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Gabriel tanzt auf dem Kopf. Wie lange noch?

Sigmar Gabriel
Foto: Arne Müseler
Lizenz: CC-BY-SA-3.0-de
via Wikimedia Commons
Gabriel hat seinen Rattensack zugemacht. Alle gefangen. Im Glanz steht einer da: Gabriel. Alle haben mitgespielt - und bis zum letzten Tag so getan, als sei das Ergebnis ganz unerwartet. Medien und CDU im Gleichklang.

Zwei kleine Anmerkungen trotzdem. Zum einen hat Merkel bewußt jede Einigung ausgeschlossen, was Europa angeht. Hier setzt sie offenbar auf Staatsverträge. Die dann mit den Fraktions-Angeboten gar nichts mehr zu tun haben. Mit der herkömmlichen Sonderstellung der Bundespräsidentin verbunden, kann Merkel dann alles tun, was ihr gefällt. Vermutlich deshalb die Großzügigkeit der Zugeständnisse der CDU gegenüber der SPD. Und das Zutrauen der CDU-Bevölkerung. Im Ernstfall wird es Merkel schon richten. Wie alle vorvorigen Präsidenten auch.

Das zweite ist der Wankelmut der Wahlentscheidenden. Es würde zu weit führen, hier alle Fälle aufzuführen, in denen eine große Mehrheit sich im Nu in Nichts auflöste. Es sei nur an die unanfechtbare Zustimmung zur Honeckerpolitik erinnert. Monate vorher großer Beifall. Dann auf einmal der kollektive Zwang zum Abgang. Und solche Ereignisse sind keineswegs nur dem ehemaligen Kommunismus vorbehalten.

Gabriel tanzt heute mit dem Kopf nach unten. Hoffen wir, dass er ihn wieder aufbehält, wenn die Dinge sich in ihrer ganzen Traurigkeit herausstellen.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Montagsdemos gegen Stuttgart 21: Anschlag auf Versammlungsfreiheit!

Am 16. und 23.12.2013 dürfen die Montagsdemos gegen Stuttgart 21 nicht auf dem Arnulf-Klett-Platz vor dem Hauptbahnhof stattfinden.

Begründung: Die Stadt Stuttgart „habe bei der gebotenen Abwägung in vertretbarer Weise den Interessen (...) der betroffenen Verkehrsteilnehmer den Vorrang gegenüber dem von der Versammlungsfreiheit geschützten Interesse (der S21- Gegner) (...) eingeräumt.“

Zu deutsch: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird der Straßenverkehrsordnung, bzw. den „Interessen der Verkehrsteilnehmer“ geopfert.

Der juristische Trick: Die Sicherheit und Leichtigkeit (!) des Straßenverkehrs wird zum Bestandteil der Rechtsordnung „ernannt“ und damit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Und wenn die „bedroht“ ist -“ siehe oben.

Mit dieser Begründung lässt sich jede Demonstration verbieten.

Diese Entscheidung des VGH ist von erheblicher politischer Brisanz:

Ist es doch derselbe Verwaltungsgerichtshof, der regelmäßig jeden Neonazi-Aufmarsch genehmigt, obwohl dafür ganze Innenstädte komplett abgeriegelt - der Verkehr also vollständig zum Erliegen kommt - und tausende Polizisten eingesetzt werden (Heilbronn, Göppingen etc.), um die Versammlungsfreiheit von ein paar dutzend Neonazis zu „schützen“.

Zum anderen hat derselbe Verwaltungsgerichtshof vor drei Jahren in gleicher Sache das gerade Gegenteil entschieden:

„Das Interesse des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, mit seiner Versammlung möglichst große Beachtung zu finden, überwiegt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen am Arnulf-Klett-Platz.“ (Entscheidung vom 29.10.2010, Az. 1 S 2493/10)

Dass die Argumentation von Ordnungsbürgermeister Schairer an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt auch die wundersame Verlängerung der Verkehrsstaus: Vom 30.11.2013 („Auf dem Cityring bildet sich regelmäßig ein bis zu einem Kilometer langer Stau“, Schairer im StZ- Interview) bis zum 10.12.2013 hat sich die Staulänge - zumindest im Schriftsatz der Stadt Stuttgart - dann verfünf- bzw. verachtfacht.

Der grüne OB schweigt zu alledem.

„Offensichtlich handelt Schairer im Einvernehmen mit dem grünen OB Kuhn. Da ist die Ankündigung eines „bürgerfreundlichen“ Versammlungsgesetzes durch die grün-rote Landesregierung schon fast als Drohung zu verstehen,“ so Thomas Trüten, der Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit. Und weiter: „Angesichts dieser Entwicklung sehen wir uns erneut in unserer Forderung nach einem fortschrittlichen Versammlungsgesetz bestätigt. Die Vorrangigkeit des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit vor nachgeordneten Vorschriften und Gesetzen muss politisch und juristisch durchgekämpft werden. Wir rufen deshalb die demokratische Öffentlichkeit auf - unabhängig vom jeweiligen Standpunkt zu Stuttgart 21 - am 16. und 23.12.2013 im Rahmen der Montagsdemos gegen diesen Anschlag auf die Versammlungsfreiheit zu demonstrieren.“


Quelle: Pressemitteilung vom 14.12.2013 / versammlungsrecht.info

Mit neuer Apo wars wohl nichts!

Schön hatte der neue FDP-Chef seine Antrittsrede vorgetragen. Und durchaus auch Richtiges gesagt.Was jeder ohne weiteres sich zu eigen machen könnte. Warum wird es trotzdem nichts werden mit der neuen APO?

Weil Lindner die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Nachdem er die entscheidungsfrohe FDP in den letzten fünfzig Jahren gerühmt hatte, ging es weiter im Aufgalopp. Dabei wurde Genschers Umfallen zu Kohl genau so gerühmt wie die vorige Entscheidung für Brandt. Außer dem berühmten "Mut zum..." blieb nichts für die inhaltliche Kontinuität übrig.

Hauptfehler war das hartnäckige Wegsehen von den Ursachen des Elends. Wie wir nicht nur von der FDP es gewohnt sind, wurde auch hier wieder der fleißige Mann gepriesen, der fürs Alter etwas spart und nicht gleich nach dem Staat ruft. Übersehen dabei nur eines: Wenn inzwischen dieser fleißige Sparer für sein Geld gerade noch ein Viertelprozent erhält, dann ist klar, dass alle verwandten Kategorien wie Tauschgewinn, Zinseszins und so weiter nicht mehr vorhanden sind. Die Grundkategorien des Kapitalismus selbst sind damit suspendiert. Nur durch die Magie der Zentralbank und ihrer aufmöblierten Senkung des Geldwerts läuft der Laden noch weiter. Was heißt das aber? Jeder der fleißigen Sparer weiß - oder müsste wissen - dass das Schicksal des Ersparten gar nicht mehr von ihm allein abhängt, sondern nur noch von den unberechenbaren Rechnungen dieser Bank. Und damit erübrigt sich auch Lindners Alleinstellungsmerkmal seiner Partei. Der neue Parteichef hatte gemeint, die Stimme der FDP muss es ja soweit kommen. Wenn das aber würde jedem zurufen: Sei Du selbst! In Wirklichkeit kann ein kollektives Verhängnis nur angegriffen werden durch kollektive Maßnahmen.

Wenn es soweit ist, dann ist klar: dieses gespenstische Dasein eines kapitalistischen Verlaufs muss selbst angegriffen werden. Ist das aber so,dann gibt es all die schönen Verheißungen ans individualistische Einzelwesen nicht mehr,das selbst zusehen muss, wie es mit der Lage klar kommt. Dann kann es auf jeden Fall nur den kollektiven Zusammenschluss geben, der dem menschengefügten Geschick sich solange und mit solchen Risiken entgegenstellt,bis das Verhängnis sich auflöst. Mindestens bis zu diesem Punkt hätte sich auch ein Lindner vorkämpfen müssen. Auch dann, wenn er noch keine Lösung zur Hand gehabt hätte.

Wir hatten ohnedies schon Mühe, die Herren in Maßanzügen auf den Straßen tollen zu sehen. Wie einst die wirkliche APO. War damals die Einsicht vielleicht geringer, so doch der Einsatz größer. Während jetzt die FDP nur noch sehr mühsam nach anderen Gleichgesinnten sucht, verbreiteten sich damals die Vorstellungen vom Umsturz alles falsch Bestehenden in Windeseile. Und während die FDP sich schon glücklich preisen würde, wenn sie die enge Pforte ins Parlament noch einmal beschreiten könnte, war die damalige APO - bei aller Unklarheit ihrer Begriffe - zu großen Teilen erst zufrieden, wenn sie den Nischengarten des Bundestags insgesamt hinter sich gelassen hätte.

SPD: Nur keine Namen nennen!

Sigmar Gabriel
Foto: Arne Müseler
Lizenz: CC-BY-SA-3.0-de
via Wikimedia Commons
Angeblich schwirrten aus allen Parteigegenden Bitten zu Gabriel, er möge doch keinerlei Ministerposten verraten. Es sollte dieses eine Mal nur und ausschließlich um die Inhalte gehen. Ohne jedes Nebengeräusch. Dass sich Hilfskräfte wie Oppermann sofort anschlossen, darf bei dem streng disziplinierten Charakter der entsprechenden Partei nicht weiter wundern. Nur ändert das nichts an der Verlogenheit der Auskunft. Weil sie den Neigungen der Mitglieder erbittert widerspräche. Schließlich sagt erst die ausführende Person etwas über die vermutete Wirklichkeit der Ausgestaltung. Man denke nur an den umgekehrten Fall. Wer soll Wehrmachtsminister werden: Strauss oder Blüm? Die Personalentscheidung würde den Inhalt bestimmen.

Warum aber dann? Manche meinen, dass die Mitglieder nicht rechtzeitig merken sollten,dass der Parteichef gar nicht das Finanzministerium anstrebt. Mit dem noch am ehesten den Absichten von Merkel entgegengetreten werden könnte. Weil dieses Ministerium als einziges ein Veto einreichen könnte bei ungeliebten Ausgaben der Chefin.Das würde aber zu eng greifen. Viel näher liegt dem vereinheitlichendem Geist Gabriels ein viel weiterreichender Gedanke. Würden nämlich Namen genannt, würden sich sofort Parteiungen herausarbeiten. Bekanntlich hat der Seeheimer Kreis, dem auch Gabriel angehört, seine Markierung auf dem Entwurf am deutlichsten eingetragen. Immerhin gibt es trotzdem noch andere Gruppierungen. Die als solche sich dem Kompromisslertum der Seeheimer zu widersetzen suchten. Kämen nun Namen ins Spiel, würde sich vor aller Augen eine Art Spaltung der Partei offenbaren. Damit aber eine Beeinträchtigung der massiven Unterstützung, die Gabriel zur Fortsetzung seiner Politik erwartet. Von ihm selber wohl interpretiert als Glattpolierung der Partei. Eine einheitliche Kampffront zur demnächstigen Durchsetzung der SPD-Ziele. Spätestens 1917.

Schlau gedacht. Nur fehlt dem Chef die Erinnerung an einen großen Vorläufer. Robespierre. Dieser hatte die Angewohnheit, im Parlament Furcht und Schrecken zu erregen, indem er immer nur allgemein - ohne Konkretion - gegen gewisse Feinde der Revolution loslegte, die ebenfalls ausgeschlossen werden müssten. Die Angst stieg und stieg, bis zur Unerträglichkeit. Bis sich einer Kehle entrang: "NAMEN NENNEN". Im selben Augenblick schloss sich dem Einzelruf ein Chor an. Robespierre wurde zum Schweigen gebracht. Der einzelne Ruf hatte Wirkung gezeigt. Also Wink für Gabriel,den weniger Entschlossenen: Allzu großes Schweigen wirkt gefährlich. Auch wenn es zum Schein der großen Entschlossenheit dient.

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