Skip to content

"Rassismus ist das Übel unserer Welt. Nazi sein bedeutet, dass du verloren hast, bevor du anfängst. Du kannst nicht gewinnen. Du bist nur dumm."

Heute vor einem Jahr ist Ian Fraser "Lemmy" Kilmister gestorben. Aus dem Anlass: "I Ain't No Nice Guy"

Das Zitat, das wir als Titel verwendet haben, stammt aus dem 2003 entstandenen Interview im SZ-Magazin

"Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern!" - Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933

Die Rote Hilfe Deutschlands war schon in der Weimarer Republik eine große linke Solidaritätsorganisation, die Ende 1932 fast eine Million Mitglieder umfasste.

Nach dem Verbot im Frühjahr 1933 arbeiteten viele RHD-AktivistInnen in der Illegalität weiter.

Für die zahllosen KZ-Häftlinge und ihre Angehörigen wurden Spenden gesammelt, AntifaschistInnen mussten mit illegalen Quartieren versorgt oder heimlich über die Grenze ins Exil gebracht werden. Im benachbarten Ausland organisierten Büros der RHD Schlafplätze und materielle Hilfe für die EmigrantInnen und unterstützten die konspirativen Gruppen im Reichsgebiet mit Druckschriften und Geld.
Die Widerstandsgruppen der Roten Hilfe erstellten Zeitungen und verteilten Flugblätter, die zum Protest gegen den NS-Terror aufriefen und die praktische Solidaritätsarbeit propagierten.

Mit dem Vortrag soll der heute fast vergessene Widerstand der Roten Hilfe gegen den NS-Terror in Erinnerung gerufen werden.
Die Referentin ist Verfasserin der im September 2016 erschienenen Broschüre "'Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern!' - Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933", in der das Thema erstmals ausführlich behandelt wird.

Ein Themenabend mit Silke Makowski

KOMMA Jugend und Kultur
Dienstag, 7. Februar 2017 19 Uhr
Maille 5-9, Esslingen

www.esslingen.vvn-bda.de
www.hans-litten-archiv.de
www.komma.info
www.stuttgart.rote-hilfe.de

Blogkino: Alexander Newski - АÐ"ександр Невский - Alexandr Newski (1938)

Heute setzen wir in unserer Reihe Blogkino die kurze, chronologische Reihe mit Filmen des sowjetischen Regisseurs Sergej Michajlovič Ä-jzenÅ¡tejn mit dem Monumentalstreifen Alexander Newski (АÐ"ександр Невский -“ Alexandr Newski) fort. Der 1938 entstandene Film, in dessen Mittelpunkt der russische Nationalheld Alexander Jaroslawitsch Newski steht und der wie andere Werke des sowjetischen Filmschaffens in den 30er und 40er Jahren im Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen der Sowjetunion zu sehen ist. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zum faschistischen Deutschland: "Absicht war es, mit diesem Film eine Abneigung gegenüber Deutschland zu schüren: Dementsprechend ist beim Kostümbild die Charakterisierung der gegnerischen Ordensritter ausgefallen, die vor keiner Gräueltat zurückschrecken."(Wikipedia)

Zur Handlung:

"Russland im Jahr 1242: Teile des Landes sind von Mongolen besetzt, und aus dem Westen nähert sich Nowgorod eine weitere Bedrohung. Eine Streitmacht des Deutschen Ordens und des mit ihm vereinigten Schwertbrüderordens hat bereits die strategisch wichtige Stadt Pskow eingenommen, in der die Invasoren mit äußerster Brutalität regieren. Nun schlägt die Stunde für den Nowgoroder Fürsten Alexander Jaroslawitsch Newski. Zunächst gelingt es ihm, den Kampfeswillen und das Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Landsleute zu stärken und Siegeszuversicht zu verbreiten. Entscheidende Bedeutung hat schließlich die Schlacht auf dem Peipussee. Unter der Führung Newskis werden die Truppen der Ordensritter auf den zugefrorenen See gelockt und dann dort vernichtend geschlagen. Newski wird zum Schluss des Films begeistert gefeiert." (Ebenda)

Esslingen: "Esslingen bleibt bunt - gemeinsam gegen Rechts" gegründet

Gestern hat sich das Bündnis "Esslingen bleibt bunt - gemeinsam gegen Rechts" gegründet. Anlass ist der von der "AfD" in Esslingen am 18. und 19. Februar im Neckarforum geplante Landeslistenparteitag.

Ca. 70 TeilnehmerInnen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, vom politisch interessierten Einzelpersonen, von Vereinen, wie dem Interkulturellen Forum, der katholischen jungen Gemeinde, über Vertreter der Gewerkschaften IG Metall, GEW und ver.di, dem DGB, sowie von Parteien von FÜR Esslingen, GRÜNEN, LINKE, MLPD, SPD, darunter mehrere Mitglieder des Gemeinderates sowie Aktive der Bündnisse Courage gegen Rechtsextremismus und des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Esslingen und verschiedene antifaschistische Initiativen aus dem Großraum Stuttgart sowie die VVN-BdA , aber auch der Stadtjugendring, die StageDivers und viele andere repräsentierten das offene und demokratische Esslingen, das die "AfD" mit ihrer Propaganda am liebsten nach Rechts rücken würde.

Das Bündnis bereitet vielschichtige Proteste vor, zu dem unter anderem Kundgebungen, eine bunte Demonstration sowie ein Bürgerfest gehören sollen, in der die fortschrittliche und kulturelle Vielfältigkeit des Bündnisses zum Ausdruck kommen sollen. Damit will sich das Bündnis an die breite Bevölkerung Esslingens wenden. Darüber hinaus soll die Basis des Bündnisses noch deutlich verbreitert und die Arbeit des Bündnisses über den "AfD" Parteitag hinaus weitergeführt werden.

Näheres wird beim nächsten Treffen des Bündnisses beraten, das am 11. Januar ab 18:30, voraussichtlich im DGB Haus stattfinden wird und zu dem die Öffentlichkeit eingeladen ist.

Rechter Hetze entgegentreten - VVN-BdA protestiert gegen den AfD-Parteitag in Esslingen

Die Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten wendet sich entschieden gegen das Stattfinden des Listenparteitages der „Alternative für Deutschland“ (AfD) am 18. und 19. Februar in Esslingen.

„Rechte Hetze darf in einer toleranten Stadt wie Esslingen, in der seit Jahrzehnten Einheimische und Migranten zusammengewachsen sind, keinen Platz haben. Und auch sonst nirgendwo!“, erklärt der Sprecher der VVN-BdA Kreis Esslingen, Thomas Trüten.

Die AfD hat sich längst von einer diffus-neoliberalen Anti-Euro-Partei zu einem Sammelbecken nationalkonservativer bis äußerster rechter Kräfte gewandelt. In ihren Reihen duldet die AfD auch Personen, die Sympathien mit offen faschistischen Positionen haben und Beziehungen zu diesen Kreisen haben. Diese Partei nur als „rechtspopulistisch“ zu bezeichnen, ist inzwischen eine Verharmlosung.

Die AfD bereitet vielmehr einen gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck vor.

Sie bereitet den Boden für Rassismus, Antiislamismus, Nationalismus und Homophobie und greift alle gesellschaftlichen und demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte an und geht gegen eine offene und demokratische Gesellschaft vor.

In Stuttgart war sie in den vergangenen Jahren federführend an den reaktionären Protesten gegen den Bildungsplan beteiligt.

Die Hetze gegen Geflüchtete und der Angriff gegen das Grundrecht auf Asyl ist eines der markantesten Beispiele für die Menschenverachtung der AfD. Dabei widerspiegelt die AfD nicht nur eine zunehmende Verrohung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs, sondern treibt diese bewusst voran.

Die Äußerungen der AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch, gegenüber Flüchtlingen auch „von der Schusswaffe Gebrauch zu machen“ oder gar auf Frauen und Kinder zu schießen, sind nur zwei Belege einer bewussten Eskalation in der Flüchtlingsdiskussion.

Bewusst werden von der AfD als wirtschaftlich neoliberale Partei die Ursachen von Verarmung ausgeklammert. Law and Order sollen Forderungen nach sozialer Gleichheit für alle Menschen ersetzen. In ihrem Programm steht die AfD für Abschaffung sozialer Standards, Verschlechterungen im Umweltschutz, im Datenschutz und vieles mehr. Wer die Leidtragenden sein würden, liegt auf der Hand: Geringverdiener, Leistungsschwächere, Behinderte, Alte ... vollkommen gleichgültig, welcher Herkunft.

Die VVN-BdA fordert, der AfD die Räumlichkeiten zu kündigen.

„Doch wir werden uns auf jeden Fall an den Protesten gegen den Parteitag der AfD beteiligen und zeigen, dass rechte Hetze in Esslingen keinen Platz hat. Wir rufen dazu auf, ein breites Bündnis gegen die AfD zu bilden und zeigen uns mit vielfältigen Aktions- und Protestformen solidarisch“, so Thomas Trüten und: „Die VVN-BdA unterstützt daher das erste Treffen zur Gründung eines Bündnisses gegen den AfD Parteitag am 13. Dezember um 18.30 im Gewerkschaftshaus in der Julius Motteler Str. 12 in Esslingen.“

Via VVN-BdA Esslingen

OSZE Hamburg und G20+: Von LPD's, gescheiterten Berufsoffizieren, InnensenatorInnen und embedded Journalism

Ein Garant für Rechtswidrigkeit und Polizeiwillkür, Interview mit Rechtsanwalt Martin Lembke durch Radio FSK Hamburg vom 7.12. auf freie-radios.net

Script:

G20-Polizeichef Hartmut Dudde plant Einsatz der Bundeswehr

Der rot-grüne Senat und die Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg haben Hartmut Dudde zum Polizeiführer der Einsätze während des OSZE-Treffens im Dezember 2016 und des G20-Gipfles im Juli 2017 ernannt. Der Leitende Polizeidirektor Dudde ist, wie der Presse zu entnehmen ist, selbst innerhalb der Polizei wegen seines autoritären, unkooperativen und häufig rechtswidrigen Vorgehens umstritten. Dem Hamburger Senat liegen eine Vielzahl gerichtlicher Urteile gegen den Polizeiführer Dudde und seine Anordnungen anläßlich von Demonstrationen vor. Insbesondere das Vorgehen von Dudde und der ihm unterstellten Beamten anläßlich von Großdemonstrationen ist wiederholt von den Gerichten als rechtswidrig festgestellt worden.

Es hätte für den Spd-Innensenator personelle Alternativen gegeben. Mit der Entscheidung für LPD Dudde ist der Garant für Unrecht und Hetze gegen Bürger- und Grundrechte ausgewählt worden.

Hartmut Dudde hat sich auf seine Weise über die Ernennung zum "Leiter des Vorbereitungsstabes und Polizeiführer der Einsätze" gefreut. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er entschieden, das Militär einzuschalten und Gespräche mit dem "Kommando Territoriale Aufgaben" der Bundeswehr in Berlin und dem "Landeskommando Hamburg" der Bundeswehr in Hamburg durchgeführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der angekündigten Großdemonstrationen werden es also nicht nur mit über 20.000 Polizisten, sondern auch mit den Soldanten der Bundeswehr zu tun haben. Das "Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr" (KdoTerrAufgBW) führt den militärischen Teil der zivil-militärischen Zusammenarbeit mit Feldjägern, bewaffneten Sicherungs- und Unterstützungskompanien und dem "Zentrum für Operative Kommunikation" (ZOpKomBW). Letzteres "analysiert die Situation der Bevölkerung in den Einsatzgebieten"; und da demnächst wohl eher keine Bundeswehrsoldaten zur Analyse der Situation der Bevölkerung durch das Karo- und Schanzenvierteil in Hamburg laufen dürften, wird das ZOpKomBW seinen technischen Überwachungsapparat der Hamburger Polizei zur Ausforschung der Bürger zur Verfügung stellen.

Das "Landeskommando Hamburg"(LKdoHH) gibt sich in seiner Selbstdarstellung etwas ziviler: "Wir sind Anlaufpunkt für Journalisten und Kulturschaffende. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind unsere Schwerpunkte." Es läßt sich schlußfolgern, dass zur Einwirkung auf die doch eher kritisch gesinnte Bevölkerung, deren Situation zuvor vom ZOpKomBW analysiert wurde, mit entsprechend gesteuerten Informationen über die Medien und Journalisten eingewirkt werden soll.

Für Polizeileiter Hartmut Dudde besitzen die "beiden Großeinsätze eine Dimension..., wie sie Hamburg bisher noch nicht erlebt hat...dennoch ist es nüchtern betrachtet zunächst ein Einsatz wie viele andere." Ein Großeinsatz wie viele andere. Damit hat Hartmut Dudde Erfahrung:

Castortransport November 2010- Polizeiführer Dudde ordnet an, mehr als 1.000 Demonstranten nachts in ein Polizeilager auf offenem Feld einzusperren, läßt hierfür einen mit bewaffneten Polizisten gut bewachten Kessel aus Polizeifahrzeugen und Einsatzgeräten bauen, in welchen die Menschen gepfercht werden und verhindert jede Kontaktaufnahme zu Anwälten und Gerichten. Vorher gegebene Versprechen und Absprachen hält er nicht ein, auf Anordnungen des polizeilichen Gesamteinsatzführers in Lüneburg reagiert er nicht. Das Landgericht Lüneburg hat hierzu festgestellt (Az.: 10 T 5/11 v.29.2.2012): Die Freiheitsberaubung war rechtswidrig. Die Betroffenen waren entgegen der Gesetzesvorschrift nicht unverzüglich, sondern überhaupt nicht einem Richter vorgeführt worden. Die Polizei hatte, trotz Aufforderung, keine Vorkehrungen getroffen, die Betroffenen im Kessel zu informieren und zum Gericht zu transportieren wie es das Gesetz vorschreibt. Rechtsschutz und Richtervorbehalt, so das Landgericht weiter, wurden mißachtet.

Polizeiführer Dudde macht, was er will, nicht, was er darf. Kritischeres läßt sich über einem Recht und Gesetz unterworfenen Beamten kaum sagen. Das ist ein Schanden für die Demokratie und den Rechtsstaat. Der SPD-Innensenator weiß das und nimmt es mindestens in Kauf. Er hätte, wie erwähnt andere, gesetzestreue Polizeiführer auswählen können. Die Grünen übrigens haben den Bundeswehreinsatz anläßlich des G-8 Gipfels in Rostock-Heiligendamm 2007 scharf kritisiert. So ändern sich die Zeiten.

Author/s: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen;nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Production Date: 07.12.2016
Lizenz:
Creative-Commons Lizenzvertrag
Creative-Commons, Nichtkommerziell, Bearbeitung erlaubt, Weitergabe unter gleicher Lizenz erwünscht.

Der Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn 2007

Wolf Wetzel setzt mit diesem Beitrag die Zusammenfassung seiner fünfjährigen Recherche zum NSU-VS-Komplex fort. Im Mittelpunkt steht der Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn 2007. Der politische Hintergrund, das Motiv und die Anzahl der (möglichen) Täter wechselten im Zuge der „Aufklärung“ so oft, dass es einem schwindlig werden kann und muss. Am Ende dieser Geisterbahn aus Ermittlungen und sagenhaften Pannen steht nun fest, dass dieser Mordanschlag von der neonazistischen Terrorgruppe „NSU“ verübt worden war.
Es gibt auch in diesem Fall viele (bedauerte) Zufälle und Pannen, wie an anderen NSU-Tatorten auch. Das Besondere an dem Fall hier ist, dass sich dieses staatsanwaltschaftliche „Ermittlungsergebnis“ am allerwenigsten auf die polizeilichen Ermittlungsergebnisse stützen kann. Eigentlich grotesk und unhaltbar. Manche würde dazu auch postfaktisch sagen.

Polizeiliche Ermittlungsergebnisse sind Basis einer Anklage, wenn man rechtsstaatliche Maßstäbe zugrunde legt. In diesem Fall ist es ganz anders: Die Ermittlungsergebnisse der Polizei stehen in krassem Widerspruch zur Anklageschrift der Bundesanwaltschaft.

„Die Sonderkommission (SoKo) Parkplatz des LKA kam damals -“ vor dem November 2011 -“ zu der Einschätzung, an der Tat seien bis zu sechs Personen beteiligt gewesen. Ein Ermittler der SoKo, Klaus B., bestätigte das jetzt vor den Abgeordneten in Berlin. Drei blutverschmierte Männer, flüchtende Männer, eine Frau, mindestens ein Fluchtauto -“ alle diese Beobachtungen waren plausibel, so Klaus B., die Zeugen „absolut glaubhaft“ und „authentisch“.“ (Thomas Moser, telepolis vom 22.10.2016)

Die Bundesanwaltschaft hat hingegen eine ganz andere Theorie. Ginge es nach ihr, seien die beiden NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die alleinigen Täter.

Es gibt viele Spuren am Tatort Heilbronn -“ keine einzige führt zu den beiden NSU-Mitgliedern

Man muss sich nochmals den Tathergang vor Augen führen. Laut Bundesanwaltschaft hatten sich zwei Täter dem parkenden Polizeiwagen genähert. Die Täter schossen auf die im Wagen sitzenden Polizeibeamten. Danach beugten sich über die toten bzw. schwerverletzten Polizeibeamten, um ihnen die Dienstwaffen aus dem Holster zu ziehen und die Handschellen zu entwenden. Ein solcher Vorgang setzt vielfachen Kontakt voraus.

Tatsächlich fand man unzählige Spuren und gab diese zur Spurenauswertung weiter. Dann ereignete sich eine Panne. Die Spuren wurden „kontaminiert“, also unbrauchbar gemacht. Dieser Vorgang bekam dann den Namen: der Wattestäbchenskandal.

Was dies für die Spurenauswertung bedeutet, wurde der damalige Chef-Ermittler Alex Mögelin im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg gefragt.

Jürgen Filius (Grüne): „Was haben Sie gefunden, was darauf deutet, dass Mundlos und Böhnhardt in Heilbronn waren?“
Axel M. antwortet knapp: „Bei den objektiven Spuren: nichts.“ (Südwest Presse vom 29.5.2015)

Wie man fehlende objektive Spuren am Tatort in einen post-objektiven Beweis für die Täterschaft besagter zwei Neonazis transformieren kann, hatte sich Carsten Proff im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin zur Aufgabe gemacht. Er ist DNA-Experte beim Bundeskriminalamt (BKA) und wartete dort mit folgender Erklärung auf. Er hält es für möglich,

„dass sich die Täter mit ihrer Bekleidung so geschützt haben könnten, dass sie keine DNA hinterließen.“ (Fehlende-NSU-Tatortspuren, taz vom 8.9.2016)

Die entsprechenden Overalls kennt man aus zahlreichen Tatort-Krimis ... Das Ganze hat nur einen entscheidenden Haken, den der PUA-Vorsitzende Clemens Binninger, ein ehemaliger Polizeibeamter, auch sogleich benannte: Keiner der zahlreichen Zeugen habe eine solche „Schutzkleidung“ gesehen!

Es gibt ungewöhnlich viele Zeugen rund um den Tatort -“ nur keinen der Anklage

Im Gegensatz zu anderen Tatorten, die dem NSU zugeordnet werden, gab es am Tatort Heilbronn zahlreiche Zeugen. Die meisten Zeugen beschreiben flüchtende Menschen, zum Teil blutverschmiert. Zudem berichten Zeugen von einem Auto, auf das die Flüchtenden zuliefen und aus dem heraus gerufen worden sein soll: „Dawai, dawai“ (schnell, schnell).

Ebenfalls wurden mit Hilfe von Zeugen vierzehn Phantombilder angefertigt. Das ist viel für einen Tatort. Aber auch da stellt sich heraus: Sie zeigen viele Ähnlichkeiten -“ nur keine mit den besagten NSU-Mitgliedern.

Und auch das Motiv, das die Bundesanwaltschaft hinter dieser Tat erkannt haben will, passt noch am ehesten zu Tarantinos Westernparodie „Django unchained“: Die beiden NSU-Mitglieder hätten die beiden Polizisten zufällig und wahllos ausgesucht, da es ihnen ausschließlich darum ging, „Repräsentanten des Staates“ zu treffen. Auf die doch naheliegende Frage, warum die beiden NSU-Mitglieder dafür nach Baden-Württemberg fahren mussten, gibt es bis heute keine Antwort.

Was sich weder auf polizeiliche Ermittlungsergebnisse noch auf daraus abzuleitende Wahrscheinlichkeitsprognosen stützen kann, ist zurzeit Gegenstand des in Berlin tagenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Denn auch dieser hält im Protokoll der Sitzung vom 20. Oktober 2016 mit Blick auf die Zwei-Täter-Theorie fest:

„Auch der Ausschuss geht mittlerweile davon aus, dass die Haupttäter Böhnhardt und Mundlos wahrscheinlich mehrere Komplizen bei dem Mord in Heilbronn hatten.“

Würde man dem polizeilichen Ermittlungsergebnis folgen, hätte dies weitreichende Folgen: Es ging nicht nur darum, den Mordfall Heilbronn neu aufzurollen. Gleichfalls wäre der Prozess in München geplatzt, der mit der nicht belegbaren Annahme die Anklage füllt, dass der NSU aus exakt drei Mitgliedern bestehe -“ im Gegensatz zum Selbstverständnis des NSU, der sich als „Netzwerk von Kameraden“ verstand.

Letztere dürfte man als bessere „Quelle“ ansehen als die Bundesanwaltschaft, die für die „Trio-Version“ nicht den Hauch von Plausibilität aufbringen kann.

Eine geheim eingestufte „Spur“

Bei dem Versuch, diese sich gegenseitig ausschließenden Ermittlungsergebnisse auf ihre jeweilige Evidenz hin zu prüfen, wurde u.a. die ehemalige EG Umfeld-Leiterin, Kriminalbeamtin Heike Hißlinger, nach einigen bekannten Namen befragt, die sich in Baden-Württemberg im Umfeld des NSU bewegten.

Unter anderem wurde ihr der Name Markus Frntic vorgehalten.

Frntic war Mitglied in der neonazistischen Organisation „Blood and Honour“ (B & H). Als diese verboten wurde, baute er die neonazistische Vereinigung „Furchtlos und Treu“ auf.

Bereits Jahre zuvor gründete er eine „Ku-Klux-Klan Gruppe aus Stuttgart, die von Markus Frntic angeführt werde.“ Das ließen laut Stuttgarter Nachrichten bereits 1996 Verfassungsschutzmitarbeiter aus Mecklenburg ihre Kollegen aus Baden-Württemberg wissen. Der außergewöhnlich gut recherchierte Beitrag der Stuttgarter Nachrichten berichtete noch von mehr:

„Ein Foto zeigt Frntic zusammen mit Marcel Degner. Der Mann aus Gera war der bundesweit zuständige Kassenwart von B & H. Ermittler verdächtigen ihn, im November 1999 Geld für die abgetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gesammelt zu haben. Zumal Degner bis Ende der 90er Jahre unter dem Tarnnamen „Hagel“ Thüringens Geheimdienstlern als wichtigster Spitzel unter den Neonazis reportierte. Die Berichte über die Treffen mit Degner sind verschwunden. (...) Auch Thomas Starke ist auf dem Bild mit Frntic zu sehen. Der Informant der Berliner Polizei und zeitweilige Geliebte Zschäpes versteckte das Trio, als das 1998 abtauchte.“ (stuttgarter-nachrichten.de vom 25.7.2015)

Eine bekannte Größe, seit Jahren“, so Claus O. vom LfV Baden-Württemberg.

Frntic und Furchtlos und Treu verbinden alles, was in den Fall Heilbronn hineinspielt: Ku-Klux-Klan-Mitglieder, Blood & Honour-Netzwerke, kroatische „Waffenbrüder“ und zahlreiche V-Leute.

Auf die Frage also, was sie als leitende Kriminalbeamtin über Frntic wüsste, antwortete diese:

„Zu ihm gab es Ermittlungen. Aber ich kann keine Angaben machen, weil die Person eingestuft ist.“

Weniger kryptisch formuliert ist damit gesagt, dass das Wissen der Geheimdienste über Frntic als „geheim“ eingestuft ist, was die „Schutzbedürftigkeit“ der Informationen und des Informanten voraussetzt.

Was ist an der Person und am Vorgang Frntic „schutzbedürftig“? Nicht gemeint sein kann damit, dass Frntic Neonazi und Mitbegründer von „Furchtlos und Treu“ ist. Beides ist kein Geheimnis, also längst bekannt. Als „geheim“ wird etwas eingestuft, wenn das „Staatswohl“ mit ins Spiel kommt, wenn das Bekanntwerden des „Geheimen“ die Interessen der Verfolgungsbehörden tangieren könnte.

Das ist im Allgemeinen und im Besonderen meist dann der Fall, wenn eine Person nicht nur Neonazi ist, sondern zugleich als V-Mann aktiv ist. Ersteres gefährdet bekanntlich seit über 60 Jahren nicht das Staatswohl. Das mögliche Geheime hingegen wäre, dass Frntic seit Jahren vom Verfassungsschutz „geführt“ wird, also man unmittelbaren Zugang zum NSU-Umfeld hatte, ohne diese „Quelle“ gegenüber den Ermittlungsbehörden bzw. den PUA offengelegt zu haben.

Dass dies extrem naheliegend ist, belegt die bisherige Praxis: Die allermeisten V-Leute im Umfeld und im Nahbereich des NSU wurden nicht von „Sicherheitsbehörden“ genannt. In aller Regel verschwieg man sie und nannte diese Art von Ermittlungssabotage „Quellenschutz“.

Erst als diese durch Zufall, Recherchen und tatsächliche Aufklärung aufgeflogen waren, hat man ihre Existenz zugeben müssen, um im selben Zug deren Bedeutung zu negieren. Flankiert wurde all dies mit zahlreichen Vernichtungen von V-Mann-Akten. Die bekannteste davon spielte sich im November 2011 ab, kurz nachdem der NSU sich selbst bekannt gemacht hatte. Sie bekam den Namen „Operation Konfetti“ und fand ganz oben statt, im Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln.

Dass es sich dabei weder um Versehen, noch um eine Panne handelte, machte der zuständige Referatsleiter mit dem Decknamen „Lothar Lingen“ in einer Vernehmung am 24. Oktober 2014 mehr als deutlich:

„Und da habe ich mir gedacht, wenn der quantitative Aspekt, also die Anzahl unserer Quellen (...) in Thüringen nicht bekannt wird, dass dann die Frage, warum das BfV von nichts gewusst hat, vielleicht gar nicht mehr auftaucht“, sagte Lingen laut BKA-Protokoll. (FR vom 5.10.2016)

Soweit wie möglich ...?

Unter der Überschrift „Kampf gegen Vergessen“ veröffentlichte der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg am 3. November 2016 folgende Presseerklärung:

„Der fünfte Jahrestag der Aufdeckung des NSU ist für uns alle eine besondere Mahnung, die Aufklärung und Aufarbeitung bis an die Grenzen des Möglichen weiter zu betreiben“, erklärte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses (...) Wolfgang Drexler MdL, am Donnerstag, 3. November 2016, in Stuttgart. „Nicht nur die Opfer und ihre Hinterbliebenen, sondern wir alle haben ein Recht darauf, soweit es noch irgendwie geht, die Wahrheit über den menschenverachtenden rechten Terror, seine Täter und Helfer und seine Ursachen zu erfahren, der so vielen Menschen auf unterschiedlichste Arten Leid gebracht hat“, sagte der Vorsitzende weiter.“ (PM 75/06:54)

Nicht-Wissen und Geheim-Wissen sind zwei Seiten einer Medaille

Im Fall „Frntic“ gäbe es eine einfache Möglichkeit, zu überprüfen, wo die „Grenze des Möglichen“ beginnt, wo sie endet.

Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse auf Landes- und Bundesebene haben ausreichende Mittel, sich diese Aufklärungssabotage nicht (länger) gefallen zu lassen. Sie können u.a. die Aufhebung der „Geheim-Einstufung“ fordern, also die Freigabe aller Akten zu Frntic. Sie haben auch die Möglichkeit, Markus Frntic als Zeugen zu laden und zu hören.
Auch eine schriftliche und nicht mehr hintergehbare Aussage wäre für spätere strafrechtliche Schritte von Nutzen, ob Markus Frntic als V-Mann von Polizei und/oder Geheimdienst geführt wurde bzw. wird.

Wenn es wirklich um den „Kampf gegen Vergessen“ ginge, wäre das und mehr eine Selbstverständlichkeit.


Hinweis: Dieser Beitrag konzentriert sich auf den unmittelbaren Tatort in Heilbronn. Für die Täterschaft des NSU werden vor allem „Beweise“ angeführt, die man in der Wohnung in Zwickau und im Campingwagen in Eisenach-Stregda 2011 gefunden haben will: Eine Trainingshose, an der sich winzige Blutspritzer von Michèle Kiesewetter befunden haben sollen und die beiden entwendeten Dienstwaffen, die man im ausgebrannten Campingwagen sichergestellt hatte.

Der Bedeutung dieser „Beweise“ geht folgender Beitrag nach: Die Büchse der Pandora |Jahresrückblick: Polizistenmord in Heilbronn. Der dem NSU angelastete Anschlag aus dem Jahr 2007 wirft viele Fragen auf

Protokoll de PUA in Berlin vom 20. Oktober 2016.

Publiziert auf NachDenkSeiten vom 30.11.2016

cronjob