Skip to content

Stuttgart: NPD Flaggschiff vor dem Kentern?

Antifaschistischer Mobilisierungsflyer
Unter dem Motto: "Kein Platz für Nazis in Stuttgart! Verhindern wir die NPD-Kundgebung am kommenden Montag!" rufen AntifaschistInnen am kommenden Montag dazu auf, gegen die Kundgebungstour der NPD zu protestieren. Angeblich wollen diese um 11 Uhr an der Ecke Bolzstrasse / Königstraße ihre menschenverachtende rassistische Politik verbreiten. Wir unterstützen die antifaschistischen Proteste und rufen unsere LeserInnen zur Teilnahme auf und hoffen sehr, dass die NPD auch in Stuttgart Schiffbruch erleidet.

In einem Flyer ruft das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region zur Kundgebung auf:

"Seit einigen Wochen versucht die faschistische NPD mit einem Propaganda-Trupp im Kleinlaster in zahlreichen Städten im gesamten Bundesgebiet Kundgebungen abzuhalten. Die NPD-Nazis wollen mit dieser selbsternannten „Deutschlandtour“ ihr menschenverachtendes Gedankengut, als politisches Event verpackt, in die Öffentlichkeit schleudern. Am Montag, den 30. Juli planen sie auch einen Halt in Stuttgart - Dagegen werden wir uns wehren!

Es wäre ein weiterer Schlag ins Gesicht der zahllosen Opfer faschistischer Gewalt, den Auftritt der rechten Hetzer widerspruchslos geschehen zu lassen. Gemeinsam mit allen engagierten NazigegnerInnen wollen wir dem braunen Treiben daher einen vielseitigen und kreativen Widerstand entgegenbringen. In zahlreichen anderen Städten scheiterte
die NPD mit ihren Kundgebungsversuchen kläglich - Hunderte bunt gemischte GegendemonstrantInnen übertönten, verzögerten und blockierten die faschistischen Veranstaltungen in Wolfsburg, Lüneburg, Kiel oder in Bielefeld! Knüpfen wir auch in Stuttgart daran an! Gemeinsam und konsequent für ein solidarisches Miteinander!

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Kommt zur antifaschistischen Kundgebung! Montag, 30. Juli, 10:00 Uhr auf dem Schlossplatz
Ab 11:00 Uhr - Proteste gegen NPD-Kundgebung"

Wahlrechtsentscheid: Dalli, Dalli, Deckelschnecke...

Stimmabgabe an der Wahlurne
Foto: Alexander Hauk / WikiPedia
Der Koalition in Berlin ist es gelungen, die Verfassungsrichter in Karlsruhe mal richtig wütend zu machen. Bisher war das Gericht zwar oft unzufrieden. Begnügte sich aber in der Regel mit Besserungsvorschlägen und Übergangsfristen. Dieses Mal hat das Gericht etwas Seltenes und recht Neues getan. Es hat das von CDU und FDP im Doppel durchgeboxte "verbesserte" Wahlrecht strikt zerrissen. Für ungültig erklärt. Demnach darf zwischen heute und Herbst 2013 nichts mehr Entscheidendes passieren. Zum Beispiel kein endgültiger Hinauswurf von Rösler und seinesgleichen aus der Regierung. Weil dann nämlich kein Neustart möglich wäre. Kein gültiges Wahlrecht mehr zur Verfügung.

Viele Kommentare haben wieder einmal das Wort von der Ohrfeige für die Koalition gebraucht. Das leitet irre. Es handelt sich genaugenommen um einen mächtigen Arschtritt - Richtung vorwärts - für eine verstockte Gruppe von Wesen, die sich in einem Schneckenhaus verkrochen. Nur um nicht aufgeschreckt zu werden. Nur um ihre geliebten Überhangmandate nicht zu gefährden. Was man hat, das hat man. Nicht wahr.

Das Peinliche: Alles was das Gericht jetzt geäußert hat, sagte es schon 2008. Beim letzten Mal. Schon damals war ungefähr allen außerhalb der CDU und FDP aufgefallen, dass die Einrichtung der Überhangmandate zu Verschiebungen in der Zusammensetzung des Bundestags führen musste, die kein Wähler mehr als von ihm gewollt auch nur einschätzen konnte.

Damit war auch damals schon sicher, dass die Abkapselung der herrschenden Partei von allem, was es außerhalb ihrer gab, unmittelbar wählerfeindlich - und demnach demokratiefeindlich war.

Wir haben bekanntlich ein gemischtes Wahlsystem. Das reine Prinzip - wie zum Beispiel in England: Ein Wahlkreis - Eine Stimme - Ein einziger Abgeordneter wurde schon nach der alten Tradition in Deutschland als ungerecht abgelehnt. Weil damit kleine Parteien keine Chancen bekommen. Nicht einmal solche des Einstiegs zu späterem Wachstum.

Andererseits wurde 1949 und danach viel Schrecken verbreitet über die Folgen eines reinen Verhältniswahlrechts wie in der Weimarer Republik. Angeblich soll Hitler hochgekommen sein, weil es so viel kleine Parteien und entsprechend viel Meinungen im Reichstag gab. Dass die Schreckenslegende nicht stimmt, ist längst bekannt. Änderte aber nichts an mehreren Vorsichtsmaßnahmen gegen die Kleinen, um "Regierungsfähigkeit" zu garantieren. Also wurde nachträglich die Fünf-Prozent-Klausel eingeführt - zur Mutlosmachung der Wählerinnen und Wähler von "Radikalen". Und die großen Parteien wurden offen begünstigt.

Immerhin war mit diesen Regelungen noch relative Klarheit geschaffen über die Auswirkungen jeder einzelnen Stimmabgabe bei der Wahl. Die Einzelheiten der Aussage des Gerichts müssen nun nicht so sehr interessieren - warum zum Beispiel wurden immer noch 15 Überhangmandate zugelassen, statt diese Monster endgültig abzuräumen? Wichtig ist nur das augenscheinliche Beispiel des zunehmenden Zerfalls des Zusammenspiels der verschiedenen staatlichen Einrichtungen, wie das Modell der wechselseitigen Kontrolle von Montesquieu sie vorgesehen hatte. Es klappt nichts mehr. Sind wir noch weit vom rumänischen Modell, in dem der aktuelle Regierungschef von einem Tag zum andern dem Verfassungsgericht seine Eingreifmöglichkeiten entzieht? Und doch wirkt auch dort alles so "normal". Es ist nirgends Militär eingerückt, die Parlamentarier entäußern sich im gewöhnlichen Geräusch - nur: von Demokratie im herkömmlichen Sinn kann keine Rede mehr sein.

Dürfen alle gespannt sein, wie die herrschenden Parteien die Zeit bis zu den Herbstwahlen 2013 nutzen, um wenigstens nach außen den Glanz der Vorbild-Demokratie Europas zu retten.

cronjob