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Eröffnungsblockade: Wackersteine im Bauch

Am Todestag von Oury Jalloh demonstrierten auch in diesem Jahr etwa 150-200 Menschen durch Dessau. Sie forderten Aufklärung und Gerechtigkeit und eine Anklage gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Mordes. Mit mitgetragenen Särgen erinnerten sie an die Namen weiterer Todesopfer rassistischer Gewalt: Dominique Koumadio, Halim Dener, Markus Omafuma, Mohammad Selah, Arumugasamy Subramaniam.
Foto: heba/Umbruch Bildarchiv
Ausführliche Darstellung der Situation des Jalloh-Prozesses: Prozessfarce statt rechtsstaatlichem Verfahren: Richterliche Ohrfeige ins Gesicht der Familie Jalloh. (Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Es kann einem passieren, dass man sich am Brunnenrand vorfindet, wie einst der Wolf. "Ich dacht, es wären sieben Geißlein in meinem Bauch, nun - dünkt mich - sind es bloß sieben Wackerstein". Und zwar solche, die einen herabziehen ins finstere Loch, eh man es sich versieht.

Gemeint damit: Innerhalb des Staatswesens, dessen Teil man nun einmal darstellt, gern oder ungern, empfindet einer immer deutlicher, nicht nur, dass vieles sich verbirgt. Sondern - dass die Methoden nicht mehr funktionieren, um im Prinzip herauszubekommen, was das sein könnte, das sich verbirgt. Einfach: Was los ist im Innern.

Beispiel: Jalloh-Prozess. Die normale juristische Methode, die Wahrheit und den Hintergrund zu erforschen, versagt, wenn eine ganze Polizei-Einheit geschlossen sich weigert, wahrheitsgemäße Zeugenaussagen abzugeben. Und zwar ganz unabhängig davon, ob der Tote Opfer einer staatlichen Mordtat oder "nur" dasjenige einer groben Fahrlässigkeit geworden ist. An der geschlossenen und konsequenten Aussageverweigerung bricht jede Wahrheitsforschung zusammen, die ohne körperlichen Zugriff erreichbar wäre. Die Einzelrichterin steht jetzt vor der Versuchung, das Prozessverfahren einstellen zu lassen. Ergebnis siebenjähriger Anstrengungen: eine geringe Bußzahlung für den angeklagten Polizisten. Mit anderen Worten: Null.

In größerem Umfang: Ergebnislosigkeit der Suche nach den wirklichen Tätern des NSU - "Nationalsozialistischer Untergrund". Wenn eine spezialisierte Gruppe wie der nationale und die föderalen Verfassungsschutze nach Jahren nicht einmal Fragen stellen können nach notwendig vorhandenen Mittätern, dann bleibt nur ein Schluss: es handelt sich nicht um Panne, nicht um Unfähigkeit, sondern um böse Absicht, also Schuld. Die Absicht, die Schuldigen anschließend die Schuld aufdecken lassen zu wollen, beweist dann weiter nur eins: Es soll nichts aufgedeckt werden.

Zu Ende gedacht führt das zu der Erkenntnis: der bürgerliche Staat funktioniert an verschiedenen Ecken nicht mehr. Er verschafft nicht mehr die versprochene Aufdeckung des Verborgenen.

Damit ist der Boden entzogen allen Theorien der bürgerlichen Justiz. "Lass nur die Gesetze walten/und du wirst dein Recht erhalten" Das eben findet nicht mehr statt.

Was dann?

Der Gedanke liegt nahe, dann eben die Sache in die - kollektive - eigene Hand zu nehmen - und per Steinwurf und Funkenschlag den überflüssig gewordenen Orten der Wahrheitsfindung ein böses Adieu zu bieten. Das macht zwar als Geste möglicherweise Spaß, aber erbringt keine weitere Erkenntnis. Der leere Bauch wird davon nimmer satt.

Im Geschichtsmüll wühlen! Da finden sich Beispiele. Als im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts, nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland, sich zunächst gegen den Hauptmann Dreyfus der Verdacht erhob, er hätte für die Deutschen spioniert, da sollte die Sache zunächst schnell per Militärgericht abgetan werden. Ersturteil: Verbannung auf die Teufelsinsel. Nach den engen Beweisregeln war die Sache damit erledigt. Kein Einwand mehr vorzubringen. (Wie jetzt im Fall Jalloh!) Und gelogen wurde nach Wunsch und Erwartung der Obrigkeit.

Der Weg, den die Gegner des Urteils fanden, erschöpfte sich nicht in Steinwurf und dem Angriff gegen bloße Steine. Es gelang - vor allem auch durch die Unterstützung des Schriftstellers Zola - das Verfahren im Kriegsgericht selbst zum Gegenstand der Empörung zu machen. Und zunächst nur zu dem eines verlangten Prozesses. Zola zwang mit seiner Schrift "J' accuse!" zunächst , Vertreter der Obrigkeit ihn persönlich wegen Beleidigung zu verklagen. Damit war die Möglichkeit des Weiter-Klagens auf einem umfassenderen Feld eröffnet. Um die Geschichte nicht zu sehr auszuwalzen: am Ende musste Dreyfus freigesprochen werden. So etwas geschah sicher nur selten. Aber immerhin: es geschah. Und verhinderte Jahre vor dem ersten Weltkrieg die sofortige Umwandlung der französischen Republik in eine Militärdiktatur.

Jalloh-Prozess einstellen? Von wegen. Juristisch feststeht bis jetzt: es ist kollektiv gelogen worden innerhalb der Polizeiverwaltung Dessau. Also müsste die ganze Verwaltung behandelt werden als ein der kriminellen Verabredung verdächtiges Institut. Es müsste nach Wegen gesucht werden, das ganze Institut in die kriminologische Untersuchung einzubeziehen. Anders werden wir die Wackersteine im Bauch gewiss nicht mehr los.

• Blog der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh"
• Blog der Prozessbeobachter
• Die "KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen"
• Umfangreiche Dokumentation beim Umbruch Bildarchiv
• Unser bisherigen Beiträge

101. internationaler Frauentag: "Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht."

Wir wünschen allen Freundinnen, Kolleginnen, Müttern, Töchtern, Schwestern, Großmüttern, Liebhaberinnen, Nachbarinnen, Gegnerinnen, Revolutionärinnen, Mädchen, ... einen kämpferischen internationalen Frauentag!

Der erste Frauentag wurde am 19. März 1911 in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz sowie den USA begangen. Allein in Berlin kamen etwa 45.000 Frauen zusammen, um sich für ihre Rechte stark zu machen. In den folgenden Jahren versammelten sich Millionen von Frauen zu den jeweils im Frühjahr organisierten Demonstrationen, Veranstaltungen und Aktionen. Schon 1912 kamen Schweden, Frankreich und Holland, 1913 Russland und die Tschechoslowakei dazu. Neben dem Wahlrecht forderten die Frauen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, Mutter- und Kinderschutz und protestierten gegen den imperialistischen Krieg. Das aktive und passive Wahlrecht wurde den Frauen in Deutschland im November 1918 durch den Rat der Volksbeauftragten zuerkannt.

In Europa beschloß die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (100 Delegierte aus 17 Ländern) auf Initiative von Clara Zetkin am 27. August 1910 in Kopenhagen (übrigens im Ungdomshuset) die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages für die Interessen der Frauen gegen mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung. Themen waren also die Gleichberechtigung der Frauen, ihr Wahl- und Stimmrecht, sowie der Kampf gegen den imperialistischen Krieg. Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. 1921 wurde auf der zweiten kommunistischen Frauenkonferenz, wiederum auf Initiative von Clara Zetkin, der internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt. Dieses Datum war eng mit den proletarischen Frauenkämpfen verbunden:

• Am 8. März 1857 streikten in New York Textilarbeiterinnen, gefolgt von einer Streikwelle in der Textil- und Tabakindustrie.
• Am 8. März 1908 kamen 129 streikende Arbeiterinnen der Textilfabrik "Cotton" in New York bei einem Brand ums Leben. Vom Fabrikbesitzer und den Aufsehern wurden die Frauen in der Fabrik eingesperrt, um zu verhindern, daß sie Kontakt zu ihrer Gewerkschaft aufnehmen. Sie hatten für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gekämpft.
• Am 8. März 1917 (russ. Kalender: 23. Februar) fand St. Petersburg ein massiver Streik der Textilarbeiterinnen gegen Krieg, Hunger und Zar statt. Nachdem weitere Sektoren ergriffen waren, kam es zum Generalstreik, der als Auslöser der Februarrevolution gilt.

"Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht." Clara Zetkin (1857 - 1933), Initiatorin des ersten Internationalen Frauentages stellte klar, dass eine wirkliche Befreiung der Frau untrennbar verbunden ist mit der Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung. Sie wendete sich aber auch gegen diejenigen, die meinten, diesen Kampf auf den St. Nimmerleins Tag verschieben zu können...



Bildquelle: Bildercache.de

Wir fordern dazu auf, an den Aktionen an diesem Tag teilzunehmen. Wie in vielen anderen Städten auch, organisieren linke AktivistInnen aus Stuttgart und Region Aktivitäten zu diesem symbolträchtigen Datum für den Kampf um die Befreiung der Frau und für eine solidarische und antikapitalistische gesellschaftliche Perspektive.

Siehe dazu: Frauenkampf heißt Klassenkampf! Aktionen zum 8. März
Mit Material von wloe.org und frauennews.de
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