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Völkisch denken! Burschenschaftler im Gefolge des Nazi-Chef-Denkers Best!

Wir wollen nicht gleich den Untergang Deutschlands beschwören - und des gesitteten Europäertums, das bei uns auch die mehr rechts gesonnenen Mitbürgerinnen und Mitbürger trainiert haben. Interessant ist es trotzdem, was inzwischen in fast allen Blättern aus den Kreisen der Burschenschaften gemeldet wird. Man hält die allesamt ja für rechtsgestrickt. Aber wenn unter denen schon mal was unangenehm auffällt... Da wollen offenbar ein paar härter Gesottene als andere den Verein ihrer Mannheimer Kameraden ausschließen, weil die - wegen sonst bewiesener tapferer Gesinnung und Vernarbung - einen Kommilitonen reulos aufgenommen haben und behalten wollen, der ganz offenbar chinesische Gesichtszüge trägt - von entsprechenden beiden (!)  Eltern her. Und da kramten die Antragssteller schon wieder das Aufnahmekriterium der Herkunft aus Kisten, die ihnen vielleicht selbst dem verkrumpelten Inhalt nach nicht völlig bekannt sind.

Nach verschiedenen Meldungen soll es dieses Mal zwar nur noch um europäische Herkunft gehen, nicht mehr um die rein deutsche wie in den zwanziger Jahren. Bei nur "deutsch" kämen die jugendlichen Ahnenforscher zu schnell in die Klemme. Man denke nur an den Fall, dass Nachkommen der strengdeutschen Autoren Chamisso und Fontane sich zur Aufnahme meldeten? Die waren ja Hugenotten reinsten Wassers. Aus Frankreich seit ein paar mickrigen Jahrhunderten eingeschleust. Als Söhne eines sonst untadeligen Vaters hätten auch andere nichts zu lachen. Sarrazins stammen schließlich aus der gleichen Gegend. An die in Burschenschaften einst und vielleicht jetzt noch vertretenen Söhne ehemals herrschender Häuser wollen wir gar nicht erinnern. Waren die Habsburger und die Bourbonen nicht sogar immer wieder russisch versippt?

Erinnert seien die Vorkämpfer der Reinheit des Blutes aber vor allem an einen ihrer erfolgreichsten Vorläufer: Werner Best aus Frankfurt, einer der führenden Ideologen des praktisch organisierten NS-Staates.

Er war, wie sein Biograph Ulrich Herbert treffend herausarbeitete, einer der ergiebigsten Organisatoren des NS-Staates. Schließlich Reichsstatthalter im besetzten Dänemark - und dann - nach dem Fall - keineswegs bußfertig, sondern Reorganisator neuer rechter Bünde im Rahmen der FDP Nordrhein-Westfalen, bis ihm die englische Besatzungsmacht einen dicken Strich durch die Rechnung zog.
Schließlich Berater in allen möglichen Prozessen wegen Kriegsverbrechen. Selbst nie einem Prozess unterzogen.

Und was war das erste Verdienst dieses Mannes, noch vor einem Umsturzplan, den "Boxheimer Dokumenten", der ihn am Ende der Weimarer Republik bekannt machen sollte?

Als Student setzte er im Rahmen der verschiedenen Burschenschaften und Bünde "deutsche Abstammung" als Alleinstellungsmerkmal durch. Wer nicht deutsch, der nicht Bursche. Das war damals natürlich in erster Linie antisemitisch gemeint, wurde aber auch ohne weiteres gegen irgendwelche Tschechen durchgedrückt, die verblendeterweise gern beim Säbelfechten und zeremoniösen Saufen mitgemacht hätten.

Zur Ehre des preußischen Kultusministeriums darf nicht unerwähnt bleiben, dass dieses die abstammungsfrohen Verbände nach bescheidenen Möglichkeiten bekämpfte. Nur hatten sie unter entsprechend ausgerichteten Richtern und Staatsanwälten keine großen Zugriffschancen. Insgesamt blieben die Studenten unter der Klammer des einzigen Eintrittsrechts für Treudeutsche - um nicht "treudoofe" zu sagen -, völkisch ausgerichtet. Und stand in den Hauptformationen schon geraume Zeit vor 1933 treu hinter allem Völkischen, wer immer dort sich auch zum Führer herausmendeln sollte. (Studentinnen gab es damals noch zu wenige, als dass sie ins Gewicht hätten fallen können. Und als "Couleurdame" war so manche damals sicher auch schon völkisch halbwegs einbezogen).

Wie gesagt: Nicht gleich den Untergang des wohlgesitteten Deutschland an die Wand malen! Nur: Peinlich ist es auf jeden Fall, dass in den maßgebenden vaterländischen Verbänden so wenig Erinnerungskraft sich findet, dass diese sich freiwillig so unvermeidlichen Verdächtigungen aussetzen.

Bewegte Blicke

ak wantok (Hg.)
Perspektiven autonomer Politik

Im Sammelband wird umfassend und abwechslungsreich der Ist-Stand der autonomen Bewegung im deutschsprachigen Raum nachgezeichnet.
Widerstände haben unterschiedliche Inhalte, Ausdrucksformen und Zielsetzungen. Anhand der Geschichte der radikalen Linken lässt sich zeigen, wie je nach Wissenstradition und Positionierung scheinbar entgegenstehende Wege betreten wurden. Eine häufig gestellte Frage seit jeher war die nach der Organisationsform: Partei oder Bewegung? Die Konfliktlinien verlaufen keineswegs nur entlang der Grenze von „Traditionsmarxismus“ und Anarchismus. In Deutschland entstand aus den Erfahrungen der Siege und Niederlagen um 1968 und unter dem Eindruck internationaler Kämpfe in den 1970er und 1980er Jahren die sogenannte Autonome Bewegung. Sowohl im Mainstream als auch bei manchen radikalen Linken werden seitdem Zerrbilder dieser Bewegung gezeichnet und nachgebildet. Die Klischees änderten sich mit der Zeit: Aus Terroristen wurden Hausbesetzer, bevor sich alle anschließend im schwarzen Block wiederfanden.

Der vom AK Wantok herausgegebene Band „Perspektiven autonomer Politik“ räumt mit diesen Bildern auf und zeigt das umfassende Spektrum an Themen auf, um die sich die vergangenen und aktuellen Diskussionen drehen. Die Themen der über 50 Texte reichen von „Politik und Alltag“, „Freiraumpolitik“, „Organisationsformen“, „Taktiken“, „Internationalismus“ bis hin zu bekannten und mittlerweile meist nur noch gähnend langweiligen Debatten zwischen „Anti-Imps“ und „Anti-Deutschen“. Gestaltet sind die einzelnen Beiträge zudem nicht vom AK Wantok allein, es kommen in Interviews zahlreiche Aktivist_innen zu Wort. Diese Perspektivwechsel belegen eines: Autonome Politik ist vielseitig und nicht auf wenige Punkte zu begrenzen. Die Herausgeber_innen stellen in der Einleitung klar, die Auswahl der Themen „hätte zweifelsohne eine andere sein können“ (S. 13). Es gelingt ihnen dennoch einen umfassenden Blick über die Trümmer und Errungenschaften der Bewegung und den Ist-Stand zu offenbaren. Sie widerstehen glücklicherweise der Versuchung, eine Definition vorzunehmen, denn „einheitliche Glaubensgrundsätze autonomer Politik hat es noch nie gegeben, und das macht einen großen Teil der Attraktivität und historischen Stärke der Bewegung aus.– (S. 8) Als gemeinsamer Bezugspunkt könne dennoch ein libertär linkes Grundverständnis, das auf individuelle und kollektive Freiheit abzielt, betont werden.

Es liegt auf der Hand, dass es bei den Kämpfen für Freiheit, Solidarität und Selbstbestimmung nie nur um Praxis oder Theorie geht. Dennoch zieht sich die Frage nach dem Zusammenhang von Theorie und Praxis durch den Band. Wolf Wetzel (L.U.P.U.S.-gruppe) meint zur Rolle der Theorie, dass eine Analyse nicht dazu da sei, „die Wahrheit gefunden, sondern einen Faden gelegt zu haben, an dem man sein Tun ausrichtet“ (S. 26). Er kritisiert das gegenwärtige Verhältnis von Theorie und Praxis und beschreibt diese als „zwei völlig fremde und selbstverliebte Universen“ (S. 30).

Antirassistische und antisexistische Praxen


Dieses Problem zeigt sich zum Beispiel beim Thema Rassismus. Dort hat sich vor allem im universitären Rahmen in den letzten Jahren mit der Kritischen Weißseinsforschung einiges innerhalb der Linken getan. Problematischerweise wird kaum über diesen Rahmen hinaus agiert, was auch Katrin Landesfeind in einem Interview thematisiert. Die Aktivistin Verena schildert in einem Gespräch außerdem sehr anschaulich, wie sich institutionalisierte antirassistische Lohnarbeit mit autonomer Politik verbinden lässt –“ und wo die Grenzen liegen. Der Reformismus-Vorwurf, der bei der Arbeit in breiten Bündnissen hin und wieder aufkommt, sei eine „unproduktive Dichotomie“, denn realpolitische Kampagnen wie die gegen die Residenzpflicht seien „kein Gesichtsverlust, kein Eingeständnis an den Staat und Verlust radikaler Ideale. Es ist Solidarität. Wie kann so etwas im Gegensatz zu radikaler Politik stehen?“ (S. 298) Außerdem werden in dem Antirassismus-Kapitel zwei Texte der Antifa Genclik aus den Jahren 1989 und 1995 dokumentiert. In letzterem reflektiert das Gründungsmitglied Ercan Yasaroglu die Gründe für die Auflösung der Gruppe. Das Papier zeigt, wie notwendig Reflexionen innerhalb der weiß-dominierten autonomen Bewegung sind. In einem das Kapitel abschließenden Gespräch machen drei migrantische Aktivist_innen auf strukturelle Probleme innerhalb der autonomen „Szene“ aufmerksam. Auf die Frage, warum die „Szene“ so weiß sei, wird z.B. darauf verwiesen, dass es sich vornehmlich um ein „sozial-strukturelles und subkulturelles Problem“ handele (S. 320). Die „Szene“ sei an vielen Orten sehr homogen und klein, was den Einstieg problematisch mache. Außerdem sei oft eine eurozentristische Sichtweise vorzufinden.

Im Kapitel Geschlechterverhältnisse / Sexualität wird –“ der auch bei radikal Linken vorhandene –“ Sexismus diskutiert. Es geht beispielsweise um Paternalismus, der die Aktivist_innen immer wieder vor die Frage stellt, welche Rolle Männer in Frauenpolitik spielen sollen und können. Oder die Frage der Definitionsmacht –“ dem Recht der Betroffenen sexualisierter Gewalt zu definieren, was sexualisierte Gewalt ist –“ zu dem es laut dem AK Wantok „einfach keine Alternative gibt.“ (S. 124) Auch der Vorwurf der Identitätspolitik von feministischer Arbeit, der häufig aus queeren Zusammenhängen fällt, wird unter mehreren Gesichtspunkten vor allem vom Antisexismusbündnis Berlin betrachtet. Die Infragestellung und Dekonstruktion binärer Geschlechternormen sei zwar ungemein wichtig, aber es wäre „Quatsch zu behaupten, dass Geschlechterkategorien mitsamt ihrer macht- und gewaltvollen Dimension keine Rolle spielen.“ (S. 149) Konsens aller Beiträge ist, dass der antisexistische Kampf nicht nur nach außen, sondern auch nach innen wirken muss –“ reflexiv und solidarisch.

Kapitalismus und Metropolen


In den beiden Kapiteln zu Antimilitarismus und Antikapitalismus zeigt sich, wie sich unterschiedliche Ansätze im Kampf gegen Prekarisierung und Militarisierung herausgebildet haben. Ein Verwerfen der Theorie des Hauptwiderspruchs, nach der die Ökonomie die Ursache allen Übels ist, führte nicht dazu, dass die Kritik am Kapitalismus in der autonomen Bewegung keine Rolle mehr spielt. Selbst wenn die Grenzen der Autonomie auch mal strapaziert werden –“ wichtig ist auch hier Vernetzung und praktische Solidarität.

Neben diesen erwartbaren und dennoch nicht langweiligen Feldern, finden sich im Buch Themen, die bisher wenig Berücksichtigung in den einschlägigen Zeitschriften und Diskussionszirkeln fanden. Besonders empfohlen sei an dieser Stelle das Kapitel zur Metropolenpolitik. Anhand mehrerer Interviews mit Menschen, die die Bewegung sowohl aus städtischen wie aus ländlichen Wohnzusammenhängen kennen, wird deutlich, dass autonome Politik auf dem Land spezifischer an die Lebensbedürfnisse anknüpft. Hier kann autonome Arbeit direkt die kollektiven und individuellen Bedürfnisse erfüllen und alltagssolidarische Netzwerke sind mitunter unabhängiger. Im Gegensatz zum Leben in der Stadt ermöglicht das Landleben eher direktere Kommunikation mit Menschen außerhalb der bekannten Kreise, wodurch linke Themen breiter platziert werden können. Außerdem werden Erfahrungen von Menschen geschildert, die vom Land in die nahezu mystifizierten „Szenen“ in den Städten eintauchen wollten und sich mit Verschließungen und „metropolenautonome[r] Szenearroganz“ (S. 162) konfrontiert sahen.

Positionen und Perspektiven


In der Einleitung wird ein ursprünglich 1981 in der radikal erschienenes und 1995 überarbeitetes Thesenpapier dokumentiert, in dem versucht wurde, eine Positionsbestimmung der autonomen Bewegung vorzunehmen. Demnach gehe es beispielsweise um eine Politik der ersten Person (Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung), den Zusammenhang von Reform und Revolution, die Aufhebung der entfremdeten Arbeitsverhältnisse, die Herstellung von Gegenmacht sowie um Freiräume, Reflexion und die Abkehr von parteiförmigen Organisationsstrukturen und den Staat als positiven Bezugsrahmen. Am Schluss des Sammelbands präsentiert der AK Wantok „21 Thesen zur Zukunft der autonomen Bewegung“. Diese können als Erweiterung des Thesenpapiers von 1981/1995 gelesen werden. Die Herausgeber_innen appellieren für den Aufbau und den Erhalt von autonomen Strukturen, da dies Orte für „subversive Gegensubjektivierung“ seien (S. 402). Die eigene Homogenität, die sozialen Positionen und Privilegien müssten hinterfragt werden, um sich öffnen zu können und um Unterdrückungsverhältnisse wie Sexismus und Rassismus auch innerhalb der autonomen Bewegung bekämpfen zu können. Ebenfalls viel Raum wird der Unterschiedlichkeit eröffnet:

„Fatal für eine undogmatische radikale Linke wäre eine Gegennormierung, die ebenso wie gesellschaftliche Normierung Gewalt ausübt. Wollen wir nicht nur den König vom Pferd ziehen, sondern auch das Pferd befreien, kann es nur um Pluralisierung, Perspektivierung und Entideologisierung gehen.“ (S. 403)

Das beinhalte eine Abkehr von Ein-Punkt-Politik. Vielmehr sollte es darum gehen, die verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse zusammen zu denken und deren gegenseitige Stützen und Verschränkungen zu analysieren und zu bekämpfen. Dazu gehöre auch, das gemeinsam erarbeitete Wissen weiterzugeben –“ ohne einem Wahrheitsanspruchs zu erliegen. Bei der Weitergabe von Wissen und in den laufenden Diskussionen sollte sich um einen intellektuellen Diskurs bemüht werden, wobei die sprachlichen Zugangsbarrieren so niedrig wie möglich gehalten werden müssten. Doch –“ so wird schließlich festgestellt –“ seien Thesen bedeutungslos, „wenn sie keinen realen Ausdruck finden. Dies ist als Aufforderung zu verstehen. Eine Bewegung, die sich bewegt, wird weitergehen!“ (S. 406)

Das gezeichnete Bild der autonomen Bewegung lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Vielleicht erscheint es für manche schief, für andere verschwommen, von manchen Seiten farblos, von der entgegengesetzten Seite knallbunt. Perspektiven autonomer Politik zeigt offensiv und in sehr verständlicher und ansprechender Weise Facetten der Geschichte und Gegenwart autonomer Politik auf. Zukunftsgerichtete Perspektiven werden jedoch nur angedeutet. Perspektiven also eher im Sinne der Bedeutung „Hindurchsehen“ und „Hindurchblicken“ verstanden. Fokussiert werden die unterschiedlichen Blickwinkel und Sichtweisen innerhalb der autonomen Bewegung, womit zugleich deren Stärke dargestellt wird. Durch eine Sensibilität für die verschiedenen Perspektiven und Schwerpunktsetzungen und der Schärfung der Verbindungslinien zwischen den Themen eröffnen sich Räume für gemeinsame Widerstände –“ oder wie es in den 21 Thesen angedeutet wird: Es geht darum, „Widerstandsnetze“ zu knüpfen (S. 404). Dieser Blickwinkel zieht sich durch den Sammelband und macht Perspektiven autonomer Politik auch deshalb sehr lesenswert. Vor diesem Hintergrund erscheint das Risiko der Kanonisierung, des Festschreibens der Themen der Bewegung, abgemildert. Dem AK Wantok geht es „nicht darum, Wahrheiten zu verbreiten, autonome Politik oder Identität zu normieren, sondern konkrete Vorschläge zur Diskussion anzubieten“ (S. 13). Das ist mehr als gelungen, denn eines könnten die verschiedenen Perspektiven und individuellen Blicke gemeinsam haben: Die Blickrichtung –“ und die Erkenntnis, dass hinter scheinbar Statischem wirbelnde und wuselnde Dynamiken sichtbar werden können. Solange nur alles in Bewegung bleibt.

ak wantok (Hg.) 2010: "Perspektiven autonomer Politik". Unrast Verlag, Münster.

ISBN: 978-3-89771-500-4. 400 Seiten. 18.00 Euro.

Erstveröffentlichung durch Andrea Strübe und Sebastian Friedrich unter kritisch-lesen.de Nr. 2
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