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Verfassungsschutz: Sein Name ist das erste Verbrechen

Otto John, der erste Vorsitzende des Vereins, war auch das erste Reinigungsopfer. Herr Fromm, der sich heute Friedrich zur Ausmerzung preisgab, wird nicht der letzte gewesen sein.

Immer wieder neu der Versuch, die Verfassung von geheimnisvollen Verunreinigern freizuklopfen. In allen möglichen anderen Staaten werden von den Diensten wahrscheinlich größere Verbrechen begangen. Aber sie heißen dort wahrheitsgemäß "Geheimdienst" oder ähnlich. Und dienen offenherzig der Machterhaltung ihres Staates.

Bei uns dagegen wurde bei der Gründung schon ein Mönchsorden hinzuerfunden. Die Verfassung - Menschenwerk - war natürlich allseitig bedroht - von Verfall und unerwarteten Folgen vielleicht ganz anders gemeinter Aktionen. Dagegen war einzuschreiten. Unweigerlich trat die Totalitarismus-Theorie in den Dienst der Wächtergruppe. Nagefeinde der neu erstellten demokratischen Ordnung waren einmal die Kommunisten aller Art - zum andern die "Ewig-Gestrigen", wie man mitfühlend sagte. Neonazis, die Anschluss an frühere, aber gesinnungsfeste Nazis suchten, um unter neuen Verhältnissen vom Zusammenhalt zu profitieren.

In der Frühzeit der Gründung waren die Erkenntnismerkmale noch nicht völlig festgelegt. Die Engländer hatten ihren Einfluss eingesetzt, um John ins erste Amt zu hieven. Sie waren - damals! - noch überzeugt, dass alte Nazis gerne eine neue Rechtsgruppierung gründen wollten. John, als halbwegs Eingeweihter in die Widerstandsbewegung vom Juli 1944, ebenfalls.

Die Gruppe Gehlen, wesentlich besser verankert mit den Diensten des vorigen Systems, sah in Fortsetzung der Beobachtung der "Fremde Heere Ost" vor allem die Kommunisten als Hauptfeinde. Sie hatten die Amis als Schutzpatrone hinter sich.

Sie durfte den eigenen Club gründen. BND. Bundesnachrichtendienst. Mit einem Wort: damals gab es noch halbwegs offene Meinungsverschiedenheiten, wer in der neuen Bundesrepublik den Hauptfeind der "Verfassung" darzustellen habe. Offenbar war John selbst Opfer dieser Zerrissenheit. Als er in Ostberlin auftauchte, wollte er zwar keine Geheimnisse verraten, aber aufbegehren gegen die kopfgewaschenen Nazis, die entnazifiziert oder nicht,in den Dienst des neuen alten Vaterlandes getreten waren. Als er dann die DDR wieder verlassen hatte, hielt er die Phantasie des von ihm selbst zu rettenden Vaterlandes nicht durch und plädierte auf Entführung aus Westberlin in die "ZONE". Wo er dann unter Druck gesetzt worden sei. So wirkte er bei allem Verständnis zwiespältig.

Ich selbst war als junger Student beim Verfahren gegen den Rückgekehrten Herbst 1956 dabei und hörte das Plaidoyer des damaligen Generalbundesanwalts. Es ereignete sich das Seltsame: es wurden - wegen kaum beweisbaren Geheimnisverrats - von ihm zwei Jahre Gefängnis gefordert. Das Gericht gab gleich das Doppelte aus. Vier Jahre. Immerhin selten. Aber damals als Säuberungsakt spezieller Art landesweit akzeptiert. Verrat gegenüber dem Osten war auf keinen Fall zu dulden, auch dann nicht, wenn keinerlei realer Schaden für die BRD nachzuweisen war.

Damit hatte sich das Konzept des neuen Geheimdienstes durchgesetzt. Hauptfeind unserer Verfassung war ab jetzt immer der, den die oberen Leitenden als solchen markierten. Objektive Gefährdungsmerkmale entfielen. Das zu Schützende wurde ab jetzt obrigkeitlich festgelegt. Die Dienste leisteten Vorarbeit für weitere administrative und gerichtliche Erledigung von Störfällen.

Das zeigt der Abgang Fromms inzwischen. Er hat wahrscheinlich gar nicht so viel Präzises beigetragen zum Schutz der Neonazis bei ihren Morden. Es wäre vermutlich falsch, jedem einzelnen Zuträger und Helfer aus den Reihen des Geheimdienstes ausgeprägt rechte Gesinnungsziele zu unterstellen. Es ging und geht vor allem um den Machterhalt gegen alle übrigen Instanzen im Staat. Um die Abweisung von einfacher Polizei, von gerichtlicher Untersuchung, von Pressemeldungen. Das haben die Dienste alle gemeinsam in allen vergleichbaren Ämtern westlicher und östlicher Staaten. Bei uns mit dem Vorteil, dass einer oben als Schuldiger abserviert wird. Und dass alle sich nachher gegenseitig beteuern können, dass jetzt unsere Verfassung wieder tropfend und sauber an der Leine hängt.

Folgerung für den Rest, der solche Bleichungen nicht überschätzt: Die staatlichen Dienste nie als Autorität heranziehen. Ganz egal, ob ein einzelner Nackenschlag von oben gerade unseren persönlichen Vorlieben entspricht. Der Staat in dieser Erscheinungsform ist und bleibt Feind. Und deshalb nie von "Pannen" reden, wenn es sich um Absicht handelt.

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