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Revolution an der Tanzbar: R.I.P. Gil Scott Heron

Heute verstarb Gil Scott Heron. Er war ein amerikanischer Dichter, Musiker und Autor, der vor allem für seine Arbeit in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren bekannt wurde, aber bis heute noch aktiv war. In seiner Zusammenarbeit mit dem Musiker Brian entwickelte er seine ganz eigene musikalische Fusion aus Jazz, Blues und Soul-Musik und verband lyrischen Inhalt mit Statements zu sozialen und politischen Fragen der Zeit. Die Alben "Pieces of a Man" und "Winter in Amerika" legten bereits in den frühen 1970er Jahren die Grundlagen für die spätere "afroamerikanischen" Genres wie Hip Hop und Neo Soul. Scott-Heron's Arbeit ist oft mit schwarzen militanten Aktivismus verbunden er erhielt nicht nur von Kritikern viel Lob für eine seiner bekanntesten Kompositionen:



Mein persönlicher Lieblingstitel:



Die sechsteilige Doku über Gil Scott Heron stellte den Künstler vor:


Stuttgart: Protest gegen "Islamkritisches Wochenende"

Vom 2. bis zum 5. Juni plant der rechtspopulistische Verein "Bürgerbewegung Pax Europa e.V." ein "Islamkritisches Wochenende" in Stuttgart durchzuführen. Unter diesem Motto sollen im Rahmen eines viertägigen Programms öffentliche Kundgebungen und interne Seminarveranstaltungen stattfinden. Ein Bündnis aus antifaschistischen, linken und gewerkschaftlichen Gruppen und Organisationen organisiert antirassistische Proteste gegen das bundesweite Treffen.

Der Verein "Bürgerbewegung Pax Europa e.V." wurde 2008 in Berlin gegründet und begreift sich als unabhängige Organisation, die über die "schleichende Islamisierung Europas" aufklären will. Hannah Stein, die Pressesprecherin
der Antifaschistischen Aktion (Aufbau) Stuttgart erklärt dazu: "Die selbsternannte Bürgerbewegung versucht schon seit Jahren unter dem Deckmantel der Islamkritik und der Demokratiebewahrung rassistische Stimmungen gegen Migranten aus dem arabischen Raum zu schüren und mit sozialdarwinistischer Hetze gegen Arbeitslose zu hetzen. Hier offenbart sich ein offener, kulturell begründeter Rassismus, der aktuell gesamtgesellschaftlich am Erstarken ist. Es ist höchste Zeit, diesem Missstand entgegenzuwirken. Das anstehende Rassistenwochenende kann dafür nur ein erster Aufhänger sein."

Am Donnerstag, dem 2. Juni wird das antirassistische Bündnis in der Stuttgarter Innenstadt eine Demonstration unter dem Motto "No Racism in Stuttgart" durchführen und ruft anschließend zu breitem Protest gegen eine Kundgebung von "Pax Europa" auf dem Schlossplatz auf. Zeitgleich organisiert die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) eine Gegenkundgebung vor dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus auf dem Karlsplatz.

Am Samstag, den 4. Juni soll das interne Seminarprogramm des Vereins mit Protest begleitet werden. Treffpunkt für die Gegenaktivitäten wird eine Kundgebung um 10:00 Uhr vor dem Feuerbacher Bürgerhaus sein.

Quelle: Pressemitteilung Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart


Stuttgart: RassistInnen im Demokratenkleidchen

Vom 2. bis zum 5. Juni plant die rechtspopulistische Vereinigung „Bürgerbewegung Pax Europa e.V“ zusammen mit „pi-news Stuttgart“ ein bundesweites „islamkritisches Wochenende“ und mehrere öffentliche Aktionen in Stuttgart durchzuführen.

Diese Organisationen verbreiten rassistische Vorurteile und schüren Ängste unter dem Vorwand der „Islamkritik“. Trotz vorgeblicher Distanzierungen zum rechten Rand, arbeiten sie europaweit mit offen rassistischen und sozialdarwinistischen Organisationen zusammen. Sie bedienen sich altbekannter rassistischer Hetze und verknüpfen Forderungen nach einem Law-and-Order Staat mit hohlen Phrasen von Freiheit und Demokratie.

Egal in welchem Gewand er auch auftritt: Rassismus kann nicht geduldet oder akzeptiert werden!

Deshalb: Beteiligt euch an der antirassistischen Demo und den Protestaktionen gegen die Rechtspopulisten!

2.Juni- Antirassistische Demo
14 Uhr, Lautenschlagerstraße Stuttgart

4.Juni- Kundgebung gegen BPE und PI-News
10 Uhr, Vor dem Bürgerzentrum Feuerbach

• Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
• Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region
• Antifaschistische Initiative Leonberg
• Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart
• Bir-Kar
• FAU Stuttgart
• Initiative „Rems-Murr Nazifrei“
• Libertäres Bündnis Ludwigsburg [LB]²
• Linksjugend [-™solid] Stuttgart
• Offenes Antifaschistisches Bündnis Kirchheim/Teck
• Revolutionäre Aktion Stuttgart
• VVN-BdA Kreisverband Esslingen
• VVN-BdA Kreisverband Stuttgart
• Weiler schaut hin! e.V.
• Young Struggle

Mehr Information
Via VVN-BdA Kreisverband Esslingen
Flyergrafik: 7h3linguist

FR: Fröhliches Hetzen! Vorwärts zum Niedermachen der LINKSPARTEI

Die Frankfurter Rundschau - wie hier schon öfter bemerkt - hatte nach dem Ende von Schwarz-Rot kurzfristig der Kritik etwas Auslauf gegeben. Die SPD war ja aus dem Schneider.

In den letzten Wochen zeichnet sich da ein Wechsel ab. Einmal redaktionell im Umschwung zur "Berliner Zeitung", welcher die FR weitgehend geopfert werden soll. Aber auch inhaltlich. In einzelnen Artikeln zeichnet sich - noch pfotenzart - eine Vorbereitung ab auf die zu erwartende neuerliche Rot-Schwarze Koalition. SPD-CDU. Da bei aller Liebe mit den Vierprozentlern der FDP  kein Staat mehr zu machen sein wird.

Zur offenen Hetze hat sich das Blatt nun in einem  Artikel entschlossen, der alles aufwärmt, was in der "Achse des Guten" und ähnlichen Blogs seit Wochen umgewälzt wird.

Der eigentliche Artikel beginnt so: "Diese Frage könnte Grünen und Sozialdemokraten in den Ohren klingen: „Antisemiten als Koalitionspartner?“ So haben der Gießener Sozialwissenschaftler und Antisemitismusexperte Samuel Salzborn und Sebastian Voigt von der Universität Leipzig eine Studie überschrieben, die sich mit der Linkspartei beschäftigt."

Die Abschreckungsabsicht wird deutlich. Die LINKEN  selbst werden gar nicht groß der Belehrung für würdig gehalten. Aber wehe dem SPD-Bürgermeister, der sich mit solchen einlässt.

Zum Verständnis dieser Absichten kann dienen, dass der Mitarbeiter Sebastian Voigt Gründungsmitglied des Bundesarbeitskreises Shalom der Linksjugend ist. (Nach Angabe des Tagesspiegel). Er kümmert sich - so weit ich es mitbekomme - fast ausschließlich um Bekämpfung von Antisemitismus. Vor allem in linken Reihen.

Der wichtigste Fund der beiden Forscher ist ein wirklich antisemitisches Flugblatt, das offenbar von außen den LINKEN von Duisburg  untergeschmuggelt wurde. Es wurde gelöscht. Der LINKEN-Verband des betreffenden Ortes hat dagegen geklagt. Hilft alles nichts. Die zwei Gelehrten haben herausbekommen, dass der Antisemitismus sich breit macht unter den LINKEN.

Ein Leserbrief zu einer entsprechenden Veröffentlichung im TAGESSPIEGEL sagt dazu alles Nötige. Der Artikel wurde von der zuständigen "Achse" wohlwollend als Zitat übernommen. Das Zitat des "Tagesspiegel"-Lesers:

"Sebastian Voigt praktiziert genau das, was er anderen vorwirft: Sektierertum, Ignoranz und Dogmatismus. Diejenigen, die seine Meinung nicht teilen, möchte er am liebsten aus der Partei werfen. Dass das, was heute als "Antizionismus" bezeichnet wird - die Gegnerschaft zu einem rein jüdischen Staat - lange eine Hauptströmung im Zionismus von Hannah Arendt bis Martin Buber war, weiß er nicht. Die zu respektierende, aber parteiliche Meinung Jean Amerys, Antizionismus sei gleich Antisemitismus, behandelt er als unanfechtbare Tatsache. Mit Tatsachen nimmt er es leider auch nicht so genau: Seine Behauptung, der - ansonsten sicher verachtenswerte - Ahmadineschad rufe ständig zur Vernichtung israels auf, entbehrt jeder Grundlage. Auf die Idee, dass Lafontaine in den Iran fährt, um wenigstens ein kleines Zeichen gegen einen drohenden US-Angriff zu setzen, kommt er nicht. Man könnte fast glauben, sein Anti-Antizionismus erstreckt sich auch auf die Billigung eines solchen [Angriffs]. Ein trauriges Statement!"

Kurzatmigkeit hindert beide Gelehrte, sich an die Zeiten vor 1933 zu erinnern. Tatsächlich war der Zionismus unter deutschen Juden vor 1933 keineswegs populär. Der Unternehmer Scholem hatte mehrere Söhne. Einer wurde KPD-MItglied, der andere Zionist. Wir wissen nicht, wessen Weg der Vater stärker verfluchte.

Klemperer in seinen Tagebüchern -  schon in den frühen von 1920 bis 1933 - äußerte sich so drastisch über die Zionisten, denen er begegnete, dass ihm das heute wahrscheinlich umstandslos als "jüdischer Selbsthass" angerechnet worden wäre. Und selbst der hochverehrte Martin Buber verbrachte zwar Jahre auf dem Tempelberg in Jerusalem, unterstützte aber nirgends die Gründung eines Staates ausschließlich der Juden.

Kurz gesagt: Es gab unbestreitbar Gegnerschaft gegen die Gründung eines besonderen jüdischen Staates - auch von Juden. Ohne dass diese selbst von den zwei Sittenrichtern und Sachkennern als Antisemiten abgestempelt werden dürften. Also müsste in jedem einzelnen Fall nachgewiesen werden, ab wann das Urteil des Antisemitismus ausgesprochen werden darf - auch gegenüber Gegnern der gegenwärtigen Politik der Führung des Staates Israel.

Nur noch ein Wort zu der Herleitung des angeblichen Antisemitismus aus der DDR-Vergangenheit:

Bei den Gelehrten heißt es: "Die Anfälligkeit der Linken, die sich in weiten Teilen als immun gegen Antisemitismus wahrnimmt, leiten die beiden Forscher aus der Geschichte ab. So habe die DDR unter der Staatspartei SED die NS-Geschichte und die Komplizenschaft großer Teile der Bevölkerung nie richtig aufgearbeitet. Der Nationalsozialismus sei als „Verschwörung einer kleinen Gruppe von Finanzkapitalisten“ dargestellt worden. „In dieser Hinsicht war das antifaschistische Selbstverständnis der DDR eine staatliche Legitimationsideologie, die zur Feindschaft gegen Israel und zur Unterstützung arabischer Diktaturen als Verbündete im antiimperialistischen Kampf diente“: Hier das kapitalistische Israel, da unsere Brüder im Geiste.“

Ein Rätsel sollten die beiden Gelehrten bei ihrer Erforschung der DDR  doch noch lösen: Warum nämlich so viele Remigranten nach 1945 jüdischer Herkunft, die ohne weiteres im Westen großen Absatz für ihre Werke gefunden hätten, ohne zu zögern in die DDR übersiedelten. Erinnert sei nur an Anna Seghers, Arnold Zweig, Stefan Heym, Hermlin und viele andere. Haben die alle Antisemitismus in der DDR billigend in Kauf genommmen?

PS: Wir haben schon in stattweb vermieden, auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Staat Israel und den Bewohnern des Gaza-Streifens und der Hisbollah einzugehen. Nicht so sehr wegen Auschwitz. Eher aus Beherzigung der Lehre Liebknechts. Dieser hatte immer die Anklage anderer wegen ihrer Missetaten dann verurteilt, wenn diese nur ablenken sollte von den eigenen: vom eigenen Imperialismus. Diese Haltung halte ich auch heute noch für gerechtfertigt. Nur darf dieses Prinzip nicht zu der Umkehrung führen, die beide Gelehrte betreiben. Nämlich aus der rückhaltlosen Billigung aller Handlungen des israelischen Staates Denunziation als notwendigen Beitrag zu dessen Verteidigung anzusehen.

Augstein erschießt mit dem Luftgewehr eine künftige Rechtspartei

Mit FORSA glaubt Augstein eine gefährliche Neigung zur Bildung einer deutschen Rechtspartei neuer Prägung zu erkennen - und rechtzeitig abzuknallen. In seiner wahrscheinlich gutgemeinten Warnung stecken zwei Fehler: der eine liegt in der Fragestellung. Der andere in der Einschätzung der angeblich nicht-rechten Volksparteien.

FORSA erfragt als erstes die Meinung zur Aussage: Deutschland gibt zuviel Geld für Europa aus. Wer da zustimmt, wird gnadenlos als rechts erkannt. Die Voll- und die Eher- Zustimmer werden zu einem Klotz zusammengehauen. Demnach ergibt sich ein Zustimmungsgrad von siebzig Prozent! Die Linken kommen als Ja-Sager mit 75 Prozent gleich hinter den Liberalen mit 79 Prozent.

Was stört bei der Diagnose? Dass die Frage nach dem Geldausgeben gestellt wurde ganz ohne ein:

Wofür? Es mag durchaus sein, dass bei den Liberalen eine Riesenmehrheit es ablehnte, den angeblich stinkfaulen Griechen noch was hintenreinzustecken! Nur - wenn ich die Frage für sich sehe, ohne den Rechtshintergrund, fällt mir auch als erstes Griechenland oder Portugal ein - mit den Erwürgungsregelungen vor allem der deutschen Regierung für eine Nothilfe gegen das Ersaufen. Was ist rechts bei dem notwendig auftauchenden Gedanken ans Jahr 2012, in welchem die selbe Zahlung - oder noch höher - ganz unweigerlich wieder verlangt wird. Ohne dass ein radikaler Schnitt - Schuldenkürzung - auch nur in Frage kommt. Ja, da kann es ja nur eine Antwort geben: Geld in dieser Form wird falsch ausgegeben.

Das Gleiche gilt für Frage 4: "Wir brauchen ein unabhängiges Deutschland- ohne Bevormundung durch die EU." Da haben die LINKEN wieder zugestimmt mit gleich 57 Prozent. Mit größerer Zustimmung als jede andere Partei. Was ist da los? Sind gerade die LINKEN die größten Vorkämpfer eines deutschen Nationalismus geworden? Oder stecken in dieser Partei nicht einfach mehr Leute, die erkannt haben, dass das EU-Gouvernement inzwischen zu einer Zwangsklammer geworden ist für alle übrigen europäischen Länder - vor allem die am Rande. Während andere aus SPD und CDU und FDP einfach das satte Geräusch auf dem Bauch nicht vermissen wollen, das beim sanften Klatschen darauf entsteht. "Wir sind wieder wer". Wenn alles durcheinander gemantscht wird, kann nur ein verwirrender Schrotschuss herauskommen.

Was nicht heißen soll, dass unsere gegenwärtige LINKE nicht anfällig wäre fürs RECHTE. Nur eines, das ganz anders erfragt werden müsste. Wenn gefragt würde nach zentralistischen Neigungen. Nach dem inneren Schrei nach dem Vorsitzenden, der alles richten würde. Nach "stramm, stramm, stramm - alles über einen Kamm" wie man schon der alten SPD und KPD nachspottete. Da wäre leicht fündig werden. Aber nicht auf der Suche nach nationalistischen Neigungen, wie Augstein und FORSA traditionsversunken vermuten.

Warum aber dann in Deutschland keine erfolgreiche Rechtspartei wie in allen Nachbarländern? Auch solchen wie Frankreich - dem es immerhin noch relativ gut geht.

Die Antwort dürfte nicht darin liegen, dass es in Deutschland weniger Rechtstendenzen gibt als anderswo, sondern dass diese immer viel schneller von den Volksparteien aufgeschlabbert werden als anderswo. Wo es im Faust noch heißen musste: "Die Kirche hat einen großen Magen" muss es heute heißen: "Die Parteien verdauen alles ohne Magenbeschwerden."

Denn eines haben Führende und Geführte in Deutschland nach dem Zweifronten-Krieg sich wirklich eingebläut - und einbläuen lassen: NIE MEHR ALLEIN! Ohne Anpassung an starke Außenmächte geht gar nichts! Darf nichts gehen!

Mit Recht nennt Augstein selbst den Umfall der SPD gegenüber Sarrazin als letztes Beispiel für Verdaulichkeit. Die von SPD und CDU im Jahr 1992 erbittert geführte gemeinsame Kampagne zur Abschaffung des Asylrechts in Deutschland wäre genau so scharf heranzuziehen gewesen. Pforzheim-Becker (SPD) erwies sich damals als einer der größten Schreihälse.

Fazit also: Die deutschen Kolossal-Organisationen - Parteien genannt - haben vorab immer schon das geschafft, was ein Sarkozy jetzt in Frankreich nachträglich probiert: den Rechten die Schau zu stehlen. Rechtzeitig verschlingen, ohne lang vor- und nachzukauen! Was brauche ich den Unterschlupf in der Besenkammer, wenn mir die Festhalle geöffnet wird? Die Großparteien wandern unentwegt nach rechts. Und lassen der NPD und ihresgleichen nur das Nachhoppeln.

PS: Was natürlich die Gefahr von rechts nicht herunterreden soll. Was ist schließlich gefährlicher: ein schon verschlungener Bandwurm - oder einer, der noch auf der Weide herumliegt? Es soll nur die Augen dafür öffnen, dass die Rechten nicht deshalb zu fürchten sind, weil sie noch mal ein DREIUNDDREISSIG probieren könnten. Die Machtübernahmen von gestern sind als Traum nur wenigen vorbehalten. Von der Sorte, die nie alle wird.

Die wirkliche Gefahr von ProKöln, ProDeutschland und ihresgleichen liegt gerade darin- wie eben in kritisch-lesen 3 herausgearbeitet wurde - dass sie Verführung und Druck darstellen für die großen Parteien, die sie aus vollem Herzen integrieren wollen, wie man das einverleiben heute so wohlwollend nennt.

Oury Jalloh - Selbstanzündung ausgeschlossen

Seit Januar läuft das Revisionsverfahren im Fall Oury Jalloh gegen Andreas Schubert vor dem Magdeburger Landgericht. Der damalige Dienstgruppenleiter hat sich erneut wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verantworten. Nachdem der Prozess anfangs nur schleppend in Gang kam und sich viele der bisher geladenen Zeugen nicht richtig erinnern konnten oder wollten, kam es in den vergangenen Verhandlungstagen zu einer überraschenden Wende.

Der Polizeibeamte Torsten Bock hatte ausgesagte, dass er den beiden Polizisten Hans-Ulrich März und Udo Scheibe am 07.01.2005 um die Mittagszeit herum in der Zelle 5 noch einmal begegnet ist. In dieser Zelle war der an Händen und Füssen gefesselte und auf einer Matratze fixierte Oury Jalloh nur kurze Zeit später bis zur Unkenntlichkeit verbrannt aufgefunden worden.

Die Aussage des Zeugen Bock steht damit in krassem Widerspruch zu den Erklärungen der Beamten März und Scheibe. Beide hatten behauptet, sie seien, nachdem sie den jungen Mann aus Sierra Leone morgens gegen 9:00 Uhr in die Zelle verbracht und ihn an den entsprechenden Halterungen gefesselt hatten, nicht mehr im Gewahrsamsbereich gewesen. Auf die Frage der Richterin, was die beiden denn dort gegen Mittag gemacht haben, erklärte Torsten Bock, dass die Kollegen Oury Jalloh seiner Meinung nach noch einmal durchsucht hätten. Bock hatte daraufhin Hans-Ulrich März gefragt, ob er ihn zum Mittagessen begleiten wolle. März hatte geantwortet, er habe noch zu tun. Als der Polizist Bock vom Essen aus der Kantine zurückkam brannte es bereits. Scheibe und März habe er in der Kantine nicht gesehen, führte Bock weiter aus.

Nachdem das Gericht den Zeugen darüber informiert hatte, dass seine Aussage mit denen von März und Scheibe unvereinbar ist, bemühte dieser sich, das Gesagte zu revidieren. Unterstützt wurde er dabei vom Oberstaatsanwalt Christian Preissner, der auch schon im ersten Prozess in Dessau die Hauptanklage geführt hatte. Mit Worten wie „Ist ja lange her, da können sich Erinnerungen ändern“, versuchte Preissner wie gewohnt eine wichtige Zeugenaussage zu entkräften.

Ein derartiges Verhalten seitens der Staatsanwaltschaft konnte im bisherigen Verlauf des Prozesses dauerhaft beobachtet werden. Wann immer die Zeugenaussagen auch nur im Ansatz von den bisherigen Erkenntnissen der Ereignisse abwichen oder die staatsanwaltschaftliche „Unglückstheorie“ nicht bestätigten, versuchte Preissner die entsprechenden Polizeibeamten wieder auf den „richtigen“ Weg zu bringen. Dabei erweckten seine Fragestellungen und Äußerungen den Eindruck, als wäre er an einer Aufklärung der Todesursache von Oury Jalloh nicht interessiert und steuert dieser sogar vehement entgegen.

Der Oberstaatsanwalt vertritt auch im Revisionsverfahren keinesfalls den Standpunkt, dass Oury Jalloh in der Zelle 5 ermordet wurde. Stattdessen spricht er im Zusammenhang mit dem Tod des jungen Mannes aus Sierra Leone unbeirrt von einem „Unglück“. Damit impliziert er den Prozessbeteiligten, dass die Geschehnisse am 07.01.2005 im Dessauer Polizeirevier eine Art „Unfall“ gewesen seien. Seiner Ansicht nach hat Oury Jalloh die feuerfeste Matratze, auf der er lag, selbst angezündet, um die Beamte_innen dazu zu bewegen, ihn von den Hand- und Fußfesseln zu befreien. Dabei habe der Gefangene wohl nicht damit gerechnet, dass die Polizist_innen nicht schnell genug reagieren und erst eintreffen würden, als er bereits an einem Hitzeschock gestorben war. Dieser Umstand stellt in den Augen von Christian Preissner das vermeidliche „Unglück“ dar.

Die Hypothese des Oberstaatsanwaltes ist allerdings genauso haltlos wie alle anderen Theorien, die davon ausgehen, dass Oury Jalloh sich, aus welchem Grund auch immer, allein entzündet hat. Abgesehen davon, dass er nachweislich kein Feuerzeug bei sich hatte und die Matratze auf der er lag keine offensichtlichen Beschädigungen aufwies, fehlt der wohl wichtigste Beweis, der für eine Selbstentzündung, mit dem Ziel, auf sich Aufmerksam zu machen, sprechen würde: Oury Jalloh hat nicht geschrien!

Das bestätigte auch die Zeugin Anette Freund. Diese hatte am 07.01.2005 den ganzen Vormittag an der Hauswache gesessen. Sie erklärte, dass man gelegentlich Leute aus dem Gewahrsamsbereich schreien hören konnte. Oury Jalloh hingegen habe sie an diesem Tag gar nicht gehört.

Aus dem zweiten Obduktionsbericht, den die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh in Auftrag gegeben hatte, geht hervor, dass Oury Jallohs Nase gebrochen war. Auch befanden sich nur sehr geringe Kohlenpigmenteinlagerungen in seinen Atmungsorganen, was auf eine sehr schwache Atmung zum Zeitpunkt des Todes schließen lässt. Was war in der Zelle 5 also wirklich geschehen? Warum war Oury
Jalloh nicht mehr in der Lage um sein Leben zu schreien? Haben die gleichen Beamten, die ihm die Nase gebrochen haben, ihn später auch angezündet?

Die Aussage des Zeugen Torsten Bocks spielt eine bedeutende Rolle für die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh. Sie gibt eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass der im ersten Prozess ebenfalls Angeklagte Hans-Ulrich März und dessen Kollege Udo Scheibe bei ihrer Vernehmung gelogen haben. Ihre bisher verschwiegene und undokumentierte Anwesenheit in der Zelle 5 um die Mittagszeit macht die Selbstmord- oder Unglückstheorie nun auch in den Augen des Magdeburger Landgerichts unwahrscheinlich.

Das Landgericht Magdeburg hat für den 05.05.2011 im Rahmen der Hauptverhandlung im Strafprozess um den Tod von Oury Jalloh eine richterliche Inaugenscheinnahme des Polizeireviers in Dessau angeordnet. Nach Abschluss der Hauptverhandlung wird einem akkreditierten Personenkreis von Journalist_innen die Möglichkeit gegeben die vom Gericht in Augenschein genommenen Räumlichkeiten selbst zu besichtigen, um dann der Öffentlichkeit zu berichten. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wird an diesem Tag ab 8:00 Uhr eine Mahnwache vor dem Polizeirevier abhalten und steht für Fragen zum bisherigen Prozessverlauf gern zur Verfügung.

Weiterhin wird es am 19.05.2011 im Anschluss an die Hauptverhandlung eine Demonstration durch Magdeburg geben. Der Treffpunkt ist um 16:00 Uhr vor dem Magdeburger Landgericht.
Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh fordert:

BREAK THE SILENCE! Brecht das Schweigen!
Wir wollen ein faires Verfahren, das Aufklärung des Falles, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Familie bringt!
Ein Ende der Schikanen und Repression gegen alle Aktivist_innen!
Ein Ende der Polizeibrutalität und des Behördenrassismus!


Quelle: Pressemitteilung
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