Howard Zinn erhält posthum den Ridenhour Preis für Courage
Howard Zinn (1922-2010)
Quelle: Howardzinn.org
Quelle: Howardzinn.org
Geboren als Kind einer - obendrein eingewanderten - Arbeiterfamilie begann das Leben von Howard Zinn am 24. August 1922. Seine ersten Lebensjahre waren von relativer Armut geprägt. Während der großen Depression zog seine Familie häufig um. Er witzelte einmal: "Ich lebte in den besten Slums Brooklyn's." Nach der Highschool arbeitete Zinn als Rohrschlosser in der Brooklyner Marinewerft, wo er sich zusammen mit seinen Kollegen gewerkschaftlich organisierte. Während des zweiten Weltkrieges trat er als Bomberpilot dem Army Air Corps bei. Die Erfahrungen, die er dabei machte, bestärkten ihn in seiner Gegnerschaft zum Krieg und weckten gleichzeitig seine Leidenschaft für die Geschichte. Nach dem Krieg konnte Zinn ein Stipendium für GI's nutzen und schrieb sich in die New York University ein. Während dieser Zeit lebten er und seine Frau Roslyn Schecter in billigen Mietwohnungen. Er promovierte in Geschichte an der Columbia University und lehrte dann Geschichte am Spelman College, einem traditionell von schwarzen Frauen besuchten College. Er wurde dort für seine Unterstützung der protestierenden StudentInnen während der Bürgerrechtsbewegung entlassen und wechselte dann zur Politikwissenschaft an der Boston University, bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1988.
Als leidenschaftlicher Aktivist protestierte Zinn gegen die Rassentrennung und den Vietnamkrieg, er warnte vor den Gefahren des Nationalismus in den Jahren nach dem 11. Septermber und kritisierte die US-Intervention im Nahen Osten und rund um den Globus. Seine wissenschaftliche und politische Arbeit verkörpert seine Überzeugung, dass "neutrales Verhalten bedeutet, den Verhältnissen zuzustimmen"
Zinn war Autor zahlreicher Bücher, darunter einer Autobiographie mit dem Titel: "You Can't Be Neutral on a Moving Train" und des Theaterstücks "Marx in Soho" sowie zahlreicher Essays und leidenschaftlicher Erzählungen. Sein Werk "Eine Geschichte des amerikanischen Volkes" wurde mehr als zwei Millionen mal verkauft, und hat "die Perspektive und das Verständnis der Geschichte für eine ganze Generation verändert", wie es sein Freund Noam Chomsky ausdrückte. Er erhielt den "Lannan Foundation Literary Award for Nonfiction" und die Auszeichnung "Eugene V. Debs" für seine Schriften und politischen Aktivitäten im Jahr 1998, und im darauf folgenden Jahr den "Upton Sinclair Award", der für herausragende Leistungen des amerikanischen Bildungssystems vergeben wird.
"In einer solchen Welt der Konflikte, einer Welt der Opfer und Henker, ist es die Aufgabe des denkenden Menschen, wie es Albert Camus forderte, nicht auf der Seite der Henker sein", schrieb Zinn in der Einleitung zu dem Buch. "Ich versuche, die Geschichte von der Entdeckung Amerikas aus der Sicht des Arawaks erzählen, die der Verfassung aus der Sicht der Sklaven, die von Andrew Jackson aus der Sicht der Cherokees ... von dem Aufkommen des Industrialismus wie er durch die jungen Frauen in den Textilfabriken von Lowell gesehen wurde und wie der spanisch-amerikanischen Krieg von den Kubanern erfahren und wie die Schwarzen in Harlem den "New Deal" erlebten."
Seinen Optimismus und die Hoffnung für einen positiven Wandel in der Welt verlor Howard Zinn auch in seinen späteren Lebensjahren nie. In der im Jahr 1980 veröffentlichten "Geschichte des amerikanischen Volkes" warnte er die Leser über die Perspektive, die sie in seinem Buch finden würden: "Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann ist es meiner Ansicht nach, dass wir Schlüsse für die Zukunft nur ohne Verleugnung der Vergangenheit ziehen können. Denn nur durch die Offenlegung jener versteckten Episoden unserer Geschichte, als sich - vielleicht auch nur in kurzen Momenten - die Fähigkeit der Menschen zum organisierten Widerstand zeigte, lässt sich erkennen, was den Erfolg ihrer Kämpfe ausmachte." Fünfundzwanzig Jahre später war er wieder im Spelman College als Gastdozent eingeladen. Er beschrieb die Hoffnungen, die aus den erfolgrreichen Kämpfen der schwarzen Bevölkerung in den 50er Jahren im Süden gegen die Rassentrennung gegenüber den Studenten: "Viele Leute hatten gesagt: Der Süden wird sich nie ändern. Aber er änderte sich. Es kam zu diesen Veränderungen, weil normale Menschen organisiert kämpften und bereit waren Risiken einzugehen, das System herausforderten und dabei auch nicht aufgaben. Das war lebendige Demokratie."
2009 sendete der "History Channel" den Dokumentarfilm "The People Speak", der auf der "Geschichte des amerikanischen Volkes" und dem Ergänzungsband, "Stimmen der Geschichte des amerikanischen Volkes" basierte. Matt Damon, Kerry Washington, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Marisa Tomei, Josh Brolin, Danny Glover und andere unterstrichen in "The People Speak" mit ihrer Stimme die vergessenen Helden Zinn's und zeigte die reiche Geschichte der Klassenkämpfe in der amerikanischen Nation.
Howard Zinn wird der "Ridenhour Preis für Courage" verliehen, weil er mit seinem Werk entschlossen dazu beitrug, die verborgenen Helden der sozialen Bewegungen im Laufe der Geschichte zu erhalten, für seine Weigerung zu akzeptieren, dass Geschichte nur die Geschichte von den Mächtigen und Siegreichen ist, für seinen unerschütterlichen Glaube an die Möglichkeit einer besseren Welt, für seine unerschütterliche Moral im Kampf gegen gesellschaftliche Irrungen, seinen Kampf darum, seine Studenten zu lehren, dass sie nur gemeinsam die Demokratie lebendig machen können. Mit den Worten seiner ehemaligen Schülerin Alice Walker: "Seinen Weg des Widerstandes zu gehen."
Anmerkung: Im Jahre 1969 schrieb der Vietnam-Veteran Ron Ridenhour einem Brief an den Kongress und das Pentagon, in dem er die Ereignisse in My Lai beschrieb. In dem berüchtigsten Massaker im Vietnam-Krieg wurden 503 vietnamesische Zivilisten ermordet. Die Veröffentlichung markierte eine Wende in der öffentlichen Meinung zum Vietnamkrieg und trug entscheidend zur Mobilisierung der Antikriegsbewegung bei. Der nach ihm benannte Preis wird seit einigen Jahren an herausragende Persönlichkeiten verliegen.
Quelle: Eigene Übersetzung des Originalbeitrages
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Mehr über Howard Zinn:
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