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Die Lust, sich anlügen zu lassen!

Bekannter Vorläufer: Der Lügenbaron Münchhausen entdeckt die Bibliothek von Alexandria.
Zeichnung von William Strang 1895
Guttenberg ist es gelungen, noch die Generalbeichte ins ungeheuerste Eigenlob zu verkehren. Erstes Lob für seine wunderbare Erkenntnis vom Freitag, den Doktortitel zeitweise zurückzugeben. Zweitlob: Er ist ehrlich genug seinen Titel an Aussteller zurückzugeben. Drittlob: Seine bewusste Fälschung war nur ein verzeihlicher Fehler. (Beibehaltene Erfindung:) Sieben Jahre saß er über dem Werk. Und wenn abends im Schloss das Lämpchen glühte, dann wussten die Mitbewohner: unser Karl Theodor sitzt am Grundlagenwerk. Und letztes Lob: er erklärt in der Provinz, was er der Hauptstadt verschwieg. Der kleine Parteigenosse soll wissen: Das über der Doktorarbeit vergessene "Partnering", das er mit allen Todesopfern mitverteidigt hat, wird verbissen weiterbetrieben. Denn was ein richtiger Mann ist, der geht bei "Sturm niemals von Deck". STURM: er traf ihn, wie die Apostel, als sie auf Jesus warteten auf dem See Genezareth. Was kann er dafür?

Alles Behauptungen, die anderen schon getanen des Ministers brutal widersprechen. Es kann aber nur eine von ihnen wahr sein. Also haben alle Beifallsklatscher in FACEBOOK und Kelkheim den unverschämtesten Lügen zugejubelt, die über sie ausgegossen wurden. Und die große Mehrheit der Befragten in Deutschland nach EMNID eben so.

Wie ist das möglich? Wo doch nach den gleichen Quellen die meisten den Afghanistankrieg raschest-möglich beenden wollen. Betrieben vor allem von dem jetzt Umjubelten!

Was beweist das? Der Begriff jeder Wahrheit ist inzwischen verloren gegangen. Was immer auch seit den Tagen der Aufklärung darüber gesagt worden ist, in begrenztem Umfang kann eine Definition nicht weggedrückt werden: Wahr ist die Übereinstimmung von Aussage und Sachverhalt. Natürlich: Was genau ist eine Aussage? Und vor allem: wie kann ich etwas über den Sachverhalt erfahren, was nicht aus unmittelbarer sinnlicher Erfahrung entspringt - oder eben anderen Aussagen? Perpetuum mobile!

In einem engen Umfang ist der Vergleich von Aussage und Sachverhalt aber trotz allem irrtumsfrei möglich. Wenn nämlich beides schon Schrift geworden ist.Man legt Schrift 1 neben Schrift 2 und stellt Übereinstimmung oder Abweichung fest. Daran gibt es nichts zu "meinen". Nur: Nachvollzug.

Als Hannah Arendt zum ersten Mal nach dem Krieg wieder nach Berlin kam, stieß ihr eben das auf. Man stieß bei jeder Diskussion ins Schwammige. Es gab bei allen befragten Deutschen  keine Tatsachen mehr, nur noch Meinungen. Nach einem Krieg, bei dem spätestens Juni 1940 nach dem Sieg über Frankreich  so ungefähr alle Hurra geschrien hatten, durfte es kein Nachbohren nach Tatsachen mehr geben.
"Hitlers Krieg hat Deutschland ärmer zurückgelassen, als er es nach dem ersten Weltkrieg vorgefunden hatte!" -"Schon möglich! Ja, kann man so sehen" "So, meinen Sie?" Damit erstickte jede Diskussion beim eingeforderten Respekt vor dem individuellen Wahn. Auch bei Umständen, die nicht wegzuerfinden waren.

Diese Tendenz hat sich in Deutschland fortgesetzt. Was gegenwärtig "Diskussion um Guttenberg" genannt wird, bleibt im Austausch von Treue- oder Abscheubekenntnissen  stecken.

Anstatt dass der Wahrheitsbegriff ausgeweitet würde.  Ganz offenbar wurde das Textbündel, das Guttenberg zusammensaute oder zusammensauen ließ, genau in der Haltung lanciert wie seine Kriegskunststücke in Afghanistan. Hauptsache,man kommt damit noch ein halbes Jahr durch! Oder ein ganzes? Guttenberg agiert strategisch ganz gleich beim Kriegen wie beim Lügen. Wenn nur der erzeugte Schein noch ein Minütchen hält.So lange es eben geht! Guttenberg verhält sich  auf allen Gebieten als Erkenntnis-Nihilist.Wahr ist nichts, Wirkung alles! Und wahrscheinlich haben ihn deshalb viele Deutsche so lieb. "Wer hat nicht schon Fehler gemacht?" (Häufigste Antwort der Umgefragten) - Hauptsache man kommt damit durch, so lange wie möglich!

Was bedeutet diese kollektive Abdankung für die Möglichkeit von Demokratie in diesem Land? Gute Frage!

Zitate nach PHOENIX.22.2.2012: Wiedergabe der Rede v. Guttenbergs in Kelkheim




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