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Bundestag: Dagobartel und Eurobonzen flehen gemeinsam um Aufschub

Dr. Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
Creative Commons License

Dieses Foto ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland) lizenziert.
Aus dem Blickwinkel einer Flunder

Erlauben wir uns einmal aufzustaunen, als Zuschauer von unten her. Ohne besondere Fachkenntnisse, und freilich voller Angst.

Streit um Eurobond - oder Brutalaufsicht über den Rest


Angeblich ging es im Bundestag letzten Mittwoch um alles. Immer noch angeblich: um den Euro. Um seine  Rettung. Tatsächlich wurde weniger gekämpft als gebetet. In der Not. Zwei Glaubensrichtungen traten gegeinander an. Beiden  ging es nur noch um Aufschub.Vor dem unvermeidlichen Ende.

Die Eurobonzen sahen dem Elend ein Stück weit ins Gesicht. Die Randstaaten der EU würden nicht nur die bisherigen Schulden nie zurückzahlen können. Sondern immer mehr ansammeln- zu immer höheren Zinsen. Mittel dagegen:angeblich  der Eurobond. Von allen EU-Staaten gemeinsam aufgenommene Schulden. Dann natürlich für Griechenland billiger als jetzt, für Deutschland teurer.

Dagegen traten vor allem auf Mischlinge, angstgezeugt. Sie gaben die Randstaaten verloren, wollten aber den eigenen Schatz bewahren. Wie einst Disneys Dagobert, Inbegriff der frühesten Monetaristen Europas,der Merkantilisten. Höchstziel für den eigenen Laden: Geld anhäufen. Über den Export.

Seit das Geld kaum noch aus Metall gemacht wird, sondern bloß noch repräsentiert  von armen papierenen   Flatterlein, mussten die Schatzbildnerischen sich notgedrungen mit jenen Bartels kreuzen, die Kanzler Kohl einst so oft berief. Die, die wussten, wo man den Most holt. Die erfahren haben, dass das Papier seinen Wert nicht wie Gold von allein behält, sondern dass es Druck, Terror, Illusionskunst braucht, um die Märkte zu hindern, dem Papier zu nahe zu rücken.

Frau Tempelhüterin Merkel

Als Vorkämpferin dieser mehr tempelhüterisch gesonnenen  Ordensgemeinschaft tat sich Merkel hervor. Sie setzte ganz offen auf Druck gegenüber den Ländern, die jetzt schon EU-Geld von ihr und den stattlicher gepolsterten Staaten wollten. Spaniens Militärdiktatur, Griechenlands  Polizeimaßnahmen, Englands Studi-Vertreibung. Ihr gerade recht. Als "Hausaufgaben machen" von ihr und ihresgleichen verklärt.

Dass es um den brutalen Zugriff auf Unwillige ging und nicht einmal in erster Linie um Deutschlands  höhere Zinsen, zeigte sich im Echo auf die Reden der Kanzlerin am lautesten beim eifrigen Schnatterlieschen, der Vorsitzenden  der FDP-Fraktion, die alles noch einmal sagte. Vor allem: Die andern sollen leiden, wenn nur wir Deutschen uns heraushalten - und hauen.

Hohepriester Sinn


Das Ganze ließ sich nur voll verstehen, wenn man in PHOENIX vor der Übertragung der Merkel-Proklamation Hohepriester Sinn vernahm. Er pries Gott als Schicksal, sich, die Deutschen - in dieser Reihenfolge, weil es uns wohlerging auf Erden. Er wollte die Konjunktur erklären. Frohlall ist Pflicht bei solchen. Und darf nicht verwundern. Interessant war aber  seine Begründung des Reichtums. Früher wurde die Produktivität eines Landes als Maßstab seines Reichtums genommen. Seine Fähigkeit, Dinge und Leistungen durch Arbeit hervorzubringen, die nicht wie spanische Immobilien kieselig am Strande liegen bleiben, sondern - ganz am Ende - von Menschen aufgenommen und benutzt werden. Bei Sinn dagegen eine ganz neue Reichtumsdefinition. Unter der Voraussetzung, dass derzeit hundertfach  Wertzeichen um die Erde kreisen, die nach Anlagemöglichkeiten suchen, lassen sie sich in der Not am ehesten bei uns nieder. Wo - fragte Sinn - sollte das Geld denn hin? Etwa in die halbpleitene USA? Oder nach Griechenland? Ha Ha... Oder in die riskante und mühsame Produktion, die sich vielleicht erst in zehn Jahren rentiert oder auch nicht - nein, Deutschland ist mit Recht das Land der billigen Kredite. Und daher unser Aufschwung. Das Geld soll sich endgültig emanzipiert haben vom Bezug auf die materielle Produktion. Geld  in erhabener Selbstbewegung. Daher ganz logisch und notwendig nicht mehr Mittel in menschlichem Gebrauch, sondern Gegenstand der Anbetung.

Das heißt also - so der Hohepriester - es kommt auf die Produktion realer Dinge nur noch in zweiter Linie an. In erster Linie auf Lenkungsmaßnahmen, um den Geldstrom immer weiter im schön gegrabenen Bett zu halten.

Damit aber wird mitgedacht, nur niemals ausgesprochen: Deutschlands Glück hängt an der Aufrechterhaltung einer Illusion. Derjenigen, dass unsere Papiere, die wir als Geld behalten und ausgeben, immer wieder so sein werden, dass viele mehr von ihnen zurückerhalten, als sie vorher hergegeben haben.

Notwendiger Terror gegen die Randstaaten

Wenn aber alle andern Länder diesen Glauben teilen sollen, müsste es sofort zum Wirtschaftswetteifer, um nicht Kampf zu sagen, aller gegen alle kommen.Es kann aber nicht jeder zugleich am Export der gleichen Ware verdienen. Bleibt die offene und harte Drohung: Wer sich am Glauben vergeht, der büßt unter dem Druck staatlicher Gewalt.

Was können die Eurobonzen in ihrem Kult dagegen aufbieten? Angeblich die Solidarität. Hilfe für die Armen. Nur, dass ihre Grundvoraussetzung sich von der der anderen Konfession nicht unterscheidet: Es muss immer weiter geliehen werden. Ein Zustand der Sättigung ist unter den gegebenen Umständen undenkbar. Und muss dennoch von beiden Konfessionen vor Augen gestellt werden- als nah und sicher bevorstehend.

Kritik am Spektakel in Brüssel

Münchau hat in seiner Kolumne in Financial Times Deutschland die Sache sehr ähnlich gesehen. Er kennzeichnet unerbittlich das gemeinsame Oratorium in Brüssel als Schauspiel. SPECTACLE im Sinne Debords. Kritik damit scharf genug der  Oberflächlichkeit des Streits um die Euro-Bonds. Am Ende müsste nach ihm das stehen, vor dessen Anblick alle Staatslenkenden zurückschrecken: Schuldenerlass in den betroffenen Randstaaten. Damit freilich Versündigung am Heiligsten: Den Interessen der Banken. Oder noch schlimmer für alle: Abwarten, bis die gehorteten Geldzeichen sich so weit verbreiten, dass die gefürchtete Inflation, die alles wegfressen würde, doch durch Zinserhöhung für ganz Europa bekämpft werden muss.Der bevorstehende Fall Spaniens- mit und ohne Ausnahmezustand- könnte nach ihm schon im Jahr 2011 die Stelle anzeigen, an der alle Schirme keinen Regensturz mehr abdecken.

Warum soll gerade eine Flunder das als einzige gemerkt haben?

Das sehen sicher viele so. Auch und gerade in den Bankenkreisen. Aber das herrschende Kapital- und Finanzsystem erlaubt keine Folgerungen aus solchen Voraussichten. Ganz offenbar herrscht dort die Devise: Was man hat, das hat man. Rasch noch profitieren, bevor der Fall kommt.Und das, so der kollektive Traum, dann anlegen in "Werten", die der Flüchtigkeit des Geldstroms nach Möglichkeit entzogen wären. Eine Villa für nach dem Rückzug. Altertümlicherweise Gold. Ein Kunstwerk, nach wissenschaftlicher Abstempelung, vielleicht auch dabei.

Kommt der "Aufstand" aus dieser Not?

Was sich Münchau von seinem Standpunkt her freilich völlig verschließt: Die Möglichkeit einer Auflösung der Krise von unten her. Die Regierungen allesamt halten sich bis jetzt weitgehend unerschüttert  in der Niederhaltung der Proteste. Sie selbst, unter der Knute des Weltkapitals, zeigen dennoch wenig Nachgiebigkeit. Im Zeichen des "Alternativlosen".

Es wird eine furchtbare und lange Zeit der Aufstände brauchen, mit zweifellos einer zeitweisen Senkung der Ansprüche aller, Ausbau der inländischen Wirtschaftsmöglichkeiten unter Verzicht auf das Japsen nach dem Export, Überwältigung der je eigenen nationalen Finanzbourgeoisie. Man mag es sich selbst auf seine alten Tage nicht in allen Einzelheiten vorstellen. Aber zu vermeiden wird es kaum sein.

Geißlers Schlichterspruch und die Folgen

Alte schwäbische Weisheit - nicht irreführen lassen!
Der schlichte Spruch des CDU Mannes Heiner Geißler lautet: „S21“ wird gebaut -“ als „S21 plus“. Das heißt, dass der existierende Bahnhofsbau weiter zerstört wird, dass mindestens zehn Jahre lang ein neuer Bahnhof unter der Erde und bis zu 60 Kilometer Zulaufgleise mit Tunneln gebaut werden. Das ist die Kernaussage des Schlichtungsspruches, auf den sich nach Wochen die VertreterInnen der „S21“ -BefürworterInnen und einige Personen geeinigt haben.

Um Heiner Geißler herum wurde systematisch ein Mythos aufgebaut, der dazu führte, dass auch viele hartgesottene „S21“ -GegnerInnen freitags vor der Glotze hingen, um die live übertragenen stundenlangen Gespräche zu verfolgen. Anstatt auf der Straße oder im Schlosspark die Proteste voranzutreiben, gaben sich viele der Illusion hin, auf dem Terrain der GegnerInnen punkten zu können und den politischen Preis für die Durchsetzung des Projektes „S21“ für Mappus, Grube und Konsorten unbezahlbar zu machen.

Wer von einem CDU-Politiker einen „neutralen“ Spruch in einer Angelegenheit, in der seine ParteifreundInnen bis über beide Ohren tief verstrickt sind, erwartet hat, verkennt nicht nur die herrschenden Realitäten. Er ignoriert auch die politische Geschichte Geißlers und die Skrupellosigkeit der herrschenden Politik, die der Bewegung ein trojanisches Pferd zur Spaltung des Protestes unterjubelte. Für Mappus kam von vorne herein nur ein Ergebnis „unterhalb der Schwelle eines Baustopps“ in Frage.

„Stuttgart 21 Plus“ ist eine „Verschlimmbesserung“ des bisherigen Projektes.


• Die Bauzeit wird sich deutlich verlängern, und die Kosten liegen gemessen an „S21“ erheblich höher.

• Das Unternehmen Deutsche Bahn AG wird unter kapitalistischen Gesichtspunkten noch unwirtschaftlicher -“ in der Folge ist für andere Schienenverkehrsprojekte noch weniger Geld da und die Kosten werden gesellschaftlich abgewälzt.

• Die von Geißler „geforderten“ Nachbesserungen sind wertlos, weil sie erstens auf Grundlage des seit Jahren bekämpften Projektes „S21“ basieren und es zweitens keinen Baustopp gibt.

• Die Bäume sollen verpflanzt werden, sagt der Schlichterspruch. Derartig große Bäume können nicht verpflanzt werden, da die Feinwurzeln weit um den Baum herum gehen. Werden diese nicht vollständig mit verpflanzt, nimmt der Baum Schaden. Also ist der Schlichterspruch für keinen „Parkschützer“ ein Angebot.

• Der Bahnhof soll zudem „behindertengerecht“ werden. Klingt gut, ist es aber nicht. Nicht auszudenken, was in einem Brandfall geschehen könnte, in denen die vorgesehenen Aufzüge nicht zu benutzen sind. Eine Rampe, die von den Gleisen des in 30 Meter Tiefe befindlichen zukünftigen Durchgangsbahnhofes von RollstuhlfahrerInnen zu erklimmen wären, würde sich mindestens über die gesamte Länge des Tiefbahnhofs ziehen. Auch die Kosten durch ein 9. und 10. Gleis sind nicht gedeckt.

Die Sehnsucht nach Harmonie oder „gutem Willen“
Da fällt kaum noch ins Gewicht, dass es für die „Schlichtung“ keinerlei juristische Bindung gibt, sondern diese nur vom „guten Willen“ der ProtagonistInnen abhängig ist. Und wenn er nur als „gefühlter“ existiert. Denn wie der „gute Wille“ der BefürworterInnen aussieht, konnte man an den Polizeigewaltexzessen am 30. September erkennen, die von Mappus und Gönner politisch gedeckt waren:

Im inzwischen eingesetzten Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags wurde das Protokoll einer Besprechung von Ministerpräsident Mappus und Ministerin Gönner bei der Polizei am 20. September bekannt, das offenbar eindeutig aufzeigt, dass Mappus sowohl die Einsatzart als auch den Einsatztermin bestimmt habe.

Die Schlichtung wurde als taktisches Manöver von Mappus in dem Moment lanciert, in dem sich die Proteste auf ihrem Höhepunkt befanden und begannen, Wirkung zu zeigen. Das Konzept von Mappus ging auf: Durch den Verzicht der reformorientierten Teile der Bewegung auf die notwendige Ausweitung und Verschärfung des Proteste kam es mit Beginn der Schlichtung und dem Ausstieg der „aktiven Parkschützer“ zu einer faktischen Spaltung des Aktionsbündnisses.

Bewegung gespalten?
"Stuttgart 21" knicken!
Im weiteren Verlauf der Schlichtung wurde das Konzept der Doppelproteste -“ Montagsdemo ergänzt mit wöchentlichen Protestdemonstrationen aufgegeben, um „den guten Willen zu zeigen“, um „den Leuten nicht zuviel zuzumuten“, wegen „des schlechten Wetters“ usw. Warum hat man die Entscheidung nicht einfach den Menschen selber überlassen? Wieviel diesen zuzumuten ist, beweisen sie bei den fast schon traditionellen Spontandemos nach den regulären Veranstaltungen, an denen teilweise mehrere tausend Menschen teilnahmen.

Inzwischen zeigt sich auch hier erneut, dass der 30. September kein „Ausrutscher“ von „unserer Polizei“ war. Trotz anders lautender Gerichtsbeschlüsse werden auch die friedlichen Kundgebungen permanent von der Polizei abgefilmt, kam es am 4. Dezember 2010 erneut zu einem Pfeffersprayeinsatz und Festnahmen, sowie zu einer Schwerverletzten in Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz.

Das zeigt, dass die Teile der Protestbewegung, die nicht klein beigeben wollen, sich warm anziehen müssen. Und nicht wegen des Winters, sondern weil die staatliche Repression, der mediale Druck und auch der Druck der bisherigen BündnispartnerInnen zunehmen wird.

Denn die Spontanproteste gehen den „S21“ -BefürworterInnen und offenbar auch einigen AkteurInnen des Aktionsbündnisses zunehmend auf die Nerven. So wurde die Demo am 27.11. -“ immerhin von der DemoAG der offenen Aktionskonferenz beschlossen -“ nicht nur totgeschwiegen, indem sie nicht nur keinerlei Erwähnung auf den diversen Webseiten des Aktionsbündnisses fand, obwohl auch dort immer wieder Veranstaltungen, die durchaus kein Konsens im Aktionsbündnis sind, propagiert werden.

Von Einzelnen wurde die Demonstration gar als „Projekt von Einzelpersonen“ oder auch als „von Kommunisten unterwandert“ diffamiert, weil Vertreter „linker“ Gruppen an der Vorbereitung aktiv beteiligt waren.

Als ob bei diversen anderen Aktionen keine parteipolitischen Erwägungen und Motive Triebfeder Einzelner wären.

So ist es der Taktik der Schlichtung zu verdanken, dass zwar durchaus auch neue Fakten auf den Tisch kamen, die bislang jedoch eben nicht zur Stärkung des Protestes als vielmehr zu seiner Schwächung und Desorientierung beigetragen haben.

Das Gespenst der Volksbefragung, das viele als Ergebnis der Schlichtung favorisiert hatten, geistert inzwischen in diversen Variationen durch die Landschaft: Soll nur die Stuttgarter Bevölkerung entscheiden? Oder die aus dem Umland? Oder doch die aus ganz Baden-Württemberg?

Wenn die Schlichtung eines deutlich gemacht hat, dann die Notwendigkeit, sich solidarisch und kritisch über die Perspektiven des Kampfes, seiner Grundlagen, der Beteiligten und Methoden auseinanderzusetzen. Denn die Probleme sind nicht mit der Schlichtung entstanden, sondern Ausdruck des Kampfes zweier Richtungen.

Stell Dir vor, es ist Landtagswahlkampf und keiner merkt's.
Die Stimme abgeben?
Die krampfhaft hervorgebrachte Forderung: „keine Politik“ soll offenbar davon ablenken, dass diese tatsächlich stattfindet, versucht, die Proteste für reformistische Positionen zu instrumentalisieren und sich von Beginn an gegen diejenigen richtet, die für einen wirkungsvollen Kampf, grundlegende Systemkritik und eine befreite Gesellschaft eintreten.

Schließlich gibt es das Bestreben von Teilen des Aktionsbündnisses, auf ein Mitregieren im Land zu orientieren. Das geht jedoch nur entweder mit der SPD oder mit der CDU. Beide sind bekanntlich für „S21“. Die Lage für Fans der „repräsentativen Demokratie“ ist also nicht einfach, auch wenn sie sich noch so sehr einen fühlbaren Schlag für die Merkel-Gang in Berlin und ihren verzückten Vorsänger in Stuttgart wünschen.

Vor ein paar Jahren sind die Grünen noch auf Demonstrationen verjagt worden. In Stuttgart ist das inzwischen etwas anderes, da sie hier den auch von den Medien kräftig beförderten Eindruck erwecken konnten, eine Partei des Umweltschutzes zu sein. Diesen Nimbus geschickt ausnutzend gelang es ihnen unter Weglassung von Moorburg, Gorleben usw. bei den Kommunalwahlen eine grüne Mehrheit in Stuttgart zu erhalten.

Einzelne VertreterInnen der Grünen geben offen zu, dass sie keine Garantie dafür geben können, dass sie „S21“ nach der Landtagswahl kippen: „Wir können nicht garantieren, dass das in acht Monaten noch möglich ist“, sagte Winfried Kretschmann, grüner Spitzenkandidat für die Landtagswahlen, kürzlich in einem Interview. Was natürlich auch von den Mehrheitsverhältnissen, die es dann gibt, abhängt. Die Grünen akzeptieren nach Worten ihres Parteichefs Cem Özdemir auf dem Landesparteitag in Bruchsal den Schlichterspruch. Dieser sei nur auf den ersten Blick enttäuschend gewesen, erklärte Özdemir. Gleichzeitig schränkte er ein: „Ohne dass alle Auflagen aus der Schlichtung erfüllt werden, wird es von uns kein „Ja“ zu dem Projekt geben.“ Einen richtigen Eiertanz gibt es dann, wenn einzelne grüne AkteurInnen klare Argumente dafür entwickeln, warum nicht in die Stuttgarter Frischluftschneise gebaut werden darf, aber für den eventuellen Bau von „S21 Plus“ dann wenigstens eine ökologische Bauweise fordern.

Die LINKEN werden nicht genügend Stimmen erhalten, um eine Alternative für diejenigen KalkuliererInnen zu sein, die hoffen, „S21“ per Stimmzettel und via parlamentarischer Mehrheit entsorgen zu können. Und das, obwohl diese sich dem Protest und „Volkes Stimme“ durchaus geneigt zeigen: „Ohne ein erneuertes Votum der Bürgerinnen und Bürger darf die Umsetzung von Stuttgart 21 nicht eingeleitet werden. (...) DIE LINKE spricht sich konsequent für den sofortigen Projektausstieg aus und wird sich für verstärkte Aktivitäten des friedlichen aber konsequenten Widerstands einsetzen.“ (Presserklärung Linke KV Stuttgart vom 30.11.)

Ob die diversen unter „Sonstige“ in den Statistiken der Wahlämter auftauchenden „linken“ Parteien -“ sofern sie denn überhaupt in der Lage sind, zu kandidieren -“ für mehr als ihre eigenen Mitglieder relevante Ergebnisse einfahren können, ist fraglich. Deren „Stärke“ liegt -“ wenn man so will -“ auch eher in Aktionen auf der Straße oder einzelnen Betrieben und ist darauf gerichtet, die Perspektive der bisherigen Einpunkt-Bewegung mit anderen Kämpfen und mehr oder weniger radikaler Kapitalismuskritik der jeweiligen Sparte zu verbinden.

Libertäre Gruppen aus der Region Stuttgart beteiligen sich seit längerem an den Protesten. Sie fordern dazu auf „„S21“ nicht als isoliertes Ereignis zu betrachten, sondern die Geschehnisse in Stuttgart in einen größeren Kontext zu stellen. Denn es ist eben das kapitalistische, parlamentarische System, dass solch undemokratische und klüngelgetriebene Vorgänge überhaupt erst ermöglicht.(...) Wir erachten es als wichtig, dass Stuttgart21 verhindert wird. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass sich aus diesem möglichen Er­folgserlebnis noch viel mehr Menschen trauen, aufzustehen und sich gegen das zu erheben, was ihnen nicht passt; sei es nun Atom­kraft, die rassistische Migrationspolitik innerhalb der EU oder die unsozialen Entscheidungen der politischen Elite.“ (Aufruf zu einem antikapitalistischen Block bei der Demo am 11.12.2010)

... denken, sie seien an der Macht, aber sie sind nur an der Regierung.

Es wird in den kommenden Wochen darauf ankommen, dass die Bewegung gegen „S21“ mit den in der Schlichtung gemachten Erfahrungen fertig wird und erkennt, dass diese sich um eine weitere Form der kapitalistischen Herrschaftsausübung handelt, gegen die der Widerstand auf der Straße, im Park, in der ganzen Stadt, im ganzen Land gestellt werden muss. Dazu wird ein harter und langer Kampf nötig sein.

Aber der ängstigt nur die BefürworterInnen...

Voarbveröffentlichung aus: Graswurzelrevolution Nr. 355, die Printausgabe erscheint in einigen Tagen.

Siehe auch:
Aufstand der Schwaben. Teil 1 veröffentlicht in GWR 352
"Stuttgart 21" -“ längst keine Frage der Argumente mehr... veröffentlicht in GWR 353
Stuttgart 21: Proteste am Scheideweg? veröffentlicht in GWR 354
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