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Stuttgart im Widerstand

Besetzung des Nordflügels
Der Eintrag stand vor einigen Wochen auf der Internetseite der Parkschützer. Eine ältere Frau hat ihn geschrieben. Sie lebt seit vielen Jahren in dieser Stadt. Sie schreibt, sie habe sich nie richtig in Stuttgart einleben können. Doch jetzt sei sie angekommen. Jetzt, da sich so viel verändert. Die Menschen dieser Stadt wachsen zusammen. Mehr als siebzehntausend Parkschützer hauchen der Stadt mit ihrem aktiven Protest gegen Stuttgart 21 neues Leben ein. Ein Hauch, der nicht jedem passt. Man fühlt sich bedroht. Von Aufklebern, Dauermahnwachen, der Aufforderung, die wahren Kosten für den Tiefbahnhof und der dazugehörigen Neubaustrecke Wendlingen-Ulm zu veröffentlichen. Die Polizei muss Camping-Chaoten aus dem Schlosspark vertreiben, schreibt die Bild-Zeitung, als vor vier Wochen fünfzig Menschen Zelte unter den Bäumen aufschlagen, die für den Tiefbahnhof gefällt werden sollen, und die Stuttgarter Zeitung schreibt jedes Ei, das einen Landtagsabgeordneten trifft, dem Protest gegen Stuttgart 21 zu.

Und jetzt das. Am Montagabend vor dem denkmalgeschützten Bahnhof. Es muss zwischen sechs und halb sieben gewesen sein als die Ska-Band Nu Sports vor Tausenden Montagsdemonstranten zu spielen beginnt. Plötzlich öffnen sich die Fenster im zweiten Stock des inzwischen für den Abriss komplett leer geräumten Nordflügels. Die Stuttgarter Zeitung reagiert sofort: Dass sei „nun kein bürgerlicher Protest mehr“, zitiert sie den Polizeisprecher Stefan Keilbach. Knapp zwanzig Stuttgart 21-Gegner sind es, die durch eine offene Tür gelaufen sind, die Treppen hoch in den zweiten Stock. Sie ziehen Banner aus ihren Rucksäcken und hängen sie aus den Fenstern: „Besetzt“ steht da, „Stuttgart 21 entern“ und „Bürgerbahnhof“. Die Montagsdemonstranten jubeln. Der Bahnhof gehört ihnen.

Der SWR spricht zunächst von siebentausend Menschen, die vor dem Bahnhof stünden, in späteren Nachrichten sollen es nur noch dreitausend gewesen sein. Viele hundert Demonstranten bleiben bis tief in die Nacht, um zu verhindern, dass die Polizei die Parkschützer und Robin Wood Aktivisten aus dem Gebäude holt. Obwohl es immer wieder in Strömen regnet. Obwohl die Polizei mit Pferden und Hunden anrückt. Die Menschen bleiben und wollen in den Bahnhof. Mehr als dreißig Demonstranten klettern über Leitern durch die Bahnhofsfenster in das Gebäude. Studenten, ein ehemaliger Lehrer, ein Stadtrat, eine Erzieherin, eine Architektin und ein Bühnentechniker sind dabei. Die Jüngsten sind unter achtzehn, die Ältesten über sechzig. „Oben bleiben“ und „Wir bleiben alle hier“ rufen sie den im Regen stehenden Menschen vor dem Bahnhof zu. Konfetti, Luftschlangen, und -ballons fliegen aus den Fenstern, während von unten über die Leitern und Kletterseile Isomatten, Decken, Kuchen, belegte Brote und Salate hochgezogen werden. „So etwas hat Stuttgart noch nicht erlebt“, ruft jemand. Im SWR-Videotext steht etwas von Tumulten am Bahnhof, von mehreren hundert Stuttgart 21-Gegnern, die im Haus sind. Aber der Regen ist zu stark, die Nacht zu dunkel, die Gefahr zu groß. Niemand steigt mehr über die Leitern ins Haus.

Matthias von Herrmann möchte den Nordflügel am liebsten so lange besetzen, bis die neue Kostenberechnung der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm veröffentlicht ist. „Die Besetzung soll verhindern, dass mit dem Abriss irreparabler Schaden angerichtet wird", sagt von Herrmann. Fünf Stunden dauert es, bis zweihundert Einsatzkräfte vor Ort sind, und die Polizei mit der Auflösung der Versammlung vor dem Bahnhof und im Gebäude beginnt.

Vor dem Bahnhof versuchen Demonstranten die Wagen der Polizei zu blockieren. Die Polizei schiebt die Menschen zusammen, drückt sie von ihren Wagen und dem Bahnhofsgebäude weg. Einzelne Demonstranten wehren sich mit Fußtritten, andere werden getreten. Drei Personen werden festgenommen, während die Polizei die ersten Besetzer aus dem Gebäude holt. Unter ihnen drei Pressefotografen. Viele lassen sich tragen. Nur ein Mann wehrt sich. Er wurde dem Haftrichter vorgeführt, sagt Polizeipräsident Siegfried Stumpf in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten. Trotzdem werden auch andere in Handschellen abgeführt, einigen werden die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken zusammengebunden. Die Polizei transportiert die festgenommenen Besetzer in vergitterten Mannschaftswagen in das Polizeipräsidium Hahnemannstraße; mit Blaulicht, gefesselt und ohne Gurt.

Auf der Wache werden alle Personalien aufgenommen, Taschen und Personen durchsucht. Alle werden fotografiert. Einige erheben Einspruch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung. Doch die Beamten wehren ab. Die Bilder würden nur intern verwendet. Die Aufnahme der Personalien dauert mehrere Stunden. Mehr als eine Stunde werden Schlüssel für Handschellen vermisst, mit denen ein junger Mann gefesselt ist. Der Personalausweis eines Festgenommenen ist verschwunden. Danach könne er in den kommenden Tagen im Fundbüro fragen, erklären die Beamten. Während unermüdliche Helfer die ersten Entlassenen gegen ein Uhr vor dem Revier mit Applaus und Kaffee empfangen, sitzen immer noch einige auf der Wache fest. Erst gegen vier Uhr sind alle frei.

Insgesamt gab es fünfundfünfzig Festnahmen. Die Hausbesetzer müssen laut Polizei mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen. Doch die Solidaritätsbekundungen reißen nicht ab. Von den Parkschützern wurde ein Ermittlungsausschuss und ein Rechtshilfefonds eingerichtet. Polizeipräsident Siegfried Stumpf betont in den Stuttgarter Nachrichten, dass die Polizei im Sinne von Recht und Gesetz neutral ist. „Das Demonstrations- und Versammlungsrecht ist ein hohes Gut, es müssen Demonstrationen stattfinden können.“

Wenige Stunden nach der Besetzung des Bahnhofs liegt die neue Kostenberechnung für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf dem Tisch. Die Kosten sind von 2,025 Milliarden um mehr als 40 Prozent auf 2,89 Milliarden gestiegen. Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) hält sie trotzdem für vertretbar. Das Land wird nicht mehr zahlen, sondern der Bund, sagt Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Entsprechend verlangt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), dass noch einmal über das Projekt beraten wird, und der Waiblinger SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer meint, „die Stadt ist gespalten, der Widerstand in der Bevölkerung nimmt offenkundig zu anstatt ab. Zu erwarten ist, dass dies sich auch in der mittleren Zukunft nicht ändert und während der gesamten Baumaßnahmen weitergeht -“ bis hin zu einem vielleicht dreißigjährigen Bürgerkonflikt. Mehr und mehr zeigt sich, dass es ein schwerwiegender politischer Fehler des Gemeinderats von Stuttgart war, das Bürgerbegehren nicht zuzulassen und auch keine andere Form breiter demokratischer Beteiligung zu ermöglichen.“

Helfen Sie mit, spenden Sie. Der Rechtshilfefonds der Parkschützer wird von Rechtsanwalt Markus Mauz verwaltet. Kontoinhaber: Markus Mauz, Kontonummer: 7018 242 800, BLZ: 430 609 67 (GLS-Bank).

11. August: Demonstration für die Versammlungsfreiheit in Hannover

Für den 11. August 2010 hat die Grüne Jugend Niedersachsen eine Demonstration für die Versammlungsfreiheit in Niedersachsen angemeldet.

Beginn: 19:00 Uhr
Ort: Bahnhofstraße vor dem Bahnhofsvorplatz (Ecke Galeria-Kaufhof)

"Nachdem nun auch andere Parteien (Linke, Jusos, Piraten) diesen Protest offiziell unterstützen, es sich also nicht mehr um eine Ein-Parteien-Veranstaltung handelt, möchten wir diesen Protest unterstützen und zum Mitmachen aufrufen.

Zwar haben CDU und FDP angekündigt, den bislang bekannten Gesetzentwurf in einzelnen Punkten noch einmal zu verändern, bevor sie ihn mit Ihrer Stimmenmehrheit im Landtag verabschieden werden; doch nach unseren bisherigen Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren haben wir keine Hoffnung, dass die Landesregierung die vielen kritischen Stimmen wirklich ernst nehmen wird.

Es sei daran erinnert, dass das bayrische Versammlungsgesetz in seiner ersten (inzwischen als verfassungswidrig erklärten) Fassung seinerzeit an ein und denselben Tag seine zweite und dritte Lesung im bayrischen Landtag erfahren hat und verabschiedet worden ist. Es kann also schnell gehen...

Wir werden das Gesetzesvorhaben nach Veröffentlichung der tatsächlichen Änderungen noch einmal eingehend prüfen und gegebenenfalls Verfassungsbeschwerde einlegen.

Bis dahin bleibt uns nur, öffentlich auf die bevorstehende Beschneidung des über viele Jahrzehnte erkämpften Rechts auf Versammlungsfreiheit hinzuweisen und so Druck zu machen."
(Aus dem Aufruf)

Unterstützer der Demonstration
Hier gibt es mehr Infos zur Demo:

http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Ortsgruppen/Hannover/Niedersaechsisches_Versammlungsgesetz/20100811-demo

Gesetzliche Regelung der „Tarifeinheit“: Solidarität per Zwangsverordnung?

Zur Zeit findet in einigen Gewerkschaften eine heftige Diskussion über den Vorstoß von DGB Chef Sommer statt. Dieser will der Bundesregierung gemeinsam mit dem BDA eine Gesetzesvorlage zur Regelung der sogenannten "Tarifeinheit" vorschlagen. Darin soll geregelt werden, dass der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, die die meisten Mitglieder im Betrieb organisiert hat. Die in anderen Gewerkschaften organisierten Beschäftigten sollen so ein Streikverbot auferlegt bekommen. Pech, wenn nicht in jedem Fall eine der DGB Gewerkschaften die Mehrheit stellt und so selbst eine Spartengewerkschaft ist? Oder der klägliche Versuch, statt selbstkritischer Reflexion der Gewerkschaftspolitik der letzten Jahrzehnte die Kritik mit administrativen Maßnahmen abzuwürgen? Offenbar ist man auf höheren gewerkschaftlichen Ebenen zu allem bereit, auch zur Zusammenarbeit mit der Gegenseite, um Widersprüche in der ohnehin gebeutelten Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung nicht solidarisch und durchaus kritisch zu klären, sondern auf sie einzuprügeln. Das hat in diesem Land Tradition, ebenso wie die Erfahrung, dass derartige Maßnahmen immer nur zur weiteren Schwächung der eigenen Kräfte geführt und im Gegenzug eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt hat. Diese ist angesichts der gegenwärtigen Situation jedoch eher ein Sprung aus dem Fenster.

Dagegen regt sich Protest aus diversen gewerkschaftlichen Gliederungen, zum Beispiel in der Fachgruppe Druck und Papier ver.di deren Resolution hier dokumentiert sei:

Resolution der Fachgruppe Verlage, Druck und Papier zur gemeinsamen Initiative von DGB und BDA zur gesetzlichen Regelung der „Tarifeinheit“

Die Fachgruppe Verlage, Druck und Papier lehnt die gemeinsame Initiative von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung der „Tarifeinheit“ ab und fordert den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie auf, dies ebenfalls zu tun -“ mit dem Ziel, dass der DGB zur Verteidigung von Streikrecht und Tarifautonomie zurückkehrt. Entsprechend soll sich auch ver.di als Gesamtorganisation verhalten.

Das Streikrecht ist das wichtigste Grundrecht von Arbeitnehmern. Ohne das Recht auf Streik können Gewerkschaftsmitglieder ihre Interessen nicht durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es keine Tarifautonomie. Tarifverhandlungen würden verkommen zu „kollektivem Betteln“. Streikrecht und Tarifautonomie müssen gegen alle Angriffe von Arbeitgebern und Politik unbedingt und mit allen Mitteln verteidigt werden.

Die Fachgruppe lehnt die BDA-DGB-Initiative ab, weil sie eine neue Form der „Friedenspflicht“ in den Betrieben einführt. Wenn eine Konkurrenzorganisation einen Tarifvertrag abschließt, dann dürfen ver.di-Mitglieder nicht zwangsweise durch Gesetz an diesen Tarifvertrag und dessen Friedenspflichten gebunden werden. Tarifautonomie bedeutet, dass Gewerkschaftsmitglieder nur an die Tarifverträge gebunden sind, die ihre Gewerkschaft abschließt. Selbst wenn eine Konkurrenzorganisation die Mehrheit der Mitglieder in einem Betrieb hat, muss es den ver.di-Mitgliedern möglich bleiben, bessere Tarifverträge mit Streiks durchzusetzen -“ und so die Mitglieder der Konkurrenzorganisation davon zu überzeugen, dass ihre Arbeitnehmer-Interessen mit ver.di besser durchgesetzt werden können. Die von BDA und DGB vorgeschlagene Abschaffung dieser Möglichkeit, verstößt gegen die vom Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie, weil sie das Streikrecht antastet.

Die Fachgruppe lehnt die BDA-DGB-Initiative weiter aus folgenden Gründen ab:

  • Wer in Zeiten der kapitalistischen Krise eine Regierung auffordert, das in 60 Jahren seines unveränderten Bestehens bewährte Tarifvertragsgesetz zu ändern -“ womöglich noch verbunden mit einer Grundgesetzänderung zur Einschränkung des Grundrechts auf Streiks -“ liefert die Tarifautonomie auch künftig allen politischen Begehrlichkeiten der Arbeitgeber und ihrer politischen Parteien aus.
  • Es ist -“ bei aller praktizierten Tarifpartnerschaft -“ ein elementarer Verstoß gegen die gesamte Geschichte, Politik und Kultur der Gewerkschaftsbewegung, sich mit Arbeitgeber-Organisationen über die Ausgestaltung des Streikrechts zu verständigen und hierzu gemeinsam Gesetzesinitiativen von der Politik zu fordern.
  • Für den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie könnte die Initiative schwerwiegende Folgen haben, insbesondere bei den Journalisten in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen wo die Konkurrenzorganisation DJV in vielen Betrieben die Mehrheit der Mitglieder dieser Berufsgruppe stellt.
  • Weder im DGB noch in ver.di gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der BDA-DGB-Initiative Beschlüsse, die den DGB-Vorstand oder den ver.di-Vorstand zu einer solchen Initiative aufgefordert hätten. Gerade bei einer so grundsätzlichen Frage, wie der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung des Streikrechts, die gemeinsam mit den Arbeitgeberorganisationen erhoben wird, hätte es im Vorfeld einer breit angelegten Diskussion in den Gewerkschaftsgremien zur demokratischen Willensbildung bedurft.

Insgesamt ist klar, dass die BDA-DGB-Initiative ein fataler Vorstoß in die falsche Richtung ist. Dem muss mit aller Entschiedenheit innergewerkschaftlich und in der öffentlichen politischen Debatte entgegen­getreten werden. Die Fachgruppe Verlage, Druck und Papier verweist in diesem Zusammenhang auf die vom DGB und allen Einzelgewerkschaften geführte Protestbewegung gegen die 1984 von der damaligen CDU-FDP-Koalition auf Wunsch der Arbeitgeber geänderte Regelung zur Zahlung von Kurzarbeitergeld bei „kalter“ Aussperrung (damals § 116 AFG heute § 146 SGB III).

Berlin, 02. Juli 2010

Einstimmig beschlossen!



Presseerklärung des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zur Ablehnung von drei Kundgebungsanmeldern gegen Bundeswehrgelöbnis

Am 30. Juli findet in Stuttgart ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr im Innenhof des Neuen Schlosses statt. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und politischen Organisationen plant hierzu Gegenaktivitäten. Zu diesem Zwecke wurden mehrere Kundgebungen in der Innenstadt angemeldet.

Zwischenzeitlich wurden drei Anmelderinnen und Anmelder dieser Versammlungen durch das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart als „ungeeignet“ abgelehnt. Obwohl keiner der Betroffenen vorbestraft ist, geschweige denn wegen Vergehen die als „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ geahndet werden verurteilt wurde, verweigern die städtischen Behörden den Kundgebungsanmeldern ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Damit nimmt das Ordnungsamt den geplanten neuen §15,5 des baden-württembergischen Versammlungsgesetzes vorweg. Darin heißt es: „Der Veranstalter hat der zuständigen Behörde auf Anforderung Geburtsdatum und Geburtsort der die Versammlung leitenden Person mitzuteilen. Die zuständige Behörde kann die die Versammlung leitende Person als ungeeignet ablehnen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch ihren Einsatz Störungen der Versammlung oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.“

Davon abgesehen, dass der Entwurf aufgrund breiten Protestes vorläufig in der Schublade des Innenministeriums verschwunden ist wird mit der Verweigerung unserer Ansicht nach in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit eingegriffen. Diese Fälle bestätigen unsere Befürchtung, dass damit Versammlungen unmöglich gemacht werden können. Das Kriterium der „Annahme“ und der „Eignung“ von Veranstaltungsleitern ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und bietet Raum für unzulässige Interpretationen.

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit, ein Zusammenschluss aus über 120 Organisationen, kritisiert dieses Vorgehen und fordert das Ordnungsamt auf dieses versammlungsfeindliche Vorgehen einzustellen.

Thomas Trüten, der Sprecher des Bündnisses, kommentierte die Vorfälle: „Das Stuttgarter Ordnungsamt macht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu einem Privileg, unliebsamen Versammlungsleitern wird es kurzerhand abgesprochen. Dieses Verhalten ist antidemokratisch und grundgesetzwidrig. Das Bündnis für Versammlungsfreiheit solidarisiert sich mit den Betroffenen und ermutigt diese auf juristischem Wege gegen diese Einschränkungen vorzugehen. Der Slogan Ja zur Versammlungsfreiheit -“ Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes ist aktueller denn je.“

Mehr Informationen:
GelöbNix! Bündnis
Blockadebündnis

Die Pressemitteilung als PDF Datei

Gewerkschaft als Krisenmanagement oder als Widerstandsorganisation?

Krisendemo 2006 in Stuttgart
Gewerkschaft als Krisenmanagement oder als Widerstandsorganisation?

am Mittwoch, 14. Juli 2010 um 18:30 Uhr

im DGB-Haus im kleinen Saal

Willi-Bleicher-Straße 20


Wir befinden uns im 3. Jahr der größten Weltwirtschaftskrise seit 1929. Eine breite starke Krisenprotestbewegung wie in anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland noch nicht. Die Mehrheit unserer Gewerkschaftsführungen hier setzen eher auf Lobbyarbeit, Sozialpläne und Krisenmanagement in Co-Managermanier.

Seit 1 ½ Jahren gibt es ein Bündnis Krisenproteste, dem es bis jetzt nur in Ansätzen gelungen ist, Gewerkschaftsgliederungen und betriebliche Akteure einzubeziehen. Trotz erfolgreichen Demonstrationen wie zuletzt am 12. Juni ist es ihm jedoch nicht gelungen, eine breite durchsetzungsfähige Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf unseren Rücken aufzubauen. Wollen wir die Angriffe der Bundesregierung und des Kapitals erfolgreich abwehren, bedarf es starker Gewerkschaften, die nicht auf Konfliktvermeidung und Verzicht setzen, sondern eine kampfstarke Widerstandsfront im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften aufbauen.

Referent: Frank Deppe

Professor für Politikwissenschaft

Wir wollen mit ihm diskutieren über

• die Rolle der Gewerkschaften in der Krise
• die am dringlichsten zu lösenden Aufgaben
• den Stand und die Entwicklung der Kräfteverhältnisse und Schlussfolgerungen daraus
• die Erfahrungen der Gewerkschaftsbewegung aus der Krise 1929


Via Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

Baskische Impressionen 2010 Teil II

Das Palais de Justice in Pau trägt seinen Namen zurecht: Über einer überdimensionierten Freitreppe erheben sich vier Säulen, die das Kapitel des Eingangs tragen - der Palast der Justiz sieht aus wie die Gerichtsgebäude in Hollywoodfilmen oder umgekehrt. Vor dem Eingang lümmeln ein paar Galgenvögel in Polizeiuniformen herum.



Im Eingangsbereich muss man sich ausweisen, egal zu welchem Prozess man will und bevor man die heiligen Hallen Justizias betreten kann, noch durch die sattsam bekannte Sicherheitsschleuse schreiten.
Hier soll heute die erste Anhörung über die Auslieferung von Jon Telleria an Spanien aufgrund eines europäischen Haftbefehls stattfinden.

Jon Telleria ist Mitglied der Jugendorganisation Segi und arbeitet als Journalist. Segi ist in Frankreich legal, weshalb sich auch seine Arbeitskollegen solidarisch erklärten und gegen diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit protestierten.

Die Situation ist völlig paradox: Nach den Massenverhaftungen gegen Segi durch die Guardia Civil vor einigen Monaten in Spanien, bei denen der Großteil der Verhafteten angegeben hat, gefoltert worden zu sein, sind viele Jugendliche in den französischen Teil des Baskenlands geflohen, seither leben und arbeiten sie hier, sie sind nicht illegal. Wer von ihnen aber z.B. in Irun (Spanien) geboren ist, ist nach der verqueren Logik der französischen Justiz Terrorist, wer dagegen in Hendaye (Frankreich) geboren ist, nur "normaler" politischer Aktivist. Der eine wird ausgeliefert, der andere nicht. (Die Städte Irun und Hendaye liegen nur ca. 20 km voneinander entfernt). So leistet die französische Justiz letztendlich Amtshilfe für die spanischen Behörden bei ihrem Bemühen, politische Bewegungen zu illegalisieren.

Die Anhörung im Fall von Jon Telleria findet heute jedenfalls nicht statt. Offizielle Begründung: Die spanischen Behörden haben nicht die von der französischen Justiz geforderten Auskünfte geliefert.

Klar, was sollen sie auch liefern, außer: Alles ist ETA? Aber sie lassen nicht locker. Am 22.6. geht die Auseinandersetzung in die nächste juristische Runde.

Bayonne, 22.6.2010: Die spanische Flagge hängt schlaff an ihrem Masten vor dem spanischen Konsulat. Es ist in einem eher unscheinbaren Appartementhaus untergebracht. In der kleinen Grünanlage davor versammeln sich zunehmend mehr Galgenvögel in Polizeiuniformen - siehe Pau. Auf dem Bürgersteig versammeln sich ihrerseits immer mehr Jugendliche von Segi. "Etre jeune ne pas un crime! No aux mandats d`arret europeen!" (Jung zu sein ist kein Verbrechen! Nein zu den europäischen Haftbefehlen!).



Viele Autofahrer hupen Zustimmung zu diesen Forderungen, die zur Unterstützung für Jon Telleria auf ihrem Transparent stehen. Und ehe die Galgenvögel in Polizeiuniform - eifrig bemüht, das spanische Konsulat zu beschützen - merken, wie ihnen geschieht,hat sich eine Strassenblockade gebildet und bis sie aus ihrer Erstarrung erwachen und zu "polizeilichen Mitteln" greifen wollen, auch schon wieder aufgelöst.

Siehe auch: Baskische Impressionen 2010 Teil I

Zu diesem Thema:

Mumia Abu-Jamal und die Bewegung gegen die Todesstrafe

Schaut man sich die Linkliste des DPIC mit Links zu Initiativen gegen die Todesstrafe in den USA an so wird schnell deutlich dass die Bewegung gegen die Todesstrafe (in den USA) eine inhomogene Gruppe aus den verschiedensten Initiativen ist.

Tatsächlich finden sich neben Riesen wie ai oder Human Rights Watch und den Initiativen vor Ort religiöse Gruppierungen (mit christlichem, jüdischem oder auch buddhistischem Hintergrund), die beiden großen Initiativen von Angehörigen von Mordopfern MVR und MVFHR, internationale Initiativen, Einzelpersonen (wie ich) und auch sog. “Linke- Initiativen, die hauptsächlich um Leben und Freiheit von Mumia Abu-Jamal kämpfen und auf diesem Wege Bewusstsein schaffen und die Todesstrafe bekämpfen.

Wenn auch manche weltanschaulichen Hintergründe nicht wirklich kompatibel sind so eint alle beteiligten Menschen eine Ansicht: Dass die Todesstrafe an sich mehr als nur Unrecht ist und abgeschafft gehört. Ich persönlich empfand diese Vielfalt immer als Bereicherung -“ in letzter Konsequenz kann man nur voneinander lernen und das kann dem gemeinsamen Kampf nur gut tun.

Über das Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal! wurde ich nun auf zwei Blogartikel bzw. einen Vorgang aufmerksam den ich -“ um es vorsichtig auszudrücken -“ erschreckend finde:

Via This Can-™t be Happening:
“On the evening of February 25, participants at the Fourth World Congress Against the Death Penalty in Geneva, Switzerland had assembled from all over the globe for a dramatic Voices of Victims evening. It got more dramatic than they had anticipated though, when suddenly a cell phone rang and Robert R. Bryan, lead defense attorney for Mumia Abu-Jamal, jumped up on the stage to announce that his client had called him from death row in Pennsylvania.

The audience sat in rapt silence as the emcee held the phone up to the microphone. Abu-Jamal, on death row for 28 years after a widely disputed conviction for the murder of Philadelphia police officer Daniel Faulkner, greeted the delegates and then, as he has done on many occasions before, described to them the horrors of life in prison for the 20,000 people around the world who are awaiting execution.

A small group of American death penalty abolitionist leaders, led by Renny Cushing, executive director of Murder Victims-™ Families for Human Rights, stalked out of the hall. Two members of MVFHR, however, remained in the hall: Bill Babbitt, whose brother Manny, a Vietnam vet suffering acute post-traumatic stress disorder, was executed in California; and Bill Pelke, whose grandmother was murdered by a girl whom he later befriended and helped to spare from execution. Babbitt even joined Bryan onstage during Abu-Jamal-™s brief address.

What neither Babbitt nor Pelke, nor Abu-Jamal and his attorney, Bryan, knew at the time was that way back in December, leaders and individual board members of several of the organizations in the US abolitionist movement had signed-“without their full boards-™ or their memberships-™ knowledge-“a “confidential- memorandum, which they then sent to the French organizers of the World Congress, stating bluntly that, “As international representatives of the US abolition movement, we cannot agree to the involvement of Abu-Jamal or his lawyers in the World Congress beyond attendance.-

Purporting to be from “the US members of the Steering Committee- of the World Coalition Against the Death Penalty (though hardly an inclusive list of that committee-™s membership) and titled, “Involvement of Mumia Abu-Jamal endangers the US coalition for abolition of the death penalty,- the memo claimed that the French organizers of the World Congress, Together Against the Death Penalty (ECPM), had arranged to have Abu-Jamal speak “over objection.- The memo further further asserted that the abolitionist movement in the US is trying to “cultivate- the support of the ultra-conservative and staunchly pro-death penalty Fraternal Order of Police (FOP), an organization representing some 35,000 police officers in the US that advocates the execution of Abu-Jamal and all other prisoners convicted of killing of police officers. The FOP, said the memo, has “announced a boycott of organizations and individuals who support Abu-Jamal,- and therefore anything done by the Congress to aid his cause would be “dangerously counter-productive to the abolition movement in the US.-...


“This Can-™t Be Happening- hat das sog. “vertrauliche- Memo veröffentlicht!

Als ich zum ersten Male konnte ich das alles nicht glauben. Nicht zuletzt aufgrund des Kuschelkurses mit dem Fraternal Order of Police. Ich selbst bin gewiss kein Anti-Todesstrafe Aktivist der in allen DOC-Beamten und Polizisten von vornherein den Feind sieht den es zu bekämpfen gilt. Aber mit einer erzkonservativen Polizeiorganisation auf einen derartigen “Annäherungskurs- zu gehen und deswegen einen Todestraktinsassen über die Klinge springen zu lassen bedeutet dem Teufel die Seele zu verkaufen -“ nicht zuletzt deswegen weil Mumia Abu-Jamal ein Unschuldiger ist der wegen der Ermordung eines Polizisten zum Tode verurteilt wurde. Was ist mit den anderen Death Row Inmates, die ebenfalls wegen dieses Verbrechens zum Tode verurteilt wurden, aber nachweißlich schuldig sind? Lässt man sie auch über die Klinge springen?

Wird das bei den Inmates im Todestrakt bekannt (ich weiß nicht, ob ich darauf hoffen soll oder nicht) wird das Vertrauen zu uns AktivistInnen erschüttert. Ich kann nur hoffen -“ und fordere alle AktivistInnen dazu auf -“ dagegen Stellung zu beziehen. Sei es via Twitter, Facebook, Blog oder was auch immer. Nur so können wir das Vertrauen erhalten und nicht zuletzt die Stärke der Bewegung gegen die Todesstrafe erhalten.

Zuerst veröffentlicht unter: Mumia Abu-Jamal und die Bewegung gegen die Todesstrafe

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