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Was mir heute wichtig erscheint #234

Resozialisierung: "Undisziplinierte" Abgeordnete sollen zukünftig mit 500 bis 3000 Euro Strafe zur Kasse gebeten werden, wenn sie "grob" gegen die Geschäftsordnung des Parlaments vestoßen, zum Beispiel durch Protestaktionen der Linksfraktion im Bundestag mit Transparenten, Masken oder T-Shirts. SPD Parlamentsgeschäftsführer Christian Lange laut "Saarbrücker Zeitung": "Es handelt sich leider um nicht resozialisierbare Wiederholungstäter." Siehe auch: "Ich glaube nicht, daß sich jemand abschrecken läßt", "junge Welt" 5. November 2010

Lesestoff: Vom 19. bis 21. November öffnet die 15. Linke Literaturmesse im Nürnberger Künstlerhaus wieder ihre Pforten. Wie in den letzten Jahren werden wieder mehrere Tausend Besucherinnen und Besucher das literarische Angebot von über zwanzig Verlagen und drei Antiquariaten durchstöbern. Auf 48 Lesungen, Buchvorstellungen, Filmveranstaltungen und Diskussionen gibt es gute Möglichkeiten mit den Autorinnen und Autoren ins Gespräch zu kommen. Zu den bekanntesten zählen u.a. Jutta Ditfurth, Georg Fülbert, Werner Seppmann und Andreas Wehr.

Schaulauf: Friedhelm Weidelich fasst die gestrige Schlichtung zu Stuttgart 21 lesenswert zusammen.

Dreist: Die unmenschlichen Zustände im Lager Gerstungen sind die Folge der faktischen Abschaffung des Asylrechts in Deutschland. Als ob das nicht reicht, erfrechen sich inzwischen auch Abgeordnete der NPD Wartburgkreis, einen Besuch für heute in dem Lager anzukündigen, um "für einen Bericht im nächsten Wartburgkreis Boten, das Asylbewerberheim besuchen. Dieser soll dann schwerpunktmäßig in der Gemeinde Gerstungen verteilt werden, um die dortigen Stimmungen inländerfreundlich zu kanalisieren."

Streitfall: Der Film "Streitfall Gorleben" zeigt, wie sich der Widerstand gegen das Atommüll-Endlager zum längsten Protest in der Geschichte der deutschen Anti-Atomkraftbewegung entwickelt hat. Siehe auch: "Operation Castorschutz" ("junge welt" 5. November 2010) und das Porträt "Die Mutter des Widerstands" über die inzwischen 86jährige Marianne Fritzen im "Neuen Deutschland". Übrigens: Die Staatsanwaltschaft Lüneburg schließt Ermittlungen gegen Facebook-Nutzer, die die Seite "Castor Schottern" mögen, nicht aus.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika

Wanderzirkus: Der auch szeneintern vielen als arrogant geltende Rechtsanwaltsgehilfe tritt seit Jahrzehnten bundesweit als Anmelder und Leiter mehr oder weniger großer Neonaziaufmärsche auf, was seinen Versammlungen den Beinamen "Worchs Wanderzirkus" einbrachte. Luzi-M zum Naziaufmarsch in München am 13. November. Dagegen ruft ein breites Bündnis unter dem Motto „Naziaufmarsch Verhindern“ dazu auf, sich den Nazis in den Weg zu stellen.

Ermittlungen: Am vergangenen Freitag, 29.10.2010, fand die monatliche Mahnwache vor dem Nazitreffpunkt „Linde“ in Schorndorf-Weiler statt. Am Protest auf dem
Lindenplatz beteiligten sich über 20 Personen. Am Rande der Mahnwache kam es zu Störungsversuchen aus dem Umfeld der „Linde“. MahnwachenteilnehmerInnen wurden
mehrfach beleidigt und es wurde Gewalt angedroht. Die Polizei nahm umgehend entsprechende Ermittlungen auf.

Partytime: Ein Hassobjekt, das auch noch Jahrzehnte nach seinen Verbrechen unvergessen ist, ist die “Eiserne Lady- Maggy Thatcher. Unter ihrer Herrschaft kam es zu einem massiven Sozialabbau in Großbritannien und die bis in die 1980er Jahre gut organisierte Gewerkschafts-landschaft wurde durch ihre Politik frontal angegriffen und geschwächt. Die britische anarchistische Classwar-Föderation ruft für den Samstag nach ihrem Tod zu einer Party auf dem Trafalquar Square in London um 18.00 Uhr auf.

Auch 2010: An guten Traditionen festhalten!

Anarchistisches Poster aus den 50er Jahren
Beispielsweise den heutigen Guy Fawkes Day, in dem in Britannien des einzigen Mannes gedacht wird, der je mit ehrlichen Absichten ins Parlament gegangen ist.

„Remember, remember the fifth of November
Gunpowder, treason and plot.
I see no reason why the gunpowder treason
Should ever be forgot.“

Alfred Grosser den Mund stopfen, bevor der ihn aufmachen kann

Große und erbitterte Erregung in Frankfurt. Petra Roth hat für die Stadt Alfred Grosser eingeladen, um in einer Ansprache an die Pogromnacht am 9.November 1938 zu erinnern. Ein naheliegender Gedanke, denn Grosser ist in Frankfurt am Main geboren, wanderte mit den Eltern zwar früh genug nach Frankreich aus, hatte aber in einem langen Leben doch Gelegenheit, viele Betroffene kennen zu lernen.

Empörend wirkte die Einladung zunächst auf Kramer, Nachfolger von Bubis im Vorstand der Jüdischen Vereinigung.

Es folgten andere, die sich zum Aufschrei verpflichtet fühlten, darunter Brumlik, Professor und zu öffentlichen Bekenntnissen jederzeit aufgelegt. Ihn und andere ärgerte angeblich, dass Grosser sich 2007 in einem STERN-Interview gegen die Palästinenserbehandlung durch den Staat Israel gewandt und außerdem sich für Walser im Streit mit Bubis eingesetzt hätte.

Vermutlicher wirklicher Grund der Erregung: Die Stadt hatte versäumt, vorher bei den angeblich Zuständigen anzufragen. Alles hört sich so an, als müsse es ein ausdrückliches Zutrittsrecht nach Frankfurt für missliebigere Personen geben.

Oberbürgermeisterin Roth blieb hart. Damit war der Zeitpunkt für den ewigen Ankläger gekommen. Broder schleuderte in einem SPIEGEL-online-Artikel und natürlich im hauseigenen ACHGUT Grosser entgegen, er schwinge seinerseits die "Anti-Israel-Keule". Wie es einem Propheten im gerechten Zorne passieren kann, hatte er das Interview im STERN nur flüchtig zur Kenntnis genommen. So war ihm gar nicht aufgefallen, dass es dort hieß "In diesem Punkt stehe ich hinter Martin Walsers Kritik an der Auschwitz-Keule". Daraus hätte man in philologisch gesonneren Zeiten geschlossen, dass er das "in anderen Punkten" nicht tut. Also ist die Behauptung, Grosser habe sich umfassend hinter Walser gestellt, mit vollen Armen aus dem Herbstlaub gegriffen.

Zu seiner Kritik an der staatlichen Politik Israels gegen die Palästinenser hat sich Grosser in der Frankfurter Rundschau vom Donnerstag geäußert. Er beruft sich dabei ebenfalls auf eine jüdische Tradition: Die Rechte eines jeden misshandelten Menschen zu verteidigen. Nach seiner Vorankündigung in diesem Blatt wird er am Ende seiner halbstündigen Rede darauf noch einmal ausdrücklich eingehen.

Dass Grosser damit vielen Juden missfällt, lässt sich schwer vermeiden und sagt noch nichts über Recht oder Unrecht seiner Kritik. Neu nur ist die breite Bereitschaft, einem Redner von vornherein das Rederecht abzusprechen, bevor er überhaupt das erste Wort sagen konnte. In früheren Zeiten hatten jüdische und nicht-jüdische Kreise es sich zur Gewohnheit gemacht, erst einmal zuzuhören, was gesagt wurde, um daraufhin unter Umständen mürrisch, verdrießlich. kritisch zu erwidern. Man nennt das Diskussionskultur.

Dass diese in den Mitteilungen und Urteilssprüchen der "Achse des Guten" immer häufiger entfällt, wird keinen ihrer treuen und gewissenhaften Leser verblüffen. Schon eher, dass andere,von denen mehr Urteilskraft zu erwarten war, da mitziehen und vorangehen.

PS: Als Grosser sich in den siebziger Jahren entschieden gegen die Praxis der Berufsverbote in Deutschland aussprach, hieß die Replik: Das könnte einer von der DDR gesagt haben. Man macht es eben selten allen recht
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