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1. September - Antikriegstag 2016: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Grafik: OTKM Stuttgart
Verschiedene Organisationen rufen auch dieses Jahr zum Antikriegstag in Stuttgart auf. 77 Jahre nach Beginn des durch Nazideutschland vom Zaun gebrochenen II. Weltkrieges ist die Welt kaum friedlicher geworden. Umso mehr muss sich deshalb auch heute Faschismus und Krieg entgegengestellt werden und deren Grundlagen angegriffen und überwunden werden. Das OTKM Stuttgart ruft gemeinsam mit anderen Organisationen auf:

"Unsere Geschichte verpflichtet uns zum Widerstand und zur Mahnung. Auch in diesem Jahr wird wieder eine Kundgebung zum Antikriegstag in Stuttgart organisiert. Die Kundgebung am 1. September startet um 17 Uhr am Mahnmal für die Opfer des Faschismus und es werden sich mehrere Organisationen mit Beiträge beteiligen. Wie in den Vorjahren wird es auch wieder eine Kranzniederlegung geben, um den Opfern von Krieg und Faschismus zu gedenken und darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig auch heute ist gegen Krieg und Aufrüstung Widerstand zu leisten."

Mit Beiträgen von:

  • Paul Russmann (Ohne Rüstung Leben)
  • Ilse Kestin (Landessprecherin VVN-BdA Baden-Württemberg)
  • OTKM (Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung)
  • Eine Rednerin zum Thema " Frauen, Krieg und Flucht"

Stuttgart, 01. September 2016 um 17:00 Uhr am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus, Stauffenbergplatz (zwischen Karlsplatz und Altem Schloss)

Via OTKM Stuttgart

Gerda Taro nach 1937 zum zweiten Mal ums Leben gekommen - in Leipzig 2016

Zum Angriff auf die Tafeln zur Erinnerung an Leben und Werk der jüdischen Fotografin Gerda Taro erklären die „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e.V. (KFSR):

Die Mitglieder und Sympathisanten des Vereins "Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1926-1939 e.V. (KFSR)“ sind bestürzt und schockiert über die öffentliche Schändung und „bewusste Ausstreichung des Andenkens an eine jüdische Fotografin“, an Gerda Taro, und verurteilen diesen antisemitischen und antirepublikanischen Akt auf das Entschiedenste!

Gerda Taro berichtete während des Spanischen Krieges 1936-1939 von der Aragon-Front und von der Zaragosa-Offensive, von den Kämpfen bei Córdoba und Toledo. Sie fotografierte beim II. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur im Juli 1937 in Valencia Schriftsteller wie Anna Seghers, Martin Andersen Nexö, Alexej Tolstoi oder Erich Weinert. Von dort aus ging sie unmittelbar an die Zentralfront, um den Kampf um Brunete zu dokumentieren.

Gerda Taro wurde von einem republikanischen Panzer, einem T-26 sowjetischer Bauart, überrollt. Den Panzer steuerte Aníbal Gonzáles aus Albacete. Dieser schien nichts von dem tragischen Unfall gemerkt zu haben, denn gleich darauf überholte ihn ein anderer T-26, dessen Fahrer Fernando Plaza ihm dann zurief: „Te has cargado a la francesa!“ („Du hast die Französin überfahren!“).

Experten, auch Historiker, die im KFSR 1936-1939 e.V. organisiert sind, recherchierten viele Dokumente. Die Sache trug sich während der Schlacht um Brunete zu und verlief wohl so: Deutsche Flugzeuge, Henkel 111-Bomber, Jäger Me-109B1 und Junkers-52 der „Jagdstaffeln“ der faschistischen Legion Condor bombardierten und beschossen unaufhörlich die zurückflutenden Republikaner. General Walter (Karol Waclaw á¹ wierczewski), der Kommandeur der 35. Division der Spanischen Volksarmee versuchte, die fliehenden Soldaten aufzuhalten. Panzer und LKW´s transportierten die Verwundeten in Richtung El Escorial ab, auch der Dienstwagen von General Walter, ein Chevrolet Matford, gesteuert von dem Tschechen Josef Edenkoffer war voll mit Verwundeten. Gerda, die auch aus der Frontlinie wollte, konnte nur noch auf dem Trittbrett mitfahren. Das war am 25. Juli 1937 gegen 18:30 Uhr.

Die deutschen und italienischen Bomber kamen wieder und als besagter Panzer den PWK überholte, kam der PKW wegen der Explosion einer Bombe ins Schleudern, wurde von dem Panzer gestreift und Gerda Taro stürzte während des Fotografierens vom Trittbrett - gerade vor den Panzer. Der überrollte mit seinen 9,6 Tonnen ihren Unterkörper bis zur Hüfte. Sie wurde sofort geborgen und ins britische Feldhospital der 35. Division in El Escorial gebracht. Trotz Bluttransfusionen und Operationen verstarb Gerda Taro am Morgen des 26. Juli 1937.

Zwei Tage später wurde sie in Valencia aufgebahrt und in einem offiziellen Trauerakt aus Spanien verabschiedet. Man überführte ihren Leichnam nach Paris, wo am 1. August 1937 eine überwältigende
Trauerfeier unter Teilnahme zahlreicher Emigranten, Künstler und Intellektueller stattfand. Die Beisetzung erfolge auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise.

Die ehemaligen Angehörigen des Tschapajew-Bataillons, die sich noch lange mit Begeisterung an ihren Besuch bei ihnen an der Córdoba-Front erinnerten, und die nach der Auflösung der XIII. Internationalen Brigade der XI. Internationalen Brigade angehörten, verteilten einen Flugzettel über ihren Tod.

Quelle: Dr. Werner Abel, Privatarchiv


Für uns ist Gerda Taro in Leipzig zum 2. Mal ums Leben gekommen. Als Jüdin musste sie Deutschland verlassen, deutsche Flugzeuge waren der Hauptgrund für ihren Tod. Es ist ein kaum zu überbietendes barbarisches Denken von Deutschen, nun auch noch das Andenken an sie in dieser Art zu besudeln.

Mit Sympathie und in Solidarität sind wir mit den Organisatoren der Ausstellung, den vielen vor allem Leipziger Teilnehmerinnen an der Crowdfunding-Kampagne und bei den Kuratoren und wünschen uns nichts sehnlicher, als dass sie die Kraft und Mittel aufbringen und die Ausstellung neu installiert wird.

Mitglieder des Vereins „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e.V. (KFSR)
Berlin, 24. August 2016

Vor 24 Jahren: The Truth Lies in Rostock

Heute vor 24 Jahren begann in Rostock - Lichtenhagen ein "Volksfest" der ganz besonderen Art: Eine Woche lang, vom 22. bis zum 26. August 1992, griffen mehrere hundert junge Rechtsradikale die Flüchtlingsunterkunft und ein von vietnamesischen VertragsarbeiterInnen bewohntes Haus im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen an. Unterstützt wurde der Mob von über tausend "ganz normalen" Deutschen, die Polizei griff kaum ein. Es handelte sich um die massivsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Der von Mark Saunders und Siobhan Cleary produzierte Dokumentarfilm „The truth lies in Rostock“ dokumentiert die Ereignisse. Er entstand 1993 unter maßgeblicher Beteiligung von Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Geschehnisse im attackierten Wohnheim befanden. Deshalb zeichnet sich die Produktion nicht nur durch einen authentischen Charakter aus, sondern versteht sich auch Jahre danach als schonungslose Kritik an einer Grundstimmung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die Pogrome gegen Migranten oder einfach nur „anders aussehende“ überhaupt erst möglich macht. Nicht umsonst sorgte der Film auch in der Linken für eine heiße Debatte um die Frage, in wieweit die rassistischen Übergriffe mit der „Wiedervereinigung“ Deutschlands und dem darauf folgenden nationalistischen Taumel zu tun hatten.

Als seit damals nichts gewesen, ist gestern, nur wenige Monate nachdem in Freital im Anschluss an eine rassistische Demonstration etliche Nazis versucht hatten, eine Unterkunft für Asylsuchende anzugreifen, die Lage im nur wenige Kilometer von Dresden entfernten Heidenau zum wiederholten Mal eskaliert...

Im übrigen ist deswegen jedwede Orientierung auf staatliche Institutionen(... Politik und Staat dürfen nicht zulassen, dass Rassisten auf der Straße erneut die Oberhand gewinnen....) fehl am Platz. Denn Heidenau wie auch Lichtenberg und Freital konnte nur in Folge, Billigung und als Ergebnis rassistischer Politik der Bundesregierung als auch als auch der Handlung der Bullen etc. passieren....



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Für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung!
Kein Mensch ist illegal!
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Quellen: FAU-FFM / Umbruch Bildarchiv / gegen0310 / Antifa SFA - Soltau Fallingbostel Walsrode / Filmquelle

Stuttgart - 17. September 2016: Sommerfest im Linken Zentrum Lilo Herrmann

Blockade am Schlesischen Tor: Solidarität mit den Geflüchteten an Europas Grenzen

Foto: Oliver Feldhaus / Umbruch Bildarchiv Berlin
Am 2. August 2016 wurde in Berlin am Schlesischen Tor die Köpenicker Straße blockiert. Mit Maschendrahtzaun sperrten AktivistInnen die Straße und hingen darauf ein Transparent mit der Aufschrift "Die tödlichste Grenze der Welt -“ 3000 Tote im Mittelmeer allein 2016". An der U-Bahnbrücke darüber wurde ein Transparent gespannt: "Open the borders -“ Keine Grenze steht für immer!" ist darauf zu lesen. Mit der Aktion solidarisieren sich die AktivistInnen mit den Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen genauso wie denen, die es nach Europa geschafft haben. Hier einige Bilder von der Aktion und die Erklärung zur Aktion, die wir von Indymedia linksunten übernommen haben.

"Über 23.000 Menschen starben an der europäischen Grenze in den Jahren 2005 bis 2015. Das macht sie zur tödlichsten Grenze der Welt. In den ersten sechs Monaten 2016 sind es mit 3000 Opfern mehr als je zuvor.

Sprachlosigkeit. Trauer. Wut. Das wären angemessene Reaktionen auf die immer weiter steigende Anzahl der Toten, welche die europäische Grenzpolitik täglich fordert. Menschen lassen ihr Leben, um aussichtslosen Situationen zu entgehen. Und hier? Spricht niemand darüber. Ab und zu mal eine Zahl, eine Randnotiz. Alles dreht sich um Terror und die damit einhergehenden Forderungen nach neuen Verschärfungen der Grenzabsicherung und härteren Abschiebepraxen. Die Menschen, die damit getroffen werden, sind die Überlebenden von Terror, die Überlebenden der Grenzüberquerung und anderer für sie untragbarer Zustände. Sie werden in Sippenhaft genommen für die Taten Einzelner.

Geschlossene Grenzen lösen keine Probleme, vielmehr zwingen sie Menschen noch riskantere Wege zu wählen. Seit der Schließung der Balkanroute zeigt sich das an der steigenden Anzahl der Toten im Mittelmeer. Diese Opfer werden durch die europäische Grenzpolitik nicht nur in Kauf genommen, sondern sind Teil einer Strategie der Abschreckung. Solange Europa darauf besteht Menschen vom Grundrecht auf Bewegungsfreiheit, Sicherheit, Wohlstand und (Über-)Lebensmöglichkeiten auszuschließen, werden weiterhin Woche für Woche Menschen an den Grenzen Europas sterben!

Doch: Diese tödlichen Grenzen werden jeden Tag erfolgreich überwunden! Menschen nehmen sich ihr Recht auf Bewegungsfreiheit. Sie geben sich nicht damit einverstanden, weggesperrt zu werden, nur weil sie zufällig in einem anderen Teil der Welt geboren wurden und nicht mit einem Pass ausgestattet sind, der erlaubt, die meisten Länder der Erde nach Lust und Laune zu bereisen.

Mit dieser heutigen Blockade am Schlesischen Tor in Berlin möchten wir für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit auf die Toten an den europäischen Außengrenzen lenken und uns mit Geflüchteten und Migrantinnen solidarisieren. Der Ort des letzten Bahnhofs vor der ehemaligen Grenze und des Gedenksteins für den anonymen Flüchtling, der in der Spree ertrank, steht symbolisch dafür, dass keine Grenze für immer bleibt. Wir wollen dabei keineswegs die Mauer um die DDR mit dem heutigen europäischen Grenzregime gleichsetzen. Wir weisen vielmehr auf die Doppelmoral der BRD hin. Sie zeichnet die DDR-Fluchthelferinnen von damals mit dem Bundesverdienstkreuz aus, während die heutigen kriminalisiert werden.

Bewegungsfreiheit für alle! Keine Grenze steht für immer! Solidarität mit den Geflüchteten an Europas Grenzen!"

Zur Bildreportage beim Umbruch Bildarchiv Berlin

Berlin: Für eine solidarische Gesellschaft - Gegen rechte Hetze!

Foto: neuköllnbild / Umbruch Bildarchiv Berlin
Proteste auf zwei Demonstrationen, auf mehreren Flößen und einem Techno "Zug der Liebe". Am 30. Juli 2016 demonstrierten tausende Menschen für eine solidarische Gesellschaft und gegen rechte Hetze in Berlin. Anlass war der dritte „Merkel muss weg“-Aufmarsch der rechtspopulistischen Initiativen "Wir für Berlin & Wir für Deutschland". Dahinter stehen organisierte Neonazis, rechte Hooligans und Parteien sowie bürgerliche Rassist*innen. Mit rund 1.300 Teilnehmern fiel die Beteiligung am Aufmarsch der Rechten deutlich geringer als ihr zweiter Aufmarsch im Mai 2016.

Zur Bildreportage beim Umbruch Bildarchiv Berlin

Ein Volk in Waffen - un pueblo en armas

"Die Geschichte Spaniens: Die Revolution 1936-39

Am 18. Juli 1936 kamen aus der Kolonie Marokko die Nachrichten über den Putsch der Kolonialarmee, der sich nach dem Willen der Generäle innerhalb von 48 Stunden in ganz Spanien ausbreiten sollte. Die Regierung wartete ab und verweigerte dem Volk Waffen, um gegen das Militär kämpfen zu können.

Das Volk bediente sich inzwischen selbst, und in fast allen Orten Spaniens warteten die Militanten der CNT in ihren Gewerkschaftslokalen auf die Nachricht, daß die Truppen die Kasernen zum Putsch verlassen werden.

Im Morgengrauen des 19. Juli gaben die Wachen in Barcelona Alarm. Die Fabriksirenen heulten und die Bevölkerung errichtete über 1000 Barrikaden. Die Arbeiter, an den Kampf in den Straßen gewöhnt, belagerten die Kasernen.

Viele Soldaten und sogar Teile der berüchtigten Guardia Civil desertierten und liefen zu den mit Schrotflinten Dynamitpatronen und Beutewaffen ausgerüsteten Arbeitern über. Nach 36 Stunden ununterbrochenem Kampf, 600 Toten und 3000 Verwundeten waren die faschistischen Offiziere in Barcelona geschlagen.

Am Abend des 20. Juli wehte die schwarz-rote Fahne der CNT auf allen öffentlichen Gebäuden. Die Anarchisten kontrollierten die ganze Stadt."

"Es ist allgemein bekannt, dass über die soziale Revolution und den Bürgerkrieg in Spanien mehr Bücher geschrieben wurden als über den 2. Weltkrieg.

Weniger bekannt ist die extreme Produktivität, welche die Kollektivierung der Filmindustrie nach dem 23. Juli 1936 entfaltete, als die vorwiegend in der anarchistischen Gewerkschaft CNT-FAI organisierten, spanischen Arbeiter das Privateigentum an Produktionsmitteln abschafften. Allein in Madrid und Barcelona wurden in den 10 Monaten zwischen Juli 1936 und Mai 1937 über 80 vorwiegend dokumentarische Filme hergestellt.

Der „blutige Mai 1937" beendete diese Phase, als die stalinistische Repression in den Straßen tobte und -- neben vielen anderen Errungenschaften der sozialen Revolution -- auch die Selbstverwaltung der Betriebe durch die Arbeiter wieder zurückgenommen wurde. Die CNT fuhr zwar noch bis 1939 mit der Filmproduktion fort, konnte jedoch kein annähernd hohes Niveau mehr erreichen wie zu den Zeiten, als sich die Filmindustrie in Selbstverwaltung durch die Arbeiter befand.


In dieser Zeit entstanden die Aufnahmen zu diesem Film, die auch in vielen anderen Filmdokumenten dieser Zeit zu sehen sind. „Un pueblo en armas" erschien zuerst 1937 in den USA unter dem Titel „Fury over Spain". Das europäische Material lagerte über 30 Jahre in Paris und wurde 1971, als sich das Ende der Franco-Ära abzeichnete, in Italien als 16mm-Streifen realisiert.

„Un pueblo en armas" unterscheidet sich von vielen anderen dieser Filmproduktionen, wie z.B. „The Will of a People" (USA 1939), indem er weniger die Details des Krieges als mehr die soziale Revolution in den Vordergrund stellt. Er ist damit auch eine authentische Vorlage für Ken Loach's „Land and Freedom" (GB 1995)."



Via Syndikalismus

Über Abweichungen

Theodor W. Adorno (vorne rechts) mit Max Horkheimer (links) und Jürgen Habermas (hinten rechts) in Heidelberg, 1964
Foto: Jeremy J. Shapiro / CC-BY-SA-3.0

"Jeder macht sich verdächtig, der mit der Kritik am Kapitalismus die am Proletariat verbindet, das mehr und mehr die kapitalistischen Entwicklungstendenzen selber bloß reflektiert. Über die Klassengrenzen hinweg ist das negative Element des Gedankens verpönt. Die Weisheit des Kaisers Wilhelm, "Schwarzseher dulde ich nicht", ist in die Reihen derer eingedrungen, die er zerschmettern wollte. Wer etwa auf das Ausbleiben eines jeglichen spontanen Widerstands der deutschen Arbeiter hinwies, dem ward entgegengehalten, alles sei derart im Fluß, daß kein Urteil möglich sei; wer nicht an Ort und Stelle, unter den armen deutschen Opfern des Luftkriegs sich befinde, der doch diesen ganz gut gefiel, solange es gegen die andern ging, habe überhaupt den Mund zu halten, und außerdem stünden Agrarreformen in Rumänien und Jugoslawien unmittelbar bevor. Je weiter jedoch die rationale Erwartung entschwindet, daß das Verhängnis der Gesellschaft wirklich gewendet werde, um so ehrfürchtiger beten sie dafür die alten Namen: Masse, Solidarität, Partei, Klassenkampf her. Während kein Gedanke aus der Kritik der politischen Ökonomie bei den Anhängern der linken Plattform mehr feststeht; während ihre Zeitungen ahnungslos täglich Thesen ausposaunen, die allen Revisionismus übertrumpfen, aber gar nichts bedeuten und morgen auf Abruf durch die umgekehrten ersetzt werden können, zeigen die Ohren der Linientreuen musikalische Schärfe, sobald es sich um die leiseste Respektlosigkeit gegen die der Theorie entäußerten Parolen handelt. Zum Hurra-Optimismus schickt sich der internationale Patriotismus. Der Loyale muß zu einem Volk sich bekennen, gleichgültig welchem. Im dogmatischen Begriff des Volkes aber, der Anerkennung des vorgeblichen Schicksalszusammenhangs zwischen Menschen als der Instanz fürs Handeln, ist die Idee einer vom Naturzwang emanzipierten Gesellschaft implizit verneint."


Theodor W. Adorno
: Minima Moralia, (Anhang I), aus dem öffentlich zugänglichen Werk (pdf)

Solidarität mit den demokratischen Kräften in der Türkei!

Schon seit Monaten verfolgen die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) -“ Bund der Antifaschisten und ihre Mitgliedsverbände die politische Entwicklung in der Türkei mit großer Sorge. Es war bereits erkennbar, dass die Regierungen unter Staatspräsident Recep Tayyip ErdoÄŸan einerseits eine zunehmend expansionistische Politik mit Unterstützung der IS-Truppen in Syrien betrieb, andererseits innenpolitisch eine Einschränkung der demokratischen Freiheiten, insbesondere der Pressefreiheit. Trotzdem wurde ErdoÄŸan seitens der EU-Administration im Frühjahr 2016 als Helfer in der Flüchtlingsfrage auserkoren, der -“ mit 3 Mrd. Euro honoriert -“ das Problem des Flüchtlingsstroms nach Europa lösen sollte.

Mit dem Militärputsch in der Türkei Mitte Juli 2016 wurde diese Entwicklung nicht gestoppt, sondern in verschärfter Form weiterentwickelt. Der gescheiterte Putsch, der selber sicherlich keinen Zuwachs an Demokratie gebracht hätte, wird von ErdoÄŸan genutzt, um mit antidemokratischen Mitteln und unter Aufhebung der grundlegenden Freiheitsrechte seine Macht zu sichern. Zehntausende Lehrer, Richter und Leiter von Universitätsfakultäten sind bereits entlassen, viele Soldaten sind inhaftiert. Die Unterdrückungen gehen weiter und jetzt trifft es vor allem Journalisten. Die Kritik an der aktuellen Aufhebung der „Europäischen Konvention für Menschenrechte“ übersieht, dass bereits in den vergangenen Monaten in der Türkei schwere Verstöße gegen Freiheits- und Menschenrechte stattgefunden haben.

Jeden Tag erleben wir weitere Einschränkungen der demokratischen Freiheiten. Akademikern wird die freie Ausreise untersagt, tausende Reispässe werden annulliert, weit über 50.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben bereits ihre Arbeitsplätze verloren. Über 50 Zeitungen und andere Medien verloren ihre Zulassungen, so dass die öffentliche Meinung nur noch von den Regierungsmedien beherrscht wird. Außerdem geht die polizeiliche und militärische Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im Südosten der Türkei in unverminderter Härte weiter.

Aus diesen Gründen rufen wir auf zur politischen Solidarität mit den demokratischen Kräften der Türkei, den Gewerkschaften, den verfolgten politischen Parteien, den demokratischen Medien und den Organisationen der Zivilgesellschaft. Ihre Handlungsfreiheit muss wieder hergestellt werden. Wir sind solidarischen mit den Menschen in der Türkei, die sich gegen einen autoritären, islamistischen Staat im Sinne von Staatspräsident ErdoÄŸan wehren.

Wir fordern die Europäische Union auf, gegenüber der türkischen Regierung die Einhaltung europäischer Werte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit sowie das Recht sich frei zu versammeln, sich friedlich zu äußern oder der eigenen Religion nachzugehen, einzufordern. Beitrittsverhandlungen mit der Türkei können nicht nur davon abhängig gemacht werden, ob nun die Todesstrafe wieder eingeführt werden soll.

Wir erwarten von der Europäischen Union, dass sie anstelle jenes Deals zu Lasten von Kriegsflüchtlinge gegenüber der türkischen Regierung unter Staatspräsident ErdoÄŸan die Wiederherstellung demokratischer Rechte und Freiheiten in der Türkei einfordert.

Dr. Ulrich Schneider, Generalssekretär

Berlin, 31.07.2016

www.fir.at

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