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Weiler: Einschüchterungsversuche gegen Mahnwachenteilnehmer und Journalisten - Naziparolen dagegen unproblematisch?

Am vergangenen Freitag, 25.06.2010, fand die monatliche Mahnwache vor dem Nazitreffpunkt „Linde“ in Schorndorf-Weiler statt. Am Protest auf dem Lindenplatz beteiligten sich etwa 40 Personen. Das Ordnungsamt verhängte wiederholt die schikanöse Auflage, dass kein Megafon zum Einsatz kommen dürfe. Somit konnte die Rede zum „NPD-Verbot“ nicht von allen Teilnehmern störungsfrei gehört werden.

Zwei Männer aus dem Umfeld der „Linde“ provozierten Bier trinkend die MahnwachenteilnehmerInnen vom Vorplatz des Nazitreffpunktes aus mit Anpöbeleien und sexistischen Gesten. Mehrere Polizeibeamte unterhielten sich mit den rechtsradikalen Störern und zwei Beamte kamen in der Folge auf eine Teilnehmerin der Mahnwache zu und konfrontierten diese mit dem Vorwurf, dass einer der Störer angegeben hätte, dass ihm von der Teilnehmerin der Mittelfinger gezeigt worden wäre. Eine Anzeige hätte der Mann nicht erstattet, aber der Einsatzleiter bestand dennoch auf die Aufnahme der Personalien der Antifaschistin. Ein Journalist, der dieses Szenario fotografierte, wurde vom Einsatzleiter aufgefordert das weitere Fotografieren zu unterlassen. Nachdem sich dieser weigerte der Aufforderung folge zu leisten, schrieb der Polizeibeamte sich die auf dem Presseausweis angegebenen Daten ab. Durch diese Vorgehensweise sollte der Journalist und die Teilnehmer der Mahnwache eingeschüchtert, und eine kritische Berichterstattung unterbunden werden.

In der Nacht vom vergangenen Samstag auf Sonntag kam es wieder zu erheblichen Nachtruhestörungen durch Besucher des Nazitreffpunkts „Linde“ in Form von lauter Musik, Geschrei und Gegröle von Naziparolen, Huldigungen und Kriegsverherrlichungen. Kurz nach 1 Uhr wurde von Weilermer Bürgern die Polizei angerufen. Nach geraumer Zeit kamen zwei Streifenwagen und zwei Polizisten gingen zur Linde. Nach wenigen Minuten entfernten sich die Polizeibeamten wieder und das Gegröle ging weiter.

Es gilt auch weiterhin: WEILER SCHAUT HIN!

Wir fordern die uneingeschränkte Aufhebung des Beschallungsverbotes auf unseren Mahnwachen und fordern die Polizei dazu auf, die Einschüchterungsversuche gegen Mahnwacheteilnehmer und Journalisten zu unterlassen, sowie die Nachtruhestörungen und das Rufen von Naziparolen zu verfolgen.


Quelle: Pressemitteilung vom 28.06.2010, Weiler schaut hin! e.V.

Lotta #39 erschienen

Titelseite Lotta #38
Dieser Tage erscheint die antifaschistische Zeitung "Lotta" in ihrer 39. Ausgabe.

Schwerpunkt diesmal:

Fußball, Rassismus und extreme Rechte

Außerdem in der Ausgabe:

Interview mit der Antifa Ahrweiler
Bulgarien auf Rechtskurs
Der NS-Völkermord an den Sinti und Roma
Versammlungsfreiheit auch für Neonazis?

"LOTTA"
Am Förderturm 27
46049 Oberhausen
Zur Webseite

Schorndorf - Weiler: Die Mörder sind unter uns...

Das bei der Mahnwache gegen die rechtsradikalen Umtriebe in der „Linde“ in Schorndorf - Weiler gehaltene Referat von Rolf Steiner über den Nazi-Mörder Widmann aus Stuttgart wurde uns vom Autoren freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Wir dokumentieren es hier leicht gekürzt, ergänzt um Fotos von der Mahnwache von Roland Hägele, bei dem wir uns ebenfalls bedanken:

„Die Mörder sind unter uns“ war der erste deutsche Spielfilm der Nachkriegsgeschichte. Regie und Buch stammten von Wolfgang Staudte, der sich sofort nach dem Krieg 1945 mit den verbrecherischen Ereignissen während der Nazizeit auseinandersetzte. Bezeichnenderweise durfte dieser Film erst 1971 in der Bundesrepublik gezeigt werden. Denn er war ja in der damaligen Sowjetzone, in Babelsberg gedreht worden. Zum Ausgleich dafür gab es in der Filmkomödie „Almenrausch und Edelweiß“ 1957 einen aufschreienden Harald Juhnke, der eine Ente vor einem Metzger in Sicherheit bringen will: „Die Mörder sind unter uns!“ rief Juhnke. - Zynisch ist noch ein gelinder Ausdruck, wenn man genau diese Wortwahl in einer Film-Schnulze nachträglich betrachtet.

Die Auseinandersetzung mit dem sog. 3. Reich kam bei uns im Westen nur sehr langsam in Gang. Dabei wäre es das Naheliegendste gewesen, auf die in der Nazizeit auch hier verschwundenen Verwandten, Kinder, Väter und Mütter zu verweisen. Sie wurden im Rahmen der Euthanasie vergast, zu Tode gespritzt oder einfach dem Hungertod ausgesetzt.

Bis Dezember 1940 wurden mindestens 10.654 Kinder, Frauen und Männer aus Württemberg und Hohenzollern, Baden, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen nach Grafeneck bei Reutlingen deportiert und dort gnadenlos ermordet. Ihre Leichen wurden verbrannt, die Asche verstreut, die Spuren ihres Lebens verwischt, die Verbrechen vertuscht. Nichts sollte mehr an die Opfer und an die gewissenlosenTäter erinnern. Doch heute wird -“ gottseidank -“ erinnert. Gestern wurde in Kehl bei Strasbourg eine neue Ausstellung der Diakonie eröffnet. Sie erinnert mit dem Titel „Wohin bringt ihr uns“ an die 113 getöteten psychisch Kranken allein in dieser Stadt -“ verschleppt und umgebracht in Grafeneck.

Die in die USA emigrierte Philosophin und Publizistin Hannah Arendt schrieb 1951: "In der Ideologie des Totalitarismus geschieht folgendes: „Unerwünschte und Lebensuntaugliche lässt man von der Erdoberfläche verschwinden, als hätte es sie nicht gegeben; mit ihnen (im Gegensatz zu Verbrechern!) will man noch nicht einmal ein Exempel statuieren. Die einzige Spur die sie hinterlassen, ist die Erinnerung derer, die sie kannten, liebten und zu deren Welt sie gehörten. Daher gehört es zu den wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der totalitären Polizei, auch diese Spur mit den Toten auszulöschen."
Hannah Arendt, "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", München 1986, S. 898

Diese sogenannte Aktion T4 als Maßnahme der sog. Rassen-Hygiene war die Generalprobe dafür, unerwünschte Menschen zu vernichten", sagt auch der Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung, Prof. Wolfgang Benz. Zitat:

"Von dem württembergischen Grafeneck auf der Reutlinger Alb, ich zitiere
„führte eine direkte Verbindungslinie zum Mord an über 6 Millionen Juden: Das Personal der sogenannten "Aktion T4" baute später die Vernichtungslager in Polen auf." In Auschwitz-Birkenau, in Sobibor, Majdanek, Belzek und Treblinka arbeiteten dieselben Personen, dieselben Verbrecher an führender Stelle."

Einer dieser Verbindungslinien von Stuttgart bis zu den Gaskammern von Auschwitz wollen wir heute folgen: "Schorndorf - Weiler: Die Mörder sind unter uns..." vollständig lesen
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