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Silvesterdemonstration in Stuttgart

Freitag, 31.12. findet um 19 Uhr in der Lautenschlagerstrasse gegenüber des Hauptbahnhofs in Stuttgart eine Sylversterdemonstration statt. In dem Aufruf dazu heißt es:

Das Jahr 2010 war in verschiedenen Bereichen von starken Protestbewegungen geprägt: in Dresden wurde einer der größten Nazi-Aufmärsche Europas durch eine antifaschistische Mobilisierung verhindert, gegen das Milliardenprojekt Stuttgart21 gingen Zehntausende auf die Straße, und die Blockadeaktionen gegen den Castortransport im Wendland waren so stark wie selten zuvor. Dazu kam eine Vielzahl an kleineren Protestaktuionen gegen Imperialistische Kriege, gegen Rassismus und Sozialabbau. All diese Aktivitäten müssen natürlich witerentwickelt werden, da die kapitalistischen Verhältnisse für immer mehr Menschen Armut und miserable Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich bringen, weitere Kriege aus Kapitalinteressen geführt, die Natur für Profite zerstört und unsere Rechte immer mehr zugunsten eines aufgerüsteten Staates eingeschränkt werden.

Ob staatliche Repression durch Polizeieinsätze, Gesetzesverschärfungen oder Hetze in den bürgerlichen Medien - unser Ziel bleibt die Abschaffung des Kapitalismus und der Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung!

Her mit dem schönen Leben!

Für ein revolutionäres 2011!

Solidarität und Klassenkampf gegen Repression und Kapitalismus!


Aktuellen Umfragen zufolge befürworten in der BRD immer mehr Menschen eine Alternative zum kapitalistischen System. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Interessen einzelner Profiteure dieses Systems immer deutlicher den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung zuwider laufen -“ und rigoros gegen sie durchgesetzt werden.

Die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung und die Erhöhung des Renteneintrittsalters wurden trotz breiter Proteste verabschiedet. Milliardenprojekte wie Stuttgart 21 oder Atommülltransporte durchs Wendland müssen von massiven Polizeieinsätzen begleitet werden um gegen massenhafte Proteste durchgeführt werden zu können. Obwohl die Mehrheit der hier lebenden Menschen gegen die Beteiligung Deutschlands an der Besatzung Afghanistans ist, ist die Bundeswehr eine der Hauptstützen des dortigen Kriegseinsatzes.

Die bürgerlichen Parteien verlieren durch diese Politik an Zuspruch und Vertrauen und neben der immer wieder zutage tretenden wirtschaftlichen Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zeichnet sich immer stärker auch eine politische Krise ab. Die Krise dieses Systems ist jedoch nicht unsere Krise und es gibt keinen Grund zu ihrer Abschwächung beizutragen. Vielmehr ist es unser Ziel sie zu verstärken und für die Abschaffung des Kapitalismus und den Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung einzutreten.

Widerstand organisieren!

Die aktuell breit vorhandene Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen bringt sicher noch nicht in einem ebenso großen Ausmaß antikapitalistisches Engagement mit sich. Sie ist jedoch ein Symptom für die Schwierigkeiten innerhalb des Kapitalismus den Klassenfrieden für längere Zeit auch nur in einem kleinen Teil der Welt aufrecht zu erhalten und die stetig vorhandenen Widersprüche zu überdecken oder entscheidend abzumildern. Immer mehr Menschen bekommen direkt zu spüren, dass es im Kapitalismus kaum wirklich sichere Arbeitsplätze und politische Mitbestimmung, kein Grundrecht auf freie Bildung oder soziale Absicherung gibt. Was davon hier noch vorhanden ist, ist stetig umkämpft, wird nur einem kleiner werdenden Teil der Klasse der Lohnabhängigen zugestanden und letztlich Stück für Stück abgebaut.

Was außerhalb der kapitalistischen Zentren schon immer zur Lebensrealität der meisten Menschen gehörte, die schonungslose kapitalistische Ausbeutung, die Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche unter Profitinteressen einiger Weniger und die Unterdrückung von Protest und Widerstand, erhalten auch hier immer weiter Einzug. Die Gründe dafür, dass so auch im „ruhigen Hinterland des Kapitals“ immer weniger auf sozialen Frieden und mehr auf die Erfüllung der Bedürfnisse des Kapitals gesetzt wird, sind vielfältig: die im Kapitalismus grundsätzlich vorhandene Schwierigkeit und gleichzeitig Notwendigkeit, die Profite immer weiter zu steigern ist hierbei ebenso von Bedeutung wie die generelle weltweite Konkurrenz verschiedener Unternehmen und auch Staaten, die jeweils durch geringere Lohnkosten, niedrigere Steuern etc. besser dastehen müssen als die anderen. Auch der Wegfall der Systemkonkurrenz durch das Scheitern der sog. realsozialistischen Staaten und die dadurch weniger notwendig gewordene Maske eines sozialen Kapitalismus dürfte von Bedeutung sein. Zentral ist jedoch, dass die Klasse der Lohnabhängigen, sprich diejenigen die nicht andere für sich arbeiten lassen, sondern gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen und praktisch keinerlei Mitbestimmung über ihre Arbeitsbedingungen, über politische Entscheidungsprozesse etc. haben, nur verlieren können wenn sie sich nicht gemeinsam und entschlossen zur Wehr setzen. Zugeständnisse ans Kapital, ob bei Löhnen bei den Rechten am Arbeitsplatz oder der Verlängerung der Lebensarbeitszeiten, bringen lediglich die KollegInnen in anderen Betrieben oder Ländern in die Situation, unter noch schlechteren, d.h. profitableren Bedingungen leben und arbeiten zu sollen. Lassen sie sich darauf ein -“ glücklicherweise ist das in zahlreichen Ländern weit seltener der Fall als hier -“ geht die Spirale der Verarmung auf einer Ebene tiefer weiter. Die massive Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse in den letzten Jahren, die Intensivierung der Arbeitsanforderungen, aber auch die steigenden Abgabenforderungen an die Klasse der Lohnabhängigen zur Senkung der Ausgaben der Kapitalistenklasse und die Kürzungen in sozialen, kulturellen und weiteren gesellschaftlichen Bereichen, sind Kennzeichen dieser Entwicklung.

Dass wir nur verlieren können, wenn wir nicht kämpfen, bedeutet auch, dass wir nur etwas gewinnen können, wenn wir entschlossen für unsere Interessen, d.h. die Interessen aller Lohnabhängigen, eintreten. Wir haben dabei längst nicht nur ein Ende der Einschnitte zu gewinnen und auch einzelne Verbesserungen sind längst nicht alles was wir erreichen können. In unserer Bereitschaft zur Konfrontation mit dem Kapital und seinem Staat, in unserem bewusstem gemeinsamen Handeln, ob bei Streiks oder anderen Protestaktionen liegt der erste Schritt hin zur Überwindung der Herrschaft der Kapitalistenklasse und dem Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung. Im Zusammenspiel mit dem Aufbau kontinuierlich arbeitender Strukturen des Klassenkampfes und des politischen Widerstandes, ist unser konkretes Handeln heute der nächste notwendige Schritt den alle gehen sollten, die den Kapitalismus nicht für das unüberwindbare Ende der Geschichte halten.

Feuer und Flamme der Repression!


Wie Eingangs bereits erwähnt, geht die Verschärfung des Klassenkampfes von oben einher mit einer staatlichen Aufrüstung und dem Vorgehen gegen die für uns wichtigen, und für Staat und Kapital zumindest potentiell gefährlichen Protest- und Widerstandsaktivitäten.

Es gab in den letzten Monaten allein in Süddeutschland zahlreiche Fälle polizeilichen Vorgehens gegen Demonstrationen und Proteste, sowie der Kriminalisierung linker AktivistInnen. Ein vergleichsweise stark öffentlich thematisierter Höhepunkt war der Polizeieinsatz gegen Stuttgart21-GegnerInnen am 30. September in Stuttgart. Mehrere hundert Menschen wurden durch Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt. Nur wenige Wochen später griffen teilweise die gleichen Einheiten des BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) in Heilbronn eine Demonstration an, die sich gegen das Vorgehen des türkischen und des deutschen Staates gegen die kurdische Befreiungsbewegung richtete. Auch dort wurden mehrere Menschen verletzt, die Demonstration aufgelöst und Dutzende Menschen stundenlang festgesetzt.

Die beiden Beispiele reihen sich in eine Vielzahl von Versuchen ein, politische Aktivitäten durch Auflagen, Polizeiangriffe, Festnahmen und Anzeigen zu verhindern oder einzuschränken und AktivistInnen einzuschüchtern.

Her mit dem schönen Leben!


Wir können an vielen Protesten der letzten Monate und Jahre gegen die kapitalistische Krisenpolitik, an den Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen anknüpfen. Von zentraler Bedeutung ist es aber, sich nicht auf reine Protestaktionen zu beschränken, sondern innerhalb dieser Kämpfe Alternativen zu diskutieren, langfristig handlungsfähige Strukturen aufzubauen und in den Gewerkschaften und anderen Organisationen Bedingungen zu schaffen, die zu einer Überwindung des Kapitalismus beitragen und nicht zu seiner Festigung.

Eine Veränderung der Verhältnisse muss letztlich auf vielen Ebenen vonstatten gehen, unterschiedliche Ansätze, Bereiche und Ansprüche sind dabei zu respektieren und vor allem die Gemeinsamkeiten der fortschrittlichen Kräfte herauszustellen. Eine revolutionäre Theorie, Praxis und Organisierung ist darin aber von zentraler Bedeutung. Ein revolutionärer Aufbauprozess, der entschlossene und kontinuierliche Kampf gegen das kapitalistische System und gegen diejenigen die es verteidigen, gegen die Sozialabbauer, Lohnkürzer und Kriegstreiber, ist unabdingbar für eine wirkliche Perspektive. Der Widerstand gegen die Angriffe von Staat und Kapital, Sozialproteste und Kampagnen dürfen schließlich nicht das Ende sein, sondern nur ein Anfang.

Unser heutiges Handeln muss Ausgangspunkt sein für eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse und für den Aufbau einer Gesellschaftsordnung, die Solidarität und Selbstbestimmung an die Stelle von Profitstreben und Konkurrenzkampf stellt.

Die Demonstration am 31.12. soll auch deutlich machen, dass diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt sein werden, sondern wir offensiv und selbstbewusst ins neue Jahr starten werden. Ihre Angriffe sind auch weiterhin allenfalls ein Anlass um unsere Seite besser aufzubauen und zurück zu schlagen.

Für Solidarität und Klassenkampf!

Gegen Repression und Kapitalismus!


UnterstützerInnen:

- Antifaschistische Jugend Ludwigsburg/Mannheim
- Interventionistische Linke Karlsruhe
- Kurdische Jugend Stuttgart
- Marxistische Aktion Tübingen
- Revolutionäre Aktion Stuttgart
- Revolutionäre Linke Heilbronn

Solidarisch gegen staatliche Zensurversuche!

Wir unterstützen den Solidaritätsaufruf der Initiative "unzensiert-lesen":Solidarität mit durchsuchten Buchläden

"Seit 2009 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Berliner Buchhandlungen und Gemischtwarenläden.
Die Geschäftsräume von oh*21, M99 und Schwarze Risse wurden mehrfach polizeilich durchsucht, allein bei
Schwarze Risse gab es neun Durchsuchungen. Beschlagnahmt wurden diverse Flugblätter und Zeitschriften.


Nun hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, der Vorwurf: die Auslage gewisser Publikationen stelle eine öffentliche Anleitung zu Straftaten und einen Verstoß gegen das Waffengesetz dar. Ein erster Prozesstermin ist bereits anberaumt.

BuchhändlerInnen sollen also zukünftig für die Inhalte der Schriften haftbar gemacht werden, die sie vertreiben! Für die BuchhändlerInnen bedeutete dies nicht nur eine enorme rechtliche Verunsicherung, sie wären permanent von Kriminalisierung bedroht.

Ab wann gilt ein Zitat von Kurt Tucholsky als Volksverhetzung, ein Essay von Walter Benjamin als Verstoß gegen das Werbeverbot von Betäubungsmitteln, ein Roman von Elfriede Jelinek als die Menschenwürde verletzende Gewaltdarstellung?

Welcher Text, welches Flugblatt jeweils als "Aufforderung zu Straftaten" rechtlich geahndet wird, ist eine Frage der politischen Opportunität.
Macht sich jemand strafbar, der dazu aufruft, einen Nazi-Aufmarsch zu blockieren? Gegen einen Castor-Transport zu demonstrieren? Einen Bauplatz zu besetzen, um ein Projekt wie Stuttgart 21 zu verhindern?
Geht es nach der Berliner Staatsanwaltschaft, sollen nicht nur Widerstandsformen der außerparlamentarischen Opposition zu Straftaten erklärt werden, sondern auch das Zugänglichmachen von Flugblätter und Zeitschriften, die dazu auffordern.

Neben den Berliner Buchläden wurde auch das Münchener Kafe Marat innerhalb der letzten Monate drei Mal durchsucht. Und linke Internet-Provider haben wegen gehosteter Internetseiten oder Flugblätter wiederholt Besuch vom Staatsschutz erhalten.

Von diesen Kriminalisierungsversuchen müssen sich alle betroffen fühlen, "die nicht einverstanden sind, und es auch noch wagen wollten, ihr Mißfallen öffentlich kundzutun." (O. Tolmein)

Linke Gegenöffentlichkeit war immer Voraussetzung und unentbehrlicher Bestandteil sozialer Protestbewegungen. Die Geschichte der Versuche, sie durch Durchsuchungen, Razzien und Strafverfahren einzuschüchtern, zu drangsalieren und zu kriminalisieren, ist ebenso lang wie unrühmlich.

Wir protestieren aufs schärfste gegen die Repressionsmaßnahmen gegen linke Buchhandlungen und solidarisieren uns ausdrücklich mit den Betroffenen.
Wir fordern die sofortige Einstellung der Verfahren gegen die Berliner Buchhändler.
Wir fordern die kritische Öffentlichkeit auf, sich diesem Protest anzuschließen: Es geht um die Legitimität von Opposition. Darüber wird nicht in juristischen, sondern in politischen Auseinandersetzungen entschieden!

Berlin, November 2010 "

Zum Tode von Peter Chotjewitz: Ein Archäologe der Gegenwart

Peter Chotjewitz ist tot. Aus diesem Anlass nochmal zu seinem Buch: "Mein Freund Klaus" / Verbrecherverlag 2007:

1968-1978. Die Epoche, elegant verpackt, wird als bleierne Zeit weitergereicht. Zu Ende verstanden. Meist Auslöser erleichterten Aufatmens. Damals bleiern, heute golden.

Nur dass das zu Ende verstandene zugleich das unverstandenste bleibt.

Peter Chotjewitz, einst selbst in seiner Funktion als gelernter Rechtsanwalt  zeitweise Verteidiger Baaders, hat einen ganz eigenen Weg gefunden, um die Scheinsicherheiten über RAF und Stammheim zu bekämpfen und zu beenden. Er machte die Suche nach Kenntnissen über die Zeit selbst zum Inhalt des Buchs. Das Verschüttete der Erinnerung, das Entstellte, das Vergessene und Verdrängte einer Epoche, die doch gerade um dreißig Jahre zurückliegt, wird damit selbst gegenwärtig. So wie Ophüls die Suche nach Barbie über die  ganze Welt hin in einem Film darstellte, so geht Chotjewitz vor. Dass er den Anwalt der Stammheimer Croissant aus frühesten Tagen kannte, wird ihm zum willkommenen Aufhänger der Darstellung. Keineswegs erschöpft sie sich darin. Eine ganze Welt wird wieder hervorgerufen, beziehungsweise neu bekannt gemacht. Gerade Stuttgart, das sonst nicht im Rufe steht, ein Zentrum der Revolution darzustellen, wird in seinen linken Verästelungen sichtbar. Da taucht etwa Grohmann auf, oder der Buchhändler Niedlich. Also heute noch Lebende unter vielen Toten.

Croissant selbst: der Mann aus gutem Hause und aus Kirchheim/Teck. Der Student aus Heidelberg. Der erfolgreiche Rechtsanwalt, von vielen geschildert als Dandy, als Bonvivant, als Frauenheld.
Chotjewitz betont immer wieder das nicht primär Marxistische in der Entwicklung Croissants. Gerade an den Demos ab 67 nahm er so wenig Teil wie an den  ihnen folgenden hektischen Schulungen und Diskussionen.

Ein wenig wie bei Riemeck und Meinhof selbst erwächst seine Gegnerschaft zum “System-, wie man damals zu sagen begann, gerade aus dem beleidigten Ehrgefühl, dem enttäuschten Glauben an den Staat als Garant von etwas, das mehr oder weniger Gerechtigkeit sein sollte. Wie es vielen von uns ging: wir wären die größten Verteidiger des Rechtstaats und des Grundgesetzes und anderer schöner Dinge geworden, wenn uns nur einer hätte vormachen können, wie das widerspruchsfrei  hätte gehen können. Nur den fanden wir nicht. Dieser Ausgangspunkt schließt allerdings den Übergang von der bürgerlichen Empörung und Auflehung zur marxistischen Analyse weniger aus, als Chotjewitz anzunehmen glaubt.

Sehr wahrscheinlich allerdings die Begründung, die Chotjewitz anbietet, warum Croissant so viel härter verfolgt wurde als andere Rechtsanwälte, die wie er wegen des sogenannten Info-Systems rechtlich verfolgt wurden. Groenewold zum Beispiel. Chotjewitz nahm an, dass gerade die aus der Mitte des Bürgertums ausbrechende Empörung besonders angsterregend war für die Obrigkeit. Der Block des Bürgertums gegen die astrakte Bedrohung, die schon damals “Terrorismus- genannt wurde, musste geschlossen bleiben. Fremdkörper im Innern der Festung vernichten.

Im Übrigen, Mitteilung an alle, die sich noch erinnern: sämtliche beteiligten Rechstsanwälte, mit Ströbele angefangen, halten es bis heute für legal, einen Prozess mit vielen Angeklagten und vielen Verteidigern dadurch zu koordinieren, dass alle betreffende Papiere bei allen herumgeschickt werden. Umgekehrt war es unbestreitbare Absicht des Krisenstabs, die Angeklagten der RAF nicht nur von der Außenwelt, sondern auch voneinander zu isolieren.So gesehen ist natürlich klar, dass das INFO-System in den Augen der verfolgenden Rechtspflege selbst zur Unterstützung einer Straftat wurde.

Croissants Büro war so verwanzt, dass damals kaum einer ein offenes Wort sich traute. Der spätere Kronzeuge Speitel wurde- nach verschiedenen Mutmaßungen- entweder von vornherein als Staats-Schutz-Spitzel eingeschleust- oder nach der Verhaftung zu Aussagen erpresst. Wie Chotjewitz berichtet, hatten BKA und der Krisenstab sich darauf geeinigt, dass Croissant die Spinne darzustellen habe in einem riesigen Netz. Von dessen Zentrum aus wäre dann alles gesteuert worden,  was es zwischen Libanon und Stammheim böses gab. Dem Konstrukt folgt die Verwirklichung durch Zurichtung. Vom ganzen Büro Croissant blieben am Ende zwei Schreibkräfte übrig, bevor es geschlossen wurde. Croissant sah sich so in die Enge getrieben, dass er nach Paris floh, um von dort aus die Öffentlichkeitsarbeit für die Stammheimer zu betreiben. Unter dem Druck der Bundesrepublik entschloss sich Frankreich gegen seine Tradition, Croissant auszuliefern, allerdings so, dass die meisten Delikte, in Deutschland frisch erfunden, in Frankreich unbekannt, nicht Gegenstand der Anklage werden durften. Etwas kleinlaut wurde dann im endgültigen Urteil verlautbart, jede Einzelhandlung für sich sei nicht strafbar. Aber man müsse alles im Gesamtzusammenhang der “Unterstützungsabsicht für die Gefangenen- sehen.

Chotjewitz selbst spricht sich zwischendurch kühn für das Recht auf bewaffneten Kampf aus. Bekennt allerdings von sich selbst, für viele andere mit, dass er sich damals nicht aktiv beteiligt hätte, weil ihm das sonstige Leben zu wichtig gewesen wäre. Bekennt auch , dass Ulrike Meinhof bei ihm per Kassiber angefragt hatte, ob er eine Dokumentation herausgeben wolle über ihre vierzehn Monate im Toten Trakt in Köln-Ossendorf. Wie Meinhof befürchtete, war er dafür “zu faul-.

So scharf wie  Jutta Ditfurth in ihrer Biographie der Ulrike Meinhof entwirft er ein Gemälde vom einheitlichen Willen im Staatsapparat, sich der revolutionären Gegner auf alle Fälle zu entledigen, ohne Rücksicht auf bestehende gesetzliche Hemmnisse. Chotjewitz geht soweit, einen einheitlichen Schießbefehl anzunehmen gegen alle festgenommenen RAF-Mitglieder. Petra Schelm, Weissbecker, der im Bismarckgymnasium Karlsruhe in die Schule ging, und so viele andere- vorsätzlich durch Scharfschützen abgeknallt? Bei Chotjewitz nur in Gesprächsform geäußert, ohne Beleg. Lassen wir es in dieser Weise stehen.

Ausführlich geht Chotjewitz noch auf die letzten Jahre Croissants ein- als Lebensgefährte von Brigitte Heinrich, der anti-imperialistischen Kämpferin. Sie war Europa-Abgeordnete der GRÜNEN; Croissant in dieser Zeit in Brüssel ihr Assistent. Ihr Begräbnis als Großereignis, wird ausführlich geschildert, merkwürdigerweise nicht die hämischen Absagen an sie nach diesem Begräbnis, wie sie in Frankfurt damals verbreitet wurden. Wohl vor allem über Cohn-Bendits Meinungspostille “Pflasterstrand-. Und zwar richteten die Angriffe sich nicht auf ihre Zusammenarbeit mit der STASI-Behörde in der damaligen DDR- damals wusste man noch nichts davon, weder von dem, was sie, noch was Croissant in Ost-Berlin zum Besten gaben. Nein, die Angriffe richteten sich ausdrücklich auf ihr antiimperialistisches Engagement selbst. Offenbar fand es die Fischer-Cohn-Clique damals an der Zeit, den Anti-Imperialismus zurechtzustutzen und einzudämmen. Die Regierungsbereitschaft der Grünen bereitete sich vor.

Ein Buch wie das von Chtojewitz ist seiner Struktur nach immer work in Progress. Sein Fragen, seine Untersuchung könnte immer so weitergehen. So etwa nach einem Darstellungsproblem: als den Stammheimern die meisten Rechtsanwälte entzogen worden waren, meldeten sich Kempf und Pfaff, beide damals beim KBW. Während Jutta Ditfurth explizit behauptet, solche Anwälte seien in Stammheim sehr ungern gesehen gewesen, angeblich von den Gefangenen selbst , berichtet Chotjewitz, dass gerade Andreas Baader sich voll zufrieden gezeigt hätte. Ohne sich über Wert und Unwert der zugehörigen Partei äußern zu wollen.

Chotjewitzens Buch heißt Roman- wohl mehr aus juristischen Gründen. Gemeint ist das Werk jedenfalls- ob nun als Roman oder als Reportage- einmal als Bericht über eine archäologische Suche in einem Trümmerfeld, das doch unser eigenes Leben darstellt. Zum andern wird es um so wichtiger werden als Handbuch einer Epoche, je weniger Zeitgenossen sich noch unmittelbar erinnern.
Erfreulicherweise verbreitet der Autor nicht Tröstungen für die Zukunft. Keine Mitteilung darüber, wir hätten die Zeit der Rechtsbrüche glücklich hinter uns. Der Unterschied zu der Zeit von vor dreißig Jahren liegt vielleicht nur darin, dass die von Schäuble und Co geplanten Gesetze so weit und so gummiweit verknotet sein werden, dass sie nicht mehr gebrochen werden müssen, um alles zu erlauben, was dem Gemeinwohl dienen könnte. Einem Gemeinwohl, versteht sich, das die Oberen für uns und statt unser bestimmen.

Zuerst erschienen in den stattweb-News vom 1.Januar 2008

Versammlungsfreiheit vor Gericht - Skandalöses Urteil vom Amtsgericht Karlsruhe

Eine Pressemitteilung des Aktionskreis Internationalismus (AKI Karlsruhe) vom 14.12.2010:

Versammlungsfreiheit vor Gericht - Skandalöses Urteil vom Amtsgericht Karlsruhe
150 Tagessätze für die Aufforderung an die Polizeikräfte ein rechtswidriges enges Poli­zeispalier um eine Demonstration aufzulösen und die Abfilmerei der Versammlungsteil­nehmerInnen zu unterlassen.
Ein Teilnehmer der 1.Mai-Demonstration 2010 in Karlsruhe wurde am 14. Dezember 2010 vom Amtsgericht Karls­ruhe zu 150 Tagessätzen wegen angeblicher Nötigung verurteilt. Wegen des weiteren Vorwurfs der Beleidigung wurde er freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Strafmaß von 180 Tagessätzen gefordert.

Am 1. Mai 2010 hatten in Karlsruhe im Anschluss an die traditionelle DGB Demonstration über 700 Menschen unter dem Motto: „Kämpfen in der Krise -“ Kapitalismus überwinden“ gegen die Ursachen und Folgen der kapitalistische Krise mit ihren weltweiten Auswirkungen auf die Le­bensbedingungen der Menschen demonstriert. Zur Erinnerung: Im Zuge der kapitalistischen Kri­se hatte sich u.a. die Zahl der Hungernden weltweit um 100 Millionen (!) nach UN-Angaben er­höht.

Leider konnte die Demonstration nicht zu Ende gebracht, sondern musste frühzeitig abgebro­chen werden: Mit einem engen Spalier von Polizeikräften und dem ununterbrochenen Abfilmen des Demonstrationszuges verunmöglichte die Einsatzleitung der Polizei die freie Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Schon im Vorfeld wurde die Demonstration mit einer Unzahl von Auflagen überschüttet, obwohl es noch nicht einmal Anzeichen für einen möglicher­weise unfriedlichen Verlauf gab, die ansonsten zur Begründung von Auflagen üblicherweise vorgebracht werden. Die Demonstration war und blieb auch friedlich wie allen Presseberichten zu entnehmen war.

Das Urteil des Amtsgericht stellt das Ergebnis der Beweisaufnahme auf den Kopf! Obwohl die Zeugenaussagen aller 6 hochrangigen Polizeizeugen sogar übereinstimmend laute­ten, dass der Angeklagte nicht zu einer Blockade aufgerufen habe, sondern als Moderator ledig­lich die Einstellung des Abfilmens aller Demoteilnehmer, und die Aufhebung des engen Poli­zeispaliers gefordert habe, und obwohl die Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Teilnehmen­den der Demo bereits ohne Durchsagen vom Lautsprecherwagen angehalten haben, um die Aufhebung des engen Polizeispaliers zu fordern, wurde der Angeklagte von Amtsrichter Schwierblat zu 150 Tagessätzen verurteilt. Dabei ignorierte der Amtsrichter sogar die ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht zu Blockaden und zur Nötigung, wie sie in dem Brokdorf-Be­schluss und im Mutlangen-Urteil zum Ausdruck kommt. Der Richter hat sich noch nicht einmal nur im Ansatz mit dieser Rechtssprechung auseinandergesetzt.

Angesichts des eindeutigen Ergebnisses der Beweisaufnahme hätte der Angeklagte in jedem Falle freigesprochen werden müssen.

Ein skandalöses Urteil, das alle einschüchtern soll, die ihr elementares Recht auf Versamm­lungsfreiheit wahrnehmen, und die es zukünftig wahrnehmen wollen. Wenn diese Rechtsspre­chung Schule machen sollte, wird es zukünftig kaum mehr möglich sein, eine Versammlung ohne an­schließenden Strafbefehl in beträchtlicher Höhe durchzuführen. Auch im Strafverfahren gegen den Anmel­der der Bildungsstreik-Demonstration in
Stuttgart, den verdi-Sekretär Marc Kappler, geht es um ähnliche Vorwürfe.

Wie sehr die Staatsanwaltschaft und die Polizeieinsatzkräfte auf eine Verurteilung und damit Ein­schränkung des Versammlungsrechtes aus sind, zeigte sich auch darin, dass die Anklage sogar vom Oberstaatsanwalt Zimmermann persönlich vertreten wurde - in einem Ver­fahren in dem üblicherweise ein Referendar/in als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ein­gesetzt wird, und dass 6 (!) hochrangige Zeugen der Polizeieinsatzleitung und des Staatsschut­zes aufge­boten wurden.

Der Angeklagte hat bereits angekündigt, dass er Rechtsmittel einlegen wird.

In diesem und ähnlichen Verfahren geht es nicht allein um den angeklagten Versammlungsteil­nehmer. Hier sitzen alle auf der Anklagebank, die ihr elementares Recht auf Versammlungsfrei­heit als Ausdruck der kollektiven Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen.

Das Urteil richtet sich gegen alle sozialen Bewegungen und gegen die Gewerkschaften.

Kennzeichnend dafür ist, dass selbst der DGB Baden-Württemberg in Stuttgart erhebliche Schwierigkeiten bei der Anmeldung seiner Versammlungen hat, und dass die Großdemonstration gegen Stuttgart 21, die am 11.12.2010 mit 50000 Menschen durchgeführt wurde, erst beim VGH Mann­heim in 2.Instanz durchgesetzt werden konnte.

Im Zuge der "Föderalismusreform" können die Bundesländer nunmehr eigene Landesversamm­lungsgesetze verfassen - wohlgemerkt können, müssen aber nicht. Dann gilt das Bundesver­sammlungsgesetz weiter. Die All-Parteien "law und order"- Fraktion nimmt dies zum Anlass, längst gewünschte Verschärfungen einzubauen, als wenn das Versammlungsgesetz nicht so­wieso schon versammlungsfeindlich genug wäre. Das bayrische Landesversammlungsgesetz, gegen das vor dem Bundesverfassungsgericht von einem breiten Bündnis erfolgreich ein Eilver­fahren betrieben wurde, ist zwar nun weitgehend entschärft worden. Das gilt jedoch nicht für an­dere Bundesländer, in denen die neuen Landesversammlungsgesetze bereits in Vorbereitung sind.

In Baden-Württemberg wird bereits seit 1 1/2 Jahren von den Versammlungsbehörden ver­sucht, die neuen „law und Order“- Regelungen des geplanten Landesversammlungsgesetzes vorwegzunehmen, so dass bei vielen Versammlungen erst mal mit AnwältInnen zum Gericht gezogen werden muss. Die Wahrnehmung der Versamm­lungsfreiheit kann aber nicht vom Geldbeutel, der Bereitschaft sich einem drohenden Strafbe­fehl bzw. einer Verurteilung auszu­setzen, oder von der Tatsache abhängen, ob ein Anwalt/in zur Unterstützung zur Ver­fügung steht und bezahlt werden kann.

Der Ursprungsgedanke des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, nämlich Demonstrationen und Kundgebungen einen besonderen Schutz zu verleihen, wird in der aktuellen Praxis der Be­hörden auf den Kopf gestellt. Diese Tendenz darf so nicht weitergehen.

Trotz aller Versuche das Versammlungsrecht einzuschränken, verteidigen wir das Recht auf Versammlungsfreiheit am besten indem wir es wahrnehmen. Die nächste Demonstration kommt bestimmt. Nehmt Euch Euer Recht! Angeklagt sind wir alle -“ Wehren wir uns gemeinsam!

Kommt / Kommen Sie als kritische Öffentlichkeit zur Prozessbeobachtung zu den Prozessen!

Aktionskreis Internationalismus Karlsruhe (AKI Karlsruhe), Steinstr.23, 76133 Karlsruhe - Kontakt: Info@aki-karlsruhe.de

Neuer Flyer für Versammlungsfreiheit: Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!

Flyervorderseite - Download des Flyers
Das Stuttgarter "Bündnis für Versammlungsfreiheit" hatte anlässlich des Polizeieinsatzes am 30. September in Stuttgart kürzlich einen Flyer veröffentlicht. Dieser Tage ist nun ein neuer Flyer unter dem Titel "Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!" erschienen. Er richtet sich gegen fortgesetzte Angriffe auf die Versammlungsfreiheit in der Region Stuttgart. Wir dokumentieren den Wortlaut:

Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!
In den vergangenen Monaten kam es im Verlaufe vermehrter Proteste in Stuttgart zu einer regelrechten Repressions- und Kriminalisierungswelle gegen Demonstrantinnen und Demonstranten. Der massive Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas am 30. September 2010 im Schlossgarten ist hierbei kein Einzelfall.
 
Beispiel 1 -“ Willkürliche Auflagen / Ablehnung von Anmeldern

Bereits bei der Anmeldung von Demonstrationen erlässt das Amt für öffentliche Ordnung Stuttgart oftmals beliebige und einengende Auflagen. Inzwischen ist es gängige Praxis, dass beispielsweise die maximale Transparentlänge, die Ausrichtung der Beschallungsanlage und die genaue Begrenzung des Platzes (z.B. im Dunkeln, nicht unter den Straßenlaternen) durch die städtische Behörde vorgegeben werden. Eine Besonderheit Stuttgarts ist das faktische Demoverbot auf der Königstraße. Ein Beschluss des Stuttgarter Gemeinderates stellt hier die Interessen des Einzelhandels über die Versammlungsfreiheit.

Ebenso wurden mehrere Anmelderinnen und Anmelder von Protestversammlungen gegen das Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli als „ungeeignet“ abgelehnt, obwohl keiner der Betroffenen vorbestraft ist und erst recht nicht wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt wurde. Damit verweigerten die städtischen Behörden den Anmeldern von Kundgebungen ihr Grundrecht auf die aktive Ausübung der Versammlungsfreiheit. Wenn im geplanten Versammlungsgesetz Kriterien wie „Annahme“ oder „Eignung“ von Veranstaltungsleitern eingeführt werden sollten, so schafft dies einen Ermessens-Spielraum, um auf bürokratischem Wege missliebige Versammlungen unmöglich zu machen.

Deshalb fordert das Bündnis für Versammlungsfreiheit:

- Das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit darf nicht durch willkürliche Auflagen eingeschränkt werden
- Das geplante Versammlungsgesetz darf nicht durch die Ordnungsbehörden vorweggenommen werden

Beispiel 2 -“ Filmen von Demonstrationen / Personenkontrollen von Ordnern

Während Demonstrationen fertigt die Polizei immer häufiger Videoaufnahmen an, obwohl das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich ein Urteil verfasste, in dem das Filmen von friedlichen Demonstrationen untersagt wird.

Ein weiterer Vorgriff auf das geplante Versammlungsgesetz ist die Registrierung und Überprüfung der Personalien von Ordnerinnen und Ordner. So mussten bei einer antifaschistischen Demonstration im November 2010 in Schorndorf alle Ordner ihre Personalausweise abgeben damit die „Verkehrserfahrung“ und „Eignung“ überprüft werden konnte. Dem Anmelder der auf die fehlende rechtliche Grundlage dieser Maßnahme hinwies, wurde angedroht, die Durchführung der Versammlung zu untersagen.
  
Das Bündnis für Versammlungsfreiheit stellt klar:

- Meinungsfreiheit, öffentlich wahrnehmbarer Protest und ziviler Ungehorsam sind in einer offenen Gesellschaft unabdingbar
- Polizeiliche Schikanen und Einschränkungen sind inakzeptabel 

Beispiel 3 -“ Kriminalisierung von Versammlungen

Immer häufiger werden VersammlungsleiterInnen von Demonstrationen, im Nachhinein mit Strafverfahren und hohen Prozesskosten überzogen. So wurde der Gewerkschaftssekretär, der eine Demonstration im Rahmen des Bildungsstreiks 2010 anmeldete, dafür angeklagt, dass der Demonstrationszug auf zwei Kreuzungen kurz gestoppt habe und eine Zwischenkundgebung wenige Meter vor dem eigentlich dafür vorgesehenen Ort stattgefunden habe. Dafür wurde von der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl über 600 Euro ausgestellt, obwohl die Polizei vor Ort nichts beanstandete. In einem anderen Fall wurde der Anmelder der Revolutionären 1.Mai-Demonstration verurteilt, da unterwegs beim Laufen Musik abgespielt wurde. Gegen die Anmelderin der Montagsdemo gegen Hartz IV liefen bereits mehrere Verfahren wegen ähnlicher „Vergehen“ und eine politische Stadtführung zog eine Strafe über 3200 Euro nach sich, da sie nach Ansicht der Richter anmeldepflichtig gewesen sei.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit warnt eindringlich:
- Das Anmelden und Durchführen von Demonstrationen darf keine Sache des Geldbeutels werden
- Kriminalisierung von Versammlungen gefährdet die freie Meinungsäußerung

Solidarität aufbauen, Versammlungsfreiheit verteidigen und ausweiten!

Der Ursprungsgedanke des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und für die Versammlungsgesetzgebung, Demonstrationen und Kundgebungen einen besonderen Schutz zu verleihen, wird in der aktuellen Praxis der Behörden auf den Kopf gestellt. Diese Tendenz darf so nicht weitergehen. Zeigen wir dem Ordnungsamt, der Polizei und der Staatsanwaltschaft ihre Grenzen auf.  

Trotz aller Versuche das Versammlungsrecht einzuschränken, verteidigen wir das Recht auf Versammlungsfreiheit am besten indem wir es uns nehmen. Die nächste Demonstration kommt bestimmt. Nehmt euch euer Recht! Macht zu zweit die Versammlungsleitung, dokumentiert die Namen der Polizisten mit denen ihr gesprochen habt, verweigert willkürliche Polizeimaßnahmen und nutzt die Gerichtsprozesse, um euch für die Versammlungsfreiheit stark zu machen.
Weitere Informationen findet ihr unter
www.versammlungsrecht.info


Blockieren ist unser Recht!
Insbesondere bei den Protesten gegen Stuttgart 21 aber auch bei den Aktionen gegen den Castortransport oder das Gelöbnis kam es in den vergangenen Monaten zu Blockaden oder provisorischer Besetzung öffentlichen Raums. Immer wieder behaupten Politiker, Blockieren sei rechtlich unzulässig und kein legitimes Mittel einer Demonstration. In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1995 stellt das Bundesverfassungsgericht fest, welche Blockaden dem Straftatbestand der „Nötigung“ entsprechen: Entscheidend hierbei ist, dass „[...] die Strafbarkeit einer derartigen Handlung von der Wahl bestimmter Nötigungsmittel abhängig gemacht [wird], nämlich Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel“ (Beschluss des Ersten Senats vom 10. Januar 1995).

Liegt das nicht vor, wird Blockieren durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt. Zum Beispiel weil man friedlich vor einer Einfahrt sitzt oder sich an einen Baum angekettet hat, der der Allgemeinheit gehört.

Dennoch gibt es in Baden-Württemberg eine sogenannte Wegtragegebühr. Menschen, die sich an einer Blockade beteiligen, begehen nach dieser Regelung eine Ordnungswidrigkeit und müssen 40 Euro Strafe bezahlen.


Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit fordert:

- Abschaffung der Wegtragegebühr!
- Ziviler Ungehorsam ist keine Straftat! Einstellung aller Verfahren gegen Stuttgart 21 Gegner!

Die geplante Gesetzesverschärfung
Die schwarz-gelbe Landesregierung will ein neues Versammlungsgesetz, das das Bürgerrecht auf Versammlungsfreiheit erheblich einschränkt. Es schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor und gibt Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit

Im Oktober 2008 gründete sich unser Bündnis, um gegen die geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes aktiv zu werden. Es wird von über 120 Gruppen und zahlreichen Einzelpersonen unterstützt. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit über 6000 TeilnehmerInnen organisiert und Kontakte in andere Bundesländer geknüpft. Wir organisieren diverse Veranstaltungen und Vortragsreihen. Bei zahlreichen Aktivitäten, z.B. gegen Stuttgart 21, weisen wir auf die gegenwärtige Praxis des Versammlungsrechts und die geplante Verschärfung hin. Darüber hinaus stellt das Bündnis auch Demobeobachter auf.

Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden unserer Bündnispartner.

Spendenkonto:
Friedensnetz BW
Kontonummer: 6520706
BLZ: 60010070 (Postbank Stuttgart)
Stichwort: Versammlungsgesetz

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