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Montagsdemo gegen Hartz IV vs. Ordnungsamt Stuttgart: Meinungsfreiheit nur für Reiche?

Das Amt für „öffentliche Ordnung“ der Stadt Stuttgart findet offenbar immer neue Möglichkeiten des Vorgehens gegen unerwünschte Meinungen in der Öffentlichkeit.

Diesmal geht es gegen die Eigenfinanzierung der Montagsdemo gegen Hartz IV, deren Versammlungsleiterin einen Strafbefehl über 450 € erhalten hat.

Vorgeworfen wird ihr die Durchführung einer Spendensammlung entgegen der im Versammlungsbescheid des Amtes für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 18. Oktober 2011 gemachten Auflage: „Das Sammeln von Spenden wird untersagt.“

Hatte die Stadt Stuttgart zunächst – in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften (siehe unten) - nichts gegen eine auf dem Info-Tisch der Montagsdemo aufgestellte Spendendose unternommen, hat sie inzwischen das Verbot, Spenden zu sammeln, als „versammlungsrechtliche Auflage“ in die Anmeldebestätigung der Montagsdemo aufgenommen. In der Folge kann die Staatsanwaltschaft bei einer trotzdem durchgeführten Spendensammlung gegen die Versammlungsleiter wegen einer „Straftat nach dem Versammlungsgesetz“ vorgehen.

Thomas Trüten, Sprecher des Bündnisses für Versammlungsfreiheit: „Wir sehen in diesem Vorgehen der Stadt Stuttgart eine weitere Einschränkung des Versammlungsrechts und weisen diesen Angriff auf die finanzielle Unabhängigkeit von Initiativen und Bewegungen und letztlich auf die Versammlungsfreiheit zurück. Die Durchführung einer Versammlung ist immer mit Unkosten verbunden und darf nicht von finanzkräftigen Sponsoren wie z. B. der Werbekampagne für Stuttgart 21 abhängen.“

Die so genannten „Sammlungsgesetze“, die den formalen Ansatzpunkt für derartige Angriffe auf die finanzielle Unabhängigkeit liefern, sind in zwei Dritteln aller Bundesländer in den letzten Jahren ersatzlos gestrichen worden.

Es gibt keinen Grund, an einem Gesetz festzuhalten, mit dem die Menschen bevormundet werden – als ob sie nicht selber entscheiden könnten, ob sie für die Montagsdemo gegen Hartz IV, für den Protest gegen Stuttgart 21 oder anderes spenden wollen oder nicht.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit fordert deshalb die Landesregierung auf, dieses Landesgesetz ebenfalls ersatzlos zu streichen und unterstützt den Einspruch der Montagsdemo gegen Hartz IV gegen diesen Strafbefehl.

Die Verhandlung findet statt am 14. März um 11 Uhr im Amtsgericht Stuttgart, Hauffstraße 5

Die Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Sammlungsgesetzes (SaGVwv) stellt entgegen der neuen Stuttgarter Praxis fest: „Einer Erlaubnis nach dem Sammlungsgesetz bedürfen somit nicht: …das Aufstellen von Sammelbüchsen oder Sparbüchsen auf Straßen und Plätzen…., wenn dabei nicht durch eine Person auf die Spender eingewirkt wird (zum Beispiel durch Hinhalten der Büchsen oder durch Ansprechen)“

Quellen:

Via Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit



Bernard-Henry Lévy: Nicht heiser genug vom keuchenden letzten Kriegsgebell


Bernard-Henry Lévy
Foto: Itzik Edri (Eigenes Werk)
Lizenz: CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons
Beim Überfall auf Libyen war der Philosoph Bernard-Henry Lévy als einer der ersten dabei. Bekanntlich gilt er als der, der Sarkozy überredete, den Aufständischen in Libyen Militärhilfe zuzusagen. Noch im gegenwärtigen Interview in der ZEIT gibt sein Philosoph zu, dass dabei Russland und China übertölpelt werden mussten, um den Coup einzufädeln. Warum so etwas nicht wiederholen, kurz vor den Wahlen in Frankreich?

Etwas spräche dagegen, was einen Philosophen der Art Lévis nicht beeindrucken darf. Schlichte Erfahrung. Der Philosoph meint, Sarkozy habe der Erfolg in Libyen ermuntert, weiterzumachen auf der gleichen Linie. Wie, wenn es da nichts Ermunterndes gäbe? Das "befreite" Gebiet - im offensichtlichen Zerfall! Was soll daran ermuntern? Der Anblick mehrerer Teilprovinzen im bevorstehenden Bürgerkrieg - macht das Appetit? Offenbar nur dem Philosophen. Er gibt sich zwar dieses Mal militärtechnisch überlegt, kann aber bei reiflichster Überlegung auch nichts in Aussicht stellen als einen Streit sunnitischer Staaten gegen schiitische. Oder einen Angriff der Türkei - dem ein solcher als Schritt gegen den "imperialistischen" Iran gern zugestanden würde.

Alles Vorgebrachte ein Zeugnis der Perspektivlosigkeit. Lévy ist ein Opfer seiner Geltungssucht. Und der Bilder aus den Medien, die er in sich immer neu entzündet. Hauptsache - es knallt. Nachher dann betretenes Schweigen. Bis zur nächsten Erregung.

Plato hatte einst gewarnt vor einem Hauptfehler nicht nur der Philosophen, sondern allgemein der Politiker. Vor der "Polypragmosyne" nämlich, dem geschäftigen Herumwuseln auf allen denkbaren Lebensgebieten. Was hätte er von seinem späten Fachkollegen aus Frankreich gehalten?

Courage - Bündnis gegen Rechtsextremismus in Esslingen

Sehr geehrte Damen und Herren,

dass unser entschiedenes Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Gewalt auch heute noch dringend notwendig ist, zeigt das Aufdecken der 10 Morde der rechten Terrorzelle NSU. Bereits vor zehn Jahren hatten wir uns gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gruppen und Organisationen zum Bündnis „Courage – Miteinander gegen Rassismus und Gewalt“ zusammen getan und damit ein deutliches Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt.

Wir, einige Mitglieder des damaligen Courage-Bündnisses, sind der Meinung, dass wir unser gemeinsames Engagement heute angesichts der beängstigenden Umtriebe der Neonazis wieder erneuern sollten. Auch in der Stadt Esslingen werden heute noch Menschen bedroht, ein eindeutiges Zeichen ist heute bei uns leider wieder notwendig.

Wir freuen uns deshalb besonders darüber, dass OB Dr. Jürgen Zieger die Schirmherrschaft für das Bündnis übernommen hat. Zur Gründung des Esslinger „Courage – Bündnisses gegen Rechtsextremismus“ laden wir Sie hiermit herzlich ein. Wir bitten Sie, uns mit der beigefügten Rückantwort zu melden, ob Sie als Organisation oder Einzelperson dem Bündnis beitreten und mit wie vielen Personen Sie an der Gründungsveranstaltung teilnehmen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Böhringer, DGB Esslingen
Sabine Bartsch, Kulturzentrum Dieselstrasse
Josef-Minarsch-Engisch, Interkulturelles Forum – ADG
Klaus Hummel, Leiter der Katharinenschule

Gründungsveranstaltung „Courage – Bündnisses gegen Rechtsextremismus“
am 13. März 2012, um 18.30 Uhr
im Kulturzentrum Dieselstrasse e.V.

Mehr Informationen: esslingen@dgb.de

Was mir heute wichtig erscheint #305

Ableben: Mit dem Thema Europa in der Krise beschäftigt sich die neue Ausgabe der "arranca!". "Warum liegt auf der Hand: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster." (Antonio Gramsci). Angesichts der aktuellen Krise wird deutlich, wie viele Fragezeichen und Ungereimtheiten wir bezüglich der politischen und ökonomischen Prozesse in Europa haben, und das obwohl europäische Staatlichkeit – nicht nur in der Krise, sondern auch in ihrem Normalbetrieb – unseren Alltag und unsere politischen Kämpfe stark beeinflusst. Die derzeitige Sprachlosigkeit ist ein Resultat jahrzehntelangen Schweigens der radikalen Linken zum Thema Europa. Vieles ist ungeklärt. Lässt sich europäische Staatlichkeit als eine materielle Verdichtung sozialer Kräfteverhältnisse fassen, ähnlich dem Nationalstaat, aber dennoch nicht identisch mit diesem? Wie funktioniert staatliche Herrschaft in einem Staatenverbund wie der EU und inwieweit ist diese umkämpft? Was folgt auf die derzeitige Etappe der Krise? Fragen, die wir dringend klären sollten. Die Eurokrise zeigt: Emanzipatorische Kämpfe müssen sich auch auf dem Terrain der EU auskennen, wenn sie erfolgreich sein wollen." Weiterlesen.

Staatsdoktrin: "Dreizehn Jahre lang konnte eine neofaschistische Terrrorgruppe mordend und bombend durchs Land ziehen, bevor sie im November 2011 aufflog. Nach und nach wurden Dimensionen eines Skandals erkennbar, der in der Geschichte der BRD ohne Parallele ist: Nicht nur, daß die Terroristen von Strafverfolgungsbehörden unbehelligt blieben, sie erfreuten sich offenbar sogar aktiver Unterstützung durch deutsche Inlandsgeheimdienste. jW-Autor Markus Bernhardt leuchtet in einem demnächst im Kölner PapyRossa Verlag erscheinenden Buch die Hintergründe des Zusammenwirkens von militanten Nazis und Nachrichtendiensten aus und nennt Verharmloser, Vertuscher und Förderer beim Namen. (...)" Zum Vorabdruck in der Tageszeitung "junge Welt".

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

Folgenreich: "Aus Jux ließen sich drei junge Hamburger vor dem Reichstag mit beschrifteten Pappschildern ablichten. Für die Polizei war das ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Sie beschäftigte sich eingehend damit." Mehr beim  Tagesspiegel.

Verhaltensmuster: "Wenn man den Herren Schily und Schäuble auch manches vorwerfen kann: ihnen war zumindest bewusst, dass sie Bundespolitik machen. Sie waren sich über die Konsequenzen ihrer öffentlichen Auftritte, ihrer Handlungen und Äußerungen im Klaren. Da ist Hans-Peter Friedrich anders gestrickt. Aus der Welt der Bezirksvorstände, Ausschüsse und Arbeitsgruppen ist er nie wirklich herausgekommen. Der Minister ist unglaublich treffsicher bei seinen regelmäßigen Lapsus, zumal, wenn er sich in die Außenpolitik einmischt. Die abfälligen Bemerkungen über die Türkei gehören dazu, wie auch die Austrittsempfehlung aus der Eurozone für Griechenland. Die Kanzlerin dürfte einige Nanosekunden in Schreckstarre gefallen sein. Gegen Friedrich ist ein Elefant im Porzellanladen ein anmutiger Schmetterling. (...)" Hans-Peter Friedrich – Gepflogenheiten eines Wadenbeißers

Lautstark: Proteste gegen Neonaziauftritt. Zwei Hundertschaften der Polizei schützen Faschistenkundgebung in Göppingen. (PDF)

Folgenlos: "Der deutsche Inlandsgeheimdienst - das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die 16 Landesämter (LfV) - sorgt derzeit gleich aus zwei Gründen für Schlagzeilen. Seit November letzten Jahres rätselt die Öffentlichkeit über das Versagen der Ämter angesichts des Neonazitrios, das sich »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) nannte und 1998 vor den Augen des Verfassungsschutzes abtauchte, um in der Folge neun Kleingewerbler türkischer bzw. griechischer Herkunft und eine Polizistin zu ermorden, zwei Bombenanschläge zu begehen und eine ganze Serie von Banken zu überfallen. Seit Ende Januar müssen sich die Schlapphüte und ihre Dienstherren in den Innenministerien auch noch dafür rechtfertigen, dass sie 27 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei überwachen (lassen), einschließlich eines Repräsentanten im Parlamentarischen Kontrollgremium, das doch eigentlich die Geheimdienste kontrollieren sollte - und nicht umgekehrt." Beitrag von Heiner Busch aus "Analyse & Kritik", veröffentlicht beim Grundrechtekomitee.

Opferzahlen: "Im Jahr 2011 erlangten die Opferberatungsstellen in den östlichen Bundesländern und in Berlin Kenntnis von insgesamt 706 rechtsmotivierten Gewalttaten. 2010 waren 704 Angriffe dokumentiert worden. (...) Berlin registrierte die höchste Angriffszahl seit 2006. Am häufigsten wurden dort Menschen aus rassistischen Motiven verletzt. (...) Bundesweit wurden zwei Menschen 2011 durch Neonazis getötet. Am 27. März 2011 wurde der vietnamesische Wohnungslose Duy-Doan Pham in Neuss (NRW) von zwei Männern zu Tode geprügelt. Einer der Täter hatte Kontakte zur Neonaziszene und trägt ein Hakenkreuz auf seiner Brust tätowiert. Das dritte Jahr in Folge forderte rechte Gewalt in Sachsen allem Anschein nach ein Todesopfer. Am 27. Mai wurde der Wohnungslose André K. in Oschatz (Sachsen) brutal zu Tode geprügelt. Die bisherigen Informationen zu Tathergang und Tätern geben Hinweise auf ein rechtes Tatmotiv. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Andre K. aufgrund sozialdarwinistischer Einstellungen sterben musste. (...)" Die vollständige Statistik in der Pressemitteilung der Opferperspektive vom 7.3.2012

LinksTipp: Das Blog (links)extremismus -  "informationen zu wahnsinn und wirkmächtigkeit der extremismusformel".

Einsatzreport: Der GEW-Bundesvorstand hat eine ausführliche Broschüre zum besorgniserregenden Anstieg der Bundeswehrauftritte in den Schulen herausgegeben. Informationen und Bestellmöglichkeiten. Download als PDF Datei.

Desinteressiert: Befangen oder nicht. Für BREAK THE SILENCE - die INITIATIVE IN GEDENKEN AN OURY JALLOH e.V. ist die Richterin Claudia Methling schon lange nicht mehr tragbar. "Desinteressiert und weit entfernt von den Vorgaben des BGH", möchte sie nach deren Ansicht den Prozess so schnell wie möglich beenden. Ob sie weiter machen darf, wird vermutlich am 13. März vor Gericht bekannt gegeben. Mehr Information.

Verknackt: Am 23.07.2010 wurden eine 72Jährige Rentnerin und eine 50jährige Erzieherin vor einer Stuttgarter Polizeiwache Opfer eines brutalen Polizeiübergriffs: Weil sie dort gegen 23:30 Uhr Zeugen einer Festnahme von Jugendlichen und dabei einer brutalen, entwürdigenden Behandlung eines schwarzen Jugendlichen wurden, stellte die Rentnerin die beteiligten Polizisten zur Rede. Nun wurden die beiden deswegen verurteilt: Die 72Jährige wurde zu 2200 Euro (40 Tagessätzen à 55 Euro), die zurzeit erwerbslose 50jährige Erzieherin, Mutter dreier Kinder zu 1050 Euro Strafe (70 Tagessätzen à 15 Euro) verurteilt. Mehr Information bei syndikalismus.tk

Eröffnungsblockade: Wackersteine im Bauch

Am Todestag von Oury Jalloh demonstrierten auch in diesem Jahr etwa 150-200 Menschen durch Dessau. Sie forderten Aufklärung und Gerechtigkeit und eine Anklage gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Mordes. Mit mitgetragenen Särgen erinnerten sie an die Namen weiterer Todesopfer rassistischer Gewalt: Dominique Koumadio, Halim Dener, Markus Omafuma, Mohammad Selah, Arumugasamy Subramaniam.
Foto: heba/Umbruch Bildarchiv
Ausführliche Darstellung der Situation des Jalloh-Prozesses: Prozessfarce statt rechtsstaatlichem Verfahren: Richterliche Ohrfeige ins Gesicht der Familie Jalloh. (Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Es kann einem passieren, dass man sich am Brunnenrand vorfindet, wie einst der Wolf. "Ich dacht, es wären sieben Geißlein in meinem Bauch, nun - dünkt mich - sind es bloß sieben Wackerstein". Und zwar solche, die einen herabziehen ins finstere Loch, eh man es sich versieht.

Gemeint damit: Innerhalb des Staatswesens, dessen Teil man nun einmal darstellt, gern oder ungern, empfindet einer immer deutlicher, nicht nur, dass vieles sich verbirgt. Sondern - dass die Methoden nicht mehr funktionieren, um im Prinzip herauszubekommen, was das sein könnte, das sich verbirgt. Einfach: Was los ist im Innern.

Beispiel: Jalloh-Prozess. Die normale juristische Methode, die Wahrheit und den Hintergrund zu erforschen, versagt, wenn eine ganze Polizei-Einheit geschlossen sich weigert, wahrheitsgemäße Zeugenaussagen abzugeben. Und zwar ganz unabhängig davon, ob der Tote Opfer einer staatlichen Mordtat oder "nur" dasjenige einer groben Fahrlässigkeit geworden ist. An der geschlossenen und konsequenten Aussageverweigerung bricht jede Wahrheitsforschung zusammen, die ohne körperlichen Zugriff erreichbar wäre. Die Einzelrichterin steht jetzt vor der Versuchung, das Prozessverfahren einstellen zu lassen. Ergebnis siebenjähriger Anstrengungen: eine geringe Bußzahlung für den angeklagten Polizisten. Mit anderen Worten: Null.

In größerem Umfang: Ergebnislosigkeit der Suche nach den wirklichen Tätern des NSU - "Nationalsozialistischer Untergrund". Wenn eine spezialisierte Gruppe wie der nationale und die föderalen Verfassungsschutze nach Jahren nicht einmal Fragen stellen können nach notwendig vorhandenen Mittätern, dann bleibt nur ein Schluss: es handelt sich nicht um Panne, nicht um Unfähigkeit, sondern um böse Absicht, also Schuld. Die Absicht, die Schuldigen anschließend die Schuld aufdecken lassen zu wollen, beweist dann weiter nur eins: Es soll nichts aufgedeckt werden.

Zu Ende gedacht führt das zu der Erkenntnis: der bürgerliche Staat funktioniert an verschiedenen Ecken nicht mehr. Er verschafft nicht mehr die versprochene Aufdeckung des Verborgenen.

Damit ist der Boden entzogen allen Theorien der bürgerlichen Justiz. "Lass nur die Gesetze walten/und du wirst dein Recht erhalten" Das eben findet nicht mehr statt.

Was dann?

Der Gedanke liegt nahe, dann eben die Sache in die - kollektive - eigene Hand zu nehmen - und per Steinwurf und Funkenschlag den überflüssig gewordenen Orten der Wahrheitsfindung ein böses Adieu zu bieten. Das macht zwar als Geste möglicherweise Spaß, aber erbringt keine weitere Erkenntnis. Der leere Bauch wird davon nimmer satt.

Im Geschichtsmüll wühlen! Da finden sich Beispiele. Als im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts, nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland, sich zunächst gegen den Hauptmann Dreyfus der Verdacht erhob, er hätte für die Deutschen spioniert, da sollte die Sache zunächst schnell per Militärgericht abgetan werden. Ersturteil: Verbannung auf die Teufelsinsel. Nach den engen Beweisregeln war die Sache damit erledigt. Kein Einwand mehr vorzubringen. (Wie jetzt im Fall Jalloh!) Und gelogen wurde nach Wunsch und Erwartung der Obrigkeit.

Der Weg, den die Gegner des Urteils fanden, erschöpfte sich nicht in Steinwurf und dem Angriff gegen bloße Steine. Es gelang - vor allem auch durch die Unterstützung des Schriftstellers Zola - das Verfahren im Kriegsgericht selbst zum Gegenstand der Empörung zu machen. Und zunächst nur zu dem eines verlangten Prozesses. Zola zwang mit seiner Schrift "J' accuse!" zunächst , Vertreter der Obrigkeit ihn persönlich wegen Beleidigung zu verklagen. Damit war die Möglichkeit des Weiter-Klagens auf einem umfassenderen Feld eröffnet. Um die Geschichte nicht zu sehr auszuwalzen: am Ende musste Dreyfus freigesprochen werden. So etwas geschah sicher nur selten. Aber immerhin: es geschah. Und verhinderte Jahre vor dem ersten Weltkrieg die sofortige Umwandlung der französischen Republik in eine Militärdiktatur.

Jalloh-Prozess einstellen? Von wegen. Juristisch feststeht bis jetzt: es ist kollektiv gelogen worden innerhalb der Polizeiverwaltung Dessau. Also müsste die ganze Verwaltung behandelt werden als ein der kriminellen Verabredung verdächtiges Institut. Es müsste nach Wegen gesucht werden, das ganze Institut in die kriminologische Untersuchung einzubeziehen. Anders werden wir die Wackersteine im Bauch gewiss nicht mehr los.

• Blog der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh"
• Blog der Prozessbeobachter
• Die "KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen"
• Umfangreiche Dokumentation beim Umbruch Bildarchiv
• Unser bisherigen Beiträge

101. internationaler Frauentag: "Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht."

Wir wünschen allen Freundinnen, Kolleginnen, Müttern, Töchtern, Schwestern, Großmüttern, Liebhaberinnen, Nachbarinnen, Gegnerinnen, Revolutionärinnen, Mädchen, ... einen kämpferischen internationalen Frauentag!

Der erste Frauentag wurde am 19. März 1911 in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz sowie den USA begangen. Allein in Berlin kamen etwa 45.000 Frauen zusammen, um sich für ihre Rechte stark zu machen. In den folgenden Jahren versammelten sich Millionen von Frauen zu den jeweils im Frühjahr organisierten Demonstrationen, Veranstaltungen und Aktionen. Schon 1912 kamen Schweden, Frankreich und Holland, 1913 Russland und die Tschechoslowakei dazu. Neben dem Wahlrecht forderten die Frauen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, Mutter- und Kinderschutz und protestierten gegen den imperialistischen Krieg. Das aktive und passive Wahlrecht wurde den Frauen in Deutschland im November 1918 durch den Rat der Volksbeauftragten zuerkannt.

In Europa beschloß die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (100 Delegierte aus 17 Ländern) auf Initiative von Clara Zetkin am 27. August 1910 in Kopenhagen (übrigens im Ungdomshuset) die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages für die Interessen der Frauen gegen mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung. Themen waren also die Gleichberechtigung der Frauen, ihr Wahl- und Stimmrecht, sowie der Kampf gegen den imperialistischen Krieg. Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. 1921 wurde auf der zweiten kommunistischen Frauenkonferenz, wiederum auf Initiative von Clara Zetkin, der internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt. Dieses Datum war eng mit den proletarischen Frauenkämpfen verbunden:

• Am 8. März 1857 streikten in New York Textilarbeiterinnen, gefolgt von einer Streikwelle in der Textil- und Tabakindustrie.
• Am 8. März 1908 kamen 129 streikende Arbeiterinnen der Textilfabrik "Cotton" in New York bei einem Brand ums Leben. Vom Fabrikbesitzer und den Aufsehern wurden die Frauen in der Fabrik eingesperrt, um zu verhindern, daß sie Kontakt zu ihrer Gewerkschaft aufnehmen. Sie hatten für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gekämpft.
• Am 8. März 1917 (russ. Kalender: 23. Februar) fand St. Petersburg ein massiver Streik der Textilarbeiterinnen gegen Krieg, Hunger und Zar statt. Nachdem weitere Sektoren ergriffen waren, kam es zum Generalstreik, der als Auslöser der Februarrevolution gilt.

"Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht." Clara Zetkin (1857 - 1933), Initiatorin des ersten Internationalen Frauentages stellte klar, dass eine wirkliche Befreiung der Frau untrennbar verbunden ist mit der Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung. Sie wendete sich aber auch gegen diejenigen, die meinten, diesen Kampf auf den St. Nimmerleins Tag verschieben zu können...



Bildquelle: Bildercache.de

Wir fordern dazu auf, an den Aktionen an diesem Tag teilzunehmen. Wie in vielen anderen Städten auch, organisieren linke AktivistInnen aus Stuttgart und Region Aktivitäten zu diesem symbolträchtigen Datum für den Kampf um die Befreiung der Frau und für eine solidarische und antikapitalistische gesellschaftliche Perspektive.

Siehe dazu: Frauenkampf heißt Klassenkampf! Aktionen zum 8. März
Mit Material von wloe.org und frauennews.de

Zur Diskussion um den "Aktionskonsens 2.0"

Vor einigen Tagen wurde ein Vorschlag für einen "Aktionskonsens 2.0" an die "Stuttgart 21" Bewegung von uns veröffentlicht und mittlerweile kontrovers in der Bewegung diskutiert. Im Blog "Bei Abriss Aufstand", einem Projekt der Parkschützer, wurde eine Antwort des Friedensforschers Dr. Wolfgang Sternstein auf diesen Beitrag veröffentlicht, die wir hier 1 nochmal dokumentieren. Dazu unsere Antwort:

Lieber Wolfgang Sternstein,

Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, dass du in deiner bewegten Vergangenheit auch schon Zäune durchgeschnitten und den Hammer gegen Raketentransporter geschwungen hast.

Um so unverständlicher ist uns, dass du in der Auseinandersetzung mit dem "Vorschlag Aktionskonsens 2.0" nicht mit Argumenten antwortest, sondern nur mit einem "müden Lächeln".

Das ist - mit Verlaub - ein bisschen dürftig und der eine oder andere könnte es auch schlicht als Arroganz verstehen.

Du hast z.B. die Platzbesetzung in Wyhl doch in deinem Buch beschrieben. Dann kannst du doch sagen, ob du die Ausführungen dazu in dem "Vorschlag..." richtig findest oder nicht, und wenn nein, warum nicht.

Oder du kannst doch sagen, wie du die Rolle der Polizei siehst und warum du sie so siehst und nicht anders - und so weiter.

Kurz: Einen Diskurs führen, Argumente austauschen - ist das denn so schwierig ?

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Hänisch und Thomas Trüten

Die Anmerkung von Wolfgang Sternstein, auf die wir uns beziehen

"Liebe zivile Ungehorsame,
es ist immer das Gleiche: Die einen lehnen den zivilen Ungehorsam (ZU) ab, weil sie ihn wegen der Gesetzesübertretung für kriminell halten. Das ist, von Ausnahmen abgesehen, die Position des Aktionsbündnisses. Die anderen lehnen ihn ab, weil sie ihn für einen Akt der Unterwerfung und der Unterwürfigkeit gegenüber dem Staat und der Bahn halten. Das ist die Position mancher Parkschützer und der Romanfigur im Roman von Steinfest "Wo die Löwen weinen", vielleicht sogar die Position von Steinfest selbst. Zitat: "Denn der so diszipliniert gelebte Protest, dieser geradezu devot vorgetragene Verzicht auf Gewalt, stieß ihn immer mehr ab..." (Heinrich Steinfest: Wo die Löwen weinen, S.93)

Die Vertreter dieser beiden Positionen haben meines Erachtens keine Ahnung, welche Kraft der ZU entfalten kann, wenn er aus einem tieferen Verständnis der Gewaltfreiheit kommt. Ein solches Verständnis gibt es in Deutschland nur sehr selten. Unsere Gewaltgeschichte hat unsere Gesellschaft bis ins Mark vergiftet. Wer glaubt, Geschichte sei etwas Geschehenes und deshalb vergangen, irrt. Geschichte ist immer auch Gegenwart, denn das, was geschehen ist, wirkt weiter. Das gilt für das Positive wie für das Negative gleichermaßen. Die Folge der Weltkriege, des Kalten Krieges und der Krisen im 20. Jahrhunderts ist, dass unsere Gesellschaft von struktureller, personeller und kultureller Gewalt zerfressen und vergiftet ist. Es fehlt der Humus, in dem die Saat der Gewaltfreiheit und des ZU keimen und aufgehen kann. Ich habe in der Widerstandsbewegung gegen S21 (und auch in anderen Widerstandsbewegungen) nur eine Handvoll Leute getroffen, die imstande waren zu begreifen, welche Kraft der ZU entfalten kann, wenn man bereit ist, die Sanktion hinzunehmen, ohne zurückzuweichen oder zurückzuschlagen. Wer so handelt, verliert die Angst vor der "Staatsgewalt". Er oder sie wird wirklich frei (gewaltfrei). Ich wage zu behaupten, dass, wenn wir scheitern, wir in erster Linie an uns selbst scheitern, weil wir uns in die Falle "Volksabstimmung" haben locken lassen und weil wir kaum eine Ahnung von gewaltfreier Aktion haben, geschweige sie anwenden können.

Wer mehr darüber wissen will, sei auf meine Autobiografie verwiesen "Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit" (kann bei mir für 20 € bezogen werden der Ladenpreis ist 28 €).

Mein persönlicher Kommentar zu Hänisch und Trüten: Als einer, der an mehreren Dutzend gewaltfreien Aktionen beteiligt war, der zweimal zum Hammer gegriffen hat, um mit jeweils drei Mitstreitern zusammen einen Pershing-II-Raketentransporter abzurüsten, als einer, der ein halbes dutzend Mal mit anderen zusammen Zäune in Büchel und am EUCOM durchgeschnitten hat und auf das Gelände gegangen ist, um gegen Atomwaffen zu protestieren, als einer, der ein dutzend Mal vor Gericht stand, 12 Mal verurteilt wurde, neunmal wegen ZU im Gefängnis war, insgesamt 14 Monate, kann ich über deren Kritik am Aktionskonsens und der Harmlosigkeit unseres ZU nur müde lächeln.
Wolfgang"


Sonderausgabe der Roten Hilfe zum 18.3.2012

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Leserinnen und Leser,

auch in diesem Jahr nimmt die linke Anti-Repressionsorganisation Rote Hilfe e.V. den 18. März, ein Datum mit vielen Bezügen zur Geschichte des Klassenkampfes, zum Anlass, wieder eine Sonderausgabe zum damit verbundenen „Tag der politischen Gefangenen“ zu edieren.

Der 18. März als Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen knüpft an eine lange Tradition der revolutionären Arbeiter_innenbewegung an.

Am 18.3.1848 stand das sich gerade entwickelnde Proletariat auf den Barrikaden, 23 Jahre später, am 18.3.1871, kam es zum ersten Mal zu einer breit in der verarmten Bevölkerung verankerten Zerschlagung parlamentarisch-monarchistischer Machtstrukturen durch die proletarische Klasse. An diesem Tag griffen die Pariser Arbeiterinnen und Arbeiter zu den Waffen und schufen für einen kurzen Zeitraum eine selbstverwaltete Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die als Pariser Commune bekannt wurde. Nach nur 71 Tagen wurde der Versuch, sich von den Fesseln der Herrschaft zu befreien, brutal niedergeschlagen.
Die militärisch hochgerüstete Reaktion übte nach ihrem Sieg über die Kommunard_innen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet, über 13.000 Menschen zu meist lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Doch im kollektiven Gedächtnis der sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Bewegungen blieb die Commune nicht in erster Linie als Niederlage haften, sondern als die Geschichte eines gemeinsamen Aufbruchs. Bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein galt der 18. März als „Tag der Commune“.
1923 erklärte die ein Jahr zuvor gegründete Internationale Rote Hilfe (RHI) den Tag zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“. Der Faschismus jedoch sollte dieser Tradition ein Ende setzen.

1996 initiierte der „Förderverein Libertad! für internationale Kommunikation und Solidarität“ zusammen mit der Roten Hilfe e.V. zum ersten Mal wieder einen Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen. Seitdem werden an diesem Tag vielfältige Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt; die Rote Hilfe versucht mit der jährlichen Sonderausgabe zum 18. März, den politischen Gefangenen eine Stimme zu verleihen sowie den verschiedenen Solidaritäts- und Antirepressionsinitiativen eine Plattform zu bieten, um die Themen „Staatliche Repression“ und „Politische Gefangene“ ins Bewusstsein zu rufen.

Denn auch heute, oft weit ab vom wahrnehmbaren Geschehen, über das in den großen Medien täglich berichtet wird, befinden sich weltweit etliche tausend Menschen in Gefängnissen, weil sie gegen die bestehenden Verhältnisse kämpften und kämpfen.

Das bürgerlich-kapitalistische Akkumulationsregime kann nur durch die mit Verwertungslogik unterfütterte, nationalstaatlich regulierte Ausbeutung der Arbeitskräfte und Rohstoffe bestehen. Das weltweite Elend, die Armut und die Kriege, die deswegen entstehen, rufen den Widerstand der Ausgebeuteten und Unterdrückten hervor. Dabei muss Repression letztendlich als ein mit aller Macht durchgesetztes Mittel des autoritären Polizeirechtsstaats zur Herrschafts- und Eigentumssicherung verstanden werden.

Das wohl wichtigste staatliche Repressionsinstrument, das oftmals den Schlusspunkt systematischer Attacken gegen linke Oppositionelle bildet, ist nach wie vor der Knast (nach ihm kommen nur noch Folter und Todesstrafe). Er soll abschrecken, soll einschüchtern und ist immer noch der augenfälligste Höhepunkt staatlich legitimierter Unterdrückungspolitik. Das Gefängnis soll - Realität geworden - durch dauerhafte räumliche und kommunikative Isolation die Betroffenen und ihr soziales Umfeld in ihren Lebensentwürfen ebenso wie in den Möglichkeiten ihrer politischen Arbeit treffen. Die bekannteren politischen Gefangenen, die sich teilweise seit Jahrzehnten in Knästen befinden, stehen dabei beispielhaft für die unzähligen eingesperrten namenlosen politischen Aktivist_innen.
Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die inzwischen fast 9000 politischen Gefangenen in der Türkei, die mehr als 9500 politischen Gefangenen in Kolumbien oder die ca. 750 politischen Gefangenen in Spanien.
Doch auch hierzulande wurden und werden in verschiedenen deutschen Städten Genossinnen und Genossen aufgrund ihres politischen Engagements mit Repression und Knast überzogen, weil sie sich z. B. gegen Atomtransporte stellten, sich gegen Neonazis wehrten oder gegen die deutsche Kriegspolitik aktiv wurden.
Dass das Thema Knast jede und jeden treffen kann, die/der sich politisch engagiert, sollten uns einige in dieser Sonderausgabe vorgestellte Fälle mal wieder mehr als verdeutlichen. Themen dieser Ausgabe sind neben den oben bereits angesprochenen politischen Gefangenen in der Türkei und in Spanien die staatsrepressiven Verhältnisse in den USA (Cuban5, Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal), in Weißrussland, in der Schweiz, auf den Philippinen sowie in der BRD (Sonja Suder und Christian Gauger, Christa Eckes, Thomas Meyer-Falk usw.).

Im Hinblick auf diese global zu beobachtenden Zustände sind nach wie vor starke, strömungsübergreifende und transnational agierende Bündnisse und Netzwerke wichtig, die sich solidarisch aufeinander beziehen - und so bleibt die Solidarität mit Menschen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugungen und Aktivitäten weggesperrt werden, weiterhin ein zentrales Anliegen der Roten Hilfe.

Unterstützen wir die Genoss_innen im Knast, machen wir ihre Situation durch Prozessbesuche, Kundgebungen, Veranstaltungen und Demonstrationen öffentlich. Setzen wir den Angriffen des Systems auf unsere Genoss_innen und Strukturen unseren entschlossenen Widerstand entgegen!

Getroffen werden einige - Gemeint sind wir alle!

Lasst uns weiter gemeinsam daran arbeiten, den Stimmen der Gefangenen und Verfolgten Gehör zu verschaffen und für ihre Freiheit zu kämpfen!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. im März 2012

Via 18Maerz.de

kritisch-lesen.de Nr. 15: Rechter Terror und "Extremismus"

Foto: © NoName
Im Oktober letzten Jahres wurden die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bekannt. In einem Zeitraum von über zehn Jahren verübte die Gruppe mit Unterstützung eines bisher noch nicht in der Gesamtheit erfassten Helfer_innenkreises zehn Morde, mindestens zwei Sprengstoffanschläge und zahlreiche Banküberfälle. Welche Rolle dabei diverse Geheimdienste und Ermittlungsbehörden gespielt haben, ist immer noch unklar, da die Verantwortlichen durch ihr beharrliches Schweigen eine lückenlose Aufklärung behindern. Sicher ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Taten der NSU den Behörden schon längere Zeit bekannt waren und sie keineswegs davon überrascht wurden.

Das große Schweigen bestimmt ebenso die Reaktionen der Öffentlichkeit. An den Gedenkveranstaltungen in Deutschland nahmen jeweils nur einige hundert Menschen teil und auch Bekundungen der Bundesregierung scheinen zu Lippenbekenntnissen zu werden, da bisher nicht erkennbar ist, dass der Worte konkrete Taten folgen. Dass Neonazis prinzipiell zum Töten bereit sind und dies durch ihre Ideologie legitimiert sehen, sollte keine besondere Überraschung darstellen. Nur wenige Monate vor dem Bekanntwerden der Taten des NSU kam es in Norwegen zu einem rechten Anschlag mit 77 Toten. Der ambivalente Mediendiskurs, der von einem islamistischen Terroranschlag bis zur Annahme eines „geistig verwirrten“ Einzeltäters reicht und sich durch rechte Blogs bis hin zu links-liberalen Tageszeitungen zog, wird im von Jorane Anders rezensierten Band „,Das hat doch nichts mit uns zu tun!‘ Die Anschläge in Norwegen in deutschsprachigen Medien“ nachgezeichnet. Welche ideologische Verantwortung hingegen die europäische extreme Rechte an solchen Taten hat und wie sich die dadurch in den Fokus gerückten sogenannten Rechtspopulisten verhalten haben, beschreibt Michael Lausberg in der Besprechung des Buchs „Distanzieren Leugnen Drohen. Die europäische extreme Rechte nach Oslo“.

Während im skandinavischen Raum als Reaktion auf die begangenen Morde eine zum Teil kritische Aufarbeitung der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung stattfindet, bleibt diese Debatte in Deutschland weitgehend aus. Eine kritische Auseinandersetzung ist von politisch Verantwortlichen, die seit Jahrzehnten eine „extremistische“ Bedrohung an den Rändern der Gesellschaft beschwören, kaum zu erwarten. Dass hingegen viel zu lange die Gefahr „linker Gewalt“ – untermauert durch die „Extremismustheorie“ – in den Mittelpunkt gerückt wurde, verdeutlicht Ulrich Peters in seiner Rezension “Der politische Raum als Hufeisen”. Wie sich entgegen aller sachlichen Auseinandersetzungen zwei konservative „Extremistenjäger“ eine „linksextreme“ Gefahr auf 200 Seiten herbei schreiben, zeichnet Martin Brandt anhand des Buchs „Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr? Zwischen Brandanschlag und Bundestagsmandat“ nach. Dass staatlich-repressive Maßnahmen kein adäquates Mittel zur Bekämpfung extrem rechter Positionen sein können, dürfte zwischenzeitlich jeder_m deutlich geworden sein. Vielmehr bedarf es unabhängiger Strukturen, die frei von staatstragender Einflussnahme eine linke Gegenkultur etablieren. Wo diese stark ausgeprägt ist, haben es Neonazis und andere Rechte äußerst schwer sich zu etablieren. Orientierung für linke Gegenkultur bietet der von Tompa Láska besprochene Band „Antifa. Geschichte und Organisierung“.

In den weiteren aktuellen Rezensionen geht zunächst Patrick Schreiner in “Bildung als Reservekasse” den Konsequenzen der Kürzungen im Bildungsbereich nach, die aus der „Schuldenbremse“ der öffentlichen Haushalte resultieren. Sebastian Friedrich widmet sich dem Buch „Sex und Subversion“, welches emanzipatorische Potentiale von alternativen Pornofilmen aufzuspüren versucht. Enttäuscht zeigt sich Phillipe Kellermann von Michael Fischs Versuch einer Biographie Michel Foucaults. Eine Brücke zu unserem Schwerpunkt schlägt peps perdu, die sich der Frage von Geschlechterverteilung und Geschlechterbildern in der extrem Rechten anhand des Buches „Rechtsextremismus und Gender“ widmet. Wer sich für linke Geschichte und Politik in Südtirol interessiert, dem empfiehlt Gabriel Kuhn das ausführliche und umfassende Buch „rote milben im gefieder“.

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