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Sieg der SP Frankreich = Opium für SPD Deutschland.

Augstein hat im SPIEGEL - nicht etwa im heimischen FREITAG - psalmodiert und gejubelt. Mit dem Sieg Hollandes wird es in der deutschen SPD rasend besser werden. Insbesondere soll ihr linker Flügel aufblühen. Den kennt allerdings Augstein allein. Seine Rechnung entspricht ziemlich genau der des Parteivorsitzenden Gabriel. Hollande wird nach dem Sieg den Knebelungsvertrag für die EU neu verhandeln. Dann wird Merkel nichts übrig bleiben, als einem Zusatzpakt für Wachstum zuzustimmen. Und auch eine Schuldendeckung durch alle euroäischen Staaten zugleich akzeptieren müssen. Dann ist die SPD richtig froh und stimmt dem neuen Fiskalplan zu.

Hört sich gut an. Nur - was fehlt in der Rechnung? Die geringste Eigenbewegung der SPD selbst. Wie sieht sie selbst eine neue EG- ohne Knebelung sämtlicher schwächerer Mitgliedstaaten? Davon kein Wort.

Dass Hollande noch gar nicht gewonnen hat, wäre dabei sogar zu vernachlässigen. Das Schlimmste bei der Rechnung: die Entschlossenheit, auf fremdem Arsch durchs Feuer zu reiten. Biermann hat die Redensart mal populär gemacht. Für die von ihm ins Auge gefassten Fälle passte sie nie: hier aber ausgezeichnet.

Wie Bernard Schmid gezeigt hat, wird Hollande unter starkem Druck stehen und keineswegs alles durchsetzen können, was er vor den Wahlen versprochen hat. Noch stehen auch die Parlamentswahlen in Frankreich aus. Wenn dort die ganz Rechten und die Sarkozy-Meute eine Mehrheit zusammenkratzen, kommt es zur absolut lähmenden Kohabitation, einem Zusammenspiel von halbwegs linkem Präsidenten und rachedurstenden Halb-und Ganzrechten im Parlament, die Mehrheiten verweigern können. Dann setzt dort weitgehend Lähmung ein. Was wird dann die anhängliche SPD anstellen? Fehlt die Hand,die aus dem Sumpf ziehen soll: Bleibt sie dann einfach dort, wo es gemütlich und faulig riecht.

Ergebnis: Fällt den dem Anspruch nach immer noch Linken selbst nichts ein, heißt es vorlieb nehmen mit Tante Merkel - und einer Mitfahrgelegenheit hin zum Ende

Gauckfreuden: Der Witwe Honecker beim Überleben zugeschaut

Margot Honecker, 1986
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1986-0313-300 / Brüggmann, Eva / CC-BY-SA
Gauck hatte sie energisch eingefordert bei seinen verschiedenen Festvorträgen: die Amtsfreude des Westbürgers. Er kann nicht oft genug zu Kohlpreis und Merkeltum ermuntert werden im Rückblick auf die Erniedrigung und Fesselung, die er zwar nicht erlitten hat, aber die ihm seit sechzig Jahren vorgeführt wird. Einfacher gesagt: Kalter Krieg verdünnt - unter Glasur.

Das Interview mit Margot Honecker am Montag im Ersten Programm folgte exakt der Vorschrift des neuen Präsidenten. Hervorstechendes Merkmal der ehemaligen Ministerin für Volksbildung: sie bereute nichts. "Starrsinn" "realitätsfremd" - entsprechendes Vokabular wurde schon in den Vorweg-Kommentaren an ihr aufgebraucht.

Journalisten werden inzwischen Staatsanwälte. Als solcher trat der Interviewer auf. Ein Staatsanwalt ohne offenen Fluch auf den Lippen. Lächelnd, zurückgenommen. Den nötigen Kommentar sollten die Einschiebungen liefern: Bilder aus der wirklichen DDR- und Bekenntnisse von Zeugen.

Erwartet wurde "Reu und Leid". Wie konnte alles nur so kommen! Das haben wir nicht gewollt... Ein Stück heulendes Elend. Alterchen zum tröstenden Schulterklopfen!

Davon lieferte Margot Honecker nichts. Da keine konkreten Fragen über konkrete Regierungsschritte gestellt wurden, blieb nur eisiges Beharren.

Zurückweisung als freilich leere Geste.

Um ein Beispiel zu geben. In den Statistiken der letzten Tage über die Zahl der Kindertagesstätten in Deutschland ergab sich, dass nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR halbwegs die Menge erreicht war, die unsere Bundesregierung vor Jahren der ganzen BRD versprochen hatte. Warum? Gerade unter dem Ministerium Honecker wurden solche landesweit eingeführt. Und blieben.

Darüber hätte diskutiert werden können.

Statt dessen blies das ganze Interview Paraden-Propaganda. Ungewollt brachte es doch einige Erkenntnisse zu Tage. So wurde die Lage des Ehepaars Honecker nach der ersten Entlassung aus Untersuchungshaft schonungslos gezeigt. Sie war die Rechtlose, obwohl in der Verfassung der DDR wie in der unseren jedem Bürger ein Obdach zugesichert wurde. Da wurden im Interview alte Genossen und spätere Widerständler befragt, ob sie damals bereit gewesen wären, die Herumirrenden aufzunehmen. Keiner von den Männern, die später im Westen für ihren Mut gepriesen wurden, hätte sich dazu bereit erklärt. Die Angst vor dem Mob war stärker als die vor der Obrigkeit.

Helmut Schmidt sprach das Schlussurteil. Seiner Absicht nach dem Staatsratsvorsitzenden Honecker. In Wirklichkeit allen Staaten Europas unter der Regie von Merkel und seiner eigenen Partei in Anwartschaft der Regierungsbeteiligung. Was nannte der Altkanzler als entscheidenden Grund für Honeckers Scheitern? Das Land sei "überschuldet" gewesen!

Dass er damit den heutigen Griechenland, Spanien und Portugal das Todesurteil mit ausgesprochen hat - wer merkte es schon? Im Jahre 2030 werden Schmid und Honecker immer noch in den Geschichtsbüchern auftauchen - ganz gegen die Prophezeiung des Altkanzlers - aber vielleicht mit anderen Urteilswörtern behangen als heute.

PS: Ich hätte nie gern in der DDR leben wollen, als es sie noch gab. Wohl auch nicht können - angesichts der bürgerlichen Zurichtung meiner Existenz. Um so bedauerlicher, dass mit diesem Interview eine Gelegenheit verpasst wurde, dasjenige besser kennen zu lernen, was uns zu seinen Lebzeiten fremd geblieben war...
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