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Der mottenzerfressene Kaisermantel der EU

Schön ist es, sich an alten Erinnerungen zu erfreuen. Und an dem, was von diesen erzählt wurde. Und immer noch weiterverbreitet wird. Damit der alte Glanz noch haftet, auch wenn die Motten schon lange ihr Werk getan haben. So verhält es sich vor allem mit dem Traum der EU vom ewigen Frieden und der Einigung unter der Majestät des Rechts.

Tatsächlich, in den fünfziger Jahren, als Deutschland real noch nichts zu sagen hatte, hingen viele dem Traum nach. Ich auch. Ein Europa- ohne Pässe, eine Währung, überall sich ansiedeln können. Und so weiter.

Diesem Traum scheinen heute noch viele anzuhängen. Selbst in der LINKEN. Und vergessen darüber nur das Eine:In politischen Erklärungen soll man sich nicht ans schöne Illusionäre halten, sondern an die traurigen Gegebenheiten des Tages. Und da sieht es leider ganz anders aus. Zunächst das Antimilitaristische. Da hat die EU einfach die NATO aus- und abgeschaltet. Alles Militärische wird über diese Organisation verhandelt. Auch wenn die Lasten der Toten und der Kosten dann auf niemand fallen, als auf die EG-Mitglieder selbst.

Dann die scheinbare Gleichwertigkeit sämtlicher Beteiligter. Das hat sich gerade jetzt schreiend erwiesen. Nachdem der Generalsekretär eben erst den Iran eingeladen hatte zu einer vagen Diskussion über einen Waffenstillstand in Syrien, wurde er einen Tag später wieder ausgeladen. Auf zugestandenen Wunsch der USA. Das wurde brav vollzogen. Ohne irgendeinen Aufschrei des gesamten Restbündnisses. Dass ohne Iran die ganze Affäre leerlaufen würde, war damit klar. Was aber hilft dann ein Festhalten an einer solchen mit der NATO verbündeten EU?

Es hilft nichts: eine EU in dieser Form hat bisher mehr Unglück erbracht als sonst eine Organisation. Und zwar ziemlich von Anfang an. Als de Gaulle aus allerlei durchsichtigen Gründen aus der NATO ausstieg, war das Gequengel groß - bei allen Vasallen der USA und ihren Anhängern. Leider wurde bald nach de Gaulles Tod die Linie zurückgefahren. Auf keinen Fall aber brachte es einen Rückfall in die alte Politik der Überfälle und Kriegserklärungen. Es ist also ein vertretbares Risiko auszutreten - und abzuwarten.

Gysi weiß das sicher so gut wie jeder andere. Wenn er sich jetzt trotzdem zu irgendwelchen Techtelmechteln aufmacht und kleine Fransen am alten Gewande liebkost, liegt das nicht an Erkenntnismängeln. Sondern - sehr kurzsichtig - an Angeboten an SPD und eventuell GRÜNE, noch zu seinen Lebzeiten zu einer Koalition zu kommen. Dieses Ziel ist vielleicht schon möglich. Nur wird es nichts bringen. Außer ein paar Stimmenthaltungen, wenn die Bundesrepublik demnächst zur nächsten Feindbekämpfung ausrückt. Und davon haben wir nichts.

Sahra Wagenknecht hatte in dem berühmten Nichtgespräch mit Lanz völlig Recht, als sie auf der alten Linie beharrte. Denn es kommt nicht darauf an, ob in der Politik die nächsten kleinen Erfolge zählen. Sondern ob die Uraltdecke der schmeichlerischen Umhüllung endlich den klammernden Fingern der Festhalter entrissen wird.
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