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Zum letzten Mal Hartz IV: Wie man beim Zwiebeln wissenschaftlich exakt vorgeht.

Das Geheimnis der Messung bei der Zuteilung der fünf Euro ist inzwischen rekonstruierbar geworden. Man muss dazu nur etwas weiter zurückgreifen. Schröder / Fischer hatten erfolgreich eine Kampagne gestartet, nach der die Gesamtlohnsumme energisch gesenkt werden sollte. Das ist gelungen.

Hartz 4 stellte nur die Endphase des Unternehmens dar. Viel breitere Massen sollten auf vierhundert Euro oder einen sonstigen Lohn gedrückt werden, mit dem kaum zu überleben war.

Auf diese Gesamtmasse griffen konsequent die Erfüllungsgehilfen der letzten Schröpferin- v.d. Leyen- zurück. Es wurden offenbar nur die untersten 15 Prozent der Gesamtarmut zum Vergleich herangezogen. Dass die sehr wenig draufzulegen hatten, war klar und befriedigend.

Nun begann der zweite Teil der Arbeit: Die Herstellung des Lohnabstands. Vom Rauch-und Alkoholverbot soll gar nicht mehr gesprochen werden. Es muss zwar peinlich sein, sich etwa in einem Café mit einem möglichen Arbeitgeber zu treffen und nicht zu wissen, was man - im empfohlenen Fall des Früherkommens - bestellen soll. Kaffee ist auch nicht billiger als Bier. Aber lassen wir das.

Auffälliger sind die Ausfälle einiger erbitterter Garten-und Haustierfeinde. Im Schwarzwald haben viele Arbeitslose das Glück, im eigenen ererbten Haus zu wohnen -mit Garten. Dieser diente nicht nur der Beschäftigung - “freie Luft für den Bedrängten“ - sondern vom März bis zum Oktober auch zum Unterhalt der Familie. Selbst Brüning in seinen knauserigsten Zeiten hatte mal die Idee, Einfachsiedlungen mit Gartengelände für Arbeitslose anzulegen. Nun aber unsere Gartenfeinde, die in berechtigter Scham mit und gegen die Muttersprache ringen:

(Dankenswerterweise aus dem Schatz des Vorrätigen herausgehoben von Tom Strohschneider im FREITAG dieser Woche. Bei erhöhter Gefahr von Blutdrucksteigerung ist Gesamtlektüre auf einen Satz zu gefährlich)

Garten und Werkzeug
„Im System der Mindestsicherung ist die Unterhaltung eines Gartens als nicht existenzsichernd zu bewerten. Deswegen werden in der Abteilung 05 die Position 'Nicht motorbetriebene Gartengeräte' nicht als regelbedarfsrelevant angesehen, die Position 'Motorbetriebene Werkzeuge und Ausstattungsgegenstände für Haus und Garten' werden um die Ausgaben für Gartengeräte bereinigt. Die Position 'Fremde Reparaturen an Handwerkzeugen' wird im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht mehr als existenzsichernd berücksichtigt. Reparaturen sind nur bei teuren Werkzeugen wirtschaftlich vertretbar. Besitz und Nutzung solcher Werkzeuge sind jedoch in der Durchschnittsbetrachtung bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht zu unterstellen.“


Mühsam zu erraten, was gemeint ist: Garten ist überflüssig. Die gelehrten Autoren haben wahrscheinlich normale Noten in Deutsch mitgebracht. Sarrazin hat unrecht: Sprachunfähigkeit ist nicht angeboren. Sie stammt aus der berechtigten Scham, offen zuzugeben: ich bin hauptberuflich Schikanierer.

Die Kosten für Reparatur des Rasenmähers selbst können kaum ins Gewicht fallen. Statistisch gibt es vielleicht mehr Familien ohne Garten; Real bei uns in der Gegend sehr viel. Sollen die ihre Gärten bloß im Dienst der Statistik verwildern lassen! Zu verpachten ist da kaum was. Ähnlich der scharfsinnige Gedanke, dass chemische Reinigung nur bei “hochwertigen Kleidungsstücken- was nützt. Könnte es nicht sein, dass so eine Hartz-Vier-Person aus besseren Zeiten noch was im Schrank hat? Zum Bewerbungsgespräch vorzukramen. Oh - der Fleck da!

(Anmerkung Strohschneider “Der Redaktionsstab Rechtssprache hätte im Sinne der Verständlichkeit formuliert: „Der Langzeiterwerbslose hat auszusehen wie ein Penner.“)

Spielraum für Saft
„Nach der Sonderauswertung wurden für Einpersonenhaushalte der Referenzgruppe im Jahr 2008 durchschnittliche Verbrauchsausgaben von 8,11 € für alkoholische Getränke ermittelt. Davon entfielen rechnerisch 11,35 % für Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen. Es verbleiben dann von den 8,11 € noch 7,19 € für alkoholische Getränke, die durch alkoholfreie Getränke zu substituieren sind. Für 7,19 € lassen sich etwa 12 Liter preiswertes Bier kaufen. Im Durchschnitt sind Bier oder gar Wein deutlich teurer, so dass sich ein deutlich niedrigeres Volumen an zu substituierender Flüssigkeit ergeben würde. Ausgehend von 12 Litern Flüssigkeitsbedarf ergibt sich das maximal durch alkoholfreie Getränke zu substituierende Flüssigkeitsvolumen. Da die Flüssigkeitsmenge mit einem preisgünstigen Getränk berechnet wurde, ist es angemessen, auch die alkoholfreien Getränke mit dem niedrigpreisigem Mineralwasser anzusetzen. Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke. Diese 2,99 Euro werden bei Abteilung 01 zusätzlich berücksichtigt.“

(Hier gibt sich das Autorenkollektiv zwischen den Zeilen autobiografisch zu erkennen. Die allgemeine Lebenserfahrung, dass Schnaps nicht der Flüssigkeitsaufnahme dient, muss man erst einmal gemacht haben. Prost. Lallend fragt man sich, welcher Aufnahme das Fuselsaufen sonst dient: der von Feststoffen, von Brennstoffen gar? Und sind die nicht bald steuerpflichtig?)

Haustiere
“Nicht regelbedarfsrelevant -“ da nicht der Existenzsicherung dienend -“ sind wie bisher die Ausgaben für Haustiere sowie Glücksspiele.“


Also Hauskatze Rosi heimlich abschlachten oder ab mit ihr ins Tierheim. Katzen können bei guter Haltung gut und gern fünfzehn Jahre alt werden. Alle behandeln sie als Familienmitglied. Abschieben? Dann kosten sie beim Asyl das, was man  den Haltern abgeknapst hat.

Ein Ausgleich
„Bei den Verbrauchsausgaben in Abteilung 11 handelt es sich grundsätzlich nicht um regelbedarfsrelevante Ausgaben, da die auswärtige Verpflegung - also in Restaurants, Cafés und Imbissständen sowie in Kantinen und Mensen - nicht zum physischen Existenzminimum zählt. Die Verbrauchsausgaben für eine Mahlzeit bei auswärtiger Verpflegung liegen über denen, die hierfür bei eigener Beschaffung entstehen. Allerdings ersetzt die auswärtige Verpflegung die heimische Verpflegung. Wenn also eine auswärtige Verpflegung als nicht existenzsichernd anzusehen ist und die Verbrauchsausgaben hierfür nicht als regelbedarfsrelevant anzusehen sind, muss ein Ausgleich geschaffen werden, da sich der häusliche Verpflegungsbedarf (Nahrungsmittel und Getränke) und damit auch der häusliche Verpflegungsaufwand, wie er sich in den Verbrauchsausgaben der Abteilung 01 widerspiegelt, erhöht. Deshalb ist es erforderlich, den Warenwert der beim Besuch von Restaurants, Gaststätten etc. konsumierten Nahrungsmittel und Getränke als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen.“

Diese Mitteilung habe ich -trotz langjähriger Tätigkeit als Deutschlehrer- nicht verstanden. Hoffentlich sind alle anderen schlauer. Hat das Gericht sich unter Transparenz genau diese Art von Mitteilung vorgestellt?

„Bei den sonstigen Dienstleistungen wurden die neu festgelegten Gebühren für den Personalausweis, die künftig auch hilfebedürftige Personen zu entrichten haben, zusätzlich berücksichtigt. Die sich durch Einführung des neuen Personalausweises ergebenden Gebühren sind - da erst im Jahr 2010 beschlossen - in den Verbrauchsausgaben der EVS 2008 nicht erfasst, werden aber ab dem Jahr 2011 anfallen. Zusätzlich wird unter der Position 'Sonstige Dienstleistungen, nicht genannte-˜ ein Betrag von 0,25 Euro berücksichtigt.“

(Der neue Personalausweis kostet 28,80 Euro, man braucht also nur 115 Monate zu sparen, bis man die Gebühr beisammen hat.)

Verhungert ist bisher keiner unter Hartz IV. Bloßes Aufjaulen bringt gar nichts. Es kommt einfach darauf an, die Gesamtabsicht zu erkennen. Sie besteht in Abschreckung für alle, die schuften bis zum Geht-Nicht-Mehr, um nicht so tief herabgedrückt zu werden. Gegenwehr dagegen wird es erst geben können, wenn sämtliche Bedrohten merken, dass sie alle gleich angegriffen werden. Dass das möglichst lange nicht passiert, daran arbeitet die verkropfte  Sprachmetzengarde im Dienste Merkels und v.d. Leyens Tag und Nacht.

Bankenblockade am 18. Oktober abgesagt!

Der Koordinierungskreis der Aktion Georg Büchner hat am Freitag, den 24. September in Frankfurt nach mehrstündiger Debatte beschlossen, die Bankenaktion am 18. Oktober abzusagen.

Wir halten die Idee der Bankenblockade für überfällig, richtig und notwendig. Der Vorschlag beruhte auf der Annahme, dass es uns trotz drängender Zeit gelingen könnte, am 18. Oktober 2010 Tausende von Menschen zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams zusammenzubringen -“ um die Idee von -ºMasse und Entschiedenheit-¹, wie sie in Dresden dieses Jahres so beeindruckend umgesetzt wurde, auf die soziale Frage zu übertragen, mit dem Ziel, dem Verarmungsprogramm mehr als Klagen, Kundgebungen und Demonstrationen entgegenzusetzen.

Wir haben im Koordinierungskreis unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob der derzeitige Mobilisierungsstand ausreichend ist, einen solchen Schritt zu wagen. In einigen Regionen lief die Mobilisierung gut, in anderen nur schleppend. Wir waren uns deshalb nicht sicher, wie viel der uns überall entgegengebrachten Sympathie sich am Montagmorgen auf der Straße zeigen würde. Bei unserer in Deutschland in Bereich Soziale Kämpfe noch unerprobten Aktionsidee gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen ideeller Zustimmung und physischer Mobilisierbarkeit. Die Anzahl der bislang gemeldeten Busse veranlasste einen Teil von uns zur Einschätzung, dass wir eine Blockade über mehrere Stunden durchsetzen könnten, ein anderer Teil hielt das für unwahrscheinlich und verwies darauf, dass die überprüfbaren Zusagen deutlich unter unseren Annahmen lagen.

Die Absage ist uns allen sehr schwer gefallen. Wir haben gemeinsam viel Kraft und Herzblut in die Vorbereitung und Durchführung gesteckt. Wir wissen um sehr viele Gruppen und Menschen überall in der Republik, die diese Aktion ausdrücklich begrüßten und wie wir große Hoffnung hatten, in der Auseinandersetzung um die soziale Frage endlich einen gemeinsamen Schritt weiter zu kommen. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den hunderten AktivistInnen, die in den letzten Wochen für das gemeinsame Ziel gestritten haben!

Den Stimmungswandel vor den Sommerferien (-ºWir zahlen nicht für eure Krise-¹) in die Zeit danach (-ºDie Krise ist vorbei-¹), den auch wir zu spüren bekamen, fällt derzeit vielen AkteurInnen, die gegen das Verarmungsprogramm mobilisieren, in den Rücken -“ auch wenn die Fakten genau das Gegenteil belegen. Doch die Zeit, diese Verunsicherung auszuräumen, dieses Zögern zu überwinden, lief uns davon.

Die Umverteilung von unten nach oben geht unvermindert weiter. Die Notwendigkeit, Verbindungen zwischen der kapitalismuskritischen und der antikapitalistischen Linken aufzubauen und zu verstärken, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, liegt auf der Hand. Dass wir uns dieses Mal noch nicht durchringen konnten, den Schritt in die Aktion zu wagen, ist nicht das Ende des Versuchs, zivilen Ungehorsam im Bereich der sozialen Kämpfe zu organisieren. Sowohl Stuttgart 21 als auch die kommenden Castor Proteste zeigen, dass zunehmend mehr Menschen sich auf die Suchen nach Aktionsformen begeben, die den Schritt vom Protest zum Widerstand beschreiten. Wir haben uns verabredet, das gemeinsame Vertrauen und die entstandenen Verbindungen zu nutzen, an unserer Idee eines -ºgesellschaftlichen Streiks-¹ festzuhalten, sie zur Diskussion zu stellen, in der Hoffnung, dass unsere jetzige Entscheidung nicht das
letzte Wort bleibt.

Quelle: Koordinierungskreis -ºAG Georg Büchner-¹ September 2010

Siehe auch: Grundsätzliche Fragen - Interview, das kurz vor dem KO-Beschluss zur Aussetzung geführt wurde.

Aufstand der Schwaben. Teil 1

Dachbesetzung am 26.08.2010
Das bis zu 12 Milliarden Euro schwere Projekt "Stuttgart 21" und vor allem die sich ständig ausweitenden Proteste zehntausender Menschen ist inzwischen bundesweit ein Thema. Der vorhandene oberirdische Kopfbahnhof soll in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden. Dazu ist unter anderem der Abbruch eines Teils des denkmalgeschützten Bahnhofgebäudes sowie die Abholzung hunderter uralter Bäume im angrenzenden Schlosspark -“ der grünen Lunge und Naherholungsgebiet der Stadt - nötig. Mit dem Verkauf der frei werdenden Flächen erhofften sich die Stadt und Investoren riesige Gewinne auf lange Zeit und die Selbstfinanzierung des Projekts. Der öffentliche Nah- und Güterverkehr spielte dabei eine untergeordnete Rolle.

S21 ist ein gigantisches Umverteilungsprojekt, für das die öffentlichen Haushalte des Bundes, des Landes und der Stadt ausgeplündert werden. Zum Ende der 90er Jahre stellte die Deutsche Bahn trotz verbindlicher Verträge die Planungen zu S21 wegen Unwirtschaftlichkeit und mangelnder Notwendigkeit ein. Es fehlten laut einer internen Wirtschaftlichkeitsrechnung des Projekts bis zu 79 Millionen Euro. Damit drohte das Aus für "Stuttgart 21".

Mit dem Abschluss eines "großen Verkehrsvertrages" zwischen dem Land und der Bahn wurden im Vergleich zu anderen Bundesländern erheblich höhere Subventionen vereinbart.

Das war nicht die einzige Finanzspritze: Um S21 zu stabilisieren, stützte der Flughafen Stuttgart 2008 die Bahn mit 112 Millionen Euro und die Stadt verzichtete 2007 auf 212 Millionen Euro Sollzinsen der Bahn.
Und das in Zeiten, in denen wegen angeblich leerer Kassen an allen Ecken "gespart" wird, also Kahlschlag bei noch vorhandenen Resten sozialer Errungenschaften stattfindet.

Organisiert wird das von dem als "Spätzlesconnection" bekannt gewordenen Kartell, das mit Pöstchen und Auftragsschieberei den kapitalistischen Normalzustand kennzeichnet.

Zuletzt erregte der Fall eines der Hauptbefürworter des Projektes, des Finanzbürgermeisters der Stadt Stuttgart, Michael Föll (CDU) Aufsehen. Er saß mit Genehmigung des Oberbürgermeisters Schuster im Beirat der mit dem Abbruch des Bahnhofs beauftragten Firma "Wolff & Müller" und legte diesen Posten erst nach Protesten nieder.

TGV Blockade am 26.08.2010
Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident, ist Aufsichtsratsvorsitzender des Tunnelbohrers Herrenknecht, das Arbeitsverhältnis des Siemens Angestellten und jetzigen Ministerpräsidenten Mappus ruht dagegen. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart sind zusammen mit 40 Prozent Miteigentümer der Landesbank Baden Württemberg (LBBW). Bei diesen sind die Medienunternehmen „Südwestdeutsche Medien Holding“ (SWMH) und „Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft mbH“ (SBM) mit Krediten verschuldet. Sie sind Herausgeber unter anderem der „Stuttgarter Zeitung“, der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Süddeutschen Zeitung“. Dem Verleger Dr. Richard Rebmann hatte der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster einen Posten im Verwaltungsrat der Landesbank angeboten.

Von Beginn an hatte das Projekt seine Gegner. Waren diese Mitte der 1990er Jahre in der Minderheit, führte der Protest in der neueren Zeit dazu, dass er stark anwuchs. Eine der größten Protestdemonstrationen fand am 3. September mit über 65.000 TeilnehmerInnen statt.

Die Arroganz, mit der die im Stuttgarter Gemeinderat bis dahin mehrheitliche CDU über diese Proteste hinweg ging, sorgte für deren Abwahl bei den Kommunalwahlen in Stuttgart im vergangenen Jahr. Neben der Ablehnung von S21 ist für viele der Umgang mit ihren Forderungen Ausschlag gebend. Bei kaum einem anderen Ereignis machen mehr Menschen ganz praktische Erfahrungen mit kapitalistischen Herrschaftsprinzipien und ihrer Rolle darin. Obwohl in Stuttgart 67.000 Menschen einen Bürgerentscheid zu „Stuttgart 21“ forderten, hat der Stuttgarter Gemeinderat diesen abgelehnt, das Regierungspräsidium und das Verwaltungsgericht ihn für juristisch unzulässig erklärt.

Auch wenn von prominenten Vertretern der Proteste mit Parolen wie "Wessen Polizei? -“ Unsere Polizei!" Illusionen über den Charakter des Staates und seiner Machtorgane verbreitet werden: Immer mehr Menschen machen die Erfahrung dass es nötig und möglich ist, selbst Politik statt nur ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel zu machen.

Die Parteien überbieten sich dabei gegenseitig in den Versuchen, den Protest mit der Orientierung auf die Landtagswahl im kommenden Jahr in "demokratische Bahnen" zu lenken, mittels "Moratorien" und Appellen an die "Vernunft" der Verantwortlichen. Deren Vernunft heißt jedoch Durchsetzung des Projektes mit aller Macht. Und so wird auch versucht, die Protestbewegung durch Kriminalisierungs- und Diffamierungsversuche zu spalten und damit wirkungslos zu machen. So rief die Beteiligung linker und anarchistischer Kräfte bereits Verfassungsschützer auf den Plan.

Die Palette reicht vom (widerlegten) Gerücht, dass mit den fast schon alltäglichen Massenblockaden von Bundes- und Hauptstraßen Krankenwägen mit Todesfolge blockiert worden seien bis hin zu angeblichen Morddrohungen gegen prominente S21 Befürworter. Diese seien gegen den PR Beauftragten des Projektes, Wolfgang Drexler (SPD) gerichtet worden, wie er selbst erklärte. Drexler ist nicht nur Sprecher des Bahnprojektes, sondern auch Landtagsvizepräsident.

Eine Herausforderung an die Protestbewegung ist, dass wesentliche Schichten der Bevölkerung noch gar nicht in die Auseinandersetzung aktiv einbezogen sind. Der öffentliche Nahverkehr wird von Beschäftigten der Daimler Werke in Stuttgart und Sindelfingen genutzt. Diese sind bereits jetzt über unzureichende Fahrpläne und Preise direkt betroffen. Während der Daimler Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche aktiv bei der Initiative Pro Stuttgart 21 ist, sind die Gewerkschaften, vor allem die IG Metall - außer durch Beschlüsse einiger Ortsverbände - nicht an den Protesten beteiligt. So gibt es zwar eine Initiative "Gewerkschafter gegen Stuttgart 21", diese wendet sich aber in ihrer Öffentlichkeitsarbeit mit der Einrichtung einer Hotline für Abrissarbeiter und PolizistInnen, die "Probleme" mit S21-Gegnern haben, nicht an die Masse der Beschäftigten.

Nötig wäre hier die Mobilisierung der Zehntausende Menschen zählenden Belegschaften von Bosch, Daimler usw. Wenn es gelänge, in diesen Betrieben beginnend mit Aktionen wie Pausenverlängerungen und "Frühschluss"- Aktionen einen ökonomischen Druck aufzubauen, würden die Proteste eine enorme Schubkraft erfahren.

Notwendig ist unbedingt die Einbeziehung von MigrantInnen in die Proteste. Trotz hohem Bevölkerungsanteil gibt es bislang kaum Übersetzungen wichtiger Texte in andere Sprachen.

Blockade der B14 am 27.09.2010
Das führt dazu, dass die soziale Frage in den Protesten eher unterbelichtet ist. Gerade die ArbeiterInnen, MigrantInnen und die Erwerbslosen sind es aber, die für S21 zur Kasse gebeten werden, die von steigenden Steuern und Abgaben in besonderem Maße betroffen sind, die auf kommunale Dienstleistungen die zu Gunsten des Projekts zur Disposition stehen, existenziell angewiesen sind. Die sogenannte "Stadtgesellschaft" ist eben nicht nur deutsch, wohlhabend und kreativ tätig, sondern auch türkischer Herkunft, arm und Fließbandarbeiter.

Zum Ausdruck kommen diese Probleme in der organisatorischen Struktur der Bewegung, die von einigen Stellvertretern dominiert wird. Notwendig ist die Überwindung der Beschränkung auf den Informationsaustausch und die Schaffung von basisorientierten Strukturen, beispielsweise in Form von Widerstandsgruppen gegen S21.

Der massenhaften Beteiligung an Demos, Menschenketten, dem Verteilen von Informationsmaterial, Aufklebern usw. steht eine relativ kleine Zahl fortgeschrittener AktivistInnen gegenüber die Bauzaunüberwindung, Baum- und Baggerbesetzungen machen. Dazwischen herrscht oft Ratlosigkeit.

Ein positives Beispiel für eine Verbindung direkter Aktionen mit Massenprotesten war die Gleisbesetzung, mit dem die Abfahrt des TGV verzögert wurde. Während die eigentliche Blockade nach einigen Minuten beendet wurde, verhinderten Hunderte auf dem Bahnsteig die Abfahrt des Zuges. Nicht umsonst werden die Bahnsteige bei den Protesten inzwischen von Polizei abgeriegelt, die nur kontrollierte Passagiere durchlassen.

Aber die Gleise sind lang...

Weiterführende Links und Quellen:


Bei Abriss Aufstand: http://www.beiabrissaufstand.de
Die Parkschützer: http://www.parkschuetzer.de
Kopfbahnhof Bündnis: http://www.kopfbahnhof-21.de
Das Stuttgart 21-Kartell: http://stuttgart-21-kartell.org
Webcam zum Nordflügel und den Protesten: http://www.fluegel.tv


Zuerst veröffentlicht in: Graswurzelrevolution Nr. 352 (19.09.2010)

Aufruf zur Prozessbeobachtung nach Diyarbakir

Zu den Strafverfahren gegen einen kurdischen Bürgermeister, Politiker und Menschenrechtler in der Türkei dokumentieren wir einen Aufruf der YaBasta-Frauensolidarität zur Prozessbeobachtung nach Diyarbakir:

Am 24. Dezember 2009 wurden mehr als 80 Personen im Südosten der Türkei verhaftet. Es handelte sich um Personen aus der BDP (Partei des Friedens und Demokratie), sowie Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder von NGO's. Am 28.12 2009, wurden weitere 24 Menschen in den kurdischen Gebieten der Türkei festgenommen.

Die BDP ist die Nachfolge-Partei der vor kurzem verbotenen Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP). Die Staatsanwaltschaft wirft den Inhaftierten vor, Mitglieder der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) zu sein.

Die Repressionen gegen pro-kurdische PolitikerInnen verstärkten sich kurz nach den Erfolgen der Kommunalwahlen im März 2009 massiv. Unmittelbar nach dem Wahlerfolg wurden DTP Führungskräfte, inklusiv der Partei Vize-Präsident, in Gewahrsam genommen. Die Inhaftierten sind bis heute nicht vor Gericht gestellt worden. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft den Grund der Anklage noch nicht bekannt gegeben.

Bisher wurden rund 1500 kurdische Politiker, darunter DTP Führungskräfte und Mitglieder festgenommen.

Nach 16 Monaten wird die erste Verhandlung vor dem Gericht am 18. Oktober 2010 in Amed (Diyarbakir) stattfinden.

Für eine Solidarität mit den Inhaftierten Vorort hat sich eine Vorbreitungsgruppe für eine Delegationsreise gebildet. In der Vorbreitungsgruppe sind: Murat Cakir, Gülten Kelloglu, Melike Yasar, Ibrahim Isik, Rusen Turgut

Wir wünschen uns, dass die europäische Öffentlichkeit über diesen Prozess informiert wird. Mit unserer Solidarität und Anwesenheit am ersten Prozesstag in Amed, werden wir viel dazu beitragen.

Unterstützen wir die Initiativen in der Türkei für die Freilassung der Inhaftierten und für eine politische Lösung der kurdischen Frage!

Wer an der Delegationsreise teilnehmen möchte, kann sich unter der folgenden Adresse an die Vorbreitungsgruppe wenden:

soli.delegation@googlemail.com

Gerne werden wir eure Fragen zur Reise beantworten.


Siehe auch den Vortrag von Brigitte Kiechle, Buchautorin auf einer Veranstaltung der Linken LU am 20.Sept 2010

"Das alte gute Recht" Vielleicht zu ver"Rappen" - nach Ludwig Uhland

Ludwig Uhland, Gemälde von G. W. Morff (1818)
Wer jetzt für Bahn und Mappus blecht,
Und lebt in bittrer Fron,
Der kämpfe für sein gutes Recht,
So kommt er unverbeult davon

Und wem die Stadt wird aufgewühlt,
Der letzte Baum gefällt,
Wer da gerechte Wut gefühlt,
Der rettet seine Welt

Wo je bei altem, gutem Wein
Der Württemberger zecht,
Da soll der erste Trinkspruch sein:
Das alte, gute Recht!

Das Recht, das uns Gesetze gibt,
Die keine Willkür bricht;
Das offene Gerichte liebt
Und gültig Urteil spricht. (Schön wär's, fg)

Das Recht, das jedem offen läßt
Den Zug in alle Welt,
Das uns allein durch Liebe fest
Am Mutterboden hält.

Das Recht, das eine schlimme Zeit
Lebendig uns begrub,
Das jetzt mit neuer Regsamkeit
Sich aus dem Grab erhub.

Ja! wenn auch wir von hinnen sind,
Besteh' es fort und fort,
Und sei für Kind und Kindeskind
Des schönsten Glückes Hort!


Wie üblich in Deutschland: Von Heine blieb populär sein Bekenntnis - Stück für den Männergesangverein - "Loreley" - von Ludwig Uhland sein "Kaiser Rotbart lobesam" und allerlei Erinnerung an die württembergischen Herzöge. Nix Politik! Die Lyrik bleibe rein....

Dass Uhland ein ganz erbitterter Feind war des neuen Absolutismus, der unter und nach Napoleon in Württemberg einzog, wird kaum jemand glauben.

Württemberg hatte im alten Kaiserreich bis 1806 eine der fortschrittlichsten Verfassungen gehabt. Mit Landständen- die dem Monarchen peinlich in die Suppe spuckten, wenn es um das ging, worum es immer geht: um Knete. Keine Militärerweiterung über Bürgers letzten Groschen!

Der neue König, der über Napoleons Gnade zu sehr viel neuen Landesteilen gekommen war, wollte immerhin eine neue Landesverfassung ausrufen, um den gesamten Laden neu zusammenzukitten- ohne jemand zu fragen, versteht sich. Die alten Verträge, in denen das Recht der Stände festgelegt worden war, sollten einfach wegfallen.

Dagegen erhob sich Ludwig Uhland. Er besteht auf dem alten Recht, auch wenn es nicht so modern abgefasst ist wie das neue.

Uhland war Abgeordneter im bestrittenen Landtag Württembergs. Nach feinster Tradition durch die Jahrhunderte sperrte ihn das Regime des Königs nicht ein- nur weigerte es sich auf einmal, den Autor von seiner Staatsanstellung zu beurlauben.Wenn einer frech- dann weg vom Kuchenblech! Uhland musste zwischendurch als freier Schriftsteller arbeiten.

Heine auf der einen Seite versäumte keine Gelegenheit, auf die "schwäbische Schule" einzuhauen. Alles nur Besinger der "Gelbveigelein", wie er meinte. Hegel, auch er von Haus aus Württemberger, war im Prinzip fürs Fortschrittliche "an sich" -und gegen das Festklammern am Hergebrachten.Ein wenig mehr steckte schon dahinter.
Uhland ließ sich nicht beirren. Er entfaltete Sturheit als Prellkraft, wie manche Konservative es immerhin hinbekommen haben. Er bestand unerbittlich auf dem Versprochenen! Was hätte er heute zum offenen Vertragsbruch einer Merkel gesungen und gesagt-unter geldgeiler Berufung auf die veränderten Zeiten! Wenn dummerweise die Turmuhrwächter zugleich die Uhrenfabrikanten sein wollen.

1848 war Uhland immer noch und wieder da- im Frankfurter Reichstag. Und als Preußen und Österreich zusammen der legitimen Versammlung der Verfassungsgeber den Boden entzogen hatten, da war Uhland einer der wenigen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Als in Stuttgart die Reste der Reichsversammlung zusammentraten, wer saß immer noch im Rumpfparlament? Ludwig Uhland. Bis auch dort die Soldaten zeigten, wo der Zimmermann für Demokraten das Loch gelassen hat. Damit war das Revolutionäre bis 1918 eingeweckt- nicht aufgeweckt. Wie es in unserem Vaterland zu gehen pflegt.

So eng der Gesichtskreis eines Uhland wirken mag - von heute aus gesehen- er entwickelte eine Energie des Festhaltens, von der sich immer noch viel abschauen ließe.

Heike Hänsel u.a. aus dem Tempel der Demokratie gesäubert

Bundestagspräsident Lammert (CDU) hielt es für nötig, mehrere Abgeordnete der baden-württembergischen Linken für die laufende und zwei weitere Sitzungen aus dem Bundestag zu säubern.

Warum? Die Betreffenden hatten die Unbefangenheit und die Urteilsmöglichkeiten aller anderen Abgeordneten geschändet, indem sie stillschweigend ein T-Shirt überzogen, auf welchem “Stuttgart 21- stand - der Schriftzug aber war durchgestrichen. Damit wollten die betreffenden Abgeordneten vermutlich mitteilen, dass sie die Diktate von Bahn, CDU , FDP und Terrainspekulation in Stuttgart nicht weiter hinnehmen wollten.

Die Verweisungspraxis aus dem Bundestag, die einmal auch solche Leute wie Kurt Schumacher und Wehner erwischt hatte, wurde damals mit Verweisen auf Horden begründet, die in der Weimarer Republik durch Lärmentfaltung, umstandsweise auch mit Stuhlbeinen, eine offene Diskussion verhindert hatten.
Was ist an einer schweigenden Mitteilung über dem Herzen ähnlich einem geschwungenen Knüppel ? Es muss ja keiner hinschauen, wenn er nicht möchte. Dagegen kann man den kostbaren Deetz vor einem Knüppel kaum krisensicher aus dem Plenarsaal transportieren.

Der große Satiriker im Bundespräsidium hatte vermutlich einen Hintergedanken. Als er in Nachahmung Christi die Säuberung des Tempels vollzog, wollte er vermutlich indirekt auf die geringe Vorbildlichkeit und Erkenntnisträchtigkeit der normalen Beiträge in diesem Heiligtum verweisen.

Nur ein Pensionist hat vielleicht die Kraft, von Dienstag bis Freitag zumindest als Nebengeräusch die Hervorbringungen zu verfolgen, die da aus dem Fernseher tropfen. Zusammengefasst: Es handelte sich bei den Mitteilungen der Regierungsparteien wesentlich um Tautologien. Auf Deutsch: Selbstbestätigungen der reduziertesten Art. Nach dem Muster: Deutschland geht es gut, weil wir an der Regierung sind. In der Sprache der Zehn Gebote: Es ging um hemmungsloses Eigenlob. Verknüpft mit konsequentem Verschweigen des Wesentlichen.

Eine zweite Mitteilungsart aller Fraktionen: Retourkutsche. Da - außer den Linken - alle anderen Parteien an den Verbrechen der Regierungen der letzten zehn Jahre beteiligt waren, klappte das prima. In der Form des Scheidungsgesprächs in Schrumpelform: Warum hast Du ...? Aber ich wollte doch...

Erkenntnisgewinn: Null.

Wie wäre es, wenn der Parlamentspräsident in Zukunft mit einem Beutel Klebebänder auf Vorrat in den Saal träte- und jeden zum Schweigen brächte, der das zweite Mal die “breiten Schultern- erwähnte - oder die “Schuldenberge, auf denen unsere Kinder nicht spielen können-. Verklebung sofort zu vollziehen! Wie schnell zögen Summen, Murmeln, Flüstern ein in die heiligen Hallen! Und welcher Friede wäre schon nach dem ersten Sitzungstag zu erwarten.

Deutsche Waffen / deutsches Geld / morden mit / in aller Welt! Die Gewerkschaften auch?

Liebe Kollegen Huber und Stiedl,
befremdet und sehr verärgert las ich die Äußerungen des Kollegen Stiedl auf http://www.tagesschau.de/wirtschaft/igmetallruestung100.html.

und glaubte, meinen Augen nicht zu trauen:

"Die IG Metall hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor einer massiven Kürzung des Rüstungsetats gewarnt. Mit den jetzt geplanten Einsparungen würden 30.000 Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet und die "militärische Luftfahrtindustrie kaputt gemacht", sagten EADS-Gesamtbetriebsratschef Thomas Pretzl und IG-Metall-Konzernbetreuer Bernhard Stiedl. Sie kündigten den Widerstand der Gewerkschaft an."


Ich wäre als jahrzehntelanger IG Metall Aktivist, Mitglied der Delegiertenversammlung und der Vertrauenskörperleitung bei Festo in Esslingen der Letzte, der für die Sorgen der KollegInnen um Arbeitsplätze und Löhne kein Verständnis hätte. Im Gegenteil. Wir versuchen hier unter schwierigen Bedingungen die Kollegen für die Gewerkschaften zu gewinnen und dafür, dass sie selber aktiv werden.

Der Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen kann jedoch garantiert nicht mit Forderungen nach Erhöhung von Rüstungsausgaben geführt werden. Wer nimmt uns denn noch ab, wenn wir auf Friedensdemonstrationen mit IG Metall Fahnen auftauchen? Die Teilnehmer dort jagen uns doch weg! Zu Recht.

Die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen werden meiner Ansicht nach ganz übel missbraucht. Sonst würden Forderungen, den Kampf um Arbeitsplätze auf Kosten der Profite der Konzerne und darüber hinaus am besten mit der Perspektive auf eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren nicht ständig derartig torpediert werden.

What next - erklärt die IG Metall demnächst irgendeinem Land den Krieg, um Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen, wie es einige der Kommentatoren in dem Beitrag scharfsinnig erkannt haben? Vertreten wir dann die Interessen der Kolleginnen und Kollegen am Hindukusch?

Wohl eher nicht, statt dessen der übliche Standortnationalismus: "Wir finden es nicht gut, wenn mit deutschen Steuergeldern ausländische Rüstungsgüter gekauft werden. Wir hätten die Wertschöpfung lieber in Deutschland", so der Kollege Stiedl. Kennen wir schon von Nokia, von Opel usw. usf. Das lässt wenige Tage vor dem Europäischen Aktionstag der Gewerkschaften in Brüssel nichts Gutes erwarten.

Denn da wäre eigentlich ein gemeinsamer, solidarischer und vor allem länderübergreifender Kampf der Belegschaften für ihre Interessen nötig.



Update: Die Antwort folgte umgehend:

Sehr geehrter Herr Trueten,-¬
-ª -¬
-ªvielen Dank für Ihre Position zu meinen Äußerungen zu den Kürzungen im Wehretats. Auf der heutigen Pressekonferenz habe ich genau die Punkte der notwendigen Konversion angesprochen, leider wurden meine Aussagen dazu aber nicht aufgegriffen. Zu Ihrer Information habe ich der Mail ein aktuelles Papier der IG Metall zur Wehrtechnik angefügt.-¬


Mit freundlichen Grüßen


Anhang: http://ul.to/n5o4d8


Worauf ich nochmal nachhakte:

Lieber Kollege,
Danke für Deine umgehende Antwort. Da es eine Standardantwort ist, gehe ich von einer persönlichen Mail in den nächsten Tagen aus.

Das Papier werde ich jetzt nicht durcharbeiten. Ich hatte eine ganz konkrete Kritik und erwarte dazu eine konkrete Antwort und kein 22 seitiges Dokument.

Zur Frage der Rüstungskonversion haben wir zudem mit Sicherheit widersprüchliche Standpunkte.

Entscheidend jedoch ist, dass Du eine Posiition vertreten hast, die jetzt öffentlich diskutiert wird und auf unsere Gewerkschaft ein schlechtes Licht wirft.

Ich wage nicht daran zu denken, was solche Positionen bei den Menschen in den Ländern, gegen die Deutschland Krieg führt, für Gedankengänge verursachen...


Protestmails bitte an: Bernhard.Stiedl@igmetall.de und an: Berthold.Huber@igmetall.de

Behr KollegInnen fordern kämpferische Gewerkschaften - im Kampf gegen Betriebsschließung wie gegen S21

Die um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Behr KollegInnen haben ein Flugblatt veröffentlicht, das wir gerne dokumentieren:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe S21 Gegnerinnen und Gegner!
Die Bewegung gegen Stuttgart 21 hat das Motto geprägt „Das ist unsere Stadt“.

Zu dieser Stadt gehören der Bahnhof, der Park, der öffentliche Verkehr.

Aber auch unsere Arbeitsplätze.

Es wird behauptet, S 21 schaffe 10.000 neue Arbeitsplätze durch angeblich neue Büros und Gewerbebetriebe, die auf den freien Gleisflächen entstehen sollen. Das ist aber nicht die Wahrheit.
Wir erleben nämlich, dass in Stuttgart Büros und Fabrikgebäude leerstehen und überall Arbeitsplätze vernichtet werden.
Warum soll sich auf einem neuen Gewerbegebiet auf dem bisherigen Gleisfeldes des Hauptbahnhofes Industrie und Gewerbe ansiedeln, wenn das Gewerbegebiet in Feuerbach zur industriellen Ruine wird.

Ein Beispiel dafür ist Behr in Feuerbach. Hier gibt es gerade noch 220 Arbeitsplätze in der Produktion und diese sollen jetzt auch noch vernichtet werden.
Das Werk 8 soll bis zum 30.9.2010 geschlossen werden.

Bei den Kundgebungen haben wir erfahren, dass S 21 ein Projekt für die Profite der Immobilienspekulanten, Banken und Baukonzerne ist.
Auch beim Abbau von Arbeitsplätzen geht es nur um den Profit.


Die Familie Behr gehört zu den 100 reichsten Familien in Deutschland und hat ein Vermögen von einer Milliarde Euro. Wir Beschäftigte in der Produktion bei Behr haben jahrzehntelang die Knochen und Nerven hingehalten und den Betrieb aufgebaut, aus denen Besitzer ihr Vermögen ziehen. Jetzt wird uns eiskalt gesagt: Ihr seid überflüssig!

Wir Arbeiter von Behr haben vor 26 Jahren für die 35-Stunden-Woche an vorderster Front gestreikt und haben entscheidenden Anteil an diesem Erfolg. Auch andere Schlachten der IGM haben wir an vorderster Front mit ausgefochten. Die Schließung von Werk 8 ist deshalb auch ein Angriff auf die Kampftradition der IGM und kampfstarke Belegschaften.

Vor der Betriebsratswahl schrieb sich die IGM den Erhalt ALLER Arbeitsplätze bei Behr auf ihre Fahne und hat uneingeschränkte Unterstützung für dieses Ziel zugesagt. Leider haben die IGM und der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung unterschrieben, wonach der Wechsel in eine Transfergesellschaft oder Auflösungsvertrage mit Abfindungen zwingend vorgeschrieben wird. Ansonsten wird mit einer deutlich weniger Abfindung betriebsbedingt gekündigt. Damit ist für die meisten von uns der Weg zu Hartz IV vorprogrammiert.

Wir haben mehrmals mit Aktionen und Unterschriftensammlungen zum Ausdruck gebracht, dass wir mit dem Verhandlungsergebnis nicht einverstanden sind und wollten weiter kämpfen. Viele von uns wollen weiterhin den Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze führen.

Viele der KollegInnen haben wegen mangelnde Unterstützung seitens der BR /IGM gegen ihre Willen Auflösungsverträge unterschrieben oder mussten in die Transfergesellschaft wechseln.
Es sind jetzt nur noch 30 KollegInnen übrig.

Eigentlich wäre es die Aufgabe der Gewerkschaften eine entschlossenen Kampf sowohl für den Erhalt alle Arbeitsplätze als auch gegen den Unsinn S21 zu führen. Unsere gemeinsame Aufgabe ist für einen radikalen Kurswechsel in den Gewerkschaften, somit auch in der IGM zu sorgen. Wir brauchen dringender denn je die alte Stärke der Gewerkschaften und mehr Demokratie.

Behr will uns die nächsten Tage entlassen, deshalb sind wir auch auf Eure Unterstützung angewiesen und freuen uns jetzt schon über Eure Solidarität.

BEHR Werk 8 Beschäftigte wirbleibenhier@hotmail.de
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