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Stuttgart: Aktionswoche gegen S21

38. Montagsdemo am 09.08.2010 (Bild anklicken für mehr Fotos)
Heute begann in Stuttgart die Aktionswoche gegen S21 mit der inzwischen 38. Montagsdemo am Nordflügel. An der Demonstration beteiligten sich wieder mehrere tausend Menschen, vor denen der Regisseur und Schauspieler Klaus Hemmerle, der Kunsthistoriker Prof. Dr. Nils Büttner und der Wortakrobat Timo Brunke sprachen.

Ein Thema dabei: Der "Stutttgarter Appell", zu dessen Motivation dessen Mitinitiator Bernhard Ubbenhorst sagt: "Wir machen uns ernste Sorgen darüber, wohin die immer schärfer werdende Auseinandersetzung führen kann." Das Ziel ihrer rein privaten Initiative sei, "die gegenwärtige Konfrontation aufzubrechen und die aufgeheizte Debatte auf eine andere Ebene zu bringen". (Stuttgarter Zeitung)

Der Appell wird bei diversen Medien durchaus begierig aufgenommen, stößt jedoch bei den Stuttgart 21 GegnerInnen auf deutliche Kritik, denen nicht mehr nach "Konsens" mit den Befürwortern des Bauprojektes zumute ist. Bereits im Jahre 2007 wurde mit der Unterschriftensammlung für einen Bürgerentscheid ein ähnlicher Versuch gestartet, Einfluss auf die sogenannten "Entscheidungsträger" zu nehmen. Bei der Sammlung, die damals zur Verbreitung des Protestes beitrug und ein Lehrstück in Sachen Demokratie war, wurden 67000 Unterschriften alleine in Stuttgart gegen das Konzept von „Stuttgart 21“ gesammelt: Wie gewohnt wurden diese von der herrschenden Politik ignoriert.

Das Festhalten an aktiven Protestformen und deren Weiterentwicklung wie den Gleis- und Straßenblockaden, die breite Solidarität, wie von der AG Georg Büchner, der Kampf um weitere Mitstreiter, wie den Gewerkschaften und nicht die Distanzierung davon ist für die KritikerInnen der erfolgversprechendere Weg. Die Proteste werden inzwischen auch international beachtet, was den politischen Druck auf die Landes- und Bundesregierung nochmals erhöht: Die britische Tageszeitung "The Independent" mit einer Viertelmillion Auflage veröffentlichte heute den Artikel "Rail plan could be terminal for Merkel's coalition" zum Thema Stuttgart 21, in dem die Auseinandersetzung um das Projekt zur Überlebensfrage für die Berliner Regierung bezeichnet wird.

Erst vor einigen Tagen wurde bekannt, dass der Ausbau der geplanten Schnellbahnstrecke nach Ulm fast eine Milliarde Euro mehr als geplant kostet. Während der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus die Mehrkosten als "überschaubar" bezeichnet, sollen die Mehrkosten vom Bund übernommen werden.

Aktionswochenflyer zum Download
Dass in der Auseinandersetzung sich noch einiges bewegen kann, zeigte sich in der gestern von den DemonstrantInnen freudig aufgenommenen Nachricht, dass Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) nicht aus "innerer Überzeugung sondern aufgrund von öffentlichem Druck" seinen Job als Beirat bei der Baufirma Wolff & Müller, die bekanntlich den Auftrag für den Abriss des Hauptbahnhofs erhielt, mit "sofortiger Wirkung" beendet hat.

Eine Tätigkeit, die nicht nur ihn sondern auch OB Schuster einges Ungemach bereitete, da Schuster der Nebentätigkeit seines Parteifreundes zustimmte. Konsequenterweise wurde gestern erneut auch dessen Rücktritt gefordert. Die Forderung nach einem Rücktritt Fölls wird in einer aktuellen Online-Umfrage der Stuttgarter Zeitung von einer eindeutigen Mehrheit der Befragten gefordert.

Die Montagsdemo endete mit Musikalischen Einlagen von "Taraful Foaie Verde". Der unnötige Hinweis, dass im Anschluss an die Montagsdemo keine Protestdemonstration durch Stuttgart "angemeldet oder genehmigt sei", hielt einige hundert Menschen nicht davon ab, auf Höhe der Klett-Passage noch eine kurzzeitige Strassenblockade durchzuführen. Die Polizei verhielt sich dabei weitgehend friedlich.

Mehr Fotos gibt es bei Roland Hägele

„Auf zum Bahnhof, KollegInnen!“

In einem Appell, der in Betrieben und Verwaltungen verbreitet werden soll, rief heute die Initiative „GewerkschafterInnen gegen Stuttgart 21“ dazu auf, den Widerstand gegen den für die nächsten Tage geplanten Teilabriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu unterstützen -“ z.B. durch Besuche bei den Aktivisten vor Ort.

Die Initiative sieht in Stuttgart 21 ein „Umverteilungs- und Spekulationsprojekt“, das eine negative Arbeitsplatzbilanz aufweise, zu einer Verschlechterung der Verkehrssituation für viele Berufstätige und zu noch höherem Druck auf die Sozialetats führen werde.

Aus diesem Grund hatten gewerkschaftliche Gliederungen in den letzten Monaten beschlossen, dem Bündnis gegen Stuttgart 21 beizutreten und den Widerstand gegen das Projekt zu unterstützen. In einem gleichzeitigen Schreiben an den DGB-Landesvorsitzenden Niko Landgraf fordert die Initiative, diesen Beschlüssen nun, wo die Bahn mit dem Abriss beginnen wolle, endlich Taten folgen zu lassen.

Das Schreiben dokumentiert:
An
DGB Bezirksvorstand Baden-Württemberg Stuttgart, 06.08.2010
Willi-Bleicher-Str. 20
70174 Stuttgart
z.Hd. Koll. Niko Landgraf

Lieber Niko,
am 30. Januar diesen Jahres hat der DGB als Dachverband der Gewerkschaften in Baden-Württemberg in seiner Landesbezirkskonferenz mit großer Mehrheit beschlossen, dem Bündnis gegen Stuttgart 21 beizutreten und den Widerstand gegen dieses Projekt zu unterstützen. Zuvor und danach haben etliche weitere Gewerkschaften und gewerkschaftliche Gliederungen, wie der ver.di Landesbezirk, die Delegiertenversammlungen der IGM Stuttgart, Waiblingen, Ludwigsburg, Aalen/Schwäbisch-Gmünd ähnliche Beschlüsse gefasst.

Nun tritt die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 in ihre entscheidende Phase. Der Widerstand gegen das Projekt ist in allen Bevölkerungskreisen gewachsen, auch weil immer mehr Widersprüche, Ungereimtheiten, Risiken und Schwächen von S 21 ans Licht kamen -“ und in nächster Zeit ans Licht kommen werden. Als einen von vielen Punkten sei nur auf die Neuberechnung der Kosten für die Neubaustrecke verwiesen - 860 Millionen Mehrkosten räumt die Bahn bisher offiziell ein - was zum Abbruch oder zur Umplanung der Neubaustrecke führen müsste und Stuttgart 21 vollends zur Absurdität machen würde.

In dieser Situation versuchen Bahn und Politik durch den überstürzten Teilabriss des Bonatzbaus Fakten zu schaffen.
Stuttgart 21 ist ein Spekulations- und Umverteilungsprojekt, für das gerade die ArbeitnehmerInnen zahlen werden -“ direkt z.B. durch schlechtere Verkehrsleistungen im Berufsverkehr (die Störungen im S-Bahnverkehr sind ein erster Vorgeschmack) oder indirekt und später durch eine hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte und Druck auf Sozialetats und Daseinsvorsorge.

In dieser Situation bitten wir Euch, endlich deutlich und unüberhörbar Position zu beziehen.

Dazu gehört unseres Erachtens:

-Der DGB fordert noch vor dem geplanten Beginn der Abrissarbeiten ein sofortiges Moratorium für S 21. Der Abriss des Nordflügels und weitere Baumaßnahmen müssen gestoppt werden bis die Kostenberechnung der Neubaustrecke veröffentlicht ist und ihre Konsequenzen für S 21 ersichtlich sind, bis die lange vorenthaltene Studie des Züricher Verkehrsplanungsinstituts SMA, nach der der geplante Tiefbahnhof de facto eine schlechtere Verkehrsleistung bietet als der Kopfbahnhof, zugänglich gemacht ist und bis alle Teilabschnitte des Projekts baugenehmigt sind.

-Der DGB mobilisiert für die betriebliche Unterstützung der Proteste am Hauptbahnhof im Sinne des beiliegenden Aufrufs.

-Der DGB Landesvorsitzende bzw. die Vorsitzenden und örtlichen Bevollmächtigten vor allem der großen Einzelgewerkschaften stehen als RednerInnen auf Montagsdemos und anderen Veranstaltungen des Bündnisses gegen S 21 zur Verfügung.

-Der DGB tritt wie am 30. Januar beschlossen dem Bündnis gegen S 21 bei, leistet einen angemessenen finanziellen Beitrag und entsendet eine/n VertreterIn zu den Sitzungen des Bündnisses.

-Der DGB bzw. seine Einzelgewerkschaften erstellen Werbematerialien (Banner, Buttons mit entsprechenden Logos).

-Der DGB bzw. seine Einzelgewerkschaften leiten Informationen des Bündnisses insbesondere Aufrufe zu Veranstaltungen weiter in Betriebe und Verwaltungen.

Wir bitten Euch im Sinne unserer gemeinsamen Beschlüsse diese Maßnahmen umgehend zu ergreifen. Gerne unterstützen wir Euch im Konkreten.

Wir bitten Dich, lieber Koll. Landgraf, bzw. den DGB Bezirksvorstand um ein Gespräch, das angesichts der zugespitzten Situation sehr bald stattfinden sollte.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Schobel, Martin Zahner, Sybille Stamm, Jürgen Stamm, Tom Adler, Werner Sauerborn, Johannes Müllerschön, Florian Vollert, Wolfgang Hänsch, Rainer Jäger, Helmut Brandt, Utz Rockenbauch, Peter Kurtenacker, Murgin Romolo, Wolfgang Isele, Christa Hourani, Albrecht Kotitschke, Christa Schnepf, Jürgen Hugger, Kurt Walz, Peter Hanle, Clarissa Seitz, Maggie Klingler-Lauer, Peter Schimke, Walter Kubach

c.Bernhard Löffler, Peter Fischer, Stefan Rebmann, Jürgen Höfflin, Jürgen Klose


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