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Esslingen: Hörsaal H4 am HZE ist ab sofort besetzt!

Folgende Presseerklärung der heutigen Studierendenvollversammlung des Esslinger Hochschulzentrums veröffentlichen wir gerne und sind solidarisch:

Im Juni 2009 gingen 270.000 Menschen auf die Straße um gegen die unzumutbaren Zustände im Bildungssystem zu demonstrieren. Unter ihnen waren nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende, SchülerInnen, Azubis und ErzieherInnen.

Die Forderungen dieser ersten Demonstrationswelle wurden bislang in keinster Weise erfüllt. Lediglich Pseudo-Zugeständnisse und Lippenbekenntnisse wurden ausgesprochen. Im Moment sind bereits deutschlandweit in über 60 Universitäten und Fachhochschulen Hörsäle besetzt. Bundesweit sind fast wöchentlich Demonstrationen an der Tagesordnung. Im Zuge dessen fand am vergangenen Samstag, den 21.11.2009 eine Demonstration in Stuttgart statt, an der sich über 8000 Demonstranten beteiligten, darunter auch viele Studierende der Hochschule Esslingen.

Diese Demonstration richtete sich in erster Linie gegen die katastrophale Notlage des bundesweiten Bildungssystems. Die Auswirkungen dessen sind an der Hochschule Esslingen bereits deutlich spürbar und nicht länger hinnehmbar. Diese desolaten Zustände, hervorgerufen durch die verfehlte Landespolitik, manifestieren sich bspw. in der akuten Raumnot, vor allem am Hochschulzentrum in der Flandernstraße. Außerdem bereiten fehlende Mitbestimmung und fehlende Wahlmöglichkeiten den Studierenden zunehmend Schwierigkeiten. Es kann nur noch nach einem stur festgelegten Schema gelernt und gelehrt werden. Eigene persönliche Interessen und Fähigkeiten können nicht mehr angemessen eingebracht und gefördert werden. Selbstverwirklichung ausgeschlossen! Durch die Einführung des Bachelor-/Mastersystems entstand zusätzlich ein viel zu hoher Workload, der von den Studierenden nicht mehr bewältigt werden kann. Viele Studierende sind überlastet, da sie zusätzlich arbeiten müssen um ihr Studium zu finanzieren.

Doch nicht nur die Bedingungen für die Studierenden, sondern auch die Verhältnisse, unter denen Lehrende sowie Verwaltungskräfte leiden, müssen schnellstmöglich verbessert werden. Durch den ernormen Zeitdruck, den der Bologna-Prozess mit sich bringt, mutiert die eigentlich freie, kritische Lehre zu einem Fließbandprodukt ohne Entfaltungsspielraum für Dozierende und Studierende. Den Lehrenden muss die Möglichkeit gegeben werden, aus ihrem Beruf wieder eine Berufung zu machen.
Bei den Studierenden besteht das Bewusstsein, dass die Hochschule Esslingen, durch das Land Baden-Württemberg, zu diesen Sparmaßnahmen und durch den Bologna-Prozess zu den Bildungskürzungen gezwungen wird. Gerade deshalb sehen wir in unserem, sowie im Interesse aller Mitarbeitenden der Hochschule Esslingen, eine Besetzung als einziges probates Mittel unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Aus diesem Grunde hat die heutige außerordentliche Studierendenvollversammlung beschlossen:

Der Hörsaal H4 am HZE ist ab sofort besetzt!

Vorläufige Forderungen:


1. Abschaffung aller Bildungsgebühren vom Kindergarten bis zur Hochschule, sowie die Unterstützung/Förderung eines/r jeden Studierenden durch elternunabhängiges BaföG!
2. Mehr Demokratie und Mitbestimmung der Lehrinhalte durch ein Kräftegleichgewicht in Gremien sowie mehr Wahlfreiheiten im Studium!
3. Uneingeschränkter und notenunabhängiger Zugang zu Masterstudienplätzen für alle BachelorabsolventInnen!
4. Eine überarbeitete Umsetzung des Bologna-Prozesses
5. Die Einführung eines Studieneignungstests ab 2011 verhindern!
6. Eine Entlastung der ProfessorInnen, Lehrbeauftragten und MitarbeiterInnen der Hochschulen durch mehr bezahlte Vor- / Nachbereitungs- und Betreuungszeit der Lehrbeauftragten, und deren höhere Vergütung. Darüber hinaus die Anstellung von mehr ProffessorInnen und MitarbeiterInnen, um diese Entlastung zu gewährleisten!

Wir haben unseren Rektor aufgefordert diese basisdemokratische studentische Entscheidung zu respektieren und mit uns in Dialog zu treten um gemeinsam gegen die Bildungspolitik zu kämpfen.

Wir bitten Sie in Ihrer Aufgabe als Informationsmedium, die Bürgerinnen und Bürger über unser Anliegen durch Veröffentlichung zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen,

das Referat Öffentlichleit
im Auftrag des AK Bildungsstreik Esslingen


Siehe auch:

• Bildungsstreik Stuttgart: Tausende bei Kundgebung und Demonstration (Protestdemo in Stuttgart Mittwoch, 17. Juni 2009)
• Stuttgart: Mehrere tausend Teilnehmer bei Bildungsstreikdemo (Sonntag, 22. November 2009)

Bildungsstreik: Der Beginn einer neuen „Studentenbewegung“?

Hörsaalbesetzung K2 UNI Stuttgart Foto: Roland Hägele
In vielen Städten in Deutschland fanden heute Bildungsstreikdemos statt. Letztes Jahr waren es am knapp 100.000, im Sommer dieses Jahres dann über 200.000. Zwar gingen heute insgesamt weit weniger Studis und vor allem SchülerInnen auf die Straßen, doch die Forderungen änderten sich im Vergleich kaum, was vor allem an dem notorischen Nichtre(a)gierens der Herrschenden liegt. Auffällig jedoch, dass die Methoden radikaler und konkreter werden. An mittlerweile unzähligen Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen werden seit Tagen Hörsäle besetzt, täglich kommen neue hinzu. Die großen Tageszeitungen fragten fast alle einträchtig in den letzten Tagen, ob das der Beginn einer neuen „Studentenbewegung“ sei.

Auf der Berliner Demo wurde heute mehrmals gerufen „Streik in der Schule, Streik in der Fabrik -“ Das ist unsere Antwort auf diese Politik“. Außerdem kamen einige GebäudereinigerInnen, um sich erstens für die Solidarität in ihrem Kampf vor einigen Wochen zu bedanken, und sich zweitens ihrerseits solidarisch zu erklären.

Wenn es gelänge, eine breite solidarische Allianz der „Unzufriedenen“ auf die Beine zu stellen, könnten sich die Hoffnungen oder Befürchtungen der deutschen Tageszeitungen bestätigen. Wichtig wären jedoch gemeinsame konkrete Forderungen. Größere Demonstration, Aktionen zivilen Ungehorsams und besetzte Unis sind zwar alles Anzeichen für steigende Wut, aber nicht mehr als ein ganz kleiner Anfang. Aus der kurzen und unkontrollierten Wut muss eine lange und konkrete werden, die dann wirklich bedrohlich für die Herrschenden erscheint. Das kann nur gelingen, wenn gezielt nach den Widersprüchen gesucht wird, die aus der derzeitgen gefühlten Unterdrückung eine bewusste macht. Dabei gilt es, grundlegende Strukturen in Frage zu stellen.

Es reicht nicht aus, mehr Geld für Bildungs und die Abschaffung von Studiengebühren zu fordern. Das alles erscheint denen, die es treffen soll, kaum bedrohlich. Bedrohlich wirken solche Aktionen erst dann, wenn sie die herrschenden Regeln fundamental angegreifen. Wird weiterhin nur das momentan Mögliche gefordert, bewegen wir uns immer weiter weg vom einst geforderten Unmöglichen. Die Spirale muss durchbrochen werden, das geht nur mit eigenem entschlossenem Handeln.
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