Einer muss dran glauben

Die Akten waren verbrannt, der erste und zweite Schachzug auch. Nun kam der dritte Spielzug dran. Man machte aus einer streng hierarchischen und weisungsergebenen Einrichtung eine Ansammlung von eigensinnigen und eigenwilligen Mitarbeitern, von denen einer die ganze Behörde in Verruf gebracht hat.

Es oblag dem damaligen Vize-Präsidenten des BfV, Klaus-Dieter Fritsche, diesen Ball ins Spiel zu bringen, in seiner Erklärung vom 18.12.2012 vor dem PUA in Berlin:

„Hiervon getrennt zu sehen ist der Sachverhalt der außerordentlichen Aktenvernichtung im BfV noch nach Bekanntwerden des NSU, über den ich erstmalig am 27.06.2012 Kenntnis erlangt habe und der mich fassungslos gemacht hat.
Ich habe den damaligen Präsidenten des Bundesamtes unmittelbar aufgefordert, den Sachverhalt umfassend zu erheben und habe mir gleichzeitig disziplinarrechtliche Maßnahmen vorbehalten. (...) Ich möchte seinem heutigen Abschlussbericht in diesem Ausschuss nicht vorgreifen. Aber das offensichtlich bewusste, individuelle Fehlverhalten eines Referatsleiters hat dazu geführt, eine ganze Behörde in Verruf zu bringen.“

Puhh, der Vizechef des Inlandsgeheimdienstes schien wirklich außer sich gewesen zu sein. Und dann noch diese Drohung: das wird Folgen haben ... Man durfte auf Einiges gefasst sein.

Zurück auf Los

Am 24. Oktober 2014 wurde der Referatsleiter Lothar Lingen von BKA-Beamte befragt. Dort gab er Folgendes zu Protokoll:

„Die bloße Bezifferung der seinerzeit in Thüringen vom BfV geführten Quellen mit acht, neun oder zehn Fällen hätte zu der Frage geführt, aus welchem Grunde die Verfassungsschutzbehörden über die terroristischen Aktivitäten der Drei eigentlich nicht informiert worden sind. Die nackten Zahlen sprachen ja dafür, dass wir wussten, was da läuft, was aber nicht der Fall war. Und da habe ich mir gedacht, wenn der quantitative Aspekt also die Anzahl unser Quellen im Bereich des -šThüringer Heimatschutz-™ und Thüringen nicht bekannt wird, dass dann die Frage, warum das BfV von nichts gewusst hat, vielleicht gar nicht auftaucht.“ (Spiegel.de vom 10.11.2016)

Na und?

Die Beamte nahmen seine Aussage zu Protokoll, hefteten sie ab -“ und machten nichts. Polizeibeamte, die aus dem Effeff wissen, dass sie eine Straftat zur Anzeige bringen müssen, wenn sie von ihr Kenntnis erhalten bzw. der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt.

Was die BKA-Beamten unterlassen hatten, unternahmen die Familie eines NSU-Opfers und ihre Anwälte. Sie reichten eine Strafanzeige gegen Lothar Lingen ein, wegen des Verdachts der Strafvereitelung, Urkundenunterdrückung und des Verwahrungsbruches.

Die Staatsanwaltschaft Köln

Die damit befasste Staatsanwaltschaft prüfte und prüfte und kam Ende November 2016 zu folgendem Schluss: Sie wird keine Ermittlungen aufnehmen. Wo kämen wir da auch hin?

Immerhin wollte und durfte die Staatsanwaltschaft ihre Bereitschaft zur Nicht-Bereitschaft begründen. Sie hat Kafka-Format.
Zum einen hätten die Akten doch „weitgehend“ bzw. „großteils“ rekonstruiert werden können. Was wieder da ist, kann nicht verschwunden sein.

Dieser Freispruch setzt Maßstäbe. Stellen Sie sich vor, Sie überfallen eine Bank, eine große Bank und sie haben Erfolg. Sie erbeuten sehr viel Geld und flüchten unerkannt. Erst einmal. Denn ein paar Tage später kommt man ihnen doch auf die Spur. Man verhaftet Sie und stellt fast die gesamte Beute sicher. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und ermittelt und kommt zu dem Schluss, dass es nichts zu ermitteln gäbe. Schließlich wäre doch wieder so gut wie alles an seinem Platz.

Alles paletti

Apropos, es sei gar nichts passiert, die vernichteten V-Mann-Akten seien doch „weitgehend“ wiederhergestellt worden. Zu den beseitigten V-Mann-Akten gehörte auch jene des V-Mannes „Tarif“.

Der PUA in Berlin befragte am 25. November 2016 den ranghohen Mitarbeiter des BfV mit dem Decknamen Gerd Egevist. Unter anderem wurde er nach dem rekonstruierten Aktenbestand zum V-Mann „Tarif“ gefragt.
Zur Verblüffung der Parlamentarier gab er den Noch-Bestand mit „zehn bis zwanzig Prozent“ an.

„An dieser Stelle griff ein Mitarbeiter der Bundesregierung ein: Es seien tatsächlich mehr als zwanzig Prozent.“ (hib 693/2016)

Dass jemand die Farce dieses Einwurfes begriffen hat, ist in besagtem Protokoll des PUA nicht vermerkt.

Und die Moral der Geschichte

Der Beamte wurde ins Bundesverwaltungsamt -šversetzt-™, „wo er unter anderem Personenvorschläge für Auszeichnungen durch den Bundespräsidenten erarbeitet“. (FR vom 5.10.2016)
Eine ausgezeichnete Bestrafung, die ihre abschreckende Wirkung nicht verfehlen wird.

Ende 2014 wurde eine klitzekleine Nachricht veröffentlicht, die man auch überlesen durfte: Das Bundesamt für Verfassungsschutz/BfV wird mehr Geld und mehr Mitarbeiter bekommen. Zu den ca. 2.800 -ºMitarbeitern-¹ sollen bald 100 weitere hinzukommen. Außerdem werden dieser Behörde als "Sachmittel" weitere 13,44 Millionen Euro bewilligt, womit der Etat für diese Behörde im Jahr 2015 bei fast 231 Millionen Euro liegt.

Das Totalversagen wird also ausgebaut. Der Inlandsgeheimdienst BfV bekommt seine Prämie für Aktenvernichtungen und Falschaussagen, für Ermittlungssabotage und Irreführung, für die Beihilfe beim Aufbau und beim Nichtauffinden des NSU.

Elke Steven, Dr. phil., arbeitet als Soziologin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, und kommt zu folgendem Schluss:
„Im Juli 2015 hat der Bundestag das „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes“ beschlossen. Die Verwobenheit der Verfassungsschutzämter in den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) und das Versagen in der Aufdeckung der Mordtaten hätten zur Auflösung dieses demokratisch unkontrollierbaren Geheimdienstes führen müssen. Stattdessen werden neue, weitreichende Rechte geschaffen.

„Das Begehen von Straftaten durch Staatsdiener und ihre V-Leute wird erstmals gesetzlich legitimiert und ihre Strafverfolgung eingeschränkt. Schwerer kann man den Rechtsstaat kaum beschädigen.“ (Müller-Heidelberg: Beamtete Straftäter -“ Täter vom Dienst).“ (Der Staat ist der Verfassungsfeind, NachDenkSeiten vom 15.6.2016)

Wolf Wetzel -“ Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund -“ wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2015/3. Auflage

In diesem Beitrag sind nur die V-Leute erwähnt, die sich auf der „Garagenliste“ 1998 befanden. Sie sind nur die Spitze des Eisberges. Über 40 namentlich bekannte V-Leute waren im Nahbereich des NSU-Netzwerkes aktiv: V-Männer als Staatsanteil im NSU-Netzwerk.

Quelle: Fehlende Akten erneut Thema





Lesen Sie dazu bitte auch Teil 1 „Das unwahrscheinliche Ende des NSU“ und Teil 2 „Der Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn 2007 -“ Die -ºZwei-Täter-Theorie-¹ stürzt in sich zusammen“ von Wolf Wetzels Zusammenfassung. Dieser Beitrag wurde auf NachDenkSeiten am 5.1.2017 publiziert und vom Autoren zur Verfügung gestellt.

Berufsverbote: Prozess Silvia Gingold vs. Verfassungsschutz

Am Dienstag, den 12. Januar, um 10.30 Uhr, findet in Wiesbaden der Prozess „Silvia Gingold gegen Land Hessen“ statt (AZ.: 6K1153/16, W1).Frau Gingold hat den hessischen „Verfassungsschutz“ auf Unterlassung der fortgesetzten Bespitzelung und Vernichtung der diesbezüglichen Akten verklagt.

Obwohl Frau Gingold noch nie irgendein rechtswidriges oder gar gegen das Grundgesetz gerichtetes Verhalten vorgeworfen werden konnte -“ weder in den langen Jahren ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin, noch bei ihrer Mitarbeit in verschiedenen Organisationen und Gremien wie z.B. dem Kasseler Friedensforum -“ wird sie erklärtermaßen mindestens seit 2009 vom „Verfassungsschutz“ überwacht.

Tatsächlich wird ihr z.B. vorgeworfen, dass sie aus dem Buch über das Leben ihres Vaters, des Widerstandskämpfers Peter Gingold, Lesungen durchführt. Oder dass sie als selbst Betroffene am 28. Januar 2012, am 40. Jahrestag des Radikalenerlasses, bei einer Kundgebung in Frankfurt gesprochen hat. Und dass sie sich nicht von anderen teilnehmenden Organisationen distanziert hat. Auf einem solchen Niveau bewegen sich die Erkenntnisse, die den “Verfassungsschutz“ bewogen haben, Frau Gingold als gefährliche Verfassungsfeindin unter Beobachtung zu stellen. Es geht bei diesem Prozess also nicht nur um die Person Silvia Gingold -“ es geht ganz allgemein darum, ob der „Verfassungsschutz“ in unserem Land nach Belieben unbescholtene Menschen beobachten darf.

Um diesem Unrecht endlich einen Riegel vorschieben zu lassen, hat Frau Gingold vor über drei Jahren Klage beim VG Wiesbaden eingereicht. Und über diese Klage wird am kommenden Dienstag, 12.1.2017, verhandelt.

Mehr Informationen zum Fall von Silvia Gingold
Quelle: Pressemitteilung Initiativgruppe „40 Jahre Radikalenerlass“

Siehe auch: Silvia Gingold gegen den hessischen Verfassungsschutz, Aufruf zur aufmerksamen Beobachtung und öffentlichen Begleitung des Gerichtsverfahrens (Rote Hilfe)

kritisch-lesen.de Nr. 42: Repression und Überwachung

Von KMJ aus der deutschsprachigen Wikipedia,
Lizenz: CC BY-SA 3.0,
Das Räderwerk der deutschen Sicherheitsorgane läuft auf Hochtouren. Räumungen und Hausdurchsuchungen in der Rigaer oder der Skalitzer Straße in Berlin, in der Hafenstraße in Hamburg und anderen Orten, verdeckte Ermittlungen in linken Gruppen, Strafverfolgung und Inhaftierung von Aktivist_innen wie zum Beispiel Ali, Cem, Balu, Aaron oder Thunfisch, die Durchsetzung des PKK-Verbots im Rahmen der „Terrorismusbekämpfung“ und so weiter und so fort. Darüber hinaus noch „Flüchtlingsströme dämmen“, die öffentliche Ordnung wahren (etwa durch die Vertreibung von nicht erwünschten Personen -“ Refugees, Wohnungslose, Erwerbslose -“ von prestigeträchtigen Plätzen) und ein möglichst umfassendes Überwachungssystem etablieren. Für Linke sind Repression und Überwachung nichts Neues. Die Kriminalisierung unserer Proteste und Strukturen gehört zum Alltag. Dennoch haben sich die Formen im Laufe der letzten Jahrzehnte stark verändert. Während beispielsweise im heißen Herbst '77 staatliche Repression noch sehr brachial und sichtbar war, haben wir es nun oftmals mit subtileren Methoden zu tun -“ und zwar auf politischer, gesellschaftlicher und technischer Ebene gleichermaßen. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit Dimensionen und Mechanismen von Überwachung und Repression und fragen danach, wie der Kontrolle und gewaltsamen Zurückdrängung durch den Staat heute begegnet werden kann.

Tragendes Element ist zunächst der immer offensiver vertretene Sicherheitsdiskurs. Kontrolle und Sicherheit werden als notwendige Schlüssel präsentiert, mit denen das Unheil der scheinbar allgegenwärtigen Gefahren eingedämmt werden kann. Die Methoden werden kaum hinterfragt -“ genauso wenig wie die Feindbilder. Hauptsache die öffentliche Ordnung bleibt bestehen. Dabei geben Organe des Rechtsstaats vor, objektive Instanzen zu sein, die die Bürger_innen gleichermaßen vor den immer (wieder) präsenten Gefahren schützt. Diese Gefahren liegen oft und nicht zufällig in einem diffusen „Außen" -’ die rassistische, wohlstandschauvinistische Feindbildproduktion hat Konjunktur. Mit dieser scheinbaren Unausweichlichkeit wird auch Repression als probates Mittel der Gefahrenabwehr gerechtfertigt.

Eine Methode dieser Repression ist die Überwachung. In technischer Hinsicht hat die digitale Revolution diese zu einem Kinderspiel gemacht und ist für Betroffene gleichzeitig kaum mehr zu durchblicken. Die Omnipräsenz von Überwachung durch Kameras, durch Drohnennutzung und Datenspeicherung et cetera bleibt dem Mensch oft verborgen. Gleichzeitig hat sich das Phänomen auch normalisiert: Der Aussage, wer nichts zu verbergen habe, habe von Überwachung nichts zu befürchten, wird oft zugestimmt. Mehr noch: Die Rufe nach zusätzlicher Kontrolle werden immer lauter. Pläne zur Komplettüberwachung von öffentlichen Plätzen erfahren hohe Zustimmung. Die Datenspeicherung und Ortung von Personen online nimmt zu. Immer wieder wird über Einsätze der Bundeswehr im Innern diskutiert, regelmäßig kooperieren Armee und Polizei und Soldat_innen unterstützen dauerhaft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Registrieung von Geflüchteten. Grenzen werden wieder dichtgemacht. Private Sicherheitsfirmen machen mit dem Geschäft Repression gutes Geld. Gefängnisse werden an Privatinvestoren übertragen, denen der Staat die angeblichen horrenden Betriebskosten fraglos überweist -“ während nach US-Vorbild Pläne dafür gemacht werden, die Haftanstalten in moderne Produktionsstätten nach Feudalprinzip umzuwandeln.

Vor diesem Hintergrund sind Strukturen von Gegenwehr und Solidarität besonders wichtig. Der Kriminalisierung und Verfolgung durch die Sicherheitsorgane heißt es, gemeinsam und organisiert entgegen zu treten. Unser Interview mit Michael Csaszkoczy von der Roten Hilfe sowie das Essay von Aktivist Sadiem Youssef zeigen dafür mögliche Anknüpfungspunkte auf.

Viel Spaß beim kritischen Lesen!
Zur Ausgabe 42

Buchtipp: Im Panoptikum des Datenkapitalismus

Lesenswert, via LabourNet:

"... Würden alle Bundesbürger täglich beim Nachhausekommen ihren Briefkasten aufgebrochen, die Post geöffnet, in die Wohnung eingebrochen und alle Sachen durchwühlt vorfinden, es gäbe sofort einen gewaltigen (medialen) Aufschrei und massive Proteste. Im Reich des Digitalen ist Vergleichbares gängige Praxis, doch es regt sich so gut wie kein Widerstand. Denn das Eindringen staatlicher und privater Akteure in die Intim- und Privatsphäre geschieht dort unfühlbar und ungreifbar. Von wem man wie und warum gelesen, gespeichert, berechnet und gehandelt wird, bleibt im Ungefähren und Fernen. (...) Zu Ende gedacht bedeutet dies: Wenn eines Tages keinerlei Verbrechen mehr begangen würden, weil die smarte Polizei jeweils schon eingreift, bevor sie passieren, gäbe es gar keine Möglichkeit mehr, gegen Gesetze zu verstoßen. Und im Umkehrschluss: Man könnte sich auch nicht mehr moralisch "richtig" verhalten, weil man es ja muss beziehungsweise das "Falsche" als Möglichkeit gar nicht mehr existiert. Wenn jegliches Abweichen von sozialen Normen und Gesetzen nicht mehr möglich ist, dann ist auch keine Entwicklung, kein Widerstand, keine Revolution mehr möglich. Das (paradoxe) Ergebnis der Erweiterung und Auslagerung menschlicher Fähigkeiten und (Arbeits-) Kraft in die Technik wäre die Selbstabschaffung, die Amputation - der Mensch als berechnetes und normiertes Produkt seiner selbst. Wir selbst wären die Roboter in einer von Eliten und Maschinen gelenkten Welt."

Beitrag von Philipp von Becker vom 1. Januar 2017 bei Telepolis (Der Beitrag basiert auf dem von Philipp von Becker 2015 im Passagen Verlag in Wien erschienenen Buch "Der neue Glaube an die Unsterblichkeit. Transhumanismus, Biotechnik und digitaler Kapitalismus", ISBN 9783709201640, Preis 17,40 EUR)

Gedenkdemo für Oury Jalloh #KeinEinzelfall

Anlässlich des 12. Todestages von Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 durch einen beispiellos brutalen und menschenverachtenden Brandmord im Dessauer Polizeigewahrsam sterben musste, findet am 7. Januar in Dessau die jährlich stattfindende Protest und Gedenkdemo statt.



„Diejenigen, denen die Brutalität des südafrikanischen Apartheidregimes bewusst ist, können sich diese Situation nur allzu gut vorstellen: Ein schwarzer Mensch ist auf eine Pritsche mit feuerfester Matratze an Händen und Füßen gefesselt. Stunden später ist dieser Mensch tot. Sein Leichnam völlig verbrannt, die Finger kalziniert. Die offizielle These: Selbstmord.

Am 7. Januar 2005 ist Oury Jalloh genau unter diesen Umständen in Dessau gestorben.
Am selben Tag wurde das Leben eines zweiten Afrikaners von der Polizei ausgelöscht: Laye Konde, der zehn Tage zuvor aufgrund eines gewalttätigen Brechmitteleinsatzes in Koma gefallen war, verlor sein Leben ebenfalls am 7. Januar 2005. Keiner der hierfür verantwortlichen Polizisten ist verurteilt worden.
...
Es ist die Unmenschlichkeit, ein krankhaftes und gefährliches System, das den Privilegierten gibt, um andere in einer Position der Unterwerfung, Ausbeutung und Angst zu halten, zu akzeptieren, ja sogar zu fördern. Es ist der vollkommen fehlende Respekt für das Menschenleben und Menschenwürde -“ und es ist systematisch Mord.“
(Textauschnitt aus der Oury-Jalloh-Bewegung 2007)
...
Wir haben verstanden, dass wir nicht nur die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh selbst in die Hand nehmen müssen -“ weil dies kein Staatsanwalt oder Richter tun wird.
Wir haben gezeigt, dass ein langer Atem und eine breite Solidarität so viel Druck erzeugen, dass Oury Jalloh und die vielen anderen Opfer nicht vergessen werden.
Unser Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit steht symbolisch für alle rassistischen Morde von Dessau bis Ferguson und beinhaltet nicht nur den Protest in den Gerichtssälen oder auf der Straße. Er ist existentieller Bestandteil unser aller Leben, solange solche Verbrechen ungestraft begangen werden dürfen.

SEID TEIL DER LÖSUNG, STATT SCHWEIGENDER TEIL DES PROBLEMS:
Malt Banner und Transparente
Organisiert dezentrale gemeinsame Anreisen
(Kommunikation über Eure lokalen Ortsgruppen der Roten Hilfe und unsere Ini)

TOUCH ONE -“ TOUCH ALL!

WIR SEHEN UNS AM 7. JANUAR 2017 IN DESSAU!

Weitere Beiträge zu Oury Jalloh in unserem Blog.

Danke für die Zusammenstellung an EinPoesiealbum.

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