Skip to content

Kein Mensch ist illegal!

Veranstaltungsplakat
Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen aus ihrem Land fliehen und sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft machen, um in einem anderen Land ein neues Leben zu suchen. Bewaffnete Konflikte und Kriege, wie z.B. in Afghanistan, Kurdistan oder Nordafrika, politische oder rassistische Verfolgung, Hunger und Armut aufgrund von sich verschlechternden ökonomischen Verhältnissen oder die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch Natur- und Umweltkatastrophen, können die Ursachen dafür sein.

Einige versuchen dabei in Länder der Europäischen Union zu gelangen, um dort ihrem Traum von einem besseren Leben nachzugehen. Die EU-Staaten sind maßgeblich für Kriege und die stetige Verschlechterung der Lebensverhältnisse, in den ursprünglichen Herkunftsregionen der Flüchtlinge, und somit für die Gründe der Flucht, verantwortlich.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die EU-Staaten nun Verantwortung für die Menschen die zur Flucht gezwungen wurden, übernehmen. Ganz im Gegenteil; egal ob in Afghanistan oder Libyen durch direkte militärische Interventionen oder der finanziellen Unterstützung von Regimen, wie dass der Türkei, die EU-Staaten tragen weiterhin aktiv zu einer Zuspitzung der Verhältnisse bei. Gleichzeitig werden die EU-Außengrenzen immer massiver vor Flüchtlingen „geschützt“. Die Menschen, denen es gelingt, die durch Institutionen wie FRONTEX gesicherten Grenzen zu überwinden und in Europa ankommen, erwartet oftmals die sofortige Abschiebung oder ein menschenunwürdiges Leben in Lagern.

Die Veranstaltung am Samstag, den 24. März wird einen Überblick über die Arbeit von „The VOICE Refugee Forum“ bieten und Einblicke in das Leben und den alltäglichen Kampf  in deutschen Flüchtlingslagern geben.

Die Flüchtlingsorganisation gründete sich 1994 und setzt sich seitdem für Flüchtlinge und MigrantInnen ein. „Unsere Verpflichtung ist es, die Menschen gegen die brutalen und repressiven Maßnahmen des Staates und gegen seine neokoloniale Politik der Ausgrenzung zu mobilisieren, indem die Selbstbefreiung der Opfer systematischer Repression bestärkt wird“.

Ein Teil der Arbeit von „The VOICE Refugee Forum“ besteht aus der direkten Unterstützung der Flüchtlinge im Alltag, wie z.B. die Aufklärung über ihre Rechte. Im Mittelpunkt steht jedoch die Hilfe zur Selbstorganisation von Flüchtlingen. Nur so kann die, von Behörden und Staat gewollte, Isolation der Lagerbewohner gebrochen werden.

Veranstaltung am Samstag, den 24. März 2012, um 17 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann. Böblingerstr. 105, Stuttgart – Heslach, zwischen den U1, U14 Haltestellen Erwin Schöttle Platz und Bihlplatz.

Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung...

Solidaritätskundgebung vor der JVA in Stuttgart Stammheim zum Tag der politischen Gefangenen in Stuttgart am 18.03.2012

Zur Galerie - Bild anklicken
Noch nie haben so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft Erfahrungen mit dem bürgerlichen Staat und seinen Organen gemacht wie in den letzten Monaten. Während gegenüber faschistischen Kräften wie dem sog. "NSU" außer einzelnen Verhaftungen und der Bildung von Ausschüssen keine wirklichen Maßnahmen ergriffen werden, erleben fortschrittliche und revolutionäre Bewegungen nicht selten die volle Wirksamkeit staatlicher Repression.

Mit weit über 1400 Verfahren in Zusammenhang mit den Protesten gegen Stuttgart 21 ist das die seit Jahren größte Repressionswelle gegen Teile der Bevölkerung, die sich sonst nicht unter subversivem Verdacht fanden. Dabei wird zusehends weniger zimperlich mit Grundrechten umgegangen.

So will die Stuttgarter CDU-Gemeinderatsfraktion laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 16.3.2012 eine gemeinsame Resolution gegen die wöchentlich stattfindenen Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 verabschieden.

Sie möchte erreichen "dass der Protest das öffentliche Leben nicht länger über die Maßen beeinträchtigt". Und das obwohl die Veranstalter selbst sich entschlossen hatten, die Montagsdemonstrationen fortan auf dem Marktplatz abzuhalten, um nicht den Unmut der Autofahrer auf sich zu ziehen.

Aus diesem Grund wurde in verschiedenen Redebeiträgen bei den Aktionen in Stuttgart anlässlich des 18. März – dem internationalen Tag der  politischen Gefangenen - in Stuttgart auf diese Verfahren eingegangen und zur spektrenübergreifenden Solidarität aufgerufen.

Die zwei Antifaschisten Smily und Danny, sowie mehrere linke kurdische Jugendliche sitzen aktuell nach dem politischem Willen der Staatsanwaltschaft in der JVA Stammheim. Der Stuttgarter Antifaschist Chris sowie ein Aktivist des S21-Widerstandes saßen im letzten Jahr nach skandalösen Prozessen ebenso mehrere Monate in Untersuchungshaft.

Anfang August 2011 wurde Chris in Stuttgart-Heslach verhaftet und sogleich in Untersuchungshaft gesteckt. Vorgeworfen wurde ihm die Beteiligung an antirassistischen Protesten Anfang Juni gegen ein sog. „Islamkritisches Wochenende" der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pax Europa, dem Internet- Netzwerke „PI News" und der rassistischen Partei „Die Freiheit".

Bereits in den Tagen nach der Verhaftung bekundeten Antifaschistinnen und Antifaschisten vor der JVA ihre Solidarität mit Chris und allen anderen politischen Gefangenen. Nach der Gründung eines Solikreises Mitte August entwickelte dieser eine Öffentlichkeitsarbeit und baute politischen Druck auf.

An den Prozesstagen vor dem Stuttgarter Amtsgericht im September solidarisierte sich ein breites Spektrum mit dem Betroffenen und forderte seine sofortige Freilassung. Trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen und einem auf Indizien beruhenden Anklagekonstruktes wurde Chris damals zu einer elfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Im Herbst 2011 bereitete der Solikreis sich auf die anstehende Berufungsverhandlung vor. Die Berufungsverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht endete mit einem Vergleich: Chris erhielt zwar mit 15 Monaten eine höhere Strafe, diese wurde jedoch auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Das Chris nun auf freiem Fuß ist, ist nicht zuletzt ein Erfolg der politischen Prozessführung und der anhaltenden Solidaritätsarbeit. Sein Fall zeigt zudem, dass es notwendig und möglich ist, den juristischen Angriffen der Herrschenden politischen Widerstand und entschlossene Solidarität entgegenzusetzen.

Am 27. Januar 2012 wurde der Stuttgarter Antifaschist Danny am Flughafen Düsseldorf festgenommen. Der Solikreis Stuttgart schreibt dazu: “Juristische Grundlage seiner Inhaftierung ist der Widerruf einer Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2010, da er gegen die damals verhängten Auflagen verstoßen und sich dem Zugriff der bundesdeutschen Repressionsbehörden entzogen habe. Danny hatte sich längere Zeit im Ausland aufgehalten und seine Arbeitsstunden die Teil der Bewährung gewesen waren nicht abgeleistet. Zwischenzeitlich wurde Danny in die JVA Stuttgart im Stadtteil Stammheim verlegt.

Hintergrund des Prozesses aus dem Jahr 2010 ist ein Angriff auf Funktionäre und Mitglieder der faschistischen NPD im Anschluss an ein Konzert des neonazistischen Liedermachers Frank Rennicke im Februar 2007 in Sindelfingen. Dort wurden Danny sowie sechs weitere angeklagte Antifaschisten in zweiter Instanz vor dem Landgericht Stuttgart zu mehrjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.“ Mehr Informationen zu den damaligen Verfahren finden sich im damaligen Prozessblog.

Am 08. Februar 2012 wurde Smily – Bassist bei den „Produzenten der Froide“ frühmorgens durch einen SEK Einsatz in seiner Wohnung verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt. Ihm wurde vorgeworfen, Zeugen die ihn belasten könnten, über Facebook bedroht zu haben um die Aussagen zu verhindern. Obwohl es keinerlei Beweise für eine Bedrohung gab, wurde Smily wegen ’’Verdunkelungsgefahr’’ verhaftet und in die JVA  Stammheim verfrachtet.

Am 17. Februar 2012 wurde dann gegen Smily wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung verhandelt. Das Urteil: Zehn Monate Haft.

Die Verfahren gegen die Stuttgarter Antifaschisten müssen auch in Zusammenhang mit der bundesweiten Repression gesehen werden: 44 AntifaschistInnen aus Sachsen sind momentan in einem Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129) angeklagt. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie im Zeitraum zwischen 2010 und 2011 militant und organisiert gegen Nazis vorgegangen seien – unter anderem im Vorfeld des jährlich stattfindenden Naziaufmarsches in Dresden.

An dem §129 Verfahren in Dresden zeigt sich gerade hinsichtlich der großangelegten als “Handygate” bekannt gewordenen Funkzellenauswertung während des Naziaufmarschs im Jahr 2011, den Hausdurchsuchungen in Sachsen, Stuttgart und Berlin und der sich verschärfenden Repression gegen AntifaschistInnen der Wille des Staates, antifaschistischen Widerstand zu kriminalisieren mehr als deutlich. Unterstrichen wurde das auch nochmal bei der Demonstration am 17. März, die sich - trotz völlig friedlichen Verlaufs - von starken Polizeikräften gesäumt sah. Dass es dabei neben der Provokation gegenüber den DemonstrantInnen um den "öffentlichen Eindruck" gehen sollte, ist recht durchsichtig und gleichzeitig in seiner Wirkung fraglich. Zuviele politisch aktive Menschen haben inzwischen in Stuttgart ihre Erfahrungen machen können.

Die Demonstration in Stuttgart und die Spontankundgebung in Stammheim am 17. März sowie die Solidaritätskundgebung in Stammheim am 18. März machten deutlich: Bei allem, was die scheinbar so verschiedenen Proteste trennt - die gemachten Erfahrungen in der Solidaritätsarbeit sind wertvoll, unteilbar und müssen in eine deutliche Stärkung der Antirepressions- und Solidaritätsstrukturen umgewandelt werden. Dabei sind die Erfahrungen “junger” Bewegungen wie die gegen Stuttgart 21 keineswegs neu. Sie stellen die jahrzehntealten Erfahrungen linker Politik in einen breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang. Es bestehen große Chancen, wenn es gelingt, in der Realität vorhandene Vorbehalte und eine manchmal beiderseitige vorhandene Bewegungsborniertheit und -überheblichkeit zu überwinden.

Getroffen werden einige - Gemeint sind wir alle! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Courage - Bündnis gegen Rechtsextremismus in Esslingen

Sehr geehrte Damen und Herren,

dass unser entschiedenes Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Gewalt auch heute noch dringend notwendig ist, zeigt das Aufdecken der 10 Morde der rechten Terrorzelle NSU. Bereits vor zehn Jahren hatten wir uns gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gruppen und Organisationen zum Bündnis „Courage – Miteinander gegen Rassismus und Gewalt“ zusammen getan und damit ein deutliches Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt.

Wir, einige Mitglieder des damaligen Courage-Bündnisses, sind der Meinung, dass wir unser gemeinsames Engagement heute angesichts der beängstigenden Umtriebe der Neonazis wieder erneuern sollten. Auch in der Stadt Esslingen werden heute noch Menschen bedroht, ein eindeutiges Zeichen ist heute bei uns leider wieder notwendig.

Wir freuen uns deshalb besonders darüber, dass OB Dr. Jürgen Zieger die Schirmherrschaft für das Bündnis übernommen hat. Zur Gründung des Esslinger „Courage – Bündnisses gegen Rechtsextremismus“ laden wir Sie hiermit herzlich ein. Wir bitten Sie, uns mit der beigefügten Rückantwort zu melden, ob Sie als Organisation oder Einzelperson dem Bündnis beitreten und mit wie vielen Personen Sie an der Gründungsveranstaltung teilnehmen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Böhringer, DGB Esslingen
Sabine Bartsch, Kulturzentrum Dieselstrasse
Josef-Minarsch-Engisch, Interkulturelles Forum – ADG
Klaus Hummel, Leiter der Katharinenschule

Gründungsveranstaltung „Courage – Bündnisses gegen Rechtsextremismus“
am 13. März 2012, um 18.30 Uhr
im Kulturzentrum Dieselstrasse e.V.

Mehr Informationen: esslingen@dgb.de

Eröffnungsblockade: Wackersteine im Bauch

Am Todestag von Oury Jalloh demonstrierten auch in diesem Jahr etwa 150-200 Menschen durch Dessau. Sie forderten Aufklärung und Gerechtigkeit und eine Anklage gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Mordes. Mit mitgetragenen Särgen erinnerten sie an die Namen weiterer Todesopfer rassistischer Gewalt: Dominique Koumadio, Halim Dener, Markus Omafuma, Mohammad Selah, Arumugasamy Subramaniam.
Foto: heba/Umbruch Bildarchiv
Ausführliche Darstellung der Situation des Jalloh-Prozesses: Prozessfarce statt rechtsstaatlichem Verfahren: Richterliche Ohrfeige ins Gesicht der Familie Jalloh. (Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Es kann einem passieren, dass man sich am Brunnenrand vorfindet, wie einst der Wolf. "Ich dacht, es wären sieben Geißlein in meinem Bauch, nun - dünkt mich - sind es bloß sieben Wackerstein". Und zwar solche, die einen herabziehen ins finstere Loch, eh man es sich versieht.

Gemeint damit: Innerhalb des Staatswesens, dessen Teil man nun einmal darstellt, gern oder ungern, empfindet einer immer deutlicher, nicht nur, dass vieles sich verbirgt. Sondern - dass die Methoden nicht mehr funktionieren, um im Prinzip herauszubekommen, was das sein könnte, das sich verbirgt. Einfach: Was los ist im Innern.

Beispiel: Jalloh-Prozess. Die normale juristische Methode, die Wahrheit und den Hintergrund zu erforschen, versagt, wenn eine ganze Polizei-Einheit geschlossen sich weigert, wahrheitsgemäße Zeugenaussagen abzugeben. Und zwar ganz unabhängig davon, ob der Tote Opfer einer staatlichen Mordtat oder "nur" dasjenige einer groben Fahrlässigkeit geworden ist. An der geschlossenen und konsequenten Aussageverweigerung bricht jede Wahrheitsforschung zusammen, die ohne körperlichen Zugriff erreichbar wäre. Die Einzelrichterin steht jetzt vor der Versuchung, das Prozessverfahren einstellen zu lassen. Ergebnis siebenjähriger Anstrengungen: eine geringe Bußzahlung für den angeklagten Polizisten. Mit anderen Worten: Null.

In größerem Umfang: Ergebnislosigkeit der Suche nach den wirklichen Tätern des NSU - "Nationalsozialistischer Untergrund". Wenn eine spezialisierte Gruppe wie der nationale und die föderalen Verfassungsschutze nach Jahren nicht einmal Fragen stellen können nach notwendig vorhandenen Mittätern, dann bleibt nur ein Schluss: es handelt sich nicht um Panne, nicht um Unfähigkeit, sondern um böse Absicht, also Schuld. Die Absicht, die Schuldigen anschließend die Schuld aufdecken lassen zu wollen, beweist dann weiter nur eins: Es soll nichts aufgedeckt werden.

Zu Ende gedacht führt das zu der Erkenntnis: der bürgerliche Staat funktioniert an verschiedenen Ecken nicht mehr. Er verschafft nicht mehr die versprochene Aufdeckung des Verborgenen.

Damit ist der Boden entzogen allen Theorien der bürgerlichen Justiz. "Lass nur die Gesetze walten/und du wirst dein Recht erhalten" Das eben findet nicht mehr statt.

Was dann?

Der Gedanke liegt nahe, dann eben die Sache in die - kollektive - eigene Hand zu nehmen - und per Steinwurf und Funkenschlag den überflüssig gewordenen Orten der Wahrheitsfindung ein böses Adieu zu bieten. Das macht zwar als Geste möglicherweise Spaß, aber erbringt keine weitere Erkenntnis. Der leere Bauch wird davon nimmer satt.

Im Geschichtsmüll wühlen! Da finden sich Beispiele. Als im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts, nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland, sich zunächst gegen den Hauptmann Dreyfus der Verdacht erhob, er hätte für die Deutschen spioniert, da sollte die Sache zunächst schnell per Militärgericht abgetan werden. Ersturteil: Verbannung auf die Teufelsinsel. Nach den engen Beweisregeln war die Sache damit erledigt. Kein Einwand mehr vorzubringen. (Wie jetzt im Fall Jalloh!) Und gelogen wurde nach Wunsch und Erwartung der Obrigkeit.

Der Weg, den die Gegner des Urteils fanden, erschöpfte sich nicht in Steinwurf und dem Angriff gegen bloße Steine. Es gelang - vor allem auch durch die Unterstützung des Schriftstellers Zola - das Verfahren im Kriegsgericht selbst zum Gegenstand der Empörung zu machen. Und zunächst nur zu dem eines verlangten Prozesses. Zola zwang mit seiner Schrift "J' accuse!" zunächst , Vertreter der Obrigkeit ihn persönlich wegen Beleidigung zu verklagen. Damit war die Möglichkeit des Weiter-Klagens auf einem umfassenderen Feld eröffnet. Um die Geschichte nicht zu sehr auszuwalzen: am Ende musste Dreyfus freigesprochen werden. So etwas geschah sicher nur selten. Aber immerhin: es geschah. Und verhinderte Jahre vor dem ersten Weltkrieg die sofortige Umwandlung der französischen Republik in eine Militärdiktatur.

Jalloh-Prozess einstellen? Von wegen. Juristisch feststeht bis jetzt: es ist kollektiv gelogen worden innerhalb der Polizeiverwaltung Dessau. Also müsste die ganze Verwaltung behandelt werden als ein der kriminellen Verabredung verdächtiges Institut. Es müsste nach Wegen gesucht werden, das ganze Institut in die kriminologische Untersuchung einzubeziehen. Anders werden wir die Wackersteine im Bauch gewiss nicht mehr los.

• Blog der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh"
• Blog der Prozessbeobachter
• Die "KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen"
• Umfangreiche Dokumentation beim Umbruch Bildarchiv
• Unser bisherigen Beiträge

Prozessfarce statt rechtsstaatlichem Verfahren: Richterliche Ohrfeige ins Gesicht der Familie Jalloh

Claudia Methling - die vorsitzende Richterin am Landgericht Magdeburg im Revisionsverfahren zum grausamen Feuertod Oury Jallohs am 7.1.2005 gegen den mitverantwortlichen, aber alleinig angeklagten Dienstgruppenleiter der Dessauer Polizei Andreas Schubert hat am 5.3.2012 kurzfristig vorgeschlagen, den Prozess im Hinblick auf den „Stand der Beweisaufnahme“ und der Dauer des Verfahrens (seit Januar 2011) gegen Erhebung einer Geldstrafe vorläufig einzustellen.

Zustimmungspflichtig ist dieser „Deal“ lediglich seitens der Staatsanwaltschaft, die auch in Magdeburg – wie schon in Dessau 2007/2008 - keine Anhaltspunkte für eine adäquatere Anklageform finden will und der Verteidigung des Angeklagten, der ein absehbares Ende dieser „Verhandlung“ naturgemäß am Herzen liegen sollte. Die Nebenklage, die die nunmehr seit 7 langen Jahren „rechtsstaatlich“ gedemütigte Familie Jalloh vertritt, hat das Recht auf Anhörung ohne Anspruch auf bindende Wertung – die Krümel vom Tisch einer „juristischen Exekutive“, welche eine würdelose Farce per urteilsfreier, monetärer Begleichung und zu beenden versucht.

Der Prozess soll nach § 153a StPO gegen Erhebung einer Geldstrafe vorläufig eingestellt werden:

„Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.“

Konkret soll hier also – und darin besteht die eigentliche juristische „Ohrfeige“ der Magdeburger Richterkammer – schuldhaftem polizeilichem Versagen weder schwere Schuld vorgeworfen noch ein angemessenes öffentliches Interesse an der Benennung tödlicher Verantwortlichkeit zugemessen werden!

Die Kammer entzieht sich mit diesem Schritt den vom BGH 2010 formulierten Mindestanforderungen nach substanzieller Vervollständigung der Beweisaufnahme und Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das diesen Namen im Angesicht der Angehörigen auch verdient hat.

Dies ist eine öffentlich nicht hinnehmbare Bankrotterklärung einer Judikative, die vorgibt, sich selbst über höchstrichterliche Minimalstandards hinwegsetzen zu dürfen, um die weitere Straflosigkeit der Täter in Diensten des Staates aufrecht erhalten zu können.

Wir rufen auf zur Solidarität mit dem Widerstand der Angehörigen der Opfer staatlicher Gewalt gegen systematisierte Vertuschung und legalisierte Straflosigkeit behördlicher Verbrechen!

Zeigen wir Ihnen unser öffentliches Interesse an einer angemessenen Strafverfolgung!

Landgericht Magdeburg

6.3.2012

Protestkundgebung - „Prozessbegleitung“ – Demonstration

ab 9:00 Uhr vor dem Landgericht (die Straße wird abgesperrt sein)

+++ DO JUSTICE TO OURY JALLOH +++

Quelle: Pressemitteilung

cronjob