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Bundestagsmehrheit akzeptiert Verarschung freudig und dankt ab

Der deutsche Bundestag
Foto: whitehouse.gov
Lizenz: Public Domain
Es war immer schon Lieblingstrick der Regierungen, den Parlamenten so wenig Zeit wie möglich zu lassen, um den Genehmigungsstempel zu erhalten. Dieses Mal hat Merkel die Frist zur Kenntnisnahme praktisch auf Null gebracht. Vor allem, da sie bei den angeblich nur staatsrechtlichen Verhandlungen mit den Eu-Staaten Bestimmungen akzeptierte, die den am Vortag dem Bundestag mitgeteilten offen widersprachen. Hatte am Vortag Merkel den Rest ihrer Lebenszeit daran gesetzt, dass es niemals Direkthilfen für Banken geben sollte - ohne Staatsvermittlung - „solange sie lebe“, so hat sie am Tag darauf ihre Lebenszeit mutwillig verkürzt. So eine Direkthilfe sollte es nun doch geben. Aber erst viel, viel später. Und dann könnte der Bundestag ja wieder Einspruch erheben. So die Ausreden während der Pressekonferenzen am Freitagnachmittag.

Dass eine Abstimmung über den Vortagsantrag dann besonders humoristisch ausfallen musste, wenn zugleich dafür ein Ewigkeitsanspruch erhoben wurde, hätte unter anderen Umständen klar sein müssen. Es kann nur eine einzige Regelung am Ende gelten, egal, ob im Vertrag zwischen Staaten festgelegt – oder über parlamentarische Abstimmung.

Die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages hätte schon wegen der damit völlig ungeklärten Faktenlage eine Abstimmung ablehnen müssen. Woher die Zeit nehmen, um in ein paar Stunden herauszubekommen, was sich geändert hat. Allerdings: Was hilft Bundestagsbeteiligung, wie das Verfassungsgericht sie fordert, wenn die Kontrolleure sich lieber die Daumen in die Augen bohren als hinzuschauen. Man musste nur im Lauf des Freitagnachmittags die Äußerungen der Opposition hören. Etwa die der GRÜNEN Roth. Nach Sieg oder Niederlage Merkels zu fragen, lehnte sie unter Augenrollen ab. Sie ist um alles froh, was Merkel in ihrem Sinne den anderen EU-Ländern zugestanden hat. Und stimmt deshalb um so freudiger zu.

Die SPD gab sich staatsmännisch, aber zugleich um so unterwürfiger. Gabriel malte Apokalypsen, wenn nicht zugestimmt würde. Dass all diese Schleimer im Augenblick der Abstimmung - „für die Ewigkeit“ - keine Ahnung hatten, in welchen Formen sich die Widersprüche auflösen würden, durfte nicht beirren. Wer große Koalition will, muss schon jetzt zeigen, dass er das Parlament genau so mit Füßen treten wird, wie die jetzige Regierung es seit geraumer Zeit betreibt.

Das Parlament hat damit als Aufsichtsorgan abgedankt. Wissend und wollend. Das lässt sich behaupten, ohne zwischen den zwei unheilvollen Möglichkeiten zu entscheiden: der von vornherein geübten Hegemonialpolitik Merkels oder der schuldenbegünstigenderen der Franzosen. Wer gar nicht wissen kann, nein: wissen will, worüber er abstimmt, kann seinen Job auf keinen Fall erfüllen. Mag er Posaunenbläser werden oder Jammerlappen - als Abgeordnete und Abgeordneter hat er auf jeden Fall ausgedient.

Wie konnte es so weit kommen? Weil schon die Grundbegriffe der verschiedenen Resolutionen, mit denen der Bundestag befasst wurde, ihren Inhalt verloren hatten.

Ich wähle als Beispiel nur „Wachstum“. Das sollte ja für Merkel den Ausschlag geben, um die Opposition herumzukriegen. Folgte man den vorbereitenden Erklärungen, hieß es immer: „Wachstum muss gar nicht viel kosten“. Als Beispiel wurden Schröders Brutal-Erfindungen herangezogen. Diese hätten für Deutschland vorweggenommen, was von Griechenland, aber auch von Italien erst noch zu erwarten wäre. Das hätte zu mehr Anstrengung des Einzelnen geführt, zu verbesserter Verlagerung von Arbeitskräften zu produktiverer Verwendung usw. Das ließe sich in langen Parlamentsreden weiterführen. Nur löst dieser Begriff von Wachstum das Rätsel nicht, warum Länder wie Griechenland, Italien und Spanien, die Schröder-„Reformen“ seit drei Jahren oder mehr durchführten, in der ganzen Zeit nicht befriedigend weiterkamen. Also muss für Wachstum in früherer Bedeutung doch mehr stattfinden als nur kollektives Zwiebeln. Die alte Vorstellung von Wachstum: es entstehen mehr Waren als vorher in einer Form, die andere zum Kauf anregt, der sich wieder in weiterer Produktivität niederschlägt. Wenn – wie in Spanien - die Anzahl der jugendlichen Arbeitslosen sich dadurch vermehrt hat, dass die Stellen der Bauarbeiter beim Immobilienhochziehen wegfielen, ist schwer zu sehen, wie mehr Druck auf diese die Lage verbessern könnte. Dass die Baupleiten in Spanien – wie Jahre vorher in den USA - einfach Ausdruck einer Überproduktionskrise waren, unvermeidlich im Kapitalismus, durfte in Merkels Selbstlob nicht eindringen. Wer selbst nicht bis zum Grund der gegenwärtigen Schwierigkeiten vordringen kann und will, wird es begrüßen, wenn seine Parlamentsangehörigen im selben Nebel rudern.

Aus diesem wird uns auch ein möglicher Einspruch des Verfassungsgerichts nicht für lange befreien. Solange keine breite Bewegung entsteht zum Wegblasen aller selbstverbreiteten Dunkelheiten, ächst immer dichter die Nacht. Nicht nur über dem Bundestag.

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