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Fußball und Nazis

Michael Kühnen ordnet in den achtziger Jahren an, dass die Nazis in die Fußballstadien gehen sollen um dort neue Anhänger zu rekrutieren. Diese Aufforderung von Michael Kühnen wurde in vielen Städten umgesetzt. Am bekanntesten wurde Siegfried Borchardt (SS- Siggi) von dem Dortmunder Fanclub Borussenfront. Nachdem Dortmunder Fans sich jahrelang gegen die Nazis der Borussenfront gewehrt haben und der Fanbeauftragte vom BVB versucht hat den Mitgliedern des Fanclubs neue Wege aufzuzeigen wie sie den Verein unterstützen können löste sich die Borussen-Front auf. Zumindest Siegfried Borchardt ist immer noch politisch aktiv. Seit Anfang 2000 ist er Mitglied der „Kameradschaft Dortmund“, in der viele Autonome Nationalisten aktiv sind, die sich das Ziel gesetzt haben Dortmund zu einer rechten Hochburg auszubauen.

Bei anderen Fußballvereinen wurden ebenfalls Fanclubs mit rechtem Hintergrund gegründet, in Stuttgart beim VFB Neckartfils und bei der Eintracht Frankfurt die Gruppe Adler-Front. Bei beiden Gruppen sind die Embleme an das Zeichen der Nationalen Front angelehnt. Die legendären Hertha Frösche hatten über Jahrzehnte ebenfalls enge Kontakte mit Berliner Nazis.

Nach der Vereinigung waren die Anhänger der FAP mit die ersten die Chance zur Eingliederung ostdeutscher Nazis suchten. Diese hatten eine Subkultur in den Fußballstadien der DDR entwickelt. Der Berliner Fußballclub (BFC) ist bereits vor 1989 durch seine rassistischen, neonazistischen Fans aufgefallen. Am 17. Oktober 1987 hatten BFC Fans zusammen mit Nazis aus dem Umfeld der Hertha Frösche aus Westberlin ein Punkkonzert in der Ostberliner Zionskirche überfallen. Sie stürmten mit Sieg-Heil Rufen die Kirche und brüllten „Juden raus aus deutschen Kirchen“. Bei dem Prozess wurde zum ersten Mal deutlich wie eng bereits damals die Zusammenarbeit zwischen rechten Fußballfans aus Ost- und Westberlin war.

Nachdem die Sicherheitskontrollen in der ersten und zweiten Liga in den letzten Jahren stark verstärkt wurden, sind viele Hooligans und Nazi-Fans zu den Vereinen in die unteren Ligen gegangen. Mitglieder der Borussenfront, die in Dortmund Stadionverbot haben, besuchen jetzt Spiele des DSC Wanne-Eickel. Die „tageszeitung“ hat 2006 über diese neue Entwicklung berichtet: „Die Besucher des Verbandligaspiels Sportfreunde Oestrich gegen DSC Wanne-Eickel am 17. April dieses Jahres hatten wahrscheinlich ein mulmiges Gefühl. Ein gutes Dutzend martialisch gekleideter Zuschauer entrollte ein riesiges Transparent mit der Aufschrift `Borussenfront – Die Legende lebt´.“ (3.6.2006) Wenige Tage davor hatten die Mitglieder den 20. Geburtstag der Borussenfront im hessischen Kirtorf gefeiert. Unter den 600 Besuchern des Festes waren viele Nazi-Fans aus ganz Deutschland.

In den unteren Ligen sind die Sicherheitskontrollen viel lascher und die Vereinsführung fühlte sich oft von den Ausschreitungen und den rassistischen Parolen auf den Rängen überfordert. Verschärft wurde die Situation als dann Ordner aus Nazigruppen angestellt wurden um für Ordnung zu sorgen.

Antisemitismus im Stadion
Antisemitische Parolen spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle in den Stadien in Deutschland. Bei einem Spiel der Nationalmannschaft in Polen trugen Nazi-Fans aus Deutschland ein Transparent mit dem Satz: „Wir grüßen die Schindlerjuden. Das sogenannte U-Bahn Lied gehört inzwischen zum Bestandteil des Liedguts aller Fußballfans in Deutschland. Das Lied lautet: „Wir bauen eine U-Bahn, wir bauen eine U-Bahn von (…) nach Auschwitz.“ Die jeweilige gegnerische Stadt wird dann eingefügt. Immer wieder tauchen auch Transparente auf, die den gegnerischen Club als „Judenclub“ diffamieren. Jedesmal wenn der OFC aus Offenbach in Frankfurt spielt haben die Fans entsprechende Transparente dabei. Gleiches gilt für Dynamo Dresden. Immer wieder wenn Dresden auswärts spielt werden solche antisemitischen Plakate und Transparente hochgehalten. In Kaiserslautern wurde der aus Israel stammende Spieler Itay Shechter im Februar beim Training von Fans des eigenen Vereins als „Drecksjude“ beschimpft. Nach dem Vorfall hat sich der Verein sofort von den antisemitischen Beschimpfungen distanziert. Viele andere Vereine ignorieren die antisemeitischen Gesänge und Parolen ihrer Fans. Ein weiteres Beispiel für den weit verbreitenden Antisemitismus in den Stadien zeigt sich bei den Spielen der Mannschaft von Haifa in europäischen Wettbewerben. Fast immer ertönt ein Zischen auf den Rängen, dass an ausströmendes Gas erinnern soll, so dass der Mannschaft und ihren Anhängern deutlich gemacht wird, ihr wurdet in Auschwitz vergessen.

Ultras
Aus Italien ist Mitte der achtziger Jahre die Ultra-Bewegung nach Deutschland gekommen. Im Mutterland Italien sind diese besonders fanatischen Fans oft bekennende Faschisten. Nicht so in Deutschland. Hier überlappen sich zwar die verschiedenen Fanszenen wie die Hooligans, die Nazi-Fans und die Ultras, sie distanzieren sich aber auch oft voneinander. Viele der Ultras verstehen sich eher als links und wollen nur den Verein unterstützen. Dazu gehört oft eine ausgearbeitet Choreographie auf den Rängen und das Abbrennen von Feuerwerkskörper in den Stadien.

Musik
Musik spielt für das Gemeinschafterlebnis der verschiedenen Fangruppen eine große Rolle. Die „Böhsen Onkelz“ gelten nach wie vor als die Kultband in den Stadien Deutschlands. Sie haben in Frankfurt im Umfeld der Hooligan von Eintracht Frankfurt angefangen und sich sehr schnell einen Namen in der rechten Szene erspielt. Aus Bremen kommt die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“. Kategorie C ist die Polizeibezeichnung für Fans, die Gewalt suchen. Die Band wurde zur Fußball WM in Frankreich gegründet. Immer wieder werden Konzerte der Band verboten. In der Verbotsverfügung für ein Konzert 2011 in Bremen hieß es: „von der Band die Gewalt zwischen Fans und der Polizei verherrlicht sowie Fremdenfeindlichkeit propagiert. Der Auftritt diene der Verbreitung von rassistischen und nationalsozialistischen Gedankengut und dessen Verherrlichung.“ Weiter heißt es in der Begründung, dass die Musik der Band geeignet sei „insbesondere auch durch Ausdruck aggressiven, martialischen und militanten Verhaltens und Ausländerfeindlichkeit, Teile der Bevölkerung massiv einzuschüchtern und das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.“ Trotz dieser Einschätzung der Stadtverwaltung von Bremen finden immer wieder im Zusammenhang mit Fußballspielen Konzerte von „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ statt. Es wundert nicht, dass die Band der Höhepunkt der Geburtstagsfeier der Borussenfront war. Anwohner berichteten damals von Rufen wie „SS, SA, Borussia“.

Der Einfluss der NPD
Die NPD versucht seit einiger Zeit sich als eine Partei darzustellen, sie sich um die Belange der kleinen Leute kümmert. Zu dieser Strategie gehört, dass sie gezielt ihre Mitglieder und Anhänger auffordert in Freiwilligen Feuerwehren, Elternbeiräten und Fußballvereinen Mitglied zu werden. Sie sollen sich dort engagieren, damit sie als die netten Leute von NPD wahrgenommen werden. Erst im zweiten Schritt sollen dann Interessierte an die Partei herangeführt werden.

Der NPD Funktionär Jens Pühse ist Ende letzten Jahres von Werder Bremen ausgeschlossen worden. Der Verein hat sich dabei auf die Satzung berufen. Auf der Interseite von Werder Bremen steht dazu: „Satzungsgemäß fördert Werder Bremen die Funktion des Sports als verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten. Er bietet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine - unabhängig von Abstammung, Hautfarbe, Herkunft, Glaube und sozialer Stellung sowie sexueller Identität - sportliche Heimat. Diese Werte werden insbesondere durch das gute soziale Engagement des Vereins verwirklicht.“ Mit diesen Zielen lässt sich die Mitgliedschaft eines Funktionärs der NPD nicht vereinbaren.

Einige Vereine haben inzwischen auch begonnen die von Nazis bevorzugte Kleidermarke Thor Steiner in den Stadien zu verbieten. Bei Dynamo Dresden hängen inzwischen an den Eingängen Plakate mit Symbolen und Marken, die im Stadion verboten sind.

Vermehrt nutzen Freie Kameradschaften und Autonome Nationalisten Fußballspiele um sich zu treffen und zu vernetzen. So ist 1860 München inzwischen zum Treffpunkt von Autonomen Nationalisten und Anhängern des Freien Netz Süd geworden. Bei Eintracht Braunschweig haben Autonome Nationalisten mit „Blue Berets Brunswiek“ sogar einen eigenen Fanclub gegründet. Alemania Achen wehrt sich zurzeit ebenfalls gegen eine Unterwanderung von Neonazis. Massive Probleme hat auch der 1. FC Magdeburg. Die Fangruppe „Blue White Street Elite“ überfiel bei Auswärtsspielen des Vereins gegnerische Fans. Sie sind von Mitgliedern verschiedener Kameradschaften im Jerichower Land gegründet worden. Hier überfielen sie auch immer wieder alternative, antifaschistische Jugendliche, die sich gegen die Nazistrukturen in ihrem Landkreis wehrten. Der Fanclub wurde am 1. April 2008 vom Innenministerium verboten. Der Staatssekretär fürs Innere, Rüdiger Erben, charakterisierte damals die Gruppe als „fanatische Fußballfans und gewaltbereiten Rechten“. Nach einem längeren Rechtsstreit ist das Verbot zurzeit wieder außer Kraft gesetzt.

Um diesen neonazistischen Unterwanderungen etwas entgegenzusetzen haben linke, alternative Fußballfans das Bündnis antifaschistischer Fußballfans das „Bündnis antifaschistischer Fußballfans“ (BAFF) gegründet. Allerdings wurde das Bündnis bereits nach kurzer Zeit in  „aktive Fußballfans“ umbenannt. Die antifaschistische Richtung blieb allerdings erhalten. Neben regelmäßigen Treffen und Fußballturnieren hat das Bündnis auch eine Ausstellung mit dem Titel „Tatort Stadion“ erarbeitet. In ihr werden exemplarische rassistische und ausländerfeindliche Vorgänge in deutschen Stadien dokumentiert. Linke und Antifaschistische Fußballfans zeigen ihre Positionen oft durch Transparente im Stadion. Immer wieder werden sie mit der Begründung beschlagnahmt, dass das Stadion politisch neutral ist.

Die Fans von St. Pauli berichten immer wieder, dass bei Auswärtsspielen ihre Fahnen und Transparente beschlagnahmt werden, die der rechten gegnerischen Fans aber nicht.

Es ist zu begrüßen, dass nach langem Wegschauen einige Vereine das Treiben ihrer rechter Anhänger nun genauer unter die Lupe nehmen. Leider sind sie aber in der Minderheit und die Nazi-Fans können jedes Wochenende auf den Rängen ihre Hetze betreiben.



Zuerst veröffentlicht in: Antifa - Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur. Ausgabe Mai / Juni 2012
Via VVN-BdA Esslingen

Ludwigsburg: Gemeinsam auf die Straße zum ROCK GEGEN RECHTS 2012!

Das dritte Rock gegen Rechts in Ludwigsburg wird dieses Jahr am 15. September 2012 stattfinden. Zahlreiche Gruppen aus der Region Ludwigsburg/Stuttgart unterstützen die Veranstaltung. Das Libertäre Bündnis Ludwigsburg - [LB]² und Antifa Neckar Enz rufen alle Antifaschist*innen zur Teilnahme an der Streetparade gegen Nazi-Gewalt auf. Im Anschluss an die Streetparade gibt es wieder ein Konzert im Scala Biergarten.

Wir veröffentlichen an dieser Stelle den Aufruf des RGR-Bündnisses. Der Aufruf wird von folgenden Gruppen unterstützt: Antifa Neckar Enz, attac LB/Besigheim, Demokratisches Zentrum (DemoZ), DGB Jugend, GEGEN_KULTUR Stuttgart, GEW, Grüne Jugend LB, IG Metall Jugend LB, IG BCE, Jusos LB, Libertäres Bündnis Ludwigsburg – (LB)², Linksjugend [’solid] LB, RASH Stuttgart, Mauthausenkomitee Stuttgart, Stolpersteine LB, VVN-BdA LB.

15 UHR ANTIFA STREET PARADE (Treffpunkt Bahnhof Ludwigsburg)
17 UHR OPEN AIR PARTY (Scala Biergarten)

 LINE UP:

17:00 - 18:00: Fields Of Lentils (Blues/Rock)
18:30 - 19:30: Hedgehog's Garden (Folkrock)
20:00 - 21:00: Fetzer & The Turbochargers (RockNRoll)
21:30 - 22:05: Murder Disco X (Hardcore Punk)


Dokumentiert: Gemeinsam auf die Straße zum ROCK GEGEN RECHTS 2012!

Auch in diesem Jahr veranstaltet das Rock gegen Rechts Bündnis bestehend aus verschiedenen politischen Gruppen und Einzelpersonen ein Konzert und eine Demonstration gegen Neo-Nazis und „rechtes Gedankengut“. Wie die im vergangenen November bekannt gewordenen Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds zeigen, stellt der Rechtsradikalismus weiterhin eine sehr große und lebensbedrohende Gefahr dar. Der Umgang der Behörden, die ihre Ermittlungen nahezu komplett auf das Umfeld der Opfer konzentrierten und einen rechten Hintergrund ausblendeten, spricht dabei Bände. Dies ist unseres Erachtens nicht mit bürokratischen Fehlern zu entschuldigen.

Die vor allem von konservativen PolitikerInnen propagierte „Extremismustheorie“, die uns weismachen will, dass Rechts und Links irgendwie das Gleiche wären, stellt NazigegnerInnen mit Rechtsradikalen auf eine Stufe. Zu diesem Konstrukt sagen wir NEIN DANKE!

Im Landkreis Ludwigsburg sind Neo-Nazis ebenfalls präsent. Immer wieder kommt es zu Hausdurchsuchungen in der Neo-Nazis Szene, so z.B. in Bezug auf die Standarte Württemberg (eine Neo-Nazi Kameradschaft) oder in Bezug auf den Mordanschlag in Winterbach. Die Rechtsrock Band Kommando Skin, verlegt auf dem Neo-Nazi Label RACords, ist ebenfalls hier ansässig. Weiterhin taucht immer wieder rechte Propaganda in Form von Aufklebern und Sprühereien im Stadtbild von LB und Bietigheim, sowie den umliegenden Orten auf!

Gemeinsam wollen wir klarmachen: Auch im Kreis Ludwigsburg ist kein Platz für „rechtes Gedankengut“! Wir wollen ein breites Bündnis von Menschen aus vielen verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, das eine klare Grenze gegen Parolen und Aktionen der Neonazis zieht. Wir wollen gemeinsam demonstrieren und wir wollen gemeinsam feiern.

 Mehr Infos auch auf Facebook unter www.facebook.com/rgrludwigsburg

Vor 20 Jahren: The Truth Lies in Rostock

Die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen ereigneten sich vom 22. bis 26. August 1992 im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Es handelte sich um die massivsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte.



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Für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung!
Kein Mensch ist illegal!
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NPD-Verbot: Staatsgelenkte ANTIFA auf der Flucht vor Gericht

Antifaschistische Proteste gegen den Naziaufmarsch in Dresden 2012
Erwartungsfroh erwacht am Tag nach Olympia: Endlich wieder Nachrichten über was anderes als Gold und Sehnenriss! Mit was aber machte ARD auf? Mit dem ältesten Gag: NPD-Verbot.

Drei bisher schon als Vorkämpfer der ANTIFA bekannt gewordene Bundesländer wollen über den Bundesrat, zur Not aber auch im Alleingang erneut in Karlsruhe einen Verbotsantrag gegen die NPD riskieren.

Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Auch ohne Bundesregierung, wenn die weiterhin zögert.

Hört sich zunächst gut an, solange man noch nicht ganz wach ist. Verbote, wenn es sie gäbe, könnten die ewigen verwaltungsrichterlichen Streitigkeiten wegen Aufmarsch-Verboten beenden. Gedanken ändern natürlich nicht. Auch nicht die Zusammenschlussfähigkeit unter Tarn-Namen zu neuen Aktionen. Aber immerhin...

Die Vorprescher denken vor allem an die Wahlen, bei denen sie die tatkräftigen Antifaschisten geben werden - im Vergleich zu all denen, die seit Jahren auf der Straße sich den Nazis entgegenstellen, aber - je nach Darstellungsregie der Akteure - bisher nichts erreicht haben. Dagegen die Staaten nach dem Gerichtsentscheid: ein Meisterschlag - und weggefegt die braunen Krümel.

Nur eins muss vor allem die Regierungs-Chefin Thüringens vergessen haben. Den Grund nämlich, der beim letzten Versuch in Karlsruhe zum Nichtstattfinden des Verbotsprozesses geführt hat. Er wurde auch im Fernsehen nirgends erwähnt. Kleiner Tipp zur Erinnerungsstütze: Es ging damals darum, dass die verschiedenen Geheimdienste sich so tief ins Parteileben der NPD eingefressen hatten, dass sie verschiedenorts Leitungsstellen besetzten und manchmal die besseren Reden schrieben. Selbstlos sollen solche Dienstler Staatsgelder an Parteistellen weitergereicht haben. Mit Recht bemängelte das Gericht, dass es bei diesem Stand der Dinge nicht wissen könne, wen sein Spruch dann träfe: den Staatsdiener oder den Staatsfeind.

Wie - frage ich ratlos - wird aber gerade ein Land wie Thüringen dem Gericht dieses Mal beweisen, dass keinerlei Zusammenarbeit mit den freiarbeitenden Bündnissen in der Leitungsebene mehr stattfinde? Ist denn alles vergessen, was die verschiedenen Dienste der geheimarbeitenden NSU haben zukommen lassen an Ratschlag und Hilfe? Die NPD wird vor Gericht natürlich beteuern, dass sie mit solchen Gruppierungen wie der NSU nie etwas zu tun gehabt habe. NSU - der Partei total fremd! Wenn das Gericht denen die Ausrede abnehmen würde, stünde die Partei - im Kontrast zur kriminellen Vereinigung NSU - alpenschneerein da. Wofür sie dann noch verbieten? Jede Bundesregierung, jede bürgerliche Partei kannte die Bedingungen des Gerichts für einen neuen Antrag. Sie wäre auf Rückzug des Verfassungsschutzes und der verwandten Dienste aus der NPD-Beeinflussung herausgelaufen. Dazu ist aus keinem deutschen Bundesland etwas bekannt geworden. Das Gericht wird das feststellen. Entsprechend die Aussichten der Anträge der staatsorientierten ANTIFA.

Bleibt es also beim billigen BlaBla vor den Wahlen? Das auch. Aber nicht nur. Tatsächlich ist die staatliche Bürokratie, wie tausend Beispiele beweisen, den Massenbewegungen gegen die Faschisten feind. Wie allen Massenbewegungen, die nicht gleich staatlich gesteuert auftreten. Solche bringen immer Unruhe und haben die Neigung, auch Äußerungen von Leuten im Apparat aufzugreifen, die nie nazistisch geortet worden waren. Tatsächlich erinnert die Hetze eines bayerischen Ministers - CSU - gegen Griechenland nicht nur entfernt an "Aufforderung zum Völkerhass". Deshalb: Bewegungen nicht übergreifen lassen. Lieber per Gesetz und Gerichtsbeschluss die Sache fest in der Hand behalten. Man weiß nie, was bei Demos ohne Aufsicht herauskommt.

Kein Jubel also angebracht. Die Forderung nach einem NPD-Verbot behält ihr Recht. Aber nur dann, wenn ihr der massenhafte Kampf auf den Straßen und in den Medien vorausgeht, nicht dem administrativen Akt nachfolgt. Erst muss die breite handlungsbereite Bewegung geschaffen sein, die das Schändliche und Verächtliche einer jeden faschistischen Bewegung herausarbeitet, bevor ein Verbot seine Wirkung entfalten kann.

Aktionskonferenz zu den Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 6. Oktober in Göppingen

Für den 6. Oktober planen Neonazis einen Aufmarsch durch Göppingen. Sie geben vor unter einem “antikapitalistischen” Motto auf die Straße gehen zu wollen. Mittlerweile unterstützen fast 20 Nazigruppierungen aus mehreren Bundesländern den faschistischen Aufruf. Als Redner ist u.A. der als “Bombennazi” bekannte Thomas Horst Baumann angekündigt, der mehrere Sprengstoffanschläge auf alternative Zentren und ein Gewerkschaftshaus in Freiburg geplant hatte.

Auf den faschistischen Aufmarsch wird vor Allem von so genannten “Autonomen Nationalisten” mobilisiert. In Göppingen existiert eine aktive Neonaziszene. Aus dem Umfeld der “Autonomen Nationalisten” und der NPD in Göppingen kommt es seit mehreren Jahren kontinuierlich zu Propagandaaktionen, Einschüchterungsversuchen bei politischen Gegnern, bis hin zu gezielten körperlichen Angriffen auf Andersdenkende. 2012 versuchten sie schon mehrmals in der Region Göppingen mit Kundgebungen an die Öffentlichkeit zu gelangen. Nur durch vielseitigen antifaschistischen Protest konnte dies mehrmals verhindert werden.

18. August - Aktionskonferenz

Um auch am 6. Oktober daran anzuknüpfen müssen wir uns schon frühzeitig vorbereiten; deshalb laden wir alle interessierten AntifaschistInnen zu einer Aktionskonferenz am Samstag, den 18. August ein. Diese wird um 16 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann (Böblingerstr. 105 in Stuttgart-Heslach) beginnen. Ziel hierbei ist es gemeinsam Ideen für spektrenübergreifende, kreative und effektive Protestaktionen zu sammeln, zu diskutieren und gemeinsam nächste Schritte konkret werden zu lassen! Zu Beginn werden wir kurz über den aktuellen Stand der Nazimobilisierung informieren.

Lasst uns gemeinsam und koordiniert den Naziaufmarsch am 6. Oktober in Göppingen verhindern! Beteiligt euch an den Planungen und der Mobilisierung zu den Gegenaktivitäten!

Quelle: Aufruf des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) via VVN-BdA Kreisveband Esslingen

Vortrag zum 70. Jahrestag eines faszinierenden Fußballspiels

Kommunisten (FC Start) 5 -“ Faschisten (Flakelf) 3 9.8.1942 um 17 Uhr, Kiew, Stadion Zenit, 10.000 ZuschauerInnen
"Es lebe der Sport!" ... das riefen die Spieler des FC Start vor Anpfiff. Das hört sich erstmal nicht außergewöhnlich an. Doch dazu gehörte schon einiges an Mut. Dies ist nur eine kurze Episode von einem der legendären Fußballspiele der Sportgeschichte.

Es war ein ungleiches Fußballspiel der Mannschaft von Zwangsarbeitern aus der Brotfabrik gegen eine Auswahl der Wehrmacht unter besonderen Umständen. Nach Beginn der Operation Barbarossa am 22. Juni 1941 gab es zahlreiche Kriegsverbrechen der Faschisten in der Region um Kiew. Am häufigsten wird das Massaker von Babyn Yar mit über 33.000 jüdischen Opfern erwähnt. Einige Monate später sollte im Sommer 1942 wieder etwas Ruhe einkehren in Kiew. Doch die Fußball-Liga entwickelte sich zu einem Drama um Leben und Tod. Der Traum vom unpolitischen Fußballspiel wurde zum Alptraum für die Faschisten.

Die Auseinandersetzung mit den Ereignissen geschah bzw. geschieht auf unterschiedlichste Art und Weise: Filme, Bücher, Zeitungsartikel, ein Denkmal, historische Gutachten, Erzählungen, staatsanwaltliche Ermittlungen, Äußerungen von zahlreichen Expertinnen und Experten.

Seit 1942 sind vier verschiedene Versionen dazu entstanden.

Genau siebzig Jahre nach dem legendären Spiel und einige Wochen nach dem Finale der Europameisterschaft in der gleichen Stadt ist der richtige Zeitpunkt den Mythos aufleben zu lassen.

Die dritte Halbzeit beginnt am 9. August um 19:30 Uhr in Stuttgart im Linken Zentrum Lilo Herrmann. Es geht dabei natürlich nicht um das, was der letzte Satz vermuten lässt, sondern um einen Film mit diesem Titel und das genannte Fußballspiel.

kritisch-lesen.de Nr. 20: Sommerausgabe

Foto: Luc Viatour / www.Lucnix.be
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Wir begegnen den sommerlichen Urlaubsflüchten in dieser Ausgabe nicht mit einem inhaltlichen Schwerpunkt, dafür aber mit einigen Literaturempfehlungen für laue Sommerabende und – wer's klassisch mag und es sich leisten kann – für den Strand. Zu Beginn schreibt Martin Brandt in „Zu bunt fürs Grau" über die biographischen Auseinandersetzungen Ronald Schernikaus mit der zwar kritisierten, aber auch verteidigten Wahlheimat DDR und dem kapitalistischen Nachbarn. Sebastian Kalicha empfiehlt eine Auseinandersetzung mit der progressiven Rap-Lyrik der Linzer Hip-Hop-Combo TEXTA, deren Texte nun in den„TEXTA-Chroniken“ veröffentlicht wurden, denen der Rezensent nicht nur sozialkritische und politische, sondern auch literarische Qualität bescheinigt. Zu wenig an Reflexion bescheinigt Paul Gensler der deutschen Linken und sieht daher in „Die Finkler-Frage“ von Howard Jacobson eine Möglichkeit, den auf Juden und Jüdinnen projizierten Bildern immer kritisch, aber manchmal auch ironisch beziehungsweise sarkastisch zu begegnen und einen Blick auf jüdisches Leben in der Postmoderne zu richten. Einen Blick zurück wirft Tompa Láska in seiner Rezension „Die Entdeckung der Biographie" und beleuchtet dabei verschiedene Lebensabschnitte von Harry Mulisch. Innere Zerissenheit, Angst vor dem was kommt und die Einsicht, dass Menschen sich doch immer auch weiter entwickeln können, sind dabei nur einige Eindrücke die das Buch hinterlässt. Franziska Plau sieht in dem Buch „Begegnungen auf der Trans*fläche“ eine gute Gelegenheit, sich mit dem Alltagsleben von Trans*menschen auseinanderzusetzen, ohne, dass bei den Geschichten des Buches der Humor außen vor gelassen würde. Gerlinde Kirma hat sich dem bereits vor einigen Jahren erschienen autobiographischen Roman„Die kalten Nächte der Kindheit" von Tezer Kiral gewidmet und Jorane Anders hinterfragt mit „Jungfrau“ von Thomas Meinecke religiös fundierte Keuschheit.

Welche unerwarteten Wendungen ein Leben bereithält, zeigt Sebastian Kalicha am Beispiel von Hans und Hedi Schneider. In seiner Rezension „NS-Terrorjustiz as usual" beschreibt er den Weg dieses österreichischen Ehepaares, das wegen einer Lappalie in die Mühlen der NS-Unrechtsjustiz geriet. Philippe Kellermann weist in seiner Besprechung von „Nie wieder Kommunismus?“ darauf hin, dass trotz des sympathischen Anliegens des Buches es dennoch einen ambivalenten Eindruck hinterlässt. Exemplarisch dafür untersucht er insbesondere einen Artikel des Sammelbandes näher. Ismail Küpeli geht mit „Vom Scheitern der Gleichung Europäisierung = Frieden" auf die Suche nach dem Umgang mit dem „Kurdenkonflikt“ vor dem Hintergrund der EU-Annäherung durch die Türkei. Heinz-Jürgen Voß widmet sich mit „Wenn jungen Menschen Hoffnungen genommen werden" der Untersuchung Stefan Wellgrafs der Institution Hauptschule und der „Wertlosigkeit“, die den Schüler_innen in Gesellschaft und Schule immer wieder eingetrichtert wird. Schließlich widmet sich Sebastian Friedrich der „Sprache des Neoliberalismus" anhand des Sammelbands „Imagine Economy“.

Wir wünschen Euch einen schönen Sommer und viel Spaß beim kritischen Lesen in der 20. Ausgabe vom 7. August 2012

Erklärung zur "NPD-Deutschlandtour": Polizei und Ordnungsamt machen in Stuttgart Nazis den Weg frei!

Zum Stuttgarter Polizeikessel gegen AntifaschistInnen erklärt das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit:


Am 30.7.2012 versuchte die NPD im Rahmen ihrer sogenannten "Deutschlandtour" eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt abzuhalten. Zahlreiche Antifaschisten protestierten dagegen und versuchten mit Sitzblockaden die Durchführung der Kundgebung zu verhindern.

Den Nazis wurde der Weg regelrecht frei geprügelt: Mehrere Hundertschaften, Reiterstaffel und Greiftrupps (BFE-Einheiten) waren im Einsatz.

Die Gegendemonstranten wurden ohne Vorankündigung eingekesselt, stundenlang bei praller Sonne im Polizeikessel ohne Wasser und Nahrung festgehalten und dann zum Teil mit auf dem Rücken gefesselten Händen zur Wasenwache nach Cannstatt gefahren. Der Ermittlungsausschuss der Antifaschisten meldete 75 Festnahmen.

Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit:
"Die Kesselung der Demonstranten und ihre anschließende Festnahme sind rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Gegen diese illegale Praxis der Stuttgarter Polizei sind Feststellungsklagen von S21-Gegnern, die auch von dieser Praxis betroffen sind, beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängig. Diese Verfahren werden aber seit über einem Jahr nicht entschieden. Der jüngste Vorfall zeigt aber, wie dringend notwendig das ist."

Empört zeigte sich Thomas Trüten über das Verhalten des Ordnungsamts: "Offenbar gab es bei der Stadt keine Überlegungen, die NPD-Aktion zu verbieten. Herr Scheithauer vom Ordnungsamt erklärte vielmehr: "Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig - das soll und kann man nicht unterdrücken."

Wer angesichts der Verstrickung führender NPD-Funktionäre in die NSU-Morde die Demagogie der Neonazis für eine "Meinungsäußerung" hält, verhält sich nach Ansicht des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zumindest "geschichtslos".

Für das Bündnis für Versammlungsfreiheit ist Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Deshalb sind wir prinzipiell für ein Verbot faschistischer Propaganda und daher auch gegen die Genehmigung von Naziaufmärschen.


Der Vorfall in Stuttgart ist kein Einzelfall: In Heilbronn wurden am 1. Mai 2011 ebenfalls hunderte Demonstranten, die gegen einen Naziaufmarsch protestieren wollten, stundenlang eingekesselt.

Nachdem in der Vergangenheit mehrfach die Unzulässigkeit dieser Polizeipraxis gerichtlich festgestellt wurde fordern wir die Landesregierung auf, endlich ihr Versprechen eines "bürgerfreundlichen Versammlungsrechtes" einzulösen. Für uns gehört zu einem fortschrittlichen Versammlungsrecht dazu, dass endlich Schluss sein muss mit einer Polizeipraxis, die demokratische und antifaschistische Proteste mit Repressionen überzieht, während Naziaufmärsche gegebenenfalls durchgeprügelt werden.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit erklärt sich solidarisch mit allen, die von dem Polizeikessel betroffen waren und fordert die Einstellung sämtlicher Verfahren gegen die antifaschistischen Gegendemonstranten. Vorsorglich empfiehlt das Bündnis, sich bei Bußgeldbescheiden, Vorladungen oder ähnlichem an die örtlichen Rechtshilfevereinigungen und -gruppen zu wenden.

(...)



Polizeikessel am 30.7. in Stuttgart: Offener Brief von Ulrich Scheuffele an Minister Gall

Wir dokumentieren den offenen Brief von Ulrich Scheuffele an Innenminister Gall zum Stuttgarter Polizeikessel vom 30. Juli 2012:

Sehr geehrter Herr Innenminister Gall,

mein Großvater verlor mit 39Jahren sein Leben. Der Grund, er war ein Gegner des Naziregimes. Meine Mutter und ihre 2Geschwister wuchsen daraufhin als Vollwaisen und Kinder eines Staatsfeindes auf.

Dies hat mit dazu geführt, dass ich schon seit frühester Jugend Pazifist bin und mich politisch in der Partei eingebracht habe, die auch sehr stark unter diesem Verbrecherregime gelitten hat, der SPD, in der ich 40Jahre Mitglied war und Funktionen wie Ortsvereinsvorsitzender, Stadtrat und Wahlkampfleiter inne hatte. Ich baute eine starke Jusogruppe auf und wurde von Willy Brandt für meine Mitgliederarbeit persönlich geehrt. Ich war nie ein Mitläufer in der SPD sondern habe mich zu Wort gemeldet, wenn ich mit Entwicklungen in der SPD nicht einverstanden war. Dies hat dazu geführt, dass ich ohne Parteiordnungsverfahren von Wolfgang Stehmer und Claus Schmiedel aus der Partei entfernt wurde. Beschwerdeschreiben an den damaligen PV Müntefering wurden nicht beantwortet.
Am vergangenen Montag war ein Naziaufmarsch in Stuttgart und viele Bürger, die diese braune Brut nicht wollen, haben sich dem entgegengestellt. Eine Bekannte von mir war auch dabei. Es ist Ihnen bekannt, was passiert ist, Einkesselung der Gegendemonstranten durch die Polizei u.s.w. Meine Bekannte war auch in diesem Kessel und musste in sengender Hitze mit vielen anderen lange Zeit aushalten. Dann wurde sie aus dem Kessel geführt, mit Kabelbinder wie ein Schwerverbrecher gefesselt und nach Cannstatt gebracht, wo sie in eine Zelle gesperrt wurde. So erging es noch vielen Anderen Gegendemonstranten.
Die NPD hat sich daraufhin auf ihrer Website bei der Polizei mit folgenden Worten bedankt:

„Wir bedanken uns an dieser Stelle bei der Stuttgarter Polizei für eine faire Behandlung, das konsequente Säubern der Stadtmitte und die damit verbundene Sicherstellung der Meinungsfreiheit für uns Nationaldemokraten.“


Lieber Herr Gall, ich kann Ihnen nur sagen, dass ich entsetzt bin und dass ich mich als Sozialdemokrat (ohne Parteibuch) schäme, dass in einem von den Sozialdemokraten mitregierten Bundesland, so etwas möglich ist. Ich möchte sie nicht fragen, ob sie als Innenminister auf dem richtigen Posten sind, aber ich möchte sie fragen, ob sie mit ihrer inneren Haltung in der richtigen Partei sind. Auf jeden Fall werden durch solche Aktionen das Ansehen und das Gedenken an die Menschen und es waren nicht wenige Sozialdemokraten beschmutz, die sich mit ihrem Leben gegen eine Menschenverachtende Ideologie eingesetzt haben. Und Sie machen noch für die geistigen Enkel dieser Henkersknechte den Stadtsäuberer.

Dieser Brief ist öffentlich und wird in verschiedenen Foren veröffentlicht.

Ulrich Scheuffele

Protesterklärung gegen den Polizeikessel am 30.7. in Stuttgart

Die VVN-BdA Stuttgart protestiert gegen die über vierstündige Einkesselung von Antifaschisten und Passanten in der Stuttgarter Innenstadt.

Am Montag hatte sich die NPD für eine Kundgebung nach Stuttgart angemeldet. Trotz einer falschen Ortsangabe auf ihrer Internetseite ist es gelungen einige hundert Antifaschisten zu Gegenaktionen zu mobilisieren.

Als der LKW der NPD am Rotebühlplatz in Richtung Innenstadt fuhr ist es Demonstranten gelungen die Faschisten zu blockieren. Die Polizei drängte jedoch bereits nach wenigen Minuten die Demonstranten ab und kesselte sie zusammen mit Passanten, die in der Stadt unterwegs waren, ein. Danach eskortierte die Polizei den NPD-LKW zum Kronprinzplatz. Auch hier wurde die NPD lautstark von Antifaschisten in Empfang genommen. Nicht umsonst bedankt sich die NPD Stuttgart auf ihrer Internetseite für die gute Zusammenarbeit bei der Polizei.

Dieser Kessel war von Anfang an rechtswidrig. Unter den Eingekesselten befanden sich einige unserer Mitglieder. Sie gaben einstimmig an, dass sie von 11,15 bis kurz nach 16 Uhr im Kessel festgehalten wurden. Die Polizei gab weder an, auf welcher rechtlichen Grundlage der Kessel angeordnet war, noch konnten sie auf die Toilette, oder wurden trotz hoher Temperaturen mit Wasser versorgt. Ein Mitglied der VVN, der unter Epilepsie leidet wurde von Polizeibeamten beschimpft, als er erklärte er müsse nach Hause um seine Tabletten nehmen zu müssen. Ein anderes Mitglied unserer Organisation erlitt wegen der Bedingungen im Kessel fast einen Kreislaufkollaps.

Obwohl bereits beim Abtransport aus dem Kessel die Personalien der Menschen festgestellt wurden, sind alle anschließend zur Wache auf dem Cannstatter Wasen gebracht worden. Hier sind sie noch einmal fast 1 1/2 Stunden festgehalten worden. Auf der Wasenwache sind sie dann fotograsfiert und polizeidienstlich behandelt worden. Ihnen droht jetzt nach Aussagen der Polizei eine Anzeige wegen schweren Landfriedensbruchs. Zum Schluss wurde ihnen dann noch ein Platzverweis für die komplette Innenstadt ausgesprochen, so dass sie auch nicht zur Montagsdemo der S21-Gegner gehen konnten und dort über die Polizei Schikanen berichten konnten.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Polizeiführung ein Exempel statuieren wollte. In den Medien wurde an dem Tag berichtet, dass die Staatsanwaltschaft endlich gegen einzelne Beamte, die bei den Polizeiausschreitungen am Schwarzen Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten beteiligt waren, ermittelt.
Wir werden prüfen ob wir gegen die Einsatzkräfte Anzeige wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und unterlassener Hilfeleistung erstatten.
Wir werden uns nicht einschüchtern lassen und weiter auf die Straße gehen, wenn Faschisten und Rassisten öffentlich von einem neuen 3. Reich schwadronieren und ein Deutschland ohne Ausländer fordern.

Janka Kluge (Landessprecherin der VVN-BdA und Vorstand der VVN-BdA Stuttgart)

Quelle: Erklärung vom 01.08.2012
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