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Berlin: Und wieder einmal ein Hurra zu neuem Kriegseintritt

Patriot System der Bundeswehr
Fotograf: Darkone / Wikipedia
Lizenz: Creative Commons 2.5 US
Das Verfassungsgericht hat es wahrscheinlich gut gemeint, als es dem Bundestag vor jedem Einsatz der "Parlamentsarmee" ein umfassendes Mitspracherecht zubilligte. Nur - was helfen solche Rechte, wenn es sich - wie im gegenwärtigen Bundestag - um die Mehrheit einer Ansammlung von berufsmäßigen Ja-Sagern handelt. Die angeblich Opposition darstellenden SPD und GRÜNE scheinen mehrheitlich entschlossen, auch in diesem Fall bestehende Krisen zu verschärfen.

Wie schon so oft! Erst musste der Bündnisfall an sich und abstrakt herhalten. Türkei nicht alleine lassen. Nachdem sich dann herausstellte, dass sämtliche Patriots gegen den bisherigen Beschuss wirkungslos wären, muss der potentielle Generalfeldmarschall de Maizière jetzt die Chemiewaffen Syriens vorkramen. Er schließt sehr kühn vom Besitz solcher Waffen auf ihre sofortige Anwendung. Und zum Abfang von so etwas kämen Patriots wie gerufen.

Warum soll die Logik ungeschoren davon kommen, wenn schon Menschenleben nicht mehr zählen? Wenn nämlich Syrien Chemiewaffen vorrätig hält, dann schon lange. Also wäre die Ausleihe von Patriots schon seit Jahren soldatische Ehrenpflicht gewesen.

Auf ähnlichen Kindergartenbeinen tolpatscht dann die Ergänzungsfolgerung einher: wer Chemiewaffen besitzt, wendet sie auch mal an. Und für den Fall stehen wir Deutschen bereit. Wie oft, wird dann weiter erfunden, hat die Türkei uns Deutsche in den letzten Jahrzehnten der NATO mitbeschützt. Wann soll das gewesen sein? Keiner weiß es. Aber es tropft sofort in die Kolumnen willfähriger Blätter.

Alles lotteriges Gerede um einen festen Willen der Mehrheit: Wenn irgendwo Krieg, dann wir Deutschen dabei. Sonst: beim Beuteverteilen auf jeden Fall zu spät.

Und dafür soll jede und jeder Deutsche im Bundestag gerne auch Menschenopfer bringen. Nur so weiter ....

kritisch-lesen.de Nr. 24: Kriegerischer Frieden

Am 10. Dezember ist es wieder soweit: der Friedensnobelpreis wird verliehen. In diesem Jahr darf sich niemand Geringeres als die Europäische Union über den Preis freuen. Während sich gefreut und darüber geredet wird, wie die EU den Frieden nach Europa brachte, ist kaum Kritik zu vernehmen. Dabei sind EU-Länder an kriegerischen Einsätzen auf dem gesamten Globus beteiligt und spielen bei der Rüstungsproduktion eine erhebliche Rolle. So ist Deutschland im Rüstungs-produktionsranking auf Platz drei weltweit und unter anderem seit elf Jahren in Afghanistan im Einsatz. Frieden sähe anders aus. Auch innerhalb der Linken gibt es irritierende Haltungen bei der Frage, wie man es eigentlich halten sollte mit dem Krieg. Befürwortungen werden auch bei sich als links bezeichnenden Menschen immer wieder laut. In den Hintergrund gedrängt wird die sich zwar in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten verändernde, aber noch immer existente imperialistische Dominanz einiger Staaten und Verbündeter, die den Frieden als Legitimation für militärische Einsätze immer wieder in Stellung bringen.

Gründe genug, um einen Blick auf aktuelle linke Antimilitarismus- und Antiimperialismusdebatten zu richten, um Diskussionen und Interventionen nachzuzeichnen. Und so appellieren die ersten drei Rezensionen, Antiimperialismus wieder verstärkt in linke Politik einzubinden: Zu Beginn bespricht Jens Zimmermann in Antiimperialismus revisited einen Sammelband der Linksjugend Solid und stellt heraus, dass in der Broschüre die Reaktualisierung theoretischer Positionen und empirischer Befunde des Antiimperialismus gelungen sind. Christin Bernhold empfiehlt in ihrer Rezension Imperialismus: Alter Wein in neuen Schläuchen den Begriff Imperialismus aus dem Theorie-Museum zu holen, denn dieser sei für die heutige Linke substantiell. In ebenjenes Museum begibt sich Christian Stache mit seiner Rezension Von der bestimmten Negation der klassischen zur neuen Imperialismustheorie. In dem bereits 1978 erschienenen Buch „Marx, Engels und die Imperialismustheorie der II. Internationale“ vertritt Hans-Holger Paul die These, dass durch die direkte Lektüre des Marxschen „Kapital“ (unter anderem durch Engels) die Befürwortung von Imperialismus seitens der RevisionistInnen und ReformistInnen zu erklären ist. Einer auch aktuell immer wieder aufscheinenden Debatte beim Thema Antimilitarismus, die mitunter auch große zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit erregt, widmet sich Sebastian Friedrich mit Forschung und (Anti-)Militarismus: der Zivilklausel an deutschen Hochschulen. Ein weiterer Strang, der linke Antimilitarist_innen seit jeher beschäftigt, ist der Pazifismus. Einen allgemeinen Blick auf „Pazifismus und Antimilitarismus“ wirft Sebastian Kalicha in Den „pazifistischen Hammer“ schwingen und bescheinigt dem Einführungswerk durch seine Facettenvielfalt eine Bereicherung für den linken Diskurs zum Thema. Zu Deserteuren im Zweiten Weltkrieg erschien jüngst das Buch „... und wenn sie mich an die Wand stellen”, welches Zülfukar Cetin bespricht und besonders aufgrund seiner Perspektive aus der Geschlechterforschung sehr lobt. Schließlich wirft Thomas Möller in Vier Jahre Kampf gegen den Kriegsgeist einen Blick in die politische Biographie des Pazifisten und engagierten Kriegsgegners Bertrand Russel.

In den weiteren Rezensionen befasst sich Dr. Daniele Daude in Performativität in der Akademie zunächst mit den Theorien zur Performativität von Erika Fischer-Lichte. Den biographischen Roman „Wie ich im jüdischen Manhattan zu meinem Berlin fand“ von Irene Runge hat Heinz-Jürgen Voß gelesen und ist begeistert von der Gelassenheit, die die Autorin trotz nicht immer schöner Erlebnisse behält. In einer weiteren Roman-Rezension widmet sich Paul Gensler dem neuen Philosophen-Roman von Irvin D. Yalom „Das Spinoza-Problem“, welches beim Rezensenten jedoch nicht so gut weg kommt. Zum Schluss geht Ismail Küpeli auf das Buch „Ordnung und Gewalt“ von Stefan Plaggenborg ein, sieht die angestrebten Intentionen jedoch nicht verwirklicht.

Noch ein kleiner Hinweis für die nächste Ausgabe: Im Januar werden wir nicht wie gewohnt am ersten, sondern ausnahmsweise am zweiten Dienstag erscheinen, also dem 8. Januar.

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