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Rezension zum Handbuch "Soziale Bewegungen und Social Media"

Web 2.0 und soziale Bewegungen -“ ein Handbuch
Jonas Pohle

SBSMInformationen über die sozialen Proteste in Israel oder die "Occupy Wall Street"-Bewegung in den USA verbreiteten sich zuerst nicht über die klassischen Medien, sondern über das Internet, über Twitter, Facebook, das Fotoportal Flickr und das Videoportal Youtube. Wie diese "Social Media"-Instrumente für unternehmerische Zwecke in den Bereichen Marketing oder PR eingesetzt werden können, darüber gibt es mittlerweile Bücher wie Sand am Meer. Mit "Soziale Bewegungen und Social Media" hat der Wiener ÖGB-Verlag nun das erste Handbuch zum Einsatz sozialer Medien und Netzwerke für soziale Bewegungen veröffentlicht.

Die Herausgeber stellen ihren Anleitungen zahlreiche Fallbeispiele voran. Die Bloggerin Anne Roth beschreibt, wie sie zu ihrem Blog "annalist" kam, auf dem sie sich vorrangig mit den Themen Überwachungsstaat und Bürgerrechte beschäftigt. Alles begann nach der Verhaftung ihres Lebensgefährten Andrej Holm. Der Stadtsoziologe wurde unter dem Vorwurf, Mitglied der "militanten gruppe" zu sein, brutal verhaftet. Um ihn und seine Familie spannten die Geheimdienste ein dichtes Überwachungsnetz. Roth begann in ihrem Blog die Erlebnisse zu beschreiben und zu verarbeiten und stieß damit auf ein ernormes Interesse.

Als im Oktober 2009 das Audimax der Universität Wien besetzt wurde, war dies ein Startschuß für Studierendenproteste an anderen österreichischen, aber auch deutschen Universitäten, die von Anfang an über soziale Netzwerke weitergetragen wurden. Wolfgang Lieb, einer der Macher hinter dem Weblog nachdenkseiten.de, erklärt im Interview die Bedeutung von Gegenöffentlichkeit.

Daß es eben nicht ausreicht, eine gute Idee und eine Internetseite zu haben, wird am Fallbeispiel der Hungerlohnpartei-Kampagne von ver.di deutlich. Mit einer durchaus gelungenen Plakataktion im Vorfeld der letzten Bundestagswahlen prangerte die Gewerkschaft die ablehnende Haltung der Unionsparteien und der FDP gegen einen Mindestlohn an, fand aber im Internet und in sozialen Netzwerken so gut wie keine Reaktion. Hier fehlte die entsprechende Vernetzung.

Neben praktischen Ratschlägen für eigene Internetseiten und "Social Media"-Konten beschäftigen sich die Autoren auch mit grundsätzlichen Fragen wie Datensicherheit, Datenschutz und Umgang in der Netzgemeinde. In mehreren Beiträgen stellen Autoren Wege vor, wie sich Datensicherheit mit der Verschlüsselung von E-Mails und Dateien realisieren läßt. Dem Thema Videos, Mobilisierungsclips und Livestreams ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Mit diesem Band begibt sich der gewerkschaftliche ÖGB-Verlag auf neue Wege. Die Kommunikation der Autoren, die Diskussionen über die einzelnen Beiträge, das Korrekturlesen usw. liefen zum großen Teil über das Internet. Das komplette Buch ist auch kostenlos online abrufbar.

Die Nutzung von Facebook, Twitter und Co ersetzt nicht den Protest auf der Straße, gewinnt jedoch eine wichtige Bedeutung bei der Verbreitung von Informationen und der Mobilisierung. Wie das genutzt werden kann, zeigt das Handbuch auf.

Hans Christian Voigt, Thomas Kreiml (Hrsg.): Soziale Bewegungen und Social Media. Handbuch für den Einsatz von Web 2.0. ÖGB-Verlag, Wien, 2011, 396 Seiten, 29,90 Euro, ISBN: 978-3-7035-1462-3, www.sozialebewegungen.org


Quelle: junge Welt, 7.11.2011

kritisch-lesen.de Nr. 11 - "Debatten und Praxen des Anarchismus"

Am 1. November erschien die 11. Ausgabe von kritisch-lesen.de. Schwerpunkt diesmal: "Debatten und Praxen des Anarchismus".

Schwerpunktmäßig geht es in acht von insgesamt zwölf Rezensionen um Debatten und Praxen des Anarchismus. Die elfte kritisch-lesen-Ausgabe ist der erste Teil eines (vorläufig) zweiteiligen Schwerpunktes zum Thema Anarchismus. Er ist auch der erste Schwerpunkt, der überwiegend von Autor_innen aus dem Autor_innen- und Sympathisant_innen-Kreis (ASK) geplant und zusammengestellt wurde. Der zweite Anarchismus-Schwerpunkt -“ soviel sei vorweg verraten -“ wird im April 2012 erscheinen und sich mit „Zeugnissen“ des Anarchismus beschäftigen. Darunter verstehen wir (Auto)biografien, Memoiren, Werksammlungen, Tagebücher, etc. Die erste Anarchismus-Ausgabe beschäftigt sich mit vielerlei unterschiedlichen Debatten und Praxen des Anarchismus und ist ebenso pluralistisch und heterogen wie der Anarchismus selbst.

Den Beginn macht Sebastian Friedrichs Rezension Sehhilfe für Vielschichtigkeit des Anarchismus über das Buch Hier und Jetzt von Uri Gordon. Das Buch und die Rezension nähern sich der gegenwärtigen anarchistischen Bewegung im Kontext der globalisierungskritischen Bewegung von vielen verschiedenen Richtungen und Blickwinkeln. Weiter geht es mit einem zweiten Buch voll anregender Reflexionen zum Anarchismus in Theorie und Praxis: Regina Wamper stellt in Verteidigung des Anarchismus Überlegungen zu Gabriel Kuhns Buch Vielfalt -“ Bewegung -“ Widerstand an. Um dem Vergessen weniger bekannter Anarchist_innen entgegenzuwirken, hat der Wanderverein Bakuninhütte e.V. eine Gedenkschrift zu Fritz Scherer veröffentlicht. Sebastian Kalicha bespricht diese Schrift in Der Anarchist und der Alpenverein. Etwas theoretischer wird es bei Gabriel Kuhns Rezension Anarchismus Old School zu Hans Jürgen Degens Buch Das Paradies ist offen, in der Kuhn die Frage stellt, wie innovativ die in dem Buch dargelegten Gedanken tatsächlich sind. Eine historische und theoretische Abhandlung zum Anarchafeminismus -“ einem besonders wichtigen Thema in der anarchistischen Bewegung -“ findet sich in Der doppelte Kampf von Regina Wamper: Sie bespricht das deutschsprachige Standardwerk zum Thema von Silke Lohschelder, Liane M. Dubowy und Inés Gutschmidt. Gabriel Kuhns zweite Rezension Vorkriegsantifa beschäftigt sich mit einem historischen Thema des deutschen Anachosyndikalismus: der anarchosyndikalistischen Arbeiterwehr Schwarze Scharen, die gegen den Faschismus in Deutschland Widerstand leistete. Philippe Kellermann hat schließlich die bahnbrechende Studie zu Bakunins Konflikt mit Marx von Wolfgang Eckhart rezensiert, wobei er nach der Lektüre satter 1239 Seiten zu einer Reihe interessanter Schlussfolgerungen kommt. Wie dieser epochale Aufeinanderprall zweier unterschiedlicher Auffassungen des Sozialismus in einem anderen Teil der Welt tragische Realität wurde und welche Auswirkungen dies hatte, bespricht Sebastian Kalicha in seiner Rezension Bakunin versus Marx auf kubanisch.

Darüber hinaus hat die Redaktion vier weitere Rezensionen zu anderen Themen ausgewählt. Zunächst bespricht Heinz-Jürgen Voß in Vom Gay Pride zum White Pride den von Koray Yilmaz-Günay herausgegebenen Band „Karriere eines konstruierten Gegensatzes: zehn Jahre -šMuslime versus Schwule-™“, in dem die Autor_innen am Beispiel Berlin rassistische Entwicklungen nachzeichnen, wenn etwa Kriege und Menschenrechtsverletzungen mit dem Kampf für Rechte von Homosexuellen und Frauen begründet werden. Anschließend richtet Fritz Güde anhand des Buchs Die arabische Revolution? von Bernhard Schmid den Blick auf Nordafrika und die Frage, wie sich die Lage dort fern von vorherrschenden Medienberichten darstellt. Adi Quarti geht in Gewalt und Nichtstun Slavoj Zizeks „abseitigen Reflexionen“ zu Gewalt auf den Grund. Schließlich kritisiert Fritz Güde in Entbeintes in Brühe Götz Alys Versuch, den deutschen Antisemitismus aus dem Neid zu erklären.

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Hier gehts zur Ausgabe: http://www.kritisch-lesen.de/2011/11/debatten-praxen-des-anarchismus/
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