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Friedenserziehung stärken statt Werbung für die Bundeswehr!

Auf seiner Klausurtagung im Februar beschäftigte sich das Friedensbündnis Esslingen mit den Auswirkungen der „Kooperationsvereinbarung von Kultusministerium Baden-Württemberg und Wehrbereichskommando - Süd“ vom 4. Dezember 2009. Neu an dieser Vereinbarung ist, dass Jugendoffiziere nun auch offiziell in die Aus-und Fortbildung von LehramtsanwärterInnen eingebunden werden. Auch in Esslingen ist am 28. März im Georgii-Gymnasium ein Jugendoffizier in den Gemeinschaftskundeunterricht der 13. Klasse eingeladen. Für das Friedensbündnis ist die gezielte Anwerbung von Jugendlichen durch Bundeswehrauftritte an Schulen und auf Bildungsmessen wie z.B. der Didacta unvereinbar mit humanitären Grundsätzen.

In den Schulen muss über die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik informiert und diskutiert werden. So sehen es die Bildungspläne vor. Dabei ist Art. 12 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verpflichtend: „Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe und zur Friedensliebe... und zu freiheitlich demokratischer Gesinnung zu erziehen.“ Es gehöre also zum Kern des Bildungsauftrags, dass die Schülerinnen und Schüler in einer solch existentiellen Frage wie der nach Krieg und Frieden auch die von den Friedensorganisationen vertretenen Konzepte der zivilen, nicht militärischen Konfliktbearbeitung und Friedenssicherung kennenlernen.

Dabei verstoße die in der Kooperation vereinbarte Bevorzugung der Bundeswehr gegen das Verfassungsgebot.

Außerdem verstoße die Vereinbarung zwischen Schule und Bundeswehr gegen den 1976 für die politische Bildung an Schulen vereinbarten „Beutelsbacher Konsens“ mit seinem Überwältigungsverbot, wonach Schüler nicht im Sinne erwünschter Meinungen überrumpelt oder an der Bildung eines selbstständigen Urteils gehindert werden dürfen, sowie auch gegen das Ausgewogenheitsgebot, wonach auch im Unterricht kontrovers sein muss, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist.

Notwendig sei eine plurale Meinungsbildung in Verantwortung der Schule durch unabhängige Lehrerinnen und Lehrer, die Schärfung der Gewissen der Jugendlichen und die Orientierung am Friedensgebot des Grundgesetzes.

Das Friedensbündnis Esslingen und andere Organisationen halten es für erforderlich, dass die Kooperationsvereinbarung des Kultusministeriums mit der Bundeswehr aufgekündigt wird.

Quelle: Pressemitteilung Friedensbündnis Esslingen, 01. März 2011

Erklärung der 300 Hungerstreikenden in Griechenland zu den Entwicklungen des 7. März 2011

Aufruf zu einem Solidaritätsmarsch in Patras ab dem Panahaiki Platz am 08.März, 18:00
Am gestrigen Montag, den 7. März ordnete das griechische Gesundheitsministerium an, das Ipatia Gebäude in Athen, in dem 300 Migranten, die zum Teil seit langen Jahren in Griechenland arbeiten und für die Legalisierung ihres Status seit dem 25. Januar in Hungerstreik sind, zu räumen und die geschwächten Hungerstreikenden zur Zwangsernährung in Krankenhäuser zu transportieren. Nach der Weigerung der Hungerstreikenden, das Gebäude zu verlassen, wurde dieser Versuch vorerst abgebrochen. Dazu erklären die Hungerstreikenden:

"An diesem Tag besuchte Herr Mousionis, Vertreter der Krankenhausverwaltung, das Ipatia Gebäude [wo der Hungerstreik erfolgt] dreimal. Das erste Mal ohne irgendwelche Dokumente, das zweite Mal mit einem Dokument ohne Unterschrift und erst beim dritten Mal hat er es geschafft, das "richtige" Dokument mit zu bringen.

Er kam, um die Anweisung der Regierung, alle Hungerstreikenden in Krankenhäuser zu verlegen und ihren Kampf aufzugeben zu überbringen. Die Vertreter der Hungerstreikenden reagierten auf dieses "Angebot" indem sie sagten, wenn er käme um zu erklären, dass die "großzügige" Regierung den Hungerstreikenden ein Bett in einem Krankenhaus anbieten, damit diese darauf sterben, sollte er ihnen sagen, dass ein Kampf ein Kampf ist, auch wenn der Tod droht. Dies bedeutet, dass wir nur ins Krankenhaus gehen sollen, weil diejenigen, die uns dort hinschicken, uns weiter unserer Würde berauben wollen, was unseren Zusammenbruch bedeutet. Wenn sie sich um unsere Gesundheit sorgen, sollen sie unsere Forderungen erfüllen, damit wir unsere Häuser und unsere Arbeitsplätze zurückkehren können. Mit anderen Worten: Wir Hungerstreikenden werden nur ins Krankenhaus gehen, wenn unsere Ärzte es für notwendig erachten.

Wir, die Hungerstreikenden wollen noch betonen, dass alles, was wir entscheiden, ausschließlich aus eigener Entscheidung und in unseren eigenen Zusammenhängen geschieht.

Wir bestehen darauf, unseren Kampf bis zum Erreichen unseres Zieles fortzusetzen. Dieses Ziel umfasst die Erfüllung bestimmter Forderungen. Die wichtigsten davon wurden einem gemeinsamen Brief an den Ministerpräsidenten am 4. März geschickt, unterstützt von der GSEE und ADEDY  [der beiden größten Mainstream-Gewerkschaften in Griechenland] sowie von vielen anderen sozialen Einrichtungen aus ganz Griechenland - darunter alle wichtigen soziale Einrichtungen in Thessaloniki (der Bürgermeister, der Dekan der Universität, der Gewerkschaft der Anwälte, der Journalisten Union, den Indrustiegewerkschaften usw.).

Wir wiederholen unsere konkreten Forderungen, die die Regierung verweigert und die damit das Risiko in Kauf nimmt, dass in unserem Kampf Menschen sterben, obwohl unsere Forderungen von sozialen Einrichtungen in Griechenland und Tausenden aus anderen Gewerkschaften, Organisationen und Gruppen auf der ganzen Welt unterstützt werden:

- Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 4 des Gesetzes 3907/2011

- Die Überprüfung und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für alle, die ihren rechtlichen Status trotz des Bestehens erheblicher Bedenken verloren haben, mit der Folge der Reduzierung oder des Verlustes der Aufenthaltsgenehmigung, der wegen der Finanzkrise verweigerten und noch ausstehenden Betriebskredite.

- Reduzierung der vorgeschriebenen Aufenthaltsdauer von Personen ohne Papiere für auf 5 Jahre (statt wie zur Zeit erst ab 12 Jahren) für die Erteilung des besonderen Bleiberechtes gemäß dem neuen Artikels 44 des Gesetzes 3386/05.

- Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für alle diejenigen, deren Aufenthaltserlaubnis während der letzten Legalisierung des Jahres 2005 abgelehnt wurde."


Die 300 migrantischen Hungerstreikenden in Athen und Thessaloniki, 7. März 2001, 42. Tag im Hungerstreik

(Eigene Übersetzung)

Blogs der Hungerstreikenden und mehr Informationen:

Siehe auch:

100. internationaler Frauentag: "Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht."

Wir wünschen allen Freundinnen, Kolleginnen, Müttern, Töchtern, Schwestern, Großmüttern, Liebhaberinnen, Nachbarinnen, Gegnerinnen, Revolutionärinnen, Mädchen, ... einen kämpferischen internationalen Frauentag!

Der erste Frauentag wurde am 19. März 1911 in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz sowie den USA begangen. Allein in Berlin kamen etwa 45.000 Frauen zusammen, um sich für ihre Rechte stark zu machen. In den folgenden Jahren versammelten sich Millionen von Frauen zu den jeweils im Frühjahr organisierten Demonstrationen, Veranstaltungen und Aktionen. Schon 1912 kamen Schweden, Frankreich und Holland, 1913 Russland und die Tschechoslowakei dazu. Neben dem Wahlrecht forderten die Frauen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, Mutter- und Kinderschutz und protestierten gegen den imperialistischen Krieg. Das aktive und passive Wahlrecht wurde den Frauen in Deutschland im November 1918 durch den Rat der Volksbeauftragten zuerkannt.

In Europa beschloß die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (100 Delegierte aus 17 Ländern) auf Initiative von Clara Zetkin am 27. August 1910 in Kopenhagen (übrigens im Ungdomshuset) die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages für die Interessen der Frauen gegen mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung. Themen waren also die Gleichberechtigung der Frauen, ihr Wahl- und Stimmrecht, sowie der Kampf gegen den imperialistischen Krieg. Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. 1921 wurde auf der zweiten kommunistischen Frauenkonferenz, wiederum auf Initiative von Clara Zetkin, der internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt. Dieses Datum war eng mit den proletarischen Frauenkämpfen verbunden:

• Am 8. März 1857 streikten in New York Textilarbeiterinnen, gefolgt von einer Streikwelle in der Textil- und Tabakindustrie.
• Am 8. März 1908 kamen 129 streikende Arbeiterinnen der Textilfabrik "Cotton" in New York bei einem Brand ums Leben. Vom Fabrikbesitzer und den Aufsehern wurden die Frauen in der Fabrik eingesperrt, um zu verhindern, daß sie Kontakt zu ihrer Gewerkschaft aufnehmen. Sie hatten für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gekämpft.
• Am 8. März 1917 (russ. Kalender: 23. Februar) fand St. Petersburg ein massiver Streik der Textilarbeiterinnen gegen Krieg, Hunger und Zar statt. Nachdem weitere Sektoren ergriffen waren, kam es zum Generalstreik, der als Auslöser der Februarrevolution gilt.

"Das Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht." Clara Zetkin (1857 - 1933), Initiatorin des ersten Internationalen Frauentages stellte klar, dass eine wirkliche Befreiung der Frau untrennbar verbunden ist mit der Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung. Sie wendete sich aber auch gegen diejenigen, die meinten, diesen Kampf auf den St. Nimmerleins Tag verschieben zu können...



Bildquelle: Bildercache.de

Wir fordern dazu auf, an den Aktionen an diesem Tag teilzunehmen. Wie in vielen anderen Städten auch, organisieren linke AktivistInnen aus Stuttgart und Region Aktivitäten zu diesem symbolträchtigen Datum für den Kampf um die Befreiung der Frau und für eine solidarische und antikapitalistische gesellschaftliche Perspektive. Am Tag selber findet dazu eine Demonstration in Tübingen statt, am folgenden Wochenende geht es mit einem internationalistischem Fest mit Kulturprogramm, Vorträgen und anschließender Party in Stuttgart weiter.

Siehe dazu: Frauenkampf heißt Klassenkampf! Aktionen zum 8. März
Mit Material von wloe.org und frauennews.de

Parlamentsarmee! Deutsche Kriegsschiffe zurückpfeifen!

Deutsche Fregatte Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Monsterxxl / Wikipedia
Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation
Seit längerer Zeit liegen vor den Küsten Libyens neben Kriegsschiffen anderer Länder auch drei Exemplare der deutschen Marine. Angeblich musste das vor einer Woche höllisch schnell passieren - um Flüchtlinge zu befreien. Die  Fraktionsvorsitzenden im Parlament wurden kurzatmig  benachrichtigt. Hinweis der Regierung: Im Notfall darf man ohne Parlament eine Parlamentsarmee verheizen, wo man will. Vermutlich vergessen dabei der Zusatz: die Zustimmung des Bundestags baldmöglichst nacherbitten.

Wie ganz einfache Überlegungen zeigen: in Tunesien landende Flugzeuge könnten in recht kurzer Zeit alle transportieren, die nach Ägypten oder in andere Gebiete zurückwollen. In der "Frankfurter Rundschau" vom 7.3.2011. findet sich eine winzige Notiz: "Drei Schiffe der deutschen Marine nahmen mehr als vierhundert Flüchtlinge an Bord. Laut Bundeswehr soll Alexandria demnächst erreicht werden." (FR S.2). Aktion als Ausrede!

Das einzige und erste Mal. Mehrtägige Reise bis in die ägyptische Hafenstadt. Wie schnell und unauffällig hätte das per Flugzeug erledigt werden können. Dass die deutschen Kriegsschiffe mit so vielen andern zusammen vor der Küste Libyens herumlungern, hat natürlich ganz andere Gründe. Zum Zweck der massenhaften Schaumigrührung angeschlagener Seelen wird - wie schon so oft seit dem deutschen Kambodscha-Einsatz - das Karitative vorgeschoben. Wer hat denn ein so hartes Herz, pure Wohltätigkeit verbieten zu wollen?

Zur gleichen Zeit werden die Nachrichtensendungen der öffentlichen Anstalten unverhohlene Kriegspropaganda. Irgenwelche Gruppen, die niemand kennt, sollen dringlich Durchsetzung von Flugverboten  gefordert haben. Die Lüge, da würden wehrlose Stämme vom "Machthaber"  massenhaft niedergeschlagen, lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Die Rebellen an und mit allerlei Waffen beweisen: es handelt sich um einen traditionellen Bürgerkrieg. Nur wird suggeriert, bei den Aufständischen handle es sich ausnahmlos um die "Guten". Der neue SPIEGEL entwirft für uns alle noch einmal das Bild einer brutalen Nero-Herrschaft Gaddafis seit Regierungsantritt.

Die ersten gemischt deutsch-libyschen Demos sind zu erwarten, die heiser das Flugverbot eintreiben. Was der Begriff an Handlungsnotwendigkeiten wirklich enthält, soll dabei nicht allzu deutlich enthüllt werden. Flugverbot, darin stimmen alle überein, setzt gleichzeitigen Überfall auf alle Fughäfen voraus, um Gaddafis Piloten am Aufsteigen zu hindern. Zweckmäßig das schnelle Abschießen parkender Maschinen so schnell wie möglich. Also: KRIEG! In der Brutalform, wie wir sie aus dem Irak und aus Afghanistan (bei der Vorbereitung der Besetzung von Kabul) kennen lernen durften.

Es ist damit zu rechnen, dass bei einer Abstimmung im Bundestag wie üblich das öligste Altgemüse aufgetischt wird - und die Pflicht "to protect" aus Fischers Marktangebot neu herausgekramt. Richtig zwar, dass die wirklichen Militärfachleute voraussehen, dass noch einmal ein Irak oder Afghanistan nicht leicht durchzusetzen sein wird. Sie werden trotzdem in ihr Unglück hineinstolpern. Mit dem schon etwas ausgeblichenen Erlöser Obama vornedran. Er wird sich im Verlauf der nächsten Woche seinem Vorgänger im Vernichtungswesen immer stärker angleichen. Verschämtere schreien nach einem UNO-Beschluss, beziehungsweise einem gewissenserleichternden Diktat des Sicherheitsrats. Da werden China und Russland vielleicht die letzten gedanklichen Reserven aufbieten und ihr Veto einlegen. Dann müssen wie in Jugoslawien das Menschenrecht und das Gewissen herhalten. Ungeheure Rülpser zur Entlastung der Bauchhöhle sind zu erwarten. Uralt-Eppler wird entsargt. Er wird mit ersterbender Stimme lallen, dass wir auf alle Fälle Unrecht tun. Aber beim Überfall auf Libyen ein bisschen weniger als beim "feigen Wegschauen". Und schon werden um der Menschenrechte willen Menschen massenhaft abgeknallt. Gott sei Dank weit weg!

All das bei ungenauester Berichterstattung und reiflichem Verbrauch von Mythologie! Es wird Zeit, sich an den einschlägigen deutschen Flughäfen zu Demos zu sammeln. Nicht in der eitlen Hoffnung, Abflüge zu verhindern. Aber wenigstens mit der zu erhoffenden Wirkung, dass ein paar mehr Leute als jetzt mitbekommen, was in ihrem Namen geschieht. Schärfer: Wie unsere Regierung uns betrügt! Wie Merkel für ein halbes Jahr Aufschub das eigene Land ins Unglück treibt. Ein anderes dabei plattbombardiert.

Aufschub vor dem doch unvermeidlichen Ende. Und wie eine Heerschar von Verblendeten ihr im Marschtritt folgen wird.

Wisconsin's ArbeiterInnen zeigen inspirierende Demonstration der Stärke

Für beinahe drei Wochen, bis zur richterlichen Anordnung letzten Donnerstag, hielten zehntausende von GewerkschafterInnen das Capitol in Madison / Wisconsin besetzt. Sie protestieren gegen den Versuch des republikanischen Gouverneurs Scott Walker, Tarifverhandlungen für Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im US-Bundesstaat Wisconsin per Gesetz AB11 zu verbieten. Wisconsin ist damit zum Schlachtfeld gegen die neueste Welle der Anti-Gewerkschafts-Gesetze in den USA geworden.

Im letzten halben Jahrhundert hat die Gewerkschaftsbewegung in den Vereinigten Staaten Niederlagen und alamierende Mitgliederverluste erlitten. Der große US-Gewerkschaftsverband Verband AFL-CIO hat einen Rückgang von 15 auf 12 Millionen Mitglieder innerhalb weniger Jahre verkraften müssen, obwohl sich die Zahl der Beschäftigten verdoppelte. Während in den frühen 60er Jahren jeder 4. Arbeiter in einer Gewerkschaft in organisiert war, ist dies heute nur noch jeder 8. Im privatwirtschaftlichen Sektor liegt die Zahl sogar bei nur jedem 15., im Gegensatz zum öffentlichen Dienst, in dem jeder Dritte Beschäftigte organisiert ist.

Was ist die Ursache für diese Entwicklung? Die Antwort darauf findet sich in dem unerbittlich und - seitens der Kapitalisten - effektiv geführten Klassenkampf und im "Union Busting", das in der Industrie mit Unterstützung der neoliberalen Politik der Regierung verfolgt wurde, besonders während der der Reagan-Ära. Mit fügsamen Gewerkschaftsorganisationen in der Privatwirtschaft war es denn auch nicht wirklich verwunderlich, dass die Regierung letztlich zum Generalangriff auf die verbliebenen ArbeiterInnenrechte blasen würde, wie dies in den letzten Wochen geschah. Der Bundesstaat Wisconsin hat sich damit zum Feld der Auseinandersetzung entwickelt mit dem konservativen Gouverneur an der Spitze, der versucht, mit härteren Gesetzen den Gewerkschaften einen schweren Schaden zuzufügen.

Bestandteil des Entwurfes sind neben dem Verlust des Rechtes auf Kollektivverhandlungen auch eine direkte Schwächung der gewerkschaftlichen Kampfkraft: Vor Tarifkämpfen müssten in der Urabstimmung die Mehrheit aller Beschäftigten für Streik stimmen und nicht nur diejenigen, die sich an der Abstimmung beteiligen. Die Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen, was offener Lohnraub ist. Doch nicht genug: Die Löhne sollen für die nächsten drei Jahre eingefroren werden.

Die ArbeiterInnen in Wisconsin wiesen diesen Generalangriff auf ihre erkämpften Rechte zurück und dies geschah mit einer Energie, an die nur wenige geglaubt hatten. Die mehr als 2 Wochen Besetzung des Parlamets und drei große Protestendemonstrationen von zehntausenden Menschen haben damit die Union Bustin Versuche praktisch widerstanden und eine neue Anziehungskraft gewerkschaftlicher Organisierung ausgelöst. Der Kampf der ArbeiterInnen in Wisconsin hat enorme Popularität erlangt und für eine Welle der Solidarität in den USA und darüber hinaus gesorgt. Es ist eine Chance für die ArbeiterInnen, ihre eigene Macht zu spüren und eine breite Auseinandersetzung über Widerstand am Arbeitsplatz, direkte Aktionen und den viel diskutierten Generalstreik gegen das Krisenprogramm der Obama Administration zu führen. Auch wenn es sich momentan beim Kampf in Wisconsin im wesentlichen um einen defensiven Kampf handelt, besteht seine Stärke in der Inspiration und im praktischen Erlernen der (oft vergessen) Fähigkeiten zum effektiven gewerkschaftlichen Kampf. Sich in diesen gewerkschaftlichen Kämpfen durchzusetzen ist eine weitere wichtige Fähigkeit dafür, von sozialen Reformkämpfen vorwärts zu gehen zum politischen Kampf um eine befreite Gesellschaft. „In jedem Streik lauert die Hydra der Revolution“ - Dies ist der eigentliche Gehalt der Auseinandersetzungen in Wisconsin.


Stuttgart: Solidarität mit den Behr-Kollegen wächst! Kundgebung vor dem Arbeitsgericht Stuttgart

Protestaktion bei Behr am 19.05.2010
Die KollegInnen des Metallertreffs Stuttgart berichten:

Rund hundert GewerkschafterInnen aus Stuttgart und der Region versammelten sich um 10.00 Uhr am 2.3., um gegen die Entlassung bei Behr zu protestieren und diejenigen, die dagegen klagen, zu unterstützen. Zur gleichen Zeit verfolgten über 50 Kolleg/innen die bereits laufenden Prozesse, im Laufe des Tages kamen weitere hinzu, rund 200 waren insgesamt im Laufe des Tages da.

Solidarisch zeigten sich VertreterInnen aus den vielen Metallbetrieben, u.a. von Daimler, Porsche, Bosch, Mahle, Coperion, Lappkabel, WMF, aber auch von Getrag und Index, wo ebenfalls Kündigungen ausgesprochen worden sind. Eine Vertreterin von Verdi Stuttgart dankte zugleich für die Solidarität, die Verdi erhalten hat im Kampf gegen die Entlassung einer Betriebsrätin von Breuninger. Auch bei Behr sind Betriebsräte betroffen. Alle Redner/innen verlangten von der IG Metall, diesen Kampf zu unterstützen. In den langen Verhandlungen, die sich bis 16.00 Uhr hinzogen, machte der Vertreter der Firma keine gute Figur. Immer wieder musste ihm der Richter auf die Sprünge helfen. Die Behr-Kollegen wurden aufgefordert Stellen im Betrieb zu nennen, die sie hätten übernehmen können. Das verlangt eine Klage auf Kündigungsschutz. Die Kollegen werden diese liefern, aber sie machten ganz deutlich, dass es ihnen darum geht, Arbeit für alle zu haben. Gerade diese Forderung sollte von der IG Metall aufgegriffen werden, da Behr in Mühlacker, wohin ein Teil der Arbeit verlagert worden ist, ca. 140 Befristete eingestellt worden sind. Diese Umwandlung von fester in prekäre Arbeit darf die IG Metall nicht hinnehmen - weder bei Behr noch anderswo!

Der Metallertreff Stuttgart, Mitveranstalter der Kundgebung, lädt ein zur Diskussion über die Fortsetzung des Kampfes am 23.3. um 18 Uhr in der Kellerschenke im DGB-Haus.

Die Gerichtsverhandlungen werden am 13.3. fortgesetzt. Auch am 23.3. haben weitere 8 KollegInnen eine Gerichtsverhandlung.

Zum Kündigungsschutzverfahren gibt es eine Pressemitteilung des Arbeitsgerichtes (28 Ca 7360/10 u. a.)

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat heute die ersten neun Kündigungsschutzverfahren gegen die Fa. Behr GmbH & Co.KG aufgrund der Schließung von Werk 8 in Stuttgart-Feuerbach zum Jahresende 2010 verhandelt. Von der Schließung sind insgesamt 222 Arbeitsplätze betroffen.
Die Kläger der heute verhandelten Rechtsstreite begehren ihre Weiterbeschäftigung in anderen Betriebsstätten in Stuttgart-Feuerbach oder in den Werken in der Region Mühlacker. Dort hatte die Beklagte nur 38 Arbeitsplätze zu vergeben. Die Kläger wurden nicht berücksichtigt und haben lediglich Änderungsangebote in Neustadt an der Donau erhalten. Diese Betriebsstätte liegt etwa 250 km entfernt vom bisherigen Beschäftigungsbetrieb. Die Kläger, darunter auch Wahlbewerber und Mitglieder des Betriebsrats, rügen insbesondere die soziale Auswahl und halten das Weiterbeschäftigungsangebot in Neustadt an der Donau für unzumutbar. Der Betriebsrat hat den Änderungskündigungen aus diesen Gründen widersprochen.
Das Arbeitsgericht Stuttgart hat heute noch keine Urteile gesprochen, sondern Termin zur Verkündung der Entscheidungen auf den 30. März 2011 anberaumt.

Aufruf zu Solidaritätsaktionen für die 300 Hungerstreikenden in Griechenland am Montag, 7. März

Die Situation der 300 hungerstreikenden Migranten in Griechenland spitzt sich zu. Aus diesem Grund dokumentieren wir den Text einiger StudentInnen aus Paris (Eigene Übersetzung):

300 Migranten ohne Papiere befinden sich seit über 40 Tagen im Hungerstreik in Athen und Thessaloniki. Die kritische Schwelle, jenseits derer Gesundheitsschäden unumkehrbar werden, ist bereits überschritten. Achtundneunzig der Hungerstreikenden sind derzeit im Krankenhaus. Die von der Sozialistischen Partei (PASOK) gestellte griechische Regierung besteht auf ihrer Ablehnung der berechtigten Forderung nach Legalisierung der Migranten und nimmt damit deren Tod in Kauf.

In der Zwischenzeit sind acht Mitglieder der "Initiative für Solidarität mit den 300 Hungerstreikenden", darunter der Präsident der Universität von Athen - wo die Einwanderer zunächst untergebracht waren, bevor sie anderswo wegen der Drohung eines gewaltsamen Räumung durch die Polizei untergebracht wurden - sowie die Hungerstreikenden selbst von den Behörden wegen Menschenhandels angeklagt worden. Im Krankenhaus verhören Polizisten die Ärzte und Krankenschwestern, um die Namen der Migranten zu erfahren. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer der Pressekonferenz der "Initiative für Solidarität mit den 300 Hungerstreikenden" am 1. März von der Polizei brutal angegriffen.

In von der Wirtschaftskrise schwer gezeichneten Land, in dem Arbeitslose und prekär Beschäftigte gedemütigt werden und aufgrund der fehlenden Mittel um ihr Überleben kämpfen müssen, verwandelt der Kampf der 300 Migranten Verzweiflung in Kampf. Da ihr eigenes Leben in Gefahr ist haben sie nichts mehr zu verlieren außer ihren Status als "Illegale".

Während die Solidaritätsbewegung kontinuierlich in Griechenland und im Ausland wächst, hält die griechische Regierung an ihrer zynischen und brutalen Haltung fest. Der Außenminister weist jede Verantwortung für die entstandene Situation von sich und erklärte, dass diejenigen, die solidarisch mit den Hungerstreikenden sind, die Verantwortung das Leben der Menschen tragen. Unter diesen Umständen werden rassistische und fremdenfeindliche Reden und Übergriffe zum Volkssport. Leider ist dies nicht nur auf Griechenland beschränkt.

Diese 300 "sans papiers" leben und arbeiten seit vielen Jahren in Griechenland. In all diesen Jahren waren sie eine wichtige Quelle des Reichtums für ihre Arbeitgeber, aber sie waren auch eine wichtige Quelle des menschlichen und kulturellen Reichtums für ihre Freunde und Kollegen. Dieser Hungerstreik ist keineswegs eine reine griechische Angelegenheit, er steht mit der gemeinsamen europäischen, durch die Dublin II - Politik in Verbindung.

Wir fordern:

• Die sofortige Legalisierung der 300 "sans papiers"
• Die Legalisierung aller ArbeiterInnen ohne Papiere
• Die Aufhebung der Dublin II - Verordnung, die das Leben der "sans papiers" in Gefahr bringt und ganze Länder zu unerwünschten Herkunftsländern erklärt, indem diese nur nach deren Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt beurteilt werden

Wir rufen auf zu koordinierten Solidaritätsaktionen mit den 300 "sans papiers" am Montag, 7. März!

Kein Leben ist illegal, kein Leben überflüssig!


Blogs der Hungerstreikenden und mehr Informationen:


Siehe auch:
300 Migranten in Griechenland seit mehr als vier Wochen im Hungerstreik
Griechenland: Aufruf der Vollversammlung der Hungerstreikenden

"Hotel Silber" und die Verfolgung der Homosexuellen - auch nach 1945

Am 10. März 2011 um 18 Uhr wird in Stuttgart, in der Dorotheenstraße 10 (beim Karlsplatz), Joachim Stein vom schwul-lesbischen Zentrum Weissenburg zur Verfolgung der Homosexuellen durch die Gestapoleitstelle von Württemberg/Hohenzollern sowie durch die Stuttgarter Kriminalpolizei nach 1945 sprechen. Ergänzend wird Chris Michl von der IG CSD Stuttgart den Bezug zum diesjährigen CSD-Motto „Generation Zukunft“ herstellen.

Nach einer Kurzaufführung des Schauspielers und Theaterpädagogen Horst Emrich zum Thema Ausgrenzung und Mut zum Anderssein führt ein Spaziergang zum ersten Stolperstein in Stuttgart für ein homosexuelles NS-Opfer, zum Leonhardsplatz 15. Hier erinnert Elke Martin von der Stuttgarter Stolpersteininitiative an Willi Karl App, der im Alter von 23 Jahren seinen Tod im KZ Sachsenhausen fand.

Seit dem 3. Februar 2011 veranstaltet die Initiative Lern- und Gedenkort „Hotel Silber“ jeden Donnerstag um 18 Uhr Kundgebungen und politische Spaziergänge am „Hotel Silber“, dem Gebäude der ehemaligen Gestapoleitstelle Württembergs/Hohenzollern. Sie tritt dafür ein, dass im authentischen Gebäude „Hotel Silber“ ein Dokumentationszentrum des NS-Unrechts eingerichtet wird, in dem die Verfolgung ausnahmslos aller Opfergruppen dargestellt wird.

Am 10. März wird die Kundgebung von den homosexuellen Vereinen der Initiative gestaltet. Bislang ist kaum bekannt, dass es im „Hotel Silber“ auch ein Referat IV5 „Sonderfälle“ gab, dem u. a. die Verfolgung der Homosexuellen in  Württemberg und Hohenzollern oblag. Dies verwundert nicht weiter, da dieser Aspekt des NS-Terrors bislang weder systematisch aufgearbeitet, noch in einer Gedenkstätte in Baden-Württemberg dauerhaft dargestellt wird.
 
Für die Homosexuellen hat das „Hotel Silber“ eine besondere Bedeutung, weil von hier aus auch nach 1945 die Verfolgung von Männern nach §175 StGB in der Nazifassung durch die Kriminalpolizei bis 1969 betrieben worden ist.

Quelle: Pressemitteilung der Rosa-Winkel-Initiative des Weissenburg e. V.


Siehe auch: Verdrängt und ungesühnt - nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle in und aus Stuttgart

Stuttgart 21: Drakonisches Urteil gegen Blockadeteilnehmerin

Proteste am Tag "X" gegen den Abriss - Besetzung des Nordflügels
Der Prozess gegen Birgit Th. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Abriss des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs am 1. März 2011 vor dem Amtsgericht Stuttgart

Der Vorfall

Im Zusammenhang mit  dem Abriss des denkmalgeschützten Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs fanden fast tägliche Protestdemonstrationen in Form von Blockaden und Behinderungen des Abtransports von Bauschutt statt. Bei einer davon hatten Demonstranten die Zufahrt zur Baustelle blockiert und wurden, wie so oft, von Polizeieinheiten unter „Anwendung einfacher körperlicher Gewalt“ von der Straße weg auf die Verkehrsinsel und den seitlichen Gehstreifen gedrängt oder geschleift und dort mittels Polizeikette an einem erneuten Betreten der Straße gehindert. Darunter auch die jetzt Angeklagte Birgit Th. In großer Empörung musste sie mit ansehen, wie einem Schuttlaster unter Pfiffen und Protestrufen der Demonstranten die Ausfahrt ermöglicht wurde, was sie lautstark  gegenüber den vor ihr stehenden Polizisten als rechtswidriges Zerstören von Gemeineigentum gegen den Willen des Volkes bezeichnet. Als dann noch ein zweites Baufahrzeug sich anschickte den Zufahrtsbereich zu verlassen, wollte sie sich diesem entgegen stellen um seine Weiterfahrt zu behindern. Sie versuchte deshalb, durch die Polizeikette hindurch zu kommen, wobei sie den vor ihr stehenden Polizeibeamten „schubste“. Dieser kam dadurch ein wenig aus dem Gleichgewicht und musste einen Schritt zurück machen, um sich wieder in festen Stand zu bringen. Als er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, bemerkte er, dass der im Schritt-Tempo heranfahrende Laster sich durch Abbremsen zum Stand gebracht hatte und nun direkt schräg hinter ihm stand. Er, so sagte er aus, sei da ziemlich erschrocken und habe gedacht, das hätte auch schlimm enden können. Die Demonstrantin, die ihm den „Schubser“ versetzt hatte, war da bereits von seinen umstehenden Kollegen festgenommen und weggeführt worden. Er selbst folgte dann dieser Gruppe, um bei der Personalienfeststellung mitzuwirken.

Die Anklage

Die Anklage geht von einem Vergehen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall (§ 113 StGB Abs.2, Pkt.2) aus, weil die Täterin durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen Beamten in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht habe.
§ 113 StGB:
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder

2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.
(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.


Die Einlassung der Angeklagten:

In ihrer Einlassung legt die Beschuldigte eindrücklich dar, dass der begonnene Abriss des denkmalgeschützten Bahnhofs wie das ganze Projekt Stuttgart 21 durch falsche Angaben und Betrug erschlichen wurde. Dass über die Rechtmäßigkeit im Zusammenhang mit der Klage des Bonatz-Erben Dübbers noch nicht abschließend gerichtlich entschieden sei und begründet damit auch ihre große Empörung, dass die Abrissarbeiten trotzdem begonnen wurden und die Polizei dies auch noch gegen das Volk ermöglicht. Dies habe sie damals an Ort und Stelle auch nachdrücklich und erregt gegenüber den vor ihr stehenden Polizeibeamten zum Ausdruck gebracht.

Dass ihr der Richter gleich nach ihren Einlassungen erklärt, all die Ausführungen zum Zustandekommen des Bauprojekts Stuttgart 21und dessen Bewertung, sowie zur Frage der Rechtmäßigkeit der Abrissarbeiten seien hier völlig unerheblich, es gehe ausschließlich um die Frage, ob sie in der hier zur Debatte stehenden Situation Widerstand geleistet habe, darf schon etwas verwundern. Besagt doch der Absatz 2 des § 113: Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. (...) und

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar;

Im Empfinden des Volkes, in dessen Namen die Urteile gesprochen werden, ist es durchaus schlüssig, dass wenn die Abrissarbeiten möglicherweise nicht rechtens sind, auch die polizeilichen Maßnahmen zu deren Durchsetzung möglicherweise nicht rechtens sind.

Dass auch der Richter dies mindestens ahnte fand in seiner Urteilsbegründung Ausdruck, in der er immer wieder hervorhob, dass völlig außer Frage stehe, dass die Polizeikräfte absolut rechtmäßig gehandelt hätte. Nie aber sagte er dazu, warum.

Die darin zu Tage tretende Absicht der Gerichte, sich in Verfahren gegen die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 auf keinen Fall mit den Rechtsverstößen der Projektbetreiber zu beschäftigen, sondern allein den Widerstand zu kriminalisieren wurde noch deutlicher im Plädoyer der Staatsanwaltschaft.

Doch zunächst zur Beweisaufnahme. Hier verstrickten sich der „geschädigte“ Polizeibeamte und zwei weitere Polizeizeugen trotz ganz offensichtlich vorher abgesprochenen Aussagen in offensichtliche Widersprüche. So sagte etwa der „Geschädigte“ aus, die Beschuldigte habe die ganze Zeit wortlos und völlig ruhig vor ihm gestanden, um ihn dann absolut unvermittelt zu stoßen. Auf Vorhalt, dass sein neben ihm stehender Kollege angegeben habe, dass die Frau heftig und erregt diskutiert habe und immer wieder gerufen habe, dass die Polizei kein Recht hätte, sie hier festzuhalten, erklärte er, möglicherweise habe sie ja mit dem Kollegen gesprochen, er habe davon aber nichts bemerkt. Auch den Aussagen des Lasterfahrers merkte man deutlich an, dass sein Gedächtnis bezüglich des immerhin über 4 Monate zurückliegenden Vorgangs etwas aufgefrischt worden war und nochmal ihm gesagt worden war, was er aussagen muss.

Eine besonders seltsame Rolle spielte bei der Zeugenanhörung noch der Fotograf Thomas Geromiller aus Esslingen, der, wie er sagte, die Szene für seine Internet-Seiten gefilmt hat und diese Aufnahmen dann der Polizei zur Verfügung stellte.

Er hatte sich bereits im Vorraum  eingehend mit der vor ihm als Zeugin gehörten Gruppenführerin der Polizei unterhalten und dann bei seiner Aussage in frappierender Weise alles genauso beobachtet, wie die 10 Meter von der Szene entfernt stehenden Beamtin. Besonders auffällig aber war, dass er ohne dies gefragt worden zu sein, immer wieder betonte, er sei sich ganz sicher, dass die Beschuldigte gesehen habe, dass der LKW bereits losgefahren sei als die den Polizisten schubste. Was diese allerdings auch gar nicht bestritten hatte, sie wollte ja gerade deshalb wieder auf die Straße gelangen, um die Ausfahrt des LKW zu behindern. Für einen normalen Menschen allerdings auch unbedingt einleuchtend, dass der LKW dabei sehr langsam fuhr, sie werde sich ja nicht vor einen schnell fahrenden LKW werfen.

Der Strafantrag

Trotz allem Bemühen der Zeugen, eine schwere Gefahr für den Polizeibeamten zu konstruieren, war selbst der Staatsanwältin klar geworden, dass eine konkrete Gefährdung für den Polizeibeamten nicht vorgelegen hat, was die Voraussetzung für eine Bestrafung wegen eines „schweren Falls des Widerstands“ gewesen wäre. Sie ging daher von einer Tat des „einfachen“ Widerstands aus und führte auch noch die üblichen strafmildernd zu berücksichtigenden Aspekte, wie Geständigkeit der Angeklagten und die von dieser vorgebrachten Entschuldigung an. Birgit Th. hatte gesagt, dass es ihr wirklich leid tue, wenn sie dem Polizisten Angst gemacht habe, was sie sich aber nicht richtig vorstellen könne. Auch dass sie erklärte, sie habe aus dieser in der Erregung ausgeführten „Tat“ gelernt, und werde sich künftig nur noch an organisierten und eingeübten Blockaden beteiligen, wertete die Staatsanwältin als strafmildernde Einsicht. Der Teil des Volkes, der die Verhandlung verfolgte nahm erfreut zur Kenntnis, dass endlich einmal eine Staatsanwältin sich ein eigenes Urteil aus der Verhandlung bildete und nicht  stur entsprechend den Vorgaben ihres Oberstaatsanwalts plädierte.

Die Vorgaben kamen dann aber wohl  - und hier ist der Ausdruck „unvermittelt“  wirklich angebracht - beim geforderten Strafmaß zum Vorschein: Weil kein schwerer Fall, weil geständig, weil auch in gewisser Hinsicht reuig, reicht eine Geldstrafe nicht aus und es werden 4 Monate Freiheitsstrafe plus einer Geldbuße von 1.500 Euro gefordert.

Die Verteidigung plädierte auf Einstellung des Verfahrens.

Das Urteil

Der unabhängige Richter spricht dann im Namen des Volkes sein Urteil:
Wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 3.600 Euro (80 Tagessätze).

Zur Begründung für die Höhe der Strafe führt er an:

Das polizeiliche Vorgehen war absolut rechtmäßig, weil es absolut rechtmäßig war. Deshalb ist die Handlungsweise der Angeklagten eine zu bestrafende Tat des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gewesen.

Zwar hat eine konkrete Gefahr für Leib und Leben des gestoßenen Polizeibeamten nicht vorgelegen, wohl aber eine abstrakte. Die wird so begründet: Hätte der aus dem Gleichgewicht gebrachte Polizist, sein Gleichgewicht nicht durch einen „Ausfallschritt“ wieder erlangt, sondern wäre gestürzt und wäre der LKW nicht langsam, sondern schnell gefahren und hätte womöglich keine guten Bremsen gehabt und der Fahrer wäre nicht so aufmerksam gewesen oder hätte langsamer reagiert, dann hätte der Polizist möglicherweise ernsthaft verletzt werden können.

Muss das noch kommentiert werden?
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