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Was mir heute wichtig erscheint #295

Erinnerungsarbeit: "Klar, die 68er hatten die bessere Presse. Aber das ist kein Grund, nicht an das Jahr 1980 zu erinnern. Dem Jahr der letzten Jugendrevolte." Beitrag von Stefan Laurin bei den Ruhrbaronen, via publikative.org

Zensurversuch:" Die Deutsche Bank droht mit rechtlichen Schritten und Schadenersatzklage gegen einen Film über Nahrungsmittelspekulationen, sollte nicht eine Passage des Pressesprechers Frank Hartmann herausgenommen werden. Der Pressesprecher wird dahingehend zusammengefasst, dass nicht die Händler von Banken, sondern die Menschen in Somalia für ihre Armut selbst verantwortlich seien. Daraufhin bestätigt Hartmann: „Natürlich sind die selbst schuld!“" Mehr zum Film und dem Ansinnen der Deutschen Bank beim "Zentrum für Politische Schönheit" via DFG/VK.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

Akteneinsicht: Das Thü­rin­ger Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz wurde am Donnerstag für drei Stun­den be­setzt. Ca. 40 Ak­ti­vis­tIn­nen dran­gen angesichts unverschlossener Türen in das Ge­bäu­de der Be­hör­de ein und for­der­ten: „Ich will meine Akten sehen“ oder „Ver­fas­sungs­schutz auf­lö­sen“. Dazu gibt es auch ein Video der Filmpiraten. Nicht zur Besetzung, sondern zur Mahnwache ruft die VVN-BdA Baden-Württemberg für den kommenden Montag 15:30 vor dem Landesamt für Verfassungsschutz auf.

Vorweihnachtsgeschenk: Die Neuseeländische Reggae-Band The Black Seeds verschenkt aktuell einen 8-Track Sampler, via den Kreuzberger Blogrebellen.

Sektenzustand: Das Ergebnis einer Unter­suchungskommission ist erschreckend: In den Niederlanden wurden zwischen 10.000 und 20.000 Kinder in katholischen Einrichtungen mißbraucht. Die Kirche habe zudem versucht, derartige Fälle aus Angst vor Skandalen zu vertuschen. Via Jörg Kantel, der auch viel Solidarität für seine juristische Auseinandersetzung mit der Sekte braucht, die er nicht mit dem bösen Wort mit "F" in Verbindung bringen darf.

Ausstand: Über Streiks in der "Volksrepubilk" China ist zum Teil wenig bekannt, wenn dann werden sie in den bürgerlichen Medien nach dem Motto: "Dort ist es auch nicht besser" im Sinne von T.I.N.A. antikommunistisch gewendet. Zwei Ausnahmen: LabourNet mit diversen Berichten zur Lage und entdinglichung mit einem Verweis auf eine Aufschlüsselung nach Regionen, Branchen, Streikursachen und Forderungen, Anzahl der Beteiligten sowie Unternehmenstyp.

Sylversterdemo: Das Jahr 2011 war ge­prägt von viel­fäl­ti­gen und kämp­fe­ri­schen lin­ken Mo­bi­li­sie­run­gen. Mit dem Wi­der­stand gegen Nazis und Ras­sis­ten, gegen Kriegs­trei­ber und --‹pro­fi­teu­re, sowie mit klas­sen­kämp­fe­ri­schen Ak­tio­nen gegen die Kri­sen­po­li­tik der Herr­schen­den und für die Über­win­dung des Ka­pi­ta­lis­mus, konn­ten Kämp­fe wei­ter­ent­wi­ckelt und linke Be­we­gun­gen ge­stärkt wer­den. Viele der Ak­ti­vi­tä­ten hat­ten je­doch mit einem aus­ufern­den Pro­blem zu kämp­fen: Staat­li­che Re­pres­si­on in ver­schie­dens­ten For­men. Für ein re­vo­lu­tio­nä­res Jahr 2012 gehen wir darum am 31. De­zember 2011 in Stutt­gart auf die Stra­ße. Wei­te­re Infos gibts auf dem De­mo--‹Blog.

Schutzbehauptung: "Seit etwa einem Jahr warnen wir, dass alle Webseiten, die Facebook-Buttons einbinden, ohne weiteres Zutun des Anwenders Informationen an Facebook senden, die der Konzern einer konkreten Person zuordnen kann. (...)" Wir haben zwar keinen Facebook Button aber verweisen trotzdem auf den Beitrag bei heise.security.

Infantil: In der neuen Broschüre "Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern" der Anti"extremismus"ministerin Christina Schröder "werden nicht nur Sparmaßnahmen der Regierung zu „Trugbildern“ uminterpretiert, sondern auch jeglicher Protest dagegen in die Nähe einer „extremistischen“ Gefahr gerückt." (Tom Strohschneider / Der Freitag)

Zentralbehörde: "(...) Das Versagen der Sicherheitsbehörden wird damit auf rein technische und administrative Aspekte reduziert, ohne an den politischen Grundmustern der Behörden etwas zu ändern. Das GAR lehnt sich in seiner Grundstruktur an das seit 2004 in Berlin-Treptow bestehende Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) an, das zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus gegründet wurde. Dort befinden sich die Vertreter aller beteiligten 38 Sicherheitsbehörden auf einem gemeinsamen Gelände. Das GAR soll nun ausdrücklich keinen gemeinsamen Standort für alle beteiligten Behörden haben – das wird mit dem Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten begründet, das beim GTAZ offenbar keine Rolle gespielt hat. Allerdings soll die räumliche Trennung dabei ein vernachlässigbarer Umstand sein, der schon durch die gemeinsamen Foren wieder ausgeglichen werde. Der eigentlich entscheidende Verstoß gegen das Trennungsgebot liegt darin, daß die Polizei Zugriff auf geheimdienstlich gewonnene Erkenntnisse bekommt, und andererseits die Geheimdienste die repressiven Maßnahmen der Polizei wesentlich beeinflussen können. Das war schon beim GTAZ und ist nun auch beim GAR möglich. (...)" Ulla Jelpke in der Tageszeitung "junge Welt" zu einer Zusammenlegung zweier Behörden, die nicht zusammengehören dürfen.

Insolvent: Mit einer Lichterkette haben die Beschäftigten des insolventen Druckmaschinenkonzerns Manroland im sächsischen Plauen für den Erhalt des Unternehmens demonstriert. (Neues Deutschland). Die IG Metall Verwaltungsstellen Offenbach, Augsburg und Zwickau rufen dazu auf, sich für die Sicherheit der Arbeitsplätze bei manroland einzusetzen.

Hautnah: Verflechtungen der Globalisierung am Beispiel von Kleidung vor dem Hintergrund aktueller Handelsrouten und Wirtschaftsgefällen untersucht das Essay von Simone Münzer auf IndyMedia.

Krankengeldanspruch: "Lieber krank feiern als gesund schuften" hieß es in bestimmten Kreisen in den 70er Jahren. Inzwischen sind nicht nur die Diagnosemethoden der ÄrztInnen besser geworden und das Risiko, sich damit Betrugsverdacht auszusetzen, sondern hat auch der Leistungsdruck und die -verdichtung zugenommen. Langzeiterkrankten stellt sich oft die Frage, woher das Geld während der Zeit kommt. Die IG Metall Baden Württemberg verweist zu dieser Frage auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG Urteil vom 21.06.2011 - B 1 KR 15/10 - in AuR 2011, 434)"Krankengeld gibt es im Anschluss an die Entgeltfortzahlung nach § 48 Abs. 1 SGB V grundsätzlich "ohne zeitliche Begrenzung"; längstens für maximal 78 Wochen "innerhalb von je 3 Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an". Was gilt, wenn innerhalb der 3-Jahres-Frist sich eine andere Krankheit, die ebenfalls über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus andauert, sich anschließt. Das BSG hat entschieden, dass dann, wenn innerhalb der 3-Jahres-Frist ab Beginn der ersten AU und Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, unmittelbar danach eine andere AU auftritt, die länger als 6 Wochen andauert, wieder den Anspruch auf Krankengeld auslöst. Auch hier besteht dann der Anspruch für längstens 78 Wochen."

Beugehaft im Strafrecht: Erpressung! Freiheit für Christa Eckes!

Hohenasperg Justizvollzugskrankenhaus
Quelle: Wagner Tobias
Lizenz: CC-by-sa 3.0/de
"Beugehaft ist eine staatliche Strafmaßnahme vor allem im Bereich der Zwangsvollstreckung, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Strafprozesses. Sie soll bei Personen bestimmte Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen durch Ordnungsstrafe in Geld oder durch Haft erzwingen" (RP Online)

Wenn wir uns mal - experimentell - auf den Standpunkt des Gesetzgebers stellen, springt ein Unterschied zwischen der Anwendung des Gesetzes in Fällen des Zivilrechts und des Strafrechts sofort ins Auge. Bei Anwendung der Aussage-Erzwingung gegen z.B. einen Schuldner findet wenigstens imaginär eine Abwägung statt. Der Beugeverhaftete kann abwägen: ist ihm das Eingesperrtsein auf die Dauer lästiger - oder die Preisgabe eines bisher Geheimgehaltenen? Dass solche Entscheidungs-Positionen natürlich in der Regel Illusion bleiben, muss der entsprechende Gesetzgeber verdrängen. Aber er kommt immerhin zu einem rein logisch nachzuvollziehenden Schluss, der sich für Nachdenkfeinde angemessen anhört.

Wie steht es aber im Strafrecht? Vor allem in den letzten bekannt gewordenen Fällen, die sich fast alle gegen ehemalige Angehörige der RAF oder entsprechender Organisationen bezogen? Wird da etwa verfügt: Du sagst jetzt alles, was Du weißt - oder du bleibst in Haft, dann entfällt die bürgerliche Form des Abwägens von vornherein. Die erwartete Aussage richtet sich in der Regel gegen die ehemaligen oder gegenwärtigen Kampfgenossinnen und -genossen. Da hört alles Abwägen auf. Entscheide ich mich für Unterwerfung, für Nachgeben, für Aussagen - habe ich nicht ein "Gut", einen "Vorteil" erwählt, sondern einfach: Vernichtung. Den Zusammenhalt angesichts einer gemeinsamen Geschichte aufgeben, heißt: alles aufgeben. Nichts mehr übrigbehalten.

Das mag vielleicht erklären, warum auch der niederschlagende mitleidlose Staat die Strafe auf ein halbes Jahr begrenzt. Von der Logik her wäre lebenslänglich angebracht. Ein letzter Rest von Scham vor der totalen Vernichtung des Ausgelieferten hat die Beugehaft auf ein halbes Jahr begrenzt.

Vernichtung darf in der bürgerlichen Gesellschaft - einer der Achtung selbst der strafverfallenen Person - zwar betrieben, aber nicht offen einbekannt werden. Also widerspricht Beugehaft den häufig bekannten Prinzipien selbst des bürgerlichen Staates. Beugehaft muss weg!!

Der besondere Fall der geplanten Beugehaft gegen Christa Eckes
Das Oberlandesgericht hat in letzter Minute ein Einsehen gezeigt und die Beugehaft aufgeschoben, nicht etwa aufgehoben. Die Erkenntnis, dass das berüchtigte Hohenasperg als Spital keine geeigneten Mittel zur Leukämiebehandlung bieten kann, hat den Aufschub bewirkt. Was natürlich an der grundsätzlichen Kritik an Verfahren dieser Art nichts ändern kann.

Wie eine kurze Recherche zeigt, ist Christa Eckes zum zweitenmal angegriffen worden durch angedrohte Beugehaft. Vor einem Jahr schon einmal. Wichtig der letzte Satz der SPIEGEL-Information: "Da Eckes zum Zeitpunkt der Morde an Buback und Schleyer im Jahr 1977 im Gefängnis saß, geht es den Bundesanwälten offenbar um Informationen über die im vergangenen Jahr getroffene Absprache unter Ex-RAF-Mitgliedern, keine Aussagen zu den alten Taten zu machen." (DER SPIEGEL 22/2010)

Damals also der gezielte Angriff gegen Verteidigungsstrategien der Angeklagten. Sie sollten genötigt werden, ihre Vorgehensweise gegen die Anklage offenzulegen. Schon das wirft ein vernichtendes Licht auf die Achtung, die hier dem Prozessgegner im politischen Verfahren entgegengebracht wird. Es darf diese Achtung gegenüber dem markierten Feind nicht mehr geben.

Die neue Drohung gegen Eckes beruht dagegen auf einer Nachfrage, was denn sie mit der beschuldigten Verena Becker für Mitteilungen ausgetauscht habe über die tatsächlich an der unmittelbaren Tat der Bubacktötung beteiligten Personen.

Was offenlegt: die Begründungen sind so willkürlich wie seinerzeit die Urteile im Prozess um den Buback-Mord. Mitgefangen, Mitgehangen. Es wurde überhaupt nicht nach dem individuellen Tat-Beitrag gefragt. Die Absicht, die hinter den total verschiedenen Begründungen steht, ist allerdings immer die gleiche: Ausradieren des letzten Widerstandes gegen die Staatsgewalt.

Und das darf nicht nur solche angehen, die die Meinungen und Absichten von Christa Eckes teilen. Es muss allen Angst auf die Seele packen, die in weiterer oder näherer Zukunft damit rechnen müssen, selbst vor Gericht zu stehen. Und allen weiteren, die bei diesen Gelegenheiten das Wegkippen bisheriger Rechtsgarantien befürchten.

Und wer kann das für sich mit Sicherheit ausschließen?
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