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Tina Modotti: Fotografie und Kampf

Die Biografie einer Fotografin zu verlegen, ohne eines ihrer Bilder abzudrucken, geht das? Ja. Das zeigt die gerade im Wiljo-Heinen-Verlag erschienene Biografie der Fotografin Tina Modotti.

Modotti war jedoch mehr als nur Fotografin. Die Kommunistin und Antifaschistin gab das Fotografieren auf, um ihr Leben dem politischen Kampf zu widmen. Die Autorin Christiane Barckhausen empfand Modottis Leben anfangs als Widerstreit zwischen Kampf und Kunst. Mit der nähren Beschäftigung mit der Persönlichkeit wurde ihr jedoch klar, dass es bei Modotti keinen Widerstreit zwischen den beiden Polen gab, sondern sie beides lebte.

Geboren am 16. August 1896 in Udine (Italien) wächst Assunta Adelaide Luigia Modotti Mondini, genannt Tina, in einer Arbeiterfamilie auf, deren Leben von Armut geprägt ist. Im Alter von 17 Jahren folgt sie ihrem Vater nach San Francisco und arbeitet dort als Näherin. Es zieht sie nach Los Angeles, wo sie als Schauspielerin in drei Filmen mitspielte. Hier lernt sie den Fotografen Edward Weston kennen, der sie in die Welt der Fotografie einführt.

Anfang der zwanziger Jahre zieht sie nach Mexiko, wo sie selber mit dem Fotografieren beginnt und in Kontakt mit mexikanischen Künstlern, darunter dem weltbekannten Diego Rivera, kommt. Die nachrevolutionäre Situation in dem Land politisieren die Fotografin, deren Arbeiten ebenfalls politischer werden. Ihre Arbeiten erscheinen in verschiedenen linken Zeitungen und Zeitschriften.

1927 tritt sie der KP Mexiko bei, arbeitet unter anderem für die Rote Hilfe und organisiert die Solidaritätsarbeit für Nicaragua. Modotti beginnt eine Liebesbeziehung mit dem emigrierten kubanischen Revolutionär Julio Antonio Mella, der wenig später ermordet wird.
Die politische Situation verschärft sich, 1929 wird die KP verboten. Nach einem erfolglosen Mordanschlag auf den mexikanischen Präsidenten Pasqual Ortiz Rubio am 5. Februar 1930 wird Modotti und ihr Lebensgefährte Vittorio Vidali werden ausgewiesen. Über Rotterdam und Berlin kommen sie nach Moskau, wo die Kommunistin bei der Internationalen Roten Hilfe als Übersetzerin arbeitet. In Moskau hört sie auf dem Fotografieren. Ihre Arbeit für die Rote Hilfe führt sie nach Wien, Warschau, Madrid und Paris. Mit dem beginnenden Spanischen Bürgerkrieg reist sie 1936 nach Spanien, um dort am internationalistischen Kampf gegen den Faschismus teilzunehmen.

Nach dem Sieg Francos kehrt sie mit Vittorio Vidali nach Mexiko zurück, wo sie in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1942 einem Herzanfall erliegt.

Barckhausen legt mit "Tina Modotti. Den Mond in drei Teile teilen" eine gut lesbares Biografie vor. Und es gelingt ihr dazustellen, warum Kampf und Kunst eben kein Widerspruch im Leben Modottis waren, wie es viele Biografen gern unterstellen, wenn sie von den „hellen und dunklen Jahren“ (Fotografie und Politik) im Leben der Antifaschistin sprechen. Und wer mehr über die fotografische Arbeit Modottis erfahren möchte, dem sei die Modotti-Ausstellung in der jW-Ladengalerie empfohlen. Noch bis zum 16. März 2012 sind dort 40 Fotografien ausgestellt. Es ist die sechste Modotti-Ausstellung in Berlin überhaupt.

Christiane Barckhausen: "Tina Modotti. Den Mond in drei Teile teilen". Eine biographische Skizze. Wiljo-Heinen-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-939828-88-4, 152 Seiten, 12,00 €

Links:
- Tina Modotti: Fotografin, Revolutionärin und Internationalistin, mit Artikeln von Modotti
- Sammlung des San Francisco Museum of Modern Art
- Sammlung des Museum of Modern Art

kritisch-lesen.de Nr. 13 - Feministische Praxen

Foto: © Jörg Möller
Für kritisch-lesen.de beginnt das neue Jahr mit Redaktionszuwachs: Sebastian Kalicha und Ulrich Peters haben bereits in der Vergangenheit als Mitglieder des Autorinnen- und Sympathisantinnen-Kreises (ASK) die Redaktion punktuell als Rezensenten und in der Konzeption von Ausgaben bereichert, nun verstärken sie als feste Redaktionsmitglieder das Kollektiv.

Nach der Femme-Ausgabe vom Juni und der Ausgabe zu Entwicklungen feministischer Politiken vom Juli, verfolgt die erste Ausgabe des neuen Jahres zum dritten Mal eine explizit feministische Fragestellung. Dabei stehen feministische Strategien und Praxen in Feldern wie Sprache, Musik/Popkultur oder Frauengeschichtsschreibung im Vordergrund ebenso wie die Frage danach, wie feministische Theorie verschiedene Praxisfelder besser einbeziehen kann.

Ganz klar für eine weitergehende Beschäftigung mit Feminismus spricht sich Andrea Strübe in ihrer Rezension zu dem vom Herausgeberinnenkollektiv Affront veröffentlichten Buch Darum Feminismus! aus. Darin macht sie nicht nur die Notwendigkeit einer Kritik deutlich, die die gesellschaftlichen Verhältnisse adressiert, sondern auch einer, welche die eigene Verstricktheit in ebendiese Verhältnisse reflektiert. Als eine wichtige feministische Strategie kann die bewusste Verwendung von Sprache verstanden werden, insofern auch der Sprech- ein Handlungsakt ist, der diskriminierendes Denken (re)produziert. Dies analysiert der vom AK Feministische Sprachpraxis herausgegebene Band Feminismus schreiben lernen, den Peps Perdu genauer unter die Lupe genommen hat. In seiner Lektüre des 1984 erschienen Werkes Die Mystifikation des Sexuellen, in der Volkmar Sigusch die Verwobenheit von Geschlecht und Sexualität mit der kapitalistischen Produktionsweise analysiert, sieht Heinz-Jürgen Voß Anschlussmöglichkeiten für aktuelle (queer)feministische Praxen und Debatten. Martin Brandt unterstreicht anschließend in der Rezension Vom Erbe der Frauenbewegung die Schwierigkeit, auf die die Autorinnen Anne Lenz und Laura Paetau in ihrer Studie “Feminismen und ,Neue Politische Generation‘” stoßen – nämlich die aktuelle Feminist_in kohärent zu beschreiben. Sebastian Friedrich freut sich in seiner Rezension Sichtbar revolutionär nicht nur über neue Wandmotive, die der Band „Revolutionäre Frauen. Biografien und Stencils“ des Queen of the Neighbourhood Collective neben den entsprechenden Kurzbiografien gleich mitliefert. „Revolution Girl Style Now!” lautete hingegen eine der Parolen der feministischen Riot Grrrl Bewegung, die in dem Buch Riot Grrrl Revisited dokumentiert ist. Rezensent Ulrich Peters empfiehlt die Lektüre zur Vergegenwärtigung von Einfluss und Vermächtnis von Riot Grrrl.

Drei weitere Besprechungen widmen sich aktuellen Erscheinungen aus verschiedenen Themenbereichen. Mit Zapatismus in der Sprechblase beschäftigt sich die Besprechung von Kleine Geschichte des Zapatismus von Sebastian Kalicha, der dem Comic eine vielfältige und weitreichende Auseinandersetzung mit der Bewegung bescheinigt. Der in der deutschsprachigen Literatur eher unterbelichteten Rolle Frankreichs in postkolonialen afrikanischen Staaten geht die Publikation „Frankreich in Afrika“ nach. Stärken und Schwächen des Buches beleuchtet Ismail Küpeli in seiner Besprechung Das postkoloniale Afrika im Netz der Abhängigkeiten. Obgleich Sebastian Kalicha es in seiner Rezension zum Anti-Sarrazin von Sascha Stanicic begrüßt, dass eine weitere Kritik an der „Sarrazindebatte“ auf den Markt gekommen ist, erkennt er darin eher ein trotzkistisches Positionspaper denn eine sachlich-kritische Analyse der Thematik.

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